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Was nicht zu Geld zu machen ist, fliegt raus: Über die umstrittene Verknüpfung von Game Design und Monetarisierung in Computerspielen

Was nicht zu Geld zu machen ist, fliegt raus: Über die umstrittene Verknüpfung von Game Design und Monetarisierung in Computerspielen

Ein Beitrag von Lies van Roessel

8. Oktober 2025

Die Games-Industrie experimentiert schon seit den kommerziellen Anfängen in den 1980er-Jahren mit unterschiedlichen Monetarisierungsmodellen. An sich nichts Neues, verwandelten doch schon im 19. Jahrhundert boomende Brettspielunternehmen ein gemeinfreies Kulturgut erfolgreich in eine proprietäre Ware.1Stenros, J., & Sotamaa, O. (2009). Commoditization of helping players play: Rise of the service paradigm. DiGRA ’09 – Proceedings of the 2009 DiGRA International Conference, 5. Als digital-born Industrie verfügte die Computerspiele-Branche direkt über vielfältigere Monetarisierungsmöglichkeiten als ihr analoges Pendant. Allerdings konnten Spiele und Spielkonzepte im digitalen Bereich auch relativ einfach von anderen kopiert werden. Nicht verwunderlich ist deswegen, dass erste kommerzielle Erfolge von digitalen Spielen wie Pong (Atari, 1972) mit Konflikten um Urheber- und Verwertungsrechte einhergingen.2 Katzenbach, C., Herweg, S., & Roessel, L. van (2016). Copies, Clones, and Genre Building: Discourses on Imitation and Innovation in Digital Game. International Journal of Communication, 10, 838–859; Kent, S. L. (2001). The ultimate history of video games: From Pong to Pokémon and beyond the story behind the craze that touched our lives and changed the world (1st ed). Three rivers press.

Bezahlen für virtuelle Güter

Von den 1980er- bis in die 2010er-Jahre etablierten sich sukzessive grob fünf verschiedene Einnahmemodelle: Arcades, also Spielhallen bzw. -automaten, Einzelhandel, digitale Distribution, Abonnements und virtuelle Güter.3Dreunen, J. van (2011). A business history of video games: Revenue models from 1980 to today. Proceedings of The Game Behind the Video Game: Business, Regulation, and Society in the Gaming Industry, 8–9 (Die Studie von Van Dreunen 2011 bezieht sich auf die für den europäischen Markt dominante US-amerikanische Games-Branche);
Kerr, A. (2021). The Circulation Game. Shifting Production Logics and Circulation Moments in the Digital Games Industry. In P. McDonald, C. B. Donoghue, & T. Havens (Eds.), Digital media distribution: Portals, platforms, pipelines (pp. 107–125). New York University Press. Die Einnahmemodelle sind nicht als sich gegenseitig ausschließend zu verstehen, sondern können auch parallel auftreten.
Letztere beide Modelle – Abos und virtuelle Güter – waren ­auch eine Antwort auf das unerlaubte Kopieren, denn man erwirbt bei diesen Modellen nicht ein einmaliges Produkt, das man als Kopie auch illegal erwerben könnte. Stattdessen zahlen Spieler:innen im Abo immer wieder für den Spielzugriff oder, im Falle von virtuellen Gütern, für digitale Zusatzgegenstände innerhalb des Spiels, wie Extrazüge, Schmuck oder Booster.4Booster verleihen der Spieler:in einmalig einen Vorteil im Spiel, etwa in Form eines ‚Power-Up‘ der die Spieler:in vorübergehend stärker macht

