• Kategorien
    Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: gelb

    Der digitale Euro: Momentaufnahmen aus dem Maschinenraum der Politik

    Im Februar 2024 wurde auf verschiedenen Ebenen an den politisch-rechtlichen Voraussetzungen für ein digitales Zentralbankgeld in der Eurozone gearbeitet. Ein Blick auf Aktivitäten in Berlin und Brüssel.

    Der digitale Euro: Momentaufnahmen aus dem Maschinenraum der Politik

    Ein Beitrag von Erik Meyer

    15. März 2024

    Im Februar 2024 wurde auf verschiedenen Ebenen an den politisch-rechtlichen Voraussetzungen für ein digitales Zentralbankgeld in der Eurozone gearbeitet. Ein Blick auf Aktivitäten in Berlin und Brüssel.

    Von einer geplanten „großen Anhörung“ war bei der Plenardebatte Anfang November 2023 im Bundestag die Rede, als zwei Anträge der Opposition zur möglichen Einführung eines digitalen Euros behandelt wurden. Nun lässt sich darüber streiten, was eine „große Anhörung“ in einem Ausschuss des Bundestags auszeichnet. Neun Sachverständige hatten die Fraktionen für die zweistündige öffentliche Anhörung am 19. Februar 2024 im Finanzausschuss benannt. Außerhalb der Fraktionskontingente nahm für die Deutsche Bundesbank deren Vorstandsmitglied Burkhard Balz Stellung. Abwesend waren auf Seiten der Abgeordneten die Gruppe „Die Linke“ und die Gruppe BSW, die zwar keine Sachverständigen benennen durften, aber auch Fragezeit gehabt hätten. Ein Fragenkatalog wurde vorab nicht erstellt, wie es bei anderen Anhörungen durchaus üblich ist.

    Insofern war die ganze Veranstaltung durch das Dilemma gekennzeichnet, das bereits die Debatte im Plenum geprägt hatte: Die formale Frage, wer denn nun wie im auf EU-Ebene begonnenen politischen Prozess über die Ausgestaltung eines digitalen Euro mitentscheiden soll, wurde mit der inhaltlichen Frage, was von dem Vorhaben zur Einführung eines digitalen Zentralbankgelds in der Eurozone zu halten sei, vermischt. Geladen waren einerseits Wissenschaftler, die Aspekte des digitalen Euro aus der Perspektive verschiedener Disziplinen beurteilten. Andererseits Stakeholder, die diesbezüglich vor allem wirtschaftliche Interessen vertraten.

    Eine dezidiert gemeinwohlorientierte Perspektive, wie sie etwa die Verbraucherzentralen im Hinblick auf Bedürfnisse der Bürger:innen artikulieren könnten, fehlte. Auch auf die in den Anträgen der Unions- sowie der AfD-Fraktion formulierten Vorstellungen von einer „Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten“ (Union) bzw. einer „Volksbefragung“ in Deutschland zu dieser Angelegenheit (AfD) wurde in den von vielen Expert:innen vorab vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen nur im Einzelfall eingegangen. Der von der SPD-Fraktion geladene Jurist Ulrich Hufeld sprach sich gegen einen Zustimmungsvorbehalt des Bundestags bei der Einführung eines digitalen Euro aus. Er stützte damit die bei der Plenardebatte aus den Regierungsfraktionen vertretene Meinung, was wiederum die voraussichtliche Ablehnung der Anträge am Ende des parlamentarischen Prozesses impliziert.

    Überwiegend nüchterne Kosten-Nutzen-Kalkulationen

    Ansonsten drehte sich die Anhörung vor allem um generelle und konkrete Vorbehalte gegen das Projekt. Die fortbestehende Bedeutung von Bargeld wurde allseits unterstrichen. Ein größeres Thema war die Frage danach, welche Konsequenzen ein digitaler Euro für das private Bankensystem und etwa die Kreditvergabefähigkeit der Institute hätte. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Ulrich Reuter, sagte als Vertreter des von der FDP-Fraktion geladenen Verbands „Die Deutsche Kreditwirtschaft“, die deutschen Banken würden mit Umsetzungskosten von einer Milliarde Euro für den digitalen Euro rechnen. Solche Kosten müssten auch durch Gebühren refinanziert werden können. Befürchtet wird darüber hinaus, dass die Bankeinlagen von Bürger:innen abfließen könnten, da sie diese dann in digitalem Zentralbankgeld halten könnten. Die Einschätzungen über mögliche Auswirkungen eines solchen Szenarios gingen allerdings auseinander. Reuter konnte sich bei der Höhe des Haltelimits nur wenige hundert Euro vorstellen, ohne dass es zu relevanten Beeinträchtigungen kommen würde. Andere Akteure aus der Digital- und Zahlungsbranche betonten die Wahrnehmung von Innovations- und Kooperationspotenzial etwa mit den avisierten Angeboten der privatwirtschaftlichen European Payments Initiative, die ebenfalls vertreten war. Bundesbanker Balz sah sogar die Option, auch staatliche Transferleistungen an Privathaushalte via digitalem Euro abzuwickeln. Eine dezidiert ablehnende Haltung nahm ausschließlich der von der AfD-Fraktion geladene Ökonom Philipp Bagus ein, der den digitalen Euro zusammenfassend als „Teufelswerk” charakterisierte.

