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    Autor: Erik Meyer eFin-Blog Farbe: blau

    Die Bankfiliale als spezifischer sozialer Ort

    Digitales Bezahlen ist bequem, einfach und ortlos. Doch wie ergeht es jenen, die auf analogen Zahlungsverkehr angewiesen sind? Beim Blick in die Bankfiliale offenbaren sich Bedürfnisse, die angesichts der Bemühungen um ein bürgerorientiertes Digitalgeld nicht außer Acht gelassen werden sollten.

    Die Bankfiliale als spezifischer sozialer Ort

    Ein Beitrag von Erik Meyer

    02. April 2025

    Digitale Bezahlerlebnisse sind zwar speziell; aber welche zu haben, setzt schon eine privilegierte Position voraus. Für diese Erkenntnis bedarf es keiner aufwendigen Untersuchungsdesigns empirischer Sozialforschung, sondern schlicht den Besuch einer Bankfiliale. Das versuchen viele im Alltag zu vermeiden, weil sie ahnen, was dort droht: Ein längerer Aufenthalt und eine nicht immer zum gewünschten Ziel führende Interaktion. Und die Rede ist hier nicht vom Kreditwunsch für private oder professionelle Projekte. Es geht schlicht und einfach um das Bezahlen von Rechnungen per Überweisungsvordruck oder das Besorgen von Bargeld, das nicht für jede(n) einfach aus dem Automaten kommt.

    Eine ältere Dame steht vor einer geschlossenen Bankfiliale. Sie steht einem Roboter gegenüber, neben dem eine Sprechblase mit dem Inhalt "Hi!" zu sehen ist.

    Zunächst einmal muss die Filiale eines – so nannte man das früher einmal – „Kreditinstituts“ überhaupt vor Ort existieren respektive geöffnet haben. Das, wissen wir nun alle, ist immer seltener an immer weniger Orten der Fall. Dementsprechend finden sich dort meist nicht wenige Kund:innen ein. Und je nach Zeitfenster handelt es sich dabei nicht um einen sonderlich repräsentativ erscheinenden Ausschnitt der Bezahl-Bevölkerung. Zwei Faktoren scheinen dominant: Höheres Alter und eine spezifische sozialräumliche wie häufig auch geografische Herkunft. Spätestens hier wird deutlich: in Bankfilialen bilden sich auch soziale Verhältnisse ab; sie figurieren als spezifische soziale Orte.

    Die Bezeichnung „sozialer Ort“ artikuliert in städtebaulichen Kontexten häufig eine Defizitdiagnose: die fehlende Kneipe, der mangelnde Marktplatz usw. usf.. Das, was fehlt, ist dann aus wohlmeinender Absicht mit prothetischen Maßnahmen der Sozialarbeit bestenfalls zu stimulieren oder schlimmstenfalls zu simulieren. Denn meist handelt es sich dabei um irgendwie prekäre Konstellationen: In gated communities wird das Fehlen solcher Orte jedenfalls nicht als Mangel interpretiert, sondern deren Abwesenheit zeichnet diese vielmehr aus. An sozialen Orten im obigen Sinne bedarf es aber in der Regel der besonderen Zuwendung an eine wie auch immer bedürftige Klientel.

    So stellte es sich bei zwei Stichproben in der Stadt und auf dem Land für mich dar: Die einen verstehen schon die Sprache nicht, die in diesem Land auf Überweisungsträgern und Zahlungsaufforderungen zu lesen ist. Und diese Übersetzungsarbeit lässt sich auch nicht umstandslos vom – falls denn vorhandenen – Smartphone leisten. Und klar, die Angestellten hinterm Schalter sind dafür nun auch nicht ausgebildet. Im Dienste der Dienstleistung wird hier geradebrecht und gegoogelt was das Zeug hält. Mit gemeinsamen Kräften, zuweilen von anderen, die in der (selbstverständlich vorhandenen) Schlange stehen, gelingt einiges hier mehr oder weniger, woran das vereinzelte Subjekt bei der Nutzung von Apps, Automaten und Online-Angeboten zuweilen scheitert bzw. scheitern muss.

    Anderen mangelt es schlicht an der (Digital-, Finanz-) Kompetenz und kein noch so agiler Finfluencer oder attraktiver Volkshochschulkurs könnte etwas daran ändern. Denn Digitalität gehört nun mal nicht zur DNA. Ein Teil der Gebühren, die etwa für die Kontoführung erhoben werden, wird ja auch damit gerechtfertigt, dass dieser soziale Ort „Bankfiliale“ betrieben wird. Sonst wären gerade nicht so gut betuchte Bürger:innen wohl besser bei einer Direktbank aufgehoben.

    Was soll das hier angestimmte Lamento aber bedeuten, wenn es nicht um eine nostalgische Verklärung vor-digitaler Verhältnisse geht und in vereinfachende Forderungen mündet, wie „Her mit der Lohntüte, Stütze von der Sozialkasse auf dem Amt ausgezahlt bekommen und alle Rechnungen am Fiskus vorbei bar begleichen“? Unsere Gesellschaft und wir als Bürger:innen brauchen Bankfilialen so wie die öffentliche Verwaltung Ämter. Ein digitales Zentralbankgeld allein, selbst wenn es nach allen Regeln der Kunst inklusiv gestaltet wird (Geldkarte, Offline-Zahlungen etc.), ändert daran nichts. Die geplante Einführung des digitalen Euros erfordert also nicht nur eine digitale Infrastruktur, sondern auch analoge Servicestellen in sowie mit Kundennähe. Dies gehört nicht nur zur guten user experience und customer satisfaction, sondern begründet partiell den public value von bürgerorientiertem Digitalgeld.

    Vielleicht ist damit der häufig diffusen Skepsis gegenüber dieser monetären Innovation besser zu begegnen als mit plakativen Werbekampagnen. Den Menschen, denen ich in der Bankfiliale begegne, ist der digitale Euro nämlich eher egal. Sie benötigen aber Angebote zur stressfreien Abwicklung eigentlich alltäglicher Transaktionen – auch ohne Wallet.

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    Erik Meyer
    ist Mitarbeiter im Diskursprojekt eFin & Demokratie, promovierter Politikwissenschaftler und beschäftigt sich als Autor u.a. in seinem Blog Memorama mit Aspekten politischer Kommunikation in der digitalen Gesellschaft.

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    Im Diskursprojekt eFin & Demokratie» beobachten und diskutieren wir den digitalen Wandel in Sachen „Geld“. Das Finanz- und Staatswesen wird davon ebenso erfasst wie unser aller Alltag und Miteinander. Unser Blog versucht, die Umwälzungen zu verstehen und die Debatte zu fördern - auch als Teil unserer Demokratie. Es schreiben Mitarbeiter:innen des Projekts und Gäste in freier und diverser Form darüber, was sie lernen und erforschen, was sie beunruhigt und was sie fasziniert. Wir freuen uns über Kommentare unter efin@zevedi.de.