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Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie: Empfehlungen des Rats für Digitalethik

Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie: Empfehlungen des Rats für Digitalethik

24. April 2023

Der Rat für Digitalethik» wurde von der Hessischen Landesregierung gegründet, um ethische Aspekte der Digitalisierung zu identifizieren und die Landesregierung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu beraten. Als wissenschaftliche Direktorin des Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung ist Prof. Dr. Petra Gehring Mitglied im Rat für Digitalethik. Dieser hat Ende 2022 Empfehlungen zu den Herausforderungen der digitalen Transformation für die Stabilität von Demokratie» vorgelegt. Wir dokumentieren daraus den dritten Abschnitt mit dem Titel Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie.


„Die Welt des Geldes ist durch Digitalisierung deutlich abstrakter und unübersichtlicher geworden. Global tätige Internetkonzerne planen eigene Zahlungsmittel und treten damit in eine Art Konkurrenz zum Staat. Digitale Finanzprodukte, dezentrale Kreditvergabe und andere dezentrale Finanzprodukte („De-Fi“) boomen. Krypto-Werte („Krypto-Währungen“) wie Bitcoin oder Ether erfreuen sich als staatsferne Zahlungsmittel sowie als Spekulationsgegenstände mit zeitweilig hohen Renditen einer wachsenden Beliebtheit. Zahlreiche alternative Anlage- und Investitionsangebote knüpfen ebenso an die Idee eines gänzlich dem staatlichen Einfluss entzogenen Wirtschaftens an. Solche Angebote sind oft komplex, schwer durchschaubar und nicht selten unseriös. Kryptowerte unterliegen enormen Schwankungen, was deren Verwendung riskant macht. In Zeiten hoher Inflation könnte die Risikobereitschaft dennoch weiter steigen – und auch die Anziehungskraft von auf Gewinnmaximierung angelegten, libertär-anarchistischer Internet-Ideologien ist beträchtlich. Krypto-Communities grenzen sich nicht selten von demokratischer (Rechts)Staatlichkeit mehr oder weniger offen ab. Technik soll Recht und demokratische Diskurse ersetzen. Frustration über „den Staat“ kann hier Existenzkrisen und Verschuldung nach sich ziehen.


Das Wissen der Bevölkerung über Geldanlagen und Finanzmarktmechanismen generell ist in Deutschland gering und ungleich verteilt. Erst recht gilt dies für das Wissen über die digitale Transformation des Finanzsektors, die ein globales Phänomen ist, den europäischen Alltag jetzt aber erreicht hat. Zugleich drängen digitale Bezahlverfahren in Europa ganz generell die Nutzung von Bargeld zurück. Die Covid-19-Pandemie hat diese Entwicklung auch in Deutschland – einem
relativ bargeldfreundlichen Land – verstärkt. Digitales Bezahlen ist oft bequem. Es ist aber niemals anonym, was Befürchtungen vor gläsernen Kundinnen und Kunden und womöglich einem Überwachungsstaat weckt. Welcher Mix einer künftigen Geldnutzung passt also zu einer Demokratie?


Digitale Finanzkompetenzen stellen eine wichtige – und unterschätzte – Dimension derjenigen digitalen Kompetenzen dar, an denen es in der Gesellschaft aktuell fehlt. Eine auf Befähigung aller Beteiligten ausgerichtete Bildungspolitik muss dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen digitale Finanzkompetenzen erlangen. Benötigt wird ein digitaler Verbraucherschutz, der sich in verstärktem Maße auf komplexe Finanzprodukte erstreckt. Gerade für das
Land Hessen mit dem herausragenden Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Main ist vor einem pauschalen Hype rund um neue Finanzprodukte zu warnen. Eine leistungsfähige Strafverfolgung sollte auch dem Schutz vor digitaler Finanzkriminalität und digitalen Betrugsformen dienen


