Finfluencer:innen auf dem Prüfstand: Zwischen Bildung, Beeinflussung und Geschäftsmodell
Ein Beitrag von Sally Peters
28. Mai 2025
Wer heute auf Instagram, TikTok oder YouTube unterwegs ist, begegnet ihnen fast überall: Finfluencer:innen. Sie erklären Aktien, ETFs oder Krypto-Investments mit einfachen Worten und erreichen vor allem junge Zielgruppen. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Glücksfall für die Finanzbildung. Doch bei näherem Hinsehen verschwimmen oft die Grenzen zwischen unabhängiger Information, persönlichem Erfahrungsbericht und bezahlter Werbung. Was bedeutet das für die Qualität der Finanzbildung im digitalen Raum? Wo liegen Chancen – und wo Gefahren?

Werbung, Information oder Finanzbildung?
Finfluencer:innen sind Social-Media-Persönlichkeiten, die Inhalte zu Ansparen, Investieren oder Altersvorsorge erstellen und verbreiten. Ihre Reichweite ist beeindruckend – und ihre Wirkung beträchtlich. Laut einer Erhebung der BaFin (2024)1BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Finfluencer – Zwischen Werbung und Beratung, Fachartikel, September 2024, online unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/fa_bj_2409_Finfluencer.html (abgerufen am 28.04.2025). folgen junge Anleger:innen aktiv den Empfehlungen von Finfluencer:innen; 57 % investieren sogar direkt über empfohlene Links, die s.g. Affiliate-Links, bei denen die Finfluencer:innen eine Vermittlungsprovision erhalten.
Was auf den ersten Blick wie niedrigschwellige Aufklärung aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung oft als Geschäftsmodell. Kooperationen mit Banken, Trading-Apps oder Versicherungen sind keine Ausnahme, sondern die Regel.
Schnell fällt in diesem Zusammenhang mit Finfluencing der Begriff Bildung. Doch nicht jede Informationsvermittlung stößt Bildungsprozesse an. Bildung setzt voraus, dass Menschen befähigt werden, Wissen einzuordnen, kritisch zu hinterfragen und selbstständig fundierte Entscheidungen zu treffen. Viele Inhalte auf Social Media bleiben aber auf der Ebene der bloßen, womöglich einseitigen Information stehen – und erreichen damit nicht die Tiefe, die Finanzbildung benötigt. Wenn Information, Diskussion und Aufklärung – ob explizit oder implizit – vorrangig werblichen Zielen dienen, verliert ein ernsthaftes Bildungsanliegen erheblich an Glaubwürdigkeit
Qualitätscheck: Wie gut sind Finfluencer:innen-Empfehlungen?
Die Rolle von Finfluencer:innen ist ambivalent. Auf der einen Seite stehen Akteure mit viel Expertise, die Finanzbildung fördern möchten – oft durch eigene Bücher, Kurse oder Plattformen. Auf der anderen Seite operieren solche, die sich im Graubereich zwischen Unterhaltung, Eigenwerbung und versteckter Einflussnahme bewegen. Ein besonders eindrückliches Beispiel für Letztere ist der Fußballer Lukas Podolski, der 2024 auf seinen Social-Media-Kanälen Werbung für Memecoins machte. Obwohl kein Finanzexperte, wirkten seine Posts auf Fans wie Anlageempfehlungen – mit teils erheblichen Risiken.2Siehe dazu auch Schmidt (2023), online unter https://zevedi.de/efinblog-das-gefahrliche-geschaft-mit-dem-kurs/ (abgerufen am 21.05.2025).
Dass Reichweite nicht gleich Kompetenz bedeutet, zeigen wissenschaftliche Studien deutlich:
- Kakhbod et al. (2023): 56 % der Finfluencer:innen gelten als „antiskilled“, ihre Empfehlungen führen systematisch zu schlechteren Anlageergebnissen. Die Renditen von Finfluencer:innen-Empfehlungen liegen langfristig unter dem Marktdurchschnitt.3Ali Kakhbod, Seyed Mohammad Kazempour, Dmitry Livdan und Norman Schuerhoff: Finfluencers, Swiss Finance Institute Research Paper No. 23-30, 5. Juli 2023, online verfügbar unter: https://ssrn.com/abstract=4428232 (abgerufen am 28.04.2025).
