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    [Mindest-]Anforderungen an die Ausgestaltung des digitalen Euro als einer öffentlich zugänglichen digitalen Zentralbankwährung

    In Sachen „digitaler Euro“ ist die Beratung des betreffenden Gesetzesvorhabens nicht beendet und es bleibt Raum für inhaltliche Überlegungen. Im Arbeitszusammenhang des Diskursprojektes ist dazu ein Policy Paper entstanden.

    [Mindest-]Anforderungen an die Ausgestaltung des digitalen Euro als einer öffentlich zugänglichen digitalen Zentralbankwährung

    Das Policy Paper wurde von den Beteiligten an Geld : Technik : Demokratie und dem ZEVEDI-Ad hoc-Vorhaben Geld als Datenträger erarbeitet.

    Spätestens mit dem Legislativvorschlag der Europäischen Kommission im Juni 2023 für einen Rechtsrahmen zur möglichen Einführung des digitalen Euro als Retail CBDC nimmt die Diskussion über das Projekt einer digitalen Zentralbankwährung für Europa konkretere Gestalt an.1Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines digitalen Euro, Brüssel, 28. Juni 2023: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52023PC0369 Nach der Europawahl 2024 ist es Zeit für eine über die damit befassten Gesetzgebungsorgane hinausreichende gesellschaftliche Adressierung und öffentliche Beratung der Demokratiefragen, die damit verknüpft sind.

    Das Vorhaben „Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors“ (eFin & Demokratie) nimmt nachfolgend Stellung. Es folgt nicht zuletzt dem Motiv, Europa in der strategisch relevanten Infrastruktur des digitalen Zahlungsverkehrs hinreichend souverän zu machen, denn bislang wird diese von außereuropäischen Dienstleistern dominiert. Abgesehen von grundsätzlicher Ablehnung orientiert sich die Debatte darüber allerdings bisher an nur wenigen Motiven:

    • Einerseits geht es um die praktische Realisierbarkeit des digitalen Euro im Rahmen des existierenden Geldsystems; dieser Diskussionsstrang wird vor allem durch die Interessen der Geschäftsbanken bestimmt.
    • Andererseits hat die Europäische Zentralbank mit der Rede vom „digitalen Bargeld“ für die Bürgerinnen und Bürger ein prägnantes Leitbild geschaffen, an das sich Positionen von Daten- und Verbraucherschutz anschließen lassen (und auch die Sorge ums Bargeld wird adressiert).

    Es entspricht der Logik politischer Machbarkeit, dass die vorgeschlagene Ausgestaltung des digitalen Euro partiell – lediglich – wie ein Kompromiss zwischen diesen Polen anmutet. Wir sehen hierin die Gefahr einer Verengung der Perspektiven. Konkrete Gestaltungsvorschläge werden sich dem skizzierten Spannungsverhältnis zwar nicht vollständig entziehen können. Es sollten jedoch auch weitere Optionen („Anforderungen“) im Blickfeld bleiben, um ein im Vergleich zu den existierenden privaten Angeboten für die Nutzung durch Bürgerinnen und Bürger bestmögliches Digitalgeld in Europa zu etablieren. Die Diskussion um den digitalen Euro eröffnet aus unserer Sicht eine einzigartige Chance, eine völlig neue Erscheinung des Geldes demokratisch zu formen. Dazu werden allerdings geeignete Diskussionsforen und Diskursformate gebraucht.2Als Beitrag zur Debatte über den digitalen Euro wurde von ZEVEDI im Rahmen des Diskursprojekts „Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors – eFin und Demokratie“ ein Bürgergutachten beauftragt. Ähnlich wie bei einem Bürgerrat wurde für das Bürgergutachten digitaler Euro eine Gruppe von Laien dazu angeleitet, sich eingehend mit dem Thema zu befassen und eine gewichtete Liste von Themen zu erstellen, zu denen die breite Öffentlichkeit in Bezug auf den digitalen Euro informiert werden sollte. Wenn es nach den Bürgergutachter:innen geht, dann stehen die Themen Barrierefreiheit sowie ein breites Verständnis von Sicherheit und Datenschutz ganz oben auf der Agenda – nicht nur was Informationen betrifft, sondern auch in Bezug auf die Ausgestaltung des digitalen Euros. Die Dokumentation der Ergebnisse steht auf der ZEVEDI-Webseite zum Download zur Verfügung: https://zevedi.de/wp-content/uploads/2024/05/Buergergutachten_Digitaler_Euro.pdf .