Ergänzend schlägt der Rat für Digitalethik der Hessischen Landesregierung vor, eine breite, öffentliche und partizipative Diskussion über den „Digitalen Euro“ zu initiieren, also über digitales Zentralbankgeld, dessen Einführung die Europäische Zentralbank derzeit erwägt. Das erforderliche Maß an Wissen, um dieses für die Demokratie wichtige Projekt zu verstehen und zu bewerten, fehlt derzeit weitgehend – denn Geld ist etwas, das alle angeht. Selbst in den verantwortlichen Institutionen ist digitales Zentralbankgeld ein Thema, mit dem sich Fachleute intensiv befassen müssen. Veränderungen der Währung stellen eine Schlüsselfrage für das Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger in ihren Staat dar. Die Hessische Landesregierung sollte daher die zu erwartende Diskussion über die Einführung und Ausgestaltung eines „Digitalen Euro“ (als einer Art anonymes digitales Bargeld) nicht nur passiv abwarten, sondern das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern eröffnen. Durch derartige partizipative Diskurse kann das Land Hessen ein Vorreiter bei der demokratischen Ausgestaltung einer künftigen digitalen Zentralbankwährung für Europa sein.“

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Autor: Isabel Schmidt Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Wie nah ist Europa? Erfahrungen von der virtuellen Teilnahme an einem EU-Hearing zum digitalen Euro

Wie nah ist Europa? Erfahrungen von der virtuellen Teilnahme an einem EU-Hearing zum digitalen Euro

Ein Beitrag von Isabel Schmidt

vom 24. April 2023

eFin & Demokratie hat das public hearing der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (ECO) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) „A Digital Euro – Challenges and Opportunities“ am 7. September 2022 per Videostream besucht.1 Ein Webstream des Hearings ist hier» online. Wir sind überrascht über die dichte und nachhaltige Dokumentation der EU-Gremien im Netz und fragen uns gleichzeitig, was die virtuelle Präsenz der europäischen Institutionen tatsächlich an demokratischen Mitwirkungseffekten nach sich ziehen kann.

Ein Klick und ich bin mitten in der Sitzung der Fachgruppe des Brüsseler Wirtschafts- und Sozialausschusses. Es geht verblüffend einfach, europäische Politik zu mir nach Hause auf den Bildschirm zu holen und live daran teilzunehmen.

Selbst Fragen lassen sich von allen Anwesenden an das Gremium stellen, die ad hoc aufgegriffen und beantwortet werden. Das ist keineswegs ein Zufall. Alle EU-Gremien, zu denen der Ausschuss gehört, arbeiten nach einer 100 Prozent Transparenz-Regel.2Diese besagt: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, wie die EU-Organe ihre Entscheidungen treffen, wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist und welche Dokumente im Zuge der Vorbereitung und Annahme von Rechtsakten hervorgebracht werden. Sie haben das Recht, Zugang zu diesen Dokumenten zu verlangen und Stellung dazu zu nehmen. Außerdem haben die Bürger das Recht zu erfahren, wer Mittel aus dem EU-Haushalt erhält.“ Sie ist hier» zu finden. Grundlage für diese Regel ist die Annahme, dass diese Transparenz dazu beitragen könne, europäische Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiveren Teilnahme am demokratischen Leben der EU anzuregen.Tatsächlich lassen sich alle Aktivitäten minutiös nachvollziehen und einsehen. Das heißt, Sitzungen können gestreamt werden, Vorgänge zu Gesetzesentscheidungen werden nachvollziehbar und teilweise in 23 (!) verschiedenen europäischen Sprachen bereitgestellt. Dokumente sind im Netz verfügbar – selbst bis zurück ins Jahr 1999.3Für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sind die Unterlagen hier».

Europäische Politik ist erstaunlich präsent im Netz, aber wer schaut hin?

