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    Autor: Barbara Brandl eFin-Blog Farbe: blau Uncategorized

    Von der Kreditkarte zu Buy-Now-Pay-Later: Soziale Ungleichheiten in der Nutzung von digitalen Bezahldiensten und Konsumkrediten

    DIe Daten des Weizenbaum Panels (2024) zeigen: Digitale Bezahlformen sind in Deutschland vor allem Sache der Jüngeren, der Männer und der Besserverdienenden. Wer digital zahlt, spart Zeit und oft auch Geld – wer das nicht kann, zahlt drauf. Buy Now, Pay Later ist die große Ausnahme. Doch der einfache Zugang hat seinen Preis.

    Von der Kreditkarte zu Buy-Now-Pay-Later: Soziale Ungleichheiten in der Nutzung von digitalen Bezahldiensten und Konsumkrediten

    Ein Beitrag von Barbara Brandl, Alexandra Keiner, Zsófia Ignácz und Jenny Preunkert1Siehe für eine noch ausführlichere Behandlung das gleichnamige Weizenbaum Discussion Paper der Autorinnen: Brandl, Barbara; Ignácz, Zsófia.; Keiner, Alexandra; Preunkert, Jenny: Von der Kreditkarte zu Buy-Now-Pay-Later: Soziale Ungleichheiten in der Nutzung von digitalen Bezahldiensten und Konsumkrediten. No. 49, Oktober 2025, Weizenbaum-Institut Berlin.

    31. Oktober 2025

    Die Möglichkeit zu bezahlen, zu sparen oder einen Kredit in Anspruch zu nehmen – in Notlagen oder für Anschaffungen, die das eigene Budget übersteigen -, spiegelt die Verteilung von finanziellen Chancen und Risiken innerhalb kapitalistischer Gesellschaften wider.  Gleichzeitig sind diese Optionen oft existenziell für die Teilhabe in modernen Gesellschaften. Durch die Digitalisierung des Geldes haben sich die Bedingungen, unter denen Individuen Zugang zu neuen Zahlungsinstrumenten erhalten oder davon ausgeschlossen werden, stark geändert. In einer Gesellschaft, in der die meisten Transaktionen bar erfolgen, sind die  Partizipationsmöglichkeiten noch relativ ähnlich. Mit der Digitalisierung hingegen hängt die finanzielle Teilhabe zunehmend vom Besitz eines Smartphones, dem Zugang zu einem Konto oder der Ausstellung bestimmter Karten durch entsprechende Banken ab. Während Bargeld vom Staat bzw. von den Zentralbanken bereitgestellt wird und der Großteil der Kosten für Produktion und Distribution von öffentlicher Seite getragen wird, werden alle digitalen Zahlungen von privaten Firmen, Banken, Kreditkartenfirmen oder Technologiekonzernen, abgewickelt, die entsprechend über die Kosten und den Zugang zu ihren Dienstleistungen entscheiden.

    Ein Mann fährt lächelnd eine Rolltreppe hoch, darüber steht: "BNPL 0% ZInsen". Daneben versucht eine besorgt dreinblickende Frau gefesselt an eine Kugel mit dem Schriftzug Schulden eine unebene Treppe hinochzusteigen, über denen "Raten, Gebührenverzug" steht

    Die Digitalisierung des Geldes ändert jedoch nicht nur die Art, wie wir zahlen, sondern auch die Verfügbarkeit von Krediten. Bisher wurden der Zugang zu Zahlungsmitteln und zu Krediten sowie die Mechanismen gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion weitgehend getrennt voneinander diskutiert. Allerdings spricht vieles dafür, die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs sowie die Ausweitung und Veränderung der Vergabe von Konsumkrediten zusammenzudenken. Denn einerseits sind kleinteilige Konsumkredite überhaupt erst durch die Digitalisierung des Finanzsektors entstanden und anderseits sind viele Formen des digitalen Bezahlens untrennbar mit ihnen verknüpft, wie etwa Kreditkarten oder neuerdings Buy-Now-Pay-Later-Produkte (BNPL).

    Die Nutzung digitaler Bezahlmöglichkeiten: Stark einkommens- und altersabhänig

    Insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten hat die Digitalisierung des Geldes weltweit, aber auch in Deutschland Fahrt aufgenommen. Einerseits wird ein zunehmender Anteil der Zahlungen über Karte oder über digitale Zahlungsanbieter wie etwa PayPal vollzogen, Barzahlungen nehmen ab und die dazugehörige Infrastruktur wie Geldautomaten oder Bankfilialen wird sukzessive abgebaut. Mit der Digitalisierung des Geldes entstehen jedoch nicht nur neue Möglichkeiten der Zahlung, sondern auch der Kreditaufnahme, wie etwa Buy-Now-Pay-Later Angebote. Der Ausbau digitaler Technologien wird vielfach medial sowie politisch uneingeschränkt als Innovation und Fortschritt gefeiert, was allerdings dabei oft übersehen wird: Die Effekte der Digitalisierung des Geldes sind sozial ungleich verteilt: Was für die einen Effizienz- und Komfortgewinne bedeutet, führt für andere zu neuen Hürden, Abhängigkeiten oder Ausschlüssen.

    Vor diesem Hintergrund haben wir die Nutzung digitaler Bezahldienste sowie von Konsumkrediten auf Grundlage der Daten zur finanziellen Teilhabe des Weizenbaum-Panel2Weizenbaum Panel (2025). Politische Partizipation in Deutschland, 2019-2024 (Scientific Use File, Welle 1 – 6, Version 1.0 aus dem Jahr 2024 untersucht. Das Weizenbaum Panel ist eine  jährliche stattfindende Telefonbefragung zur Internetnutzung von über 2000 Haushalten in Deutschland. Es zeigt, dass es insbesondere drei soziodemographische Merkmale gibt, die zu einem unterschiedlichen Nutzungsverhalten von (digitalen) Finanzdienstleistungen führen: Einkommen (bzw. die mit dem Einkommen stark korrelierte Bildung), Alter und Geschlecht. Andere Variablen wie etwa, ob jemand aus Ost- oder Westdeutschland kommt oder einen Migrationshintergrund hat, spielen dagegen kaum eine Rolle.

    Zunächst zum Einkommen: Je höher das Einkommen ist, desto häufiger werden digitalen Formen des Bezahlens genutzt. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für die Nutzung der von Banken bereitgestellten Dienste wie Kartenzahlung oder Online-Banking als auch für die Dienste US-amerikanischer Tech Firmen wie Paypal oder Apple Pay. Eine Ausnahme ist die Nutzung von Debitkarten, diese liegt bei allen Einkommensgruppen bei über 80 Prozent, weswegen hier von einer schichtübergreifenden Verbreitung gesprochen werden kann. Eine weitere Ausnahme sind Buy-Now-Pay-Later Angebote wie sie etwa von Klarna oder PayPal angeboten werden .

    Die größten Unterschiede zeigen sich bei der Nutzung von Kreditkarten sowie von Google- bzw. Apple Pay. Während nur 56,1 Prozent mit einem Haushaltseinkommen  bis 3.000 Euro monatlich im vergangenen Jahr mindestens einmal Gebrauch von ihrer Kreditkarte gemacht haben, ist der Anteil bei einem Haushaltseinkommen über 4.000 Euro 81,2 Prozent – also fast doppelt so viele. Auch Online-Banking wird deutlich häufiger von hohen Einkommensgruppen genutzt:  72,3 % der Befragten in der unteren Einkommensgruppe, 90,5 % in der oberen – ein Unterschied von über 18 Prozentpunkten. Am deutlichsten sind die Unterschiede bei den App-basierten Bezahlverfahren wie Apple Pay, Google Pay oder Samsung Pay. Hier liegt die Nutzungsquote in der unteren Einkommensgruppe bei 18,4 %, bei jenen über 4.000 Euro Einkommen bei fast 35 % – und damit nahezu doppelt so hoch. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Digitalisierung des Geldes kein neutraler Prozess ist. Von ihren Vorteilen– etwa bequemes Bezahlen oder einfacher Zugang zu Krediten – profitieren überdurchschnittlich höhere Einkommensschichten. Die Nachteile hingegen, etwa der Ausschluss aufgrund mangelnder Bonität, höhere Gebühren bei Nutzung nicht-digitaler Alternativen oder erhöhtes Überschuldungsrisiko, treffen überdurchschnittlich häufig die unteren sozialen Schichten.

    Neben den bereits genannten monetären Gründen spielen auch soziale Milieus eine zentrale Rolle. Diese Milieus bestehen typischerweise aus Personen mit ähnlichem sozio-ökonomischen Status. Studien zeigen, dass geteilte Lebensrealitäten – etwa die Einstufung der eigenen Einkommensgruppe als nicht kreditwürdig, die Erfahrung, im Herkunftsland alles aufgeben zu müssen oder das Erleben ökonomischer Stabilität – sich auf die Einstellung zu und den Umgang mit Geld niederschlagen. Dies betrifft sowohl das Vertrauen gegenüber Finanzinstitutionen als auch Konsumverhalten und Praktiken der mentalen Buchführung {mental accounting}.

    Neben dem Einkommen beeinflusst auch das Alter die Nutzung digitaler Finanzdienstleistungen. Entscheidend ist dabei weniger das Alter an sich als die damit einhergehende alltägliche, bei Älteren tendenziell geringere Internetnutzung. In zunehmend digitalisierten Gesellschaften erzeugt dies neue Ungleichheitsstrukturen. Grundsätzlich ist die Nutzung digitaler Zahlungsmethoden bei älteren Menschen geringer. Online-Banking und PayPal werden sehr viel häufiger von jungen Menschen genutzt, bei app-basierten Zahlungsmethoden wie Apple- oder Google Pay ist der Unterschied besonders markant:  Über 40 Prozent der 16- bis 34-jährigen nutzen diese Angebote, bei den 35- bis 64-jährigen sind es nur noch 29 Prozent und in der ältesten Altersgruppe unter 12 Prozent.

    Auch das Geschlecht beeinflusst die Nutzung digitaler Bezahlmethoden. Im Durchschnitt verwenden mehr Männer als Frauen die neuen Bezahlmethoden. Dies gilt für die Nutzung von ApplePay/GooglePay, Kreditkartenzahlung, PayPal und Onlinebanking:  Frauen liegen bei allen genannten Diensten im Schnitt etwa 10 Prozentpunkte unter den Nutzungsraten der Männern.

    Buy-Now-Pay-Later: Die große Ausnahme zwischen Zahlungsoption und Konsumkredit

    Buy-Now-Pay-Later sind Kurzzeitkredite, die sich – traditionell – mit dem sofortigen Online-Warenkauf verbinden. Die Konsument:innen zahlen den fälligen Betrag – in Raten oder in Gänze – erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die exakten Konditionen von Buy-Now-Pay-Later Produkten, wie beispielsweise Anzahl, Höhe und Abstand der Raten, variieren je nach Anbieter und Land. Gemeinsam ist allen Angeboten aber, dass den Konsument:innen zunächst keine Zinsen für das Darlehen berechnet werden. Bei verspäteter oder ausfallender Zahlung können jedoch laut Verbraucherzentrale (2025) Mahngebühren bis zu 15 % anfallen. Bis heute bedeutendster Pionier dieses Geschäftsmodells ist das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna, das mittlerweile global tätig ist und in Europa eine Banklizenz besitzt. Inzwischen gibt es weitere Anbieter, darunter PayPal, das seine Geschäftsstrategie insbesondere in Deutschland ausdehnt: Seit Mai 2025 ermöglicht Paypal Buy-Now-Pay-Later auch im stationären Handel. Deutschland ist damit das erste europäische Land, in dem dieses Angebot eingeführt wurde.

    Im Gegensatz zu Kartenzahlungen, bei denen der Großteil der Gewinne von den Konsument:innen durch Zinsen oder andere Gebühren abgeschöpft wird, tragen bei Buy-Now-Pay-Later Produkten die Händler:innen den Großteil der Kosten. 2023 stammten rund 79 Prozent der Klarna-Einnahmen aus Händlergebühren, nur 16 Prozent aus Zinsen und Gebühren der Konsument:innen. Die Händler:innen führen für jede BNPL-Zahlung eine feste Gebühr an den jeweilige BNPL-Plattform ab, damit übertragen sie das Risiko eines Zahlungsausfalls sowie den Verwaltungsaufwand an den jeweiligen BNPL-Anbieter. Anders als bei Kreditkarten ist bei Buy-Now-Pay-Later-Produkten in Deutschland unter 200 Euro keine Bonitätsprüfung erforderlich.

    Die Daten des Weizenbaum-Panels verdeutlichen, dass Buy-Now-Pay-Later-Produkte trotz ihrer relativen Neuheit bereits stark verbreitet sind. Etwa ein Drittel der Befragten nutzte sie im vergangenen Jahr mindestens einmal. Anders als bei anderen digitalen Finanzdienstleistungen sind die Unterschiede zwischen Einkommensgruppen gering: 34,9 Prozent der Befragten mit einem Haushaltseinkommen bis 3.000 Euro nutzen BNPL-Angebote, 33,2 Prozent in der höchsten Einkommensgruppe liegen da nur geringfügig darunter.

    Geschlechtsspezifisch zeigen sich gar gegenläufige Muster: Laut Weizenbaum-Panel nutzten 37,7 Prozent der Frauen Buy-Now-Pay-Later-Optionen, nur 30,8 Prozent der Männer. Auch das Alter spielt eine geringere Rolle: Mit 38,9 Prozent nutzen 18- bis 34-Jährige BNPL-Produkte zwar häufiger als 35- bis 64-Jährige (35,4 %), aber im Vergleich zur Diskrepanz bei anderen digitalen Finanzdienstleistungen ist der Unterschied vergleichsweise marginal. Diese Ergebnisse decken sich insofern mit internationalen Befunden.  So zeigen auch Studien aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien, dass BNPL-Produkte häufig von gesellschaftlichen Schichten in Anspruch genommen werden, die Konsumkredite zuvor eher zurückhaltend genutzt haben.

    Insgesamt lässt sich festhalten: Buy-Now-Pay-Later-Produkte durchbrechen möglicherweise die lange bestehende Zurückhaltung deutscher Konsument:innen gegenüber der mit digitalen Zahlungen verknüpften Kreditaufnahme – sei es durch Kreditkartenschulden oder die Ausschöpfung des Dispokredits. Allerdings zeigt sich, dass das positive Image der Buy-Now-Pay-Later-Produkte als günstigerer und fairerer Alternative zu Kreditkartenschulden nicht in allen Fällen gerechtfertigt ist. Mahngebühren und Zinsen bei Zahlungsausfällen können insbesondere einkommensschwache Haushalte stark belasten, führen im schlimmsten Fall zu Überschuldung. Gerade für jüngere Nutzer:innen birgt die Kombination aus vielfach niedrigem Einkommen, fehlender Erfahrung im Umgang mit Krediten und der niedrigschwelligen Verfügbarkeit von BNPL-Angeboten erhebliche Risiken.

    Die Daten des Weizenbaum Panels zeigen, dass trotz nahezu vollständiger Verbreitung von Bankkonten erhebliche Ungleichheiten bei der Nutzung digitaler Bezahldienste und in der Konsumverschuldung bestehen. Digitale Zahlungsangebote werden auch in Deutschland vor allem von einkommensstarken, jüngeren und männlichen Nutzer:innen verwendet, während die Kosten für jene, die nicht digital zahlen oder Onlinebanking nutzen, vergleichsweise steigen. Buy-Now-Pay-Later bildet die große Ausnahme: Es wirkt inklusiver und ist bei Frauen sogar verbreiteter. Niedrigere Zugangsschwellen gehen hier allerdings mit einem erhöhten Verschuldungsrisiko für vulnerable Gruppen einher. Somit verschärft die Digitalisierung der Finanzdienstleistungen existierende Ungleichheiten: Exklusive Angebote begünstigen wohlhabendere Nutzer:innen, während BNPL neue Nutzergruppen einbindet, dabei aber Verschuldungsrisiken verstärkt.

    Redaktionelle Notiz:
    Dieser Blogbeitrag ist eine Kurzversion des jüngst erschienenen gleichnamigen Weizenbaum Discussion Papers.

    Wir empfehlen zur weiteren Lektüre:
    Brandl, Barbara; Ignácz, Zsófia.; Keiner, Alexandra; Preunkert, Jenny (2025): Von der Kreditkarte zu Buy-Now-Pay-Later: Soziale Ungleichheiten in der Nutzung von digitalen Bezahldiensten und Konsumkrediten. No. 49; Weizenbaum Discussion Paper. Hg. v. Weizenbaum-Institut.

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    Portraitfoto Barbara Brandl

    Barbara Brandl
    ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Organisation und Wirtschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie ist Sprecherin der ZEVEDI-Projektgruppe Die normativen Dimensionen des digitalen Euro und war Mitglied der ZEVEDI-Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt.

  • ÜBER DEN BLOG
    Im Diskursprojekt eFin & Demokratie beobachten und diskutieren wir den digitalen Wandel in Sachen „Geld“. Das Finanz- und Staatswesen wird davon ebenso erfasst wie unser aller Alltag und Miteinander. Unser Blog versucht, die Umwälzungen zu verstehen und die Debatte zu fördern - auch als Teil unserer Demokratie. Es schreiben Mitarbeiter:innen des Projekts und Gäste in freier und diverser Form darüber, was sie lernen und erforschen, was sie beunruhigt und was sie fasziniert. Wir freuen uns über Kommentare unter efin@zevedi.de.

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