    Die Frage, wie Akzeptanz und Vertrauen durch sowie ein besonderer Nutzen für die Bürger:innen erzielt werden könnte, wurde vor allem im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre diskutiert. Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geladene Professor für Datensicherheit und -schutz, Rainer Böhme, sowie der von der FDP-Fraktion geladene Vertreter der Digital Euro Association, Jonas Gross, betonten hier die Notwendigkeit angemessener technischer Lösungen, aber auch die Bedeutung, die die Anwendung von Open-Source-Prinzipen für mehr Transparenz und Sicherheit entfalten könnten. Insofern bildete die Anhörung1Ihre Aufzeichnung, ein zusammenfassender Text, die Liste der Sachverständigen sowie die von einigen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen sind im Online-Angebot des Deutschen Bundestags hier» verfügbar. im Bundestag zentrale Konfliktlinien und Interessenlagen ab, die in der Debatte um den digitalen Euro virulent sind.

    Beratungen in Brüssel

    Bei der Anhörung im Bundestag hatte die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, bereits vorab beklagt: „Leider hat die EZB eine Einladung in den Finanzausschuss abgelehnt (…). Das ist sehr bedauerlich und trägt nicht zu einem offenen Diskurs bei.“2Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktion», 16. Februar 2023. Gleichwohl ist die Europäische Zentralbank regelmäßig beim zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments zu Gast. So gab Piero Cipollone, Mitglied des EZB-Direktoriums, erst am 14. Februar 2024 dort „Einblicke in die Vorbereitungsphase für einen digitalen Euro“  und seine einleitenden Bemerkungen sind sogar schriftlich in deutscher Sprache verfügbar.3 Einzusehen auf der Webseite der EZB hier» Dieser Ausschuss befasst sich auch federführend mit dem Legislativvorschlag zur Einführung eines digitalen Euro. Ein abschließendes Votum über Änderungsvorschläge, das dann wiederum die Grundlage für eine Abstimmung des Europäischen Parlaments darstellt, hat ECON bislang noch nicht vorgelegt.4Der letzte bei der Abfassung dieses Beitrags schriftlich vorliegende Stand ist ein noch nicht finalisierter Entwurf vom 9. Februar 2024. Hier» das entsprechende PDF-Dokument. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der diese Materie mitberät, hat aber schon Stellung mit dem Fokus auf Aspekte des Datenschutzes genommen. Das Abstimmungsergebnis vom 15. Februar 2023 über dieses Dokument signalisiert prinzipiell eine breite parlamentarische Zustimmung zum Vorhaben durch 48 Ausschussmitglieder bei sechs Gegenstimmen und sieben Enthaltungen.

    Als dritte für das Gesetzgebungsverfahren relevante Instanz ist neben der Kommission und dem Parlament der Rat der Europäischen Union, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten sind, mit dem Thema befasst. Dieser beriet das Thema Ende Februar 2024 intern auf Expert:innen-Ebene in einer Arbeitsgruppe. Darüber berichtet Maximilian Henning für das kostenpflichtige Angebot Tagesspiegel Background: Digitalisierung & KI.5 Maximilian Henning: Ab wann braucht der digitale Euro eine Offline-Funktion, Tagesspiegel, 1. März 2024. Demnach stand die geplante Offline-Funktion eines digitalen Euro im Fokus dieser Beratungen. Damit sollen finanzielle Transaktionen etwa zwischen privaten Nutzer:innen in einem bestimmten Umfang möglich sein, auch ohne dass die Beteiligten dabei online sein müssen. Die Realisierung dieser gewünschten Funktionalität erscheint allerdings als eine große technisch-organisatorische Herausforderung. Deshalb wird diskutiert, ob sie für die Erstausgabe des digitalen Euro in der betreffenden Verordnung als verpflichtendes Feature verankert wird.

    Vor dem Hintergrund dieser Schlaglichter auf den politischen Prozess in Berlin und Brüssel wird deutlich, dass die eigentliche Entscheidung über den Legislativvorschlag für einen Rechtsrahmen zum digitalen Euro im institutionellen Dreieck von Kommission, Parlament und Rat aller Voraussicht nach nicht vor der Europawahl Anfang Juni 2024 fällt. Dies würde zumindest die Möglichkeit eröffnen, über das Vorhaben im Wahlkampf eine inhaltliche Diskussion mit den Bürger:innen zu führen. Dass diese potenzielle Quelle demokratischer Legitimation produktiv genutzt wird, zeichnet sich bislang allerdings nicht ab.

    Zurück zur Startseite des Blogs»

    Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

    • 1
      Ihre Aufzeichnung, ein zusammenfassender Text, die Liste der Sachverständigen sowie die von einigen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen sind im Online-Angebot des Deutschen Bundestags hier» verfügbar.
    • 2
    • 3
      Einzusehen auf der Webseite der EZB hier»
    • 4
      Der letzte bei der Abfassung dieses Beitrags schriftlich vorliegende Stand ist ein noch nicht finalisierter Entwurf vom 9. Februar 2024. Hier» das entsprechende PDF-Dokument.
    • 5
      Maximilian Henning: Ab wann braucht der digitale Euro eine Offline-Funktion, Tagesspiegel, 1. März 2024.

    Erik Meyer
    ist Mitarbeiter im Diskursprojekt eFin & Demokratie, promovierter Politikwissenschafter und beschäftigt sich als Autor u.a. in seinem Blog Memorama» mit Aspekten politischer Kommunikation in der digitalen Gesellschaft.

  • ÜBER DEN BLOG
    Im Diskursprojekt eFin & Demokratie» beobachten und diskutieren wir den digitalen Wandel in Sachen „Geld“. Das Finanz- und Staatswesen wird davon ebenso erfasst wie unser aller Alltag und Miteinander. Unser Blog versucht, die Umwälzungen zu verstehen und die Debatte zu fördern - auch als Teil unserer Demokratie. Es schreiben Mitarbeiter:innen des Projekts und Gäste in freier und diverser Form darüber, was sie lernen und erforschen, was sie beunruhigt und was sie fasziniert. Wir freuen uns über Kommentare unter efin@zevedi.de.