Beim Surfen und Livestreamen entsteht so der Eindruck, europäische Politik ist zu 100 Prozent im Netz erlebbar. Diese digitale Spiegelung der EU-Politikebene lässt uns staunen und ist einer Abbildung und Transparenz deutscher Politik im Netz wahrscheinlich um Längen voraus. Trotzdem drängen sich Fragen auf: Wie nah sind Bürger:innen den politischen Entscheidungsprozessen? Existieren womöglich trotz digitaler Barrierefreiheit Hindernisse der Inhalte? Wer nimmt üblicherweise den Service in Anspruch, vor allem: Wer, der nicht sowieso am Thema dran ist? Und was ist mit all jenen, die keinen Zugang zum Internet haben oder denen andere digitale Barrieren im Wege stehen?

Aber kommen wir erstmal wieder zurück zum Thema der Sitzung, der geplanten Einführung eines digitalen Euro. Alle Zuhörer:innen können also Fragen über den Chat stellen und unsere Fragen werden tatsächlich aufgegriffen. Wir fragen, wie Erfolg in Bezug auf die Nutzer:innen-Anzahl des digitalen Euro bemessen wird und wie ein inklusiver digitaler Euro aussehen müsste, damit er von allen Menschen genutzt werden kann. Also eine Möglichkeit der Nutzung, unabhängig davon, ob Personen ein Bankkonto, Ausweispapiere, Internetzugang oder eine Behinderung haben. Das heißt auch, unabhängig davon, ob jemand Endgeräte besitzt oder diese bedienen kann.

Wie wird der Erfolg des digitalen Euro bemessen? Was passiert, wenn der digitale Euro scheitert?

Womöglich steht hinter dem Verzicht auf Aussagen zu Erfolgskriterien hierzu die Angst vor Maßnahmen, die umgesetzt werden könnten, falls der digitale Euro nicht genutzt werden sollte. Einführungen von CBDCs (CBDC: Digitales Zentralbankgeld) können scheitern. Das zeigt das Beispiel des eNaira in Nigeria, der aktuell existiert aber aus mangelndem Vertrauen in die Zentralbank trotz dringendem Bedarf nur von 0,5 Prozent der Bevölkerung genutzt wird.4Warum der eNaira nicht akzeptiert wird, kann man hier» nachlesen. Mehr zu Nigeria und CBDC kann man in einer Studie über finanzielle Inklusion und CBDCs der Digital Currency Initiative aus dem Jahr 2023» nachlesen. Das zeigen auch Beispiele aus Finnland und Ecuador, wo eingeführte CBDCs an den Kosten scheiterten und wieder abgeschafft wurden.

Was, wenn der digitale Euro scheitert? Bleibt er dann ein freiwilliges zusätzliches Tool oder sind nachträgliche Gegensteuerungen denkbar, die einen Nutzen fördern oder gar ein Anfangsguthaben umfassen – das ist zwar ein nicht unbedingt passendes, da „kryptisches“ Beispiel –, wie bei der Einführung des Bitcoin in El Salvador, die eine Verwendung und das Herunterladen zunächst zur Erfolgsstory machten?5Eine Bilanz der Tagesschau zur einjährigen Einführung von Bitcoin in El Salvador gibt es hier». In der Diskussion hierzu nannte beim public hearing der EU die Programmmanagerin des digitalen Euros der EZB, Evelien Witlox, dass es keine zahlenmäßigen Benchmarks gebe, sondern man sich am Erreichen der selbstgesetzten Ziele messe, also der Bereitstellung von Zentralbankgeld unter veränderten (digitalen) Bedingungen und der Unabhängigkeit der EU-Zone von amerikanischen Bezahlsystemen sowie der Stärkung der europäischen Wirtschaft.

Wie sieht ein inklusiver digitaler Euro aus?

