Laufzeit: Januar 2024 bis Juni 2025

Angesichts neuer Bedrohungen für Staat und Gesellschaft wurden die deutschen Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit zentralisiert, ausgebaut und erhielten neue Aufgaben. Ihre Tätigkeit wandelte sich sukzessive von reaktivem Einzelfallbezug hin zu einem strukturierten operativen Vorgehen, das Risiken frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken soll. Je mehr es gilt, Gefahren rechtzeitig zu antizipieren, desto stärker sind die Sicherheitsbehörden – technologiegestützt – auf die Gewinnung und Verarbeitung von Daten und Informationen angewiesen. Diese Entwicklung findet unter den Bedingungen der Digitalisierung privater und staatlicher Räume statt und geht mit einer weitgehenden Datafizierung von Kommunikation und gesellschaftlichem Handeln einher. In der Folge ist inzwischen auch das sicherheitsbehördliche Handeln durch einen zunehmenden Einsatz von Big-Data-Analysen und Künstlicher Intelligenz (KI) gekennzeichnet. Diese Entwicklung birgt Chancen und Risiken.
Die Projektgruppe nimmt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 16.2.2023 – 1 BVR 1544/19 – (automatisierte Datenanalyse), wonach die Regelung für die Nutzung der Software „Gotham“ der Firma Palantir Inc. durch die hessische Polizei verfassungswidrig war, zum Anlass, diese Entwicklung unter rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten zu analysieren. Dabei werden auch die mit der Thematik verbundenen rechts- und technikphilosophischen Fragestellungen in den Blick genommen und – im Dialog mit der Informatik und den Sicherheitsbehörden – die technischen Grundlagen und die praktische Implementation der neuen Technologien mit einbezogen. Gegenstand der Überlegungen soll auch die europäische Entwicklung sein. Hier geht es zum einen um die 2022 in die Europol-VO aufgenommene Befugnis von Europol zur Durchführung von Big-Analysen und zum anderen um den Entwurf des AI Act, bei dem die geplanten Ausnahmen für die Sicherheitsbehörden zu den umstrittensten Themen gehören. Zudem sollen die Erkenntnisse der zivilen Sicherheitsforschung einbezogen werden, soweit diese sich mit dem Einsatz digitaler Technologien im Bereich der öffentlichen Sicherheit befasst.
Big Data und KI bei der Polizei.
Das Palantir-Urteil in der interdisziplinären Diskussion
Sammelband | November 2025
Die Verarbeitung großer Datenmengen zum Zweck der Informationsgewinnung ist zentraler Bestandteil sicherheitsbehördlicher Tätigkeit im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. In der Folge ist in den vergangenen Jahren nicht nur eine Zunahme von Big-Data-Analysetechniken zu beobachten, sondern jüngst auch der Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Informationsverarbeitung. Derartige Entwicklungen werfen rechtliche und philosophische Fragen auf.
Der Sammelband nimmt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2023 zur hessischen Rechtsgrundlage für die polizeiliche Nutzung der Datenanalyse-Software »Gotham« des US-amerikanischen Unternehmens Palantir Technologies zum Ausgangspunkt interdisziplinärer Betrachtungen. Die Beiträge formulieren rechtliche und ethische Rahmenbedingungen für eine Regulierung künstlicher Intelligenz in den Polizeibehörden, nehmen dabei auch europäische Entwicklungen rund um den AI Act in den Blick und diskutieren die Rolle privater Unternehmen im Bereich der Sicherheitsgewährleistung.
Podiumsdiskussion und Kolloquium
Dienstag, 10.06.2025, 18:00 – 20:00 Uhr
Mittwoch, 11.06.2025, 09:00 – 14:00 Uhr
Campus Recht & Wirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen Hörsaalgebäude (HS 031) Licher Straße 68, 35394 Gießen
Die Podiumsdiskussion bildet den Auftakt für die Abschlusstagung des Projekts Big Data und KI im Bereich der deutschen Sicherheitsbehörden (KISiB) am Mittwoch, den 11. Juni 2025 (9:00 – 14:00 Uhr). Themen der verschiedenen Panels werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Datenanalyse (Christopher Giogios, KISiB, JLU Gießen), Fragen der strategischen Klageführung auf dem Gebiet des Sicherheitsrechts (Franziska Görlitz, GfF), die Sprache des Urteils (Prof. Dr. Petra Gehring, KISiB, TU Darmstadt) sowie ein rechtspolitischer Ausblick auf gegenwärtige Gesetzesvorhaben (Prof. Dr. Michael Bäuerle, KISiB, JLU/HöMS) sein.
Anmeldung an c.giogios[at]gmail.com
Programm
Foto: ©Ruben Streb
Debatte in Gießen:
Der Staat ist keine Familie
Berichterstattung zur Veranstaltung im Gießener Anzeiger vom 13.06.2025
KI im Einsatz für die Sicherheit
Innovation und Kontrolle im Spannungsfeld von europäischer Gesetzgebung und nationaler Souveränität
Beitrag von Bettina Schöndorf-Haubold (JLU Gießen/ZEVEDI) und Christopher Giogios (JLU Gießen/ZEVEDI) im Verfassungsblog, dem akademischen Open Access Blog zu verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Themen.
Zum Beitrag auf Verfassungsblog
Vertrauen und Misstrauen in Polizeisoftware: Ab wann weiß der Staat zu viel?
13. November 2024
Vortrag von Petra Gehring (TU Darmstadt/ZEVEDI) im Rahmen der Ringvorlesung Vertrauen und Wissen des Instituts für Philosophie der TU Darmstadt im Wintersemester 2024/25.
Beteiligte Wissenschaftler:innen
Prof. Dr. Michael Bäuerle, LL.M., Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit | Sprecher | mehr Information
Prof. Dr. Petra Gehring, Technische Universität Darmstadt | stellvertretende Sprecherin | mehr Information
Dr. Kai Denker, Technische Universität Darmstadt | mehr Information
PD Dr. Christian Geminn, Universität Kassel | mehr Information
Dr. Nora Jansen, Goethe-Universität Frankfurt | mehr Information
Prof. Dr. Bettina Schöndorf-Haubold, Justus-Liebig-Universität Gießen | mehr Information