- BaFin-Erhebung (2024): Junge Anleger:innen vertrauen Finfluencer:innen stark, oft ohne die Qualität der Empfehlungen kritisch zu hinterfragen.4BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Finfluencer – Zwischen Werbung und Beratung, Fachartikel, September 2024, online unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/fa_bj_2409_Finfluencer.html (abgerufen am 28.04.2025).
Besonders alarmierend und paradox: Gerade Finfluencer:innen mit schlechteren Empfehlungen haben häufig die größte Reichweite. Das unterstreicht, wie wichtig kritische digitale Finanzbildung und klare Regulierung sind.
Konkrete Maßnahmen und bleibende Herausforderungen
Verbraucherschützer:innen und Regulierungsbehörden schlagen daher klare Maßnahmen vor:
- Transparenzpflichten: Jede bezahlte Kooperation mit Finanzanbietern muss eindeutig und leicht erkennbar gekennzeichnet werden.
- Qualitätssicherung: Finfluencer:innen müssen ausreichende Finanzkompetenzen vorweisen können.
Die Retail Investment Strategy (RIS) – oder auf Deutsch Kleinanlegerstrategie – der EU setzt erste Impulse, doch eine konsequente Umsetzung steht noch aus. Die zentrale Herausforderung aber bleibt: Wie können wir das enorme Potenzial von Finfluencer:innen für niedrigschwellige Finanzbildung nutzen, ohne die Verbraucher:innen der teils offenen, teils versteckten Einflussnahme auszusetzen? Klar ist: Ohne kritische Medienkompetenz und digitale Finanzbildung laufen insbesondere junge Menschen Gefahr, Fehlinformationen aufzusitzen. Unrealistische Renditeversprechen, verharmloste Risiken oder übertriebene Vereinfachungen können langfristige finanzielle Schäden verursachen. Regulatorische Maßnahmen allein werden allerdings nicht ausreichen, um falsche finanzielle Entscheidungen von Verbraucher:innen zu verhindern. Hinzukommen muss eine ausreichende digitale und finanzielle Bildung.
Fazit: Zwischen Chancen und Risiken
Finfluencer:innen sind gekommen, um zu bleiben. Sie adressieren Zielgruppen, die klassische Bildungsangebote oft nicht mehr erreichen und machen komplexe Themen zugänglich. Doch ihr Einfluss ist nicht nur positiv: Studien zeigen teils dramatische Qualitätsdefizite, Interessenkonflikte und fehlende Transparenz.
Regulierung, Aufklärung und kritische Finanzbildung sind deshalb essenziell. Die EU geht erste Schritte – ob sie ausreichen werden, um unabhängige Information von (versteckter) Werbung wirksam zu trennen, bleibt abzuwarten.
Eines aber ist klar: Wer Finanzbildung im digitalen Raum fördern will, muss den Blick für die feinen Unterschiede zwischen Aufklärung und Beeinflussung schärfen.
RSS-Feed zum eFin-Blog abonnieren
Zurück zur Startseite des Blogs
Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors
- 1BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Finfluencer – Zwischen Werbung und Beratung, Fachartikel, September 2024, online unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/fa_bj_2409_Finfluencer.html (abgerufen am 28.04.2025).
- 2Siehe dazu auch Schmidt (2023), online unter https://zevedi.de/efinblog-das-gefahrliche-geschaft-mit-dem-kurs/ (abgerufen am 21.05.2025).
- 3Ali Kakhbod, Seyed Mohammad Kazempour, Dmitry Livdan und Norman Schuerhoff: Finfluencers, Swiss Finance Institute Research Paper No. 23-30, 5. Juli 2023, online verfügbar unter: https://ssrn.com/abstract=4428232 (abgerufen am 28.04.2025).
- 4BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Finfluencer – Zwischen Werbung und Beratung, Fachartikel, September 2024, online unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/fa_bj_2409_Finfluencer.html (abgerufen am 28.04.2025).