Zur Frage der Ausgestaltung eines möglichst inklusiven digitalen Euros, also einem Zahlungsmittel, auf das alle Bürger:innen zugreifen können, gibt es gleich mehrere Antworten. Iacob Alin (Chairman of Association of Romanian Financial, Rumänien) betont, dass ein gutes Design, welches eine offline-Nutzung möglich mache und Weiterbildungen zu digitalen Finanzthemen hier von zentraler Bedeutung seien. Jonas Gross (Digital Euro Assoziation, Frankfurt) geht davon aus, dass ein einfacher technischer Zugang wichtig sei. Er verweist auf das Beispiel Chinas, wo anlässlich der Winterolympiade verschiedene Geräte – unter anderem Handschuhe – den digitalen Yuan, kurz e‑CNY, ermöglichten. Alexandra Maniati (European Banking Federation, Brüssel) hingegen erwidert, dass sie keinen Bedarf einer finanziellen Inklusion sehe, da jede:r Anrecht auf Zugang zu einem Bankkonto habe und sieht das Problem auf der Ebene der digitalen Inklusion, also nur einem Zugang zum Internet.

Kann digitale Transparenz alleine eine aktive Teilnahme am demokratischen Leben ermöglichen?

Die Tatsache, dass unsere Fragen in der Sitzung aufgegriffen und von allen einstimmig als wichtig bezeichnet wurden, hinterlässt bei mir zunächst ein wohliges Gefühl der Selbstwirksamkeit und ich gewinne den Eindruck, dass ich tatsächlich ganz nah dran bin. Doch dieses Gefühl verschwindet relativ schnell wieder. Fragen werden zwar adressiert, aber wie es danach weitergeht und wo es weitere Momente gibt, in denen ich als Bürger:in am Entscheidungs-Prozess teilhaben kann, das muss ich weiterhin selbst im Auge behalten. Wie es in diesem konkreten Fall dann letztendlich zu den Entscheidungen bei Designfragen des digitalen Euro kommt, bleibt für mich offen. Vor allem: Solange es keine Entscheidungen gibt, passiert demokratische Mitbestimmung ja auch irgendwie im Nebel.

Am Beispiel des Hearings konnten wir erleben, dass die EU-Gremien ihre Regeln einhalten und im Netz transparent unterwegs sind. Aber es bleibt für uns die Frage: Wie kommt europäische Politik aus der digitalen Finanzblase oder bleibt hier Eigenverantwortung das Schlagwort der Stunde?

Vermutlich auch Corona sei Dank war europäische Politik noch nie so nahbar wie jetzt, aber als Nicht-Profi lässt sich nicht wirklich alles verstehen, was passiert und vor allem, was das dann bedeutet. Um zu wissen, welchen digitalen Euro ich will, muss ich wissen, welche Konsequenzen die einzelnen Designfragen für mich als Bürger:in haben. Theoretisch muss ich die Antworten dazu aber selbst (im Netz) suchen. Es gehört in dieser Phase des Digitalen-Euro-Projektes weder zum Service, dass diese Blasenphänomene von den Akteuren ganz bewusst wahrgenommen und durchbrochen werden, noch werden gezielt Zielgruppen angesprochen oder zum Nachdenken angeregt. Das heißt im Prinzip: Die Pflicht der Transparenz wird ernst genommen und jede/jeder mit Interesse kann aktiv werden und sich beteiligen. Aber den Willen muss ich selbst mitbringen und hier liegt bei aller Finanzverdrossenheit und eben bei der Komplexität des Themas eine ziemlich große Schwelle.

Hinzu kommt auch, dass europäische Politik meist der Alltagswelt recht fernsteht. Themen müssten hier auf der bundespolitischen Ebene landen, damit dem Ganzen die Aufmerksamkeit gegeben wird, die es verdient. Aber da passiert zurzeit, was den digitalen Euro angeht, noch nicht viel um nicht zu sagen, zu wenig. Hier existiert nicht nur ein alleiniges Versäumnis auf EU-Ebene, auch die Bundespolitik hat in diesem Sinne noch nicht rangezoomt.

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    Ein Webstream des Hearings ist hier» online.
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    Diese besagt: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, wie die EU-Organe ihre Entscheidungen treffen, wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist und welche Dokumente im Zuge der Vorbereitung und Annahme von Rechtsakten hervorgebracