
Eine gute gedruckte Tageszeitung konfrontiert ihre Leser:innen mit einem absichtsvoll und sorgfältig zusammengestellten Informationsangebot. Wer sich darauf einlässt, stößt auf überraschende Perspektiven, neue Themengebiete, zuvor unbekannte Debatten. Hinter der Zeitung stehen Herausgeber und eine Redaktion. Sie bietet das an, was zu wissen und zu diskutieren aktuell wichtig ist. Natürlich funktioniert das auch im Digitalen so: Wo nicht Algorithmen und personalisierten News-Feeds die Artikel zusammenstellen, liefern auch digitale Versionen von „Zeitung“ – wie ePaper oder Online-Portale – weitgehend kuratierte oder recherchierte Nachrichten. Hinzu kommen Analysen und Kommentare. Anders als die gedruckte Zeitung, die es in ihrer Machart und Handhabung leicht macht, sich konzentriert in Artikel und Interviews zu vertiefen, konkurrieren digitale Nachrichten allerdings schnell mit anderen Informationen um die Aufmerksamkeit des Menschen vor dem Bildschirm. Und digitaler Content scheint oft kostenlos zu sein – wir bezahlen „nur“ mit den beim Klicken und Lesen entstehenden Daten. Nicht mehr alle Menschen sehen es daher ein, für digitale Zeitungsinhalte zu bezahlen – etwa in Form eines Abos oder für einzelne Artikel. Gratis-Content im Netz entwertet aber journalistische Arbeit. Zeitungshäuser spüren den Druck, der durch die wachsende Konkurrenz mit anderen Medien entsteht. Sie müssen kreativ werden, um im Kampf um Aufmerksamkeit und Interesse – gemessen in Klicks und Likes – zu bestehen. Und spätestens dann, wenn Nutzer:innen gar nicht mehr gezielt bestimmte Angebote von Zeitungen und Medienhäusern aufsuchen, sondern ihnen lediglich einzelne Beiträge in Newsfeeds oder Posts begegnen, müssen seriöse Themensetzung und journalistische Standards mit wirtschaftlichen Überlegungen zur Maximierung von Reichweite zusammengebracht werden. Hier bewegt man sich mitunter auf einem schmalen Grat.
Carsten Knop ist Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und verantwortet die digitalen Angebote des Blattes. Als Journalist kommentiert er seit Jahren die Entwicklungen im Bereich digitaler Technologien und Transformationen und nimmt dabei auch internationale Perspektiven ein. Im Digitalgespräch beschreibt der Experte am Beispiel der FAZ das Verhältnis von Zeitung und Digitalisierung. Er erklärt, wie Zeitungsredaktionen auf Herausforderungen des digitalen Informations- und Unterhaltungsmarktes reagieren, welche neuen Formate und Arbeitsweisen entstehen und wie seriöser Journalismus Chancen neuer digitaler Technologien sinnvoll nutzen kann. Mit den Gastgeberinnen Marlene Görger und Petra Gehring diskutiert Knop, welche Relevanz Digitalisierungsthemen in der Berichterstattung haben (sollten), wie sich der Austausch zwischen Journalist:innen und Leser:innen verändert hat und welche Rolle Tageszeitungen wie der FAZ im Ringen um demokratische Gestaltung von Digitalität zukommt.
Weitere Informationen:
Zu „Befunde aus dem Reuters Institute Digital News Survey 2021: Aktuelle Entwicklungen bei der Nachrichtennutzung in Deutschland“ des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut: https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/default/cms/media/q1mweh9_2111_Hoelig_Behre.pdf