    I Der digitale Euro als gesetzliches Zahlungsmittel

    Es ist ein erfolgskritischer und im Ergebnis auch für Bürger:innen spürbarer Punkt, dass der digitale Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingestuft wird. Hierbei geht es um mehr als bloße Symbolik. Als gesetzliches Zahlungsmittel ist der digitale Euro komfortabel nutzbar und eine Kohärenz/funktionale Äquivalenz zum physischen Bargeld ist gegeben. Einzelhändler und andere Geschäfte werden ihn dann ähnlich selbstverständlich akzeptieren wie Behörden und öffentliche Dienstleister. Natürliche Personen, die nicht im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit handeln, bleiben von der Verpflichtung zur Annahme von Zahlungen in digitalen Euro ausgenommen.

    Ebenso folgt aus dem Status des gesetzlichen Zahlungsmittels eine Bereitstellungspflicht seitens der Staaten/des Systems der Zentralbanken. Dies heißt, dass der digitale Euro natürlichen Personen für die Tätigung betreffender Zahlungen kostenfrei und ohne Transak­tionsgebühren bereitgestellt wird. Gebühren, die zur Annahme verpflichtete Akteur:innen an Zahlungsdienstleister dafür zu entrichten haben, sollten niedriger als vergleichbare Kosten im Zusammenhang mit privaten Zahlungsmitteln sein. Auch dürfte es eigentlich – so unsere Lesart – für eine Person keine notwendige Voraussetzung zur Nutzung des digitalen Euro sein, ein Konto bei einer Geschäftsbank zu besitzen, auch wenn ein normales Girokonto gewiss der erwartbar üblichste Weg sein wird, den digitalen Euro zu bewegen. Das Thema „Zugang“ bleibt – jenseits sozial problematischer Kriterien auch technisch anspruchsvoll. Das Aufladen und die Auszahlung von entsprechenden Guthaben mittels einer nicht an ein Konto gebundenen Geldkarte sollte von daher auch durch ein neuartiges, digital beschaffenes Bargeld möglich sein (und also trotz Bargeldlosigkeit nicht allein an ein Geschäftsbank-Konto geknüpft). In dieser mehrfachen Form (wie Bargeld „direkt“ oder aber durch Geschäftsbanken vermittelt) sollte der digitale Euro allen seinen Nutzer:innen zur Verfügung gestellt werden.

    Allerdings sollte ein digitales Zentralbankgeld möglichst einfach zugänglich gemacht und nicht zu restriktiv gestaltet werden, sodass viele gesellschaftliche Gruppen, einschließlich Touristen und Geflüchteter, Zugang haben. Der digitale Euro sollte folglich so niedrigschwellig nutzbar sein wie möglich.

    II Distribution und Attraktivität des digitalen Euros

    Der digitale Euro sollte aus unserer Sicht direkter (also intermediärsunabhängig) und leichter zugänglich sein als ein konventionelles Bank-Konto. Insofern wäre das ausschließliche „Aufladenkönnen“ einer Wallet auf dem Umweg über ein existierendes Bank-Konto zunächst einmal abzulehnen. Technisch wäre eine Option wünschbar, die weder direkt die Zentralbank noch direkt eine (kontoführende) Geschäftsbank mit der Zuständigkeit für eine „offline“-Version des digitalen Euro betraut.

    Uns scheint es überdies geboten zu sein, Bürger:innen, die den digitalen Euro nutzen wollen, nicht zur Verwendung eines Smartphones zu zwingen („finanzielle Inklusion“). Es sollte also zumindest eine aufladbare Karte optional angeboten werden. Eine solche Karte sollte zudem – wie jede andere Distributionsform des digitalen Euro – als Direktzugang zu physischem Bargeld funktionieren. 3Dass Lösungen hierfür nicht einfach zu finden sind, ist uns klar.

    Jenseits der für Bargeld-Transaktionen generell bereits geltenden (und für viele nicht gut nachvollziehbaren) Grenzen sind Haltelimits für den digitalen Euro begründungsbedürftig. Ein zu niedrig angesetztes Limit macht das neue digitale Bargeld unattraktiv. Ob überhaupt und wenn ja, ab welcher Höhe eine Gefährdung des Geschäftsmodells einzelner Institute eintritt, so dass Risiken für die Finanzmarktstabilität und die Kreditvergabefähigkeit entstehen, ist das Ergebnis von Prognosen des Nutzerverhaltens. Dies hängt von vielen Faktoren ab. Gleichzeitig sind alternative Maßnahmen zur Risikominimierung in Betracht zu ziehen. Aus unserer Sicht sollten hier nicht einzelne Marktteilnehmer (Banken) Limits benennen. Über angemessene Mechanismen sollte im Gesetzgebungsprozess beraten und entschieden werden. Konkrete Kennziffern sollten bei Bedarf basierend auf einer umfangreichen Evaluation eruiert werden und die Auswirkungen auf die gesamteuropäische Finanzstabilität einbeziehen. Es ist zu prüfen, ob die EZB die geeignete Instanz für diese Einordnung ist oder ein unabhängiges Gremium zur Beurteilung herangezogen wird. Zur Nachvollziehbarkeit bedarf es einer Veröffentlichung der Beurteilung und ihrer Grundlagen. Das Verzinsungsverbot macht den digitalen Euro ebenfalls dem physischen Bargeld vergleichbar.

    III Anonymität von Offlinezahlungen und Datenschutzniveau von Online-Zahlungen

    Die Offline-Variante des digitalen Euro sollte für kleinere Zahlungen den gleichen Grad an Anonymität wie klassisches Bargeld ermöglichen. Dies wirft die Frage auf, ob die „Zahlung“ (etwa, weil die Sensorik eines individualisierten, digitalen Lesegeräts gebraucht wird) der physischen Anwesenheit der Zahlenden bedarf, oder ob der digitale Euro zu Zahlungszwecken auch offline anonym „versandt“ (etwa per Briefpost) oder „deponiert“ (unter dem Kopfkissen) „versteckt“ (vergraben im Garten) etc. werden kann. Insofern ergibt sich für eine solche Variante zumindest die Beschränkung des Betrags, die die EU zukünftig auch für anonyme Barzahlungen im geschäftlichen Verkehr vorsieht.4Die EU hat die Einführung einer Obergrenze von 10.000 Euro für Barzahlungen beschlossen, um Finanzkriminalität zu bekämpfen. Die neue Regelung sieht zudem eine Erfassung der Kundendaten bei Barzahlungen über 3.000 Euro vor.

    Der digitale Euro sollte datensparsame Online-Zahlungen ermöglichen. Aus unserer Sicht sollte die maximale Datensparsamkeit sogar eines seiner Alleinstellungsmerkmale – im Vergleich zu den Diensten anderer Zahlungsintermediäre – sein. Eine Datengewinnung bei der Ausführung von Zahlungen mit dem digitalen Euro durch Geschäftsbanken oder andere Intermediäre sollte der Gesetzgeber daher weitgehend einschränken. Dies scheint auch politisch in der Diskussion zu sein (vgl. Stellungnahme des Bundesrats: „Dafür sollten insbesondere die Zwecke für die Datenerhebung und -verarbeitung auf den eigentlichen Zahlvorgang beschränkt und die Weitergabe von Daten an Dritte zu kommerziellen Zwecken ausgeschlossen werden.”).

    Die technische wie administrative Ausführung gerade den Datenschutz betreffender Vorkehrungen und Verfahren sollte möglichst transparent dokumentiert werden sowie geeigneten Kontrollverfahren unterliegen; etwa einer Auditierung durch unabhängige Expertise inklusive Veröffentlichung relevanter Angaben.

    IV Besser als klassisches Bargeld?

    Die Ausgestaltung des digitalen Euro als programmierbares Geld, das mit komplexen Konditionierungen bezüglich seiner Nutzung versehen wird, schließen Politik und EZB bisher aus. Bloße automatisierte Zahlungen wären allerdings möglich. Wünschenswert wäre eine Smart-Contract-Fähigkeit, um auf dieser Basis Maschine-zu-Maschine-Zahlungen zu ermöglichen. Politik und Forschung sollten durchaus prüfen, welche technologischen Voraussetzungen Bürger:innen auch smarte oder auf „Distributed Ledger“-, also auf Blockchain-Technologie basierende Vertragsabwicklungen ermöglichen. Dabei ist ein möglichst effizienter Einsatz von Energie zu berücksichtigen.