Nacheinander entwickelt, existieren die Einnahmemodelle heute Seite an Seite, aber die Schwerpunkte haben sich verlagert. Nach einigen Jahrzehnten, in denen der Einmalkauf von Games auf physischen Datenträgern im Einzelhandel den Markt prägte, ist heute, vor allem im mobilen Bereich, das Modell mit dem Verkauf von virtuellen Gütern, oder In-Game-Käufen, zunehmend dominant5game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. (2024). Jahresreport der deutschen Games-Branche 2024. Games mit virtuellen Gütern kombinieren dies oft mit dem Ausspielen von Werbung, bei der Spielerinnen auf eine indirekte Art, nämlich mit ihrer Aufmerksamkeit, für das Spielen ‚bezahlen‘. Diese Art der Monetarisierung, bei der das Spiel anfangs kostenlos spielbar ist, dann aber über den Verkauf von Zusatzinhalten (mittels sogenannter Mikrotransaktionen6Siehe hierzu auch die Folge des ZEVEDI-Podcasts Digitalgelddickicht, Staffel 2, Folge 3: Kleines Geld, große Wirkung? – Mikrotransaktionen im Gaming, mit Lies van Roessel als Expert:in, 2. Mai 2025) und/oder das Schalten von Werbung Umsatz generiert, wird auch als Free-to-play (F2P) oder Freemium bezeichnet

Ein Spiel auf einem Handy, mit Einkaufszeichen am unteren Rand, aber als kostenlos (free) gekennzeichnet

Der große Erfolg von Freemium-Spielen wird mit ermöglicht durch das an Dominanz gewinnende Games-as-a-Service-Paradigma (GaaS).7Dieses Modell beschränkt sich nicht auf digitale Spiele, sondern betrifft etwa auch Software (Software-as-a-Service), Musik (Streamingdienste wie Spotify) und TV bzw. Serien (Netflix etc.). Das Service-Format ist aber bei Spielen besonders früh aufgegriffen worden. Vorangetrieben durch immer breiter verfügbares und schnelleres Internet, besagt der Begriff Games-as-a-Service, dass man das Spiel nicht mehr als Produkt, etwa auf einem Datenträger oder als Software-Anwendung auf dem eigenen Gerät mit unbegrenztem Zugang besitzt, sondern dass man das Spiel nur über eine Internetverbindung als externen Dienst (also Service) nutzen kann. Für diesen Zugang muss immer aufs Neue bezahlt werden, etwa durch die genannten Abos oder Mikrotransaktionen. Das GaaS-Format hat sowohl In-Game-Käufen als auch werbebasierten Monetarisierungsmodellen einen Boost verliehen und in der Spielentwicklung sogar neue Rollen hervorgebracht: Zu den üblichen Designer:innen, Programmierer:innen und Game Artists gesellen sich nun Datenanalyst:innen, die dauernd Spieldaten überwachen, auswerten und optimieren, sowie Community Manager:innen, die sich, oft rund um die Uhr, um den Austausch mit den Spielenden kümmern.8Dubois, L.-E., & Weststar, J. (2021). Games-as-a-service: Conflicted identities on the new front-line of video game development. New Media & Society, 1–22, https://doi.org/10.1177/1461444821995815;
Kerr, A. (2021). The Circulation Game. Shifting Production Logics and Circulation Moments in the Digital Games Industry. In P. McDonald, C. B. Donoghue, & T. Havens (Eds.), Digital media distribution: Portals, platforms, pipelines (pp. 107–125). New York University Press;
Roessel, L. van, & Švelch, J. (2021). Who Creates Microtransactions: The Production Context of Video Game Monetization. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies. Amsterdam University Press.

Das Wechselspiel zwischen Monetarisierung und Spielprinzipien

Die Formate, mittels derer die Games-Branche Geld verdient, beeinflussen aber nicht nur, welche Rollen in die Entwicklung involviert sind. Sie haben auch – und hatten schon immer – einen Einfluss auf das Game Design, also die Regeln, das Spielkonzept und die Spielprinzipien.

Beispielsweise beruhte bereits ein sehr frühes Einnahmemodell, nämlich die obengenannten Arcade-Games, auf Mikrotransaktionen. Auch Coin-up genannt, ging es bei diesem Modell darum, immer wieder Kleingeld (oder eine Münze bzw. Coin) für den nächsten Spieldurchgang zu bezahlen, meist mit dem Versuch, es in die Bestenliste zu schaffen oder gar den Highscore zu knacken. Die Spiele mussten entsprechend ‚endlos‘ entworfen werden: Um immer wieder zum Bezahlen angeregt zu werden, sollte man solche Spiele im Grunde genommen nicht gewinnen oder ganz durchspielen können. Die Monetarisierung qua kontinuierlichem Kleingeldeinwurf bedeutete zudem kurze Spieldurchgänge, weswegen der Einstieg niedrigschwellig sein musste; längere Tutorials standen außer Frage.

Hier bietet sich die Parallele zum Design der heutigen F2P-Spiele an, schon da diese ebenfalls auf Mikrotransaktionen basieren. F2P-Spiele bauen mitunter bewusst langwierige Passagen, etwa des Grinding9Grinding bezeichnet das Ausführen sich wiederholender, meist eher uninteressanter Aufgaben, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. ein, damit sich die Spieldauer künstlich – oder, wie ihnen oft vorgeworfen wird, unnötig – verlängert.10Chew, M. M. (2016). Contested Reception of the Free-To-Play Business Model in the North American Video Game Market. In A. Fung (Ed.), Global Game Industries and Cultural Policy (pp. 227–249). Springer International Publishing, https://doi.org/10.1007/978-3-319-40760-9_11;
Švelch, J. (2017). Playing with and against Microtransactions: The Discourses of Microtransactions Acceptance and Rejection in Mainstream
Die Spielenden müssen in diesem Fall, anders als bei den Arcade-Games, jedoch nicht für die Verlängerung, sondern eben für die Verkürzung der Spieldauer bezahlen (auch bezeichnet als Pay-to-skip). Bei F2P-Spielen im sogenannten Match-Three-Genre (das bekannteste Beispiel ist wohl Candy Crush Saga von King), in denen man von Level zu Level fortschreitet, müssen die Designer:innen außerdem sicher gehen, dass es ausreichend Anreize zum Kauf von zusätzlichen Spielzügen gibt – sprich, dass manche Level so schwierig sind, dass man sie ohne die Extrazüge kaum schaffen kann. Bei solchen Casual Mobile Games, gedacht für Gelegenheitsspieler:innen, ist der Einstieg außerdem oft sehr niedrigschwellig: Die Spieler:in wird ganz schnell ins Spiel gezogen und direkt für einfache erste Schritte gelobt, damit später die Zahlungsbereitschaft größer ist.

Aber auch bei Spielen, die sich durch Abonnements finanzieren ­– beispielweise dem genreprägenden World of Warcraft (Blizzard Entertainment, 2004), einem Massively Multiplayer Online Roleplaying Game – muss das Spiel so entworfen sein, dass man das Spiel nicht in einigen Stunden durchspielen kann oder das Narrativ irgendwann abgeschlossen ist. Schließlich muss sich die wiederholte Bezahlung der Gebühren für die Spielenden lohnen. Der Einstieg darf allerdings bei diesen Spielen aufgrund der längeren Spieldauer –voraussichtlich an einem PC zuhause statt unterwegs am Handy – anspruchsvoller sein als bei den Casual Mobile Games.

Clones und Reskins als ressourcenschonende Spielentwicklung

Eine andere Art, Game Design und Einnahmemodell zu verknüpfen, ist das Setzen auf bewährte Spielprinzipien. In sogenannten Clones oder Reskins nimmt dies teils extreme Formen an: lediglich Grafiken werden ausgetauscht, während das Spiel im Grunde genommen das Gleiche bleibt. Das ist vor allem bei Spielen für mobile Endgeräte gang und gäbe.11Roessel, L. van, & Katzenbach, C. (2020). Navigating the grey area: Game production between inspiration and imitation. Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, 26(2), 402–420. https://doi.org/10.1177/1354856518786593. Es spart den Entwickler:innen massiv Ressourcen: Spielprinzipien müssen nicht von Grund auf neu konzipiert werden und die aufwändige iterative Spielentwicklung, bei der im Idealfall diverse Prototypen mehrmals mit der Zielgruppe getestet werden, entfällt.

Es zeigt sich: Im Entwicklungsprozess werden häufig von vornherein bestimmte Spielprinzipien ausgeschlossen, wenn diese sich schwierig in monetären Gewinn ummünzen lassen oder sich als zu kostspielig und aufwändig in der Produktion darstellen; man bevorzugt eben die besser ‚monetarisierbaren‘ Spielmechaniken. Insbesondere beim F2P- bzw. Games-as-a-service-Modell prägt die Monetarisierung das Game Design und den Entwicklungsprozess stark aufgrund der engen Verknüpfung von Spielprinzipien und Mikrotransaktionen.12Roessel, L. van (2022). Thinking Monetization into the Loop. On the Production Context of Free-to-play Games [PhD Thesis, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg], https://opendata.uni-halle.de/bitstream/1981185920/87963/1/vanRoessel_Dissertation_2022.pdf.

Kontroverse Geschäftsmodelle

Zwar war dieser Einfluss verschiedener Verwertungsstrategien auf das Game Design immer schon Teil der Games-Branche, er stand aber gleichzeitig schon oft in der Kritik. Im Vergleich zu anderen Medienindustrien wie Film oder Fernsehen ist die Community der Gamer:innen eine sehr mündige und laute. Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass Spielende schon früh vernetzt waren, auf Foren und später über soziale Medien Kritik an ihren Lieblings-Games geäußert haben und sich oft stark mit den von ihnen gespielten Titeln identifizieren. Die lautstarken Proteste der Gamer Community haben in einigen Fällen sogar zu Veränderung geführt.13Stang, S. (2019). “This Action Will Have Consequences”: Interactivity and Player Agency. Game Studies, 19(1). Die Notwendigkeit der obengenannten Community Manager:innen hängt mit der Tatsache zusammen, dass Gamer:innen sich öffentlich zu den Spielen äußern und austauschen.

So wurden die wenig originellen Spielprinzipien der AAA Blockbuster-Games, wo erfolgreiche Franchises immer wieder auf die gleichen Spielprinzipien setzen, um den Verkauf der teuren Konsoles voran zu treiben, für ihre innovationshemmende Wirkung kritisiert.14Nieborg, D. B. (2014). Prolonging the Magic: The political economy of the 7th generation console game. Eludamos. Journal for Computer Game Culture, 8(1), 47–63.

In jüngerer Zeit waren die sogenannten Lootboxen, die potenziell hilfreiche und begehrte Items für das Spiel enthalten ­– was man allerdings erst nach dem Kauf der Kiste erfährt – mit ihren glückspielähnlichen Mechaniken besonders umstritten.15Nielsen, R. K. L., & Grabarczyk, P. (2019). Are Loot Boxes Gambling? Random Reward Mechanisms in Video Games. Transactions of the Digital Games Research Association, 4(3), https://doi.org/10.26503/todigra.v4i3.104. Lootboxen gerieten vor allem dann in die öffentliche Kritik, als sie in Premiumspielen eingeführt wurden, also in Spielen, die zusätzlich im Voraus bezahlt werden mussten, wie beispielweise Battlefront II (Electronic Arts, 2017), was daraufhin sogar floppte.16Perks, M. E. (2021). Regulating In-Game Monetization: Implications of Regulation on Games Production. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies (pp. 217–233). Amsterdam University Press.

Ebenso kontrovers ist das verpönte Pay-to-win bei F2P-Spielen, wo man den Fortschritt im Spiel direkt kaufen kann, anstatt sich diesen ‚fair‘ zu erspielen. Fest verwurzelte kulturelle Überzeugungen, etwa, dass Spiele im Prinzip allen Teilnehmenden die gleichen Gewinnchancen bieten sollten, und man seine Fähigkeiten hauptsächlich durch viel Übung und Engagement verbessern sollte, spielen in solchen Debatten eine große Rolle.17Roessel, L. van (2024). Pay-to-Skip statt Pay-to-Win: Wie Entwickler:innen von Free-to-Play-Spielen Monetarisierungsmechanismen beurteilen und rechtfertigen. In T. Spies, S. Kurt, & H. Pötzsch (Eds.), Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus (1st ed., Vol. 5, pp. 133–152). transcript Verlag, https://doi.org/10.14361/9783839467978-008 Vor allem in den frühen 2010-er Jahren, als F2P-Spiele rasch den Markt eroberten und die mobilen App-Stores überfluteten, wurde die Debatte über die ethische Vertretbarkeit des F2P-Modells innerhalb und außerhalb der Games-Branche heftig geführt. Ein anderer viel gehörter Vorwurf betrifft das vermeintlich auf Sucht zielende Game Design der F2P-Spiele, das Spielende mittels sogenannter Dark Design Patterns18Zagal, J. P., Björk, S., & Lewis, C. (2013). Dark Patterns in the Design of Games. FDG. zu wiederholter Tätigung von Mikrotransaktionen verführen sollte.19Chew, M. M. (2016). Contested Reception of the Free-To-Play Business Model in the North American Video Game Market. In A. Fung (Ed.), Global Game Industries and Cultural Policy (pp. 227–249). Springer International Publishing, https://doi.org/10.1007/978-3-319-40760-9_11.

Unterschiedliche Erwartungen der Spieler:innentypen

Inzwischen entwickelt sich die schnelllebige Branche im Bereich der Einnahmemodelle dauernd weiter, unter anderem mithilfe der Auswertung von großzügig gesammelten Spielerdaten im Games-as-a-service-Modus. Monetarisierungsexpertise ist dabei auch zunehmend ein Bereich, den Entwicklungsteams bzw. Games-Publisher abdecken müssen neben Design, Graphics und Programmieren.20Roessel, L. van, & Švelch, J. (2021). Who Creates Microtransactions: The Production Context of Video Game Monetization. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies. Amsterdam University Press.

Es hat sich herausgestellt, dass die ideale Verknüpfung von Monetarisierung und Game Design je nach Game-Genre und Plattform variiert – nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Akzeptanz der verschiedenen Zielgruppen. So ist es bei sogenannten Hyper Casual Games, die, in der Regel auf mobilen Endgeräten, auf sehr kurzen und niedrigschwelligen Spieldurchgängen basieren, üblich, dass Spielende die Unterbrechung des GameFlow durch Werbung akzeptieren. Im Gegenteil wird bei den bezahlten AAA-Games auf Spielkonsole oder PC die diegetische, also direkt in die Spielwelt eingebettete, Werbung, etwa in Form von Product Placement, als weniger störend empfunden.

Entwickler:innen unter Rechtfertigungszwang

Was für die Entwicklungsstudios zunehmend als Aufgabe dazugehört, schon aufgrund der Kontroversen und der lauten Stimme der Spielenden, ist die Rechtfertigung der verschiedenen Monetarisierungsmodelle gegenüber den Spielenden und der Öffentlichkeit. Dem Vorwurf, sie hätten es auf den kleinen Anteil an Spielenden abgesehen, die sehr viel Geld in ihren Spielen ausgeben (sogenannte Wale), setzen sie entgegen: Für solche Spieler:innen seien die Freemium-Games schlichtweg Hobbys, in die sie bewusst und freiwillig viel Zeit und Geld investieren. Jemand, der sich teures Golf-Equipment zulegt, würde man auch nicht als süchtig bezeichnen, so die Logik der Entwickler:innen.21Roessel, L. van (2024). Pay-to-Skip statt Pay-to-Win: Wie Entwickler:innen von Free-to-Play-Spielen Monetarisierungsmechanismen beurteilen und rechtfertigen. In T. Spies, S. Kurt, & H. Pötzsch (Eds.), Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus (1st ed., Vol. 5, pp. 133–152). transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839467978-008.

Auch gibt es direkte Mitteilungen der Entwicklungsstudios an die Spielenden, in denen sie über die Art der Monetarisierung aufklären und die Menschen und ihre Arbeit dahinter betonen, teilweise sogar in-game. Das F2P-Spiel Text Express (Story Giant Game, 2022) beispielsweise zeigt während der Ladevorgänge Screens, auf denen einer der Spielcharaktere Tipps gibt. Einer ihrer „Tipps“ lautet „Watching ads supports the team“ („Das Anschauen von Werbung unterstützt das Team“). In diesem Beispiel wird also die Werbung als selbstverständlicher Bestandteil des Spiels unterstrichen und ihre Funktion erläutert.22Im Spiel ist die Werbung auf verschiedene Weisen integriert. Man kann sich freiwillig Werbung, also als opt-in anschauen, um bestimmte Vorteile im Spiel zu erwerben. Daneben gibt es Werbung, die automatisch und unaufgefordert ausgespielt wird, die man aber mit einer Einmalzahlung dauerhaft ausschalten kann. Die Wortwahl „unterstützt das Team“ betont außerdem, dass die Werbeeinnahmen den Entwickler:innen (also dem Team) zugutekommen, die für ihre kreative Arbeit entlohnt werden müssen. Ähnliches findet sich im Strategiespiel After Inc. (Ndemic Creations, 2024), in dem die Option, mit einmal zahlungspflichtig alle Werbung aus dem Spiel zu entfernen, begleitet wird vom Text: „Das Entfernen aller Werbung aus dem Spiel ist ein Premium-Feature. Damit wird meine Arbeit am Spiel unterstützt.“ Diese Beispiele zeigen, dass sich Entwicklungsstudios Gedanken darüber machen (müssen), wie ihr Monetarisierungsmodell auf die Spielenden wirkt, um sich vor einer möglicherweise negativen Rezeption dieses Modells zu bewahren.

Fazit und Ausblick

Die hier skizzierten technischen, kommerziellen und kulturellen Zusammenhänge zwischen Design und Monetarisierung in der Games-Branche sind historisch gewachsen. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich das dynamische und komplexe Ökosystem der Branche weiterentwickelt und welche neuen (Misch)Formen der Einnahmemodelle es geben wird. In der Games-Branche steht aber fest, dass die Monetarisierungstechniken auch in Zukunft zwischen Spielenden und Games verhandelt und gerechtfertigt werden müssen.

Redaktionelle Notiz
Bei Interesse zu weiterer Lektüre empfiehlt sich der folgende Artikel (Open Access):

Lies van Roessel (2024): Pay-to-Skip statt Pay-to-Win: Wie Entwickler:innen von Free-to-Play-Spielen Monetarisierungsmechanismen beurteilen und rechtfertigen, in: T. Spies, S. Kurt, & H. Pötzsch (Hsg.): Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus (1st ed., Vol. 5), transcript Verlag, pp. 133–152,
https://www.transcript-open.de/doi/10.14361/9783839467978-008.

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Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

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    Stenros, J., & Sotamaa, O. (2009). Commoditization of helping players play: Rise of the service paradigm. DiGRA ’09 – Proceedings of the 2009 DiGRA International Conference, 5.
  • 2
    Katzenbach, C., Herweg, S., & Roessel, L. van (2016). Copies, Clones, and Genre Building: Discourses on Imitation and Innovation in Digital Game. International Journal of Communication, 10, 838–859; Kent, S. L. (2001). The ultimate history of video games: From Pong to Pokémon and beyond the story behind the craze that touched our lives and changed the world (1st ed). Three rivers press.
  • 3
    Dreunen, J. van (2011). A business history of video games: Revenue models from 1980 to today. Proceedings of The Game Behind the Video Game: Business, Regulation, and Society in the Gaming Industry, 8–9 (Die Studie von Van Dreunen 2011 bezieht sich auf die für den europäischen Markt dominante US-amerikanische Games-Branche);
    Kerr, A. (2021). The Circulation Game. Shifting Production Logics and Circulation Moments in the Digital Games Industry. In P. McDonald, C. B. Donoghue, & T. Havens (Eds.), Digital media distribution: Portals, platforms, pipelines (pp. 107–125). New York University Press. Die Einnahmemodelle sind nicht als sich gegenseitig ausschließend zu verstehen, sondern können auch parallel auftreten.
  • 4
    Booster verleihen der Spieler:in einmalig einen Vorteil im Spiel, etwa in Form eines ‚Power-Up‘ der die Spieler:in vorübergehend stärker macht
  • 5
    game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. (2024). Jahresreport der deutschen Games-Branche 2024.
  • 6
    Siehe hierzu auch die Folge des ZEVEDI-Podcasts Digitalgelddickicht, Staffel 2, Folge 3: Kleines Geld, große Wirkung? – Mikrotransaktionen im Gaming, mit Lies van Roessel als Expert:in, 2. Mai 2025
  • 7
    Dieses Modell beschränkt sich nicht auf digitale Spiele, sondern betrifft etwa auch Software (Software-as-a-Service), Musik (Streamingdienste wie Spotify) und TV bzw. Serien (Netflix etc.). Das Service-Format ist aber bei Spielen besonders früh aufgegriffen worden.
  • 8
    Dubois, L.-E., & Weststar, J. (2021). Games-as-a-service: Conflicted identities on the new front-line of video game development. New Media & Society, 1–22, https://doi.org/10.1177/1461444821995815;
    Kerr, A. (2021). The Circulation Game. Shifting Production Logics and Circulation Moments in the Digital Games Industry. In P. McDonald, C. B. Donoghue, & T. Havens (Eds.), Digital media distribution: Portals, platforms, pipelines (pp. 107–125). New York University Press;
    Roessel, L. van, & Švelch, J. (2021). Who Creates Microtransactions: The Production Context of Video Game Monetization. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies. Amsterdam University Press.
  • 9
    Grinding bezeichnet das Ausführen sich wiederholender, meist eher uninteressanter Aufgaben, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen.
  • 10
    Chew, M. M. (2016). Contested Reception of the Free-To-Play Business Model in the North American Video Game Market. In A. Fung (Ed.), Global Game Industries and Cultural Policy (pp. 227–249). Springer International Publishing, https://doi.org/10.1007/978-3-319-40760-9_11;
    Švelch, J. (2017). Playing with and against Microtransactions: The Discourses of Microtransactions Acceptance and Rejection in Mainstream
  • 11
    Roessel, L. van, & Katzenbach, C. (2020). Navigating the grey area: Game production between inspiration and imitation. Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, 26(2), 402–420. https://doi.org/10.1177/1354856518786593.
  • 12
  • 13
    Stang, S. (2019). “This Action Will Have Consequences”: Interactivity and Player Agency. Game Studies, 19(1). Die Notwendigkeit der obengenannten Community Manager:innen hängt mit der Tatsache zusammen, dass Gamer:innen sich öffentlich zu den Spielen äußern und austauschen.
  • 14
    Nieborg, D. B. (2014). Prolonging the Magic: The political economy of the 7th generation console game. Eludamos. Journal for Computer Game Culture, 8(1), 47–63.
  • 15
    Nielsen, R. K. L., & Grabarczyk, P. (2019). Are Loot Boxes Gambling? Random Reward Mechanisms in Video Games. Transactions of the Digital Games Research Association, 4(3), https://doi.org/10.26503/todigra.v4i3.104.
  • 16
    Perks, M. E. (2021). Regulating In-Game Monetization: Implications of Regulation on Games Production. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies (pp. 217–233). Amsterdam University Press.
  • 17
    Roessel, L. van (2024). Pay-to-Skip statt Pay-to-Win: Wie Entwickler:innen von Free-to-Play-Spielen Monetarisierungsmechanismen beurteilen und rechtfertigen. In T. Spies, S. Kurt, & H. Pötzsch (Eds.), Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus (1st ed., Vol. 5, pp. 133–152). transcript Verlag, https://doi.org/10.14361/9783839467978-008
  • 18
    Zagal, J. P., Björk, S., & Lewis, C. (2013). Dark Patterns in the Design of Games. FDG.
  • 19
    Chew, M. M. (2016). Contested Reception of the Free-To-Play Business Model in the North American Video Game Market. In A. Fung (Ed.), Global Game Industries and Cultural Policy (pp. 227–249). Springer International Publishing, https://doi.org/10.1007/978-3-319-40760-9_11.
  • 20
    Roessel, L. van, & Švelch, J. (2021). Who Creates Microtransactions: The Production Context of Video Game Monetization. In O. Sotamaa & J. Švelch (Eds.), Game Production Studies. Amsterdam University Press.
  • 21
    Roessel, L. van (2024). Pay-to-Skip statt Pay-to-Win: Wie Entwickler:innen von Free-to-Play-Spielen Monetarisierungsmechanismen beurteilen und rechtfertigen. In T. Spies, S. Kurt, & H. Pötzsch (Eds.), Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus (1st ed., Vol. 5, pp. 133–152). transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839467978-008.
  • 22
    Im Spiel ist die Werbung auf verschiedene Weisen integriert. Man kann sich freiwillig Werbung, also als opt-in anschauen, um bestimmte Vorteile im Spiel zu erwerben. Daneben gibt es Werbung, die automatisch und unaufgefordert ausgespielt wird, die man aber mit einer Einmalzahlung dauerhaft ausschalten kann.