    V Zur Bedeutung der Bürgerkommunikation

    Es ist weder mit einer attraktiven Ausgestaltung, noch mit einem demokratisch legitimierten Rechtsrahmen für den digitalen Euro getan. Vielmehr bedarf es einer umfassenden und dauerhaften kommunikativen Vermittlung des neuartigen, digitalen Bargeldes als öffentliches Gut, welches sich von privaten digitalen Zahlungsmitteln wie auch von online bewegtem Giralgeld unterscheidet.

    Wir empfehlen performative Interventionen, um das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern am Thema zu wecken und die Kerngedanken einer Mitwirkung aller am Umlauf des neuen Geldes sowie der demokratischen Kontrolle der Ausgestaltung des digitalen Bargeldes in Szene zu setzen. Ein Ansatzpunkt könnte die demonstrative Ausführung der unterschiedlichen Zahlungsoptionen off- und online in einer Geldkarte sein, die Freiheitsspielräume markiert: das digitale Bargeld erweitert die Möglichkeiten, auszuwählen, wie wir künftig bezahlen wollen. Auch die statuierte Datensparsamkeit bei Transaktionen könnte durch eine solche Karte öffentlich sinnfällig werden. Denkbar wäre auch ein großes, im öffentlichen Raum ausgestelltes dynamisches Objekt in Form einer analogen Installation, die zeigt, wie Zahlungen mit dem digitalen Euro-Token funktionieren. Sollte die Politik bzw. die EZB in den kommenden Jahren (technologische) Veränderungen an der Konfiguration des digitalen Zentralbankgelds vornehmen, könnte diese am Objekt „nachinstalliert“ werden, so dass das Denkmal auch symbolisch „garantiert“, dass die Funktionsweise des digitalen Euro nicht hinter dem Rücken der Bürger verändert wird.

    Unsere [Mindest-]Anforderungen lauten daher:

    Der digitale Euro als öffentlich zugängliche Zentralbankwährung

    • ist nur mit einem europaweit harmonisierten rechtlichen Status als „gesetzliches Zahlungsmittel“ sinnvoll,
    • muss abgelöst vom Bankkonto und auch offline ohne Bankkonto nutzbar sein,
    • muss möglichst frei zirkulieren können (was in den Punkten Haltelimit, Distribution und Nutzergruppen maximale Offenheit bedeutet),
    • muss eine anonyme Offline-Nutzung und eine datensparsame Online-Nutzung eröffnen (in der Hauptsache wird wohl das ihn für Bürger:innen attraktiv machen),
    • sollte künftige „smarte“ Nutzungsformen auch für Bürger:innen technisch nicht ausschließen.

    Hier finden Sie das Policy Paper als Pdf-Datei zum Download.

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      Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines digitalen Euro, Brüssel, 28. Juni 2023: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52023PC0369
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      Als Beitrag zur Debatte über den digitalen Euro wurde von ZEVEDI im Rahmen des Diskursprojekts „Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors – eFin und Demokratie“ ein Bürgergutachten beauftragt. Ähnlich wie bei einem Bürgerrat wurde für das Bürgergutachten digitaler Euro eine Gruppe von Laien dazu angeleitet, sich eingehend mit dem Thema zu befassen und eine gewichtete Liste von Themen zu erstellen, zu denen die breite Öffentlichkeit in Bezug auf den digitalen Euro informiert werden sollte. Wenn es nach den Bürgergutachter:innen geht, dann stehen die Themen Barrierefreiheit sowie ein breites Verständnis von Sicherheit und Datenschutz ganz oben auf der Agenda – nicht nur was Informationen betrifft, sondern auch in Bezug auf die Ausgestaltung des digitalen Euros. Die Dokumentation der Ergebnisse steht auf der ZEVEDI-Webseite zum Download zur Verfügung: https://zevedi.de/wp-content/uploads/2024/05/Buergergutachten_Digitaler_Euro.pdf .
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      Dass Lösungen hierfür nicht einfach zu finden sind, ist uns klar.
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      Die EU hat die Einführung einer Obergrenze von 10.000 Euro für Barzahlungen beschlossen, um Finanzkriminalität zu bekämpfen. Die neue Regelung sieht zudem eine Erfassung der Kundendaten bei Barzahlungen über 3.000 Euro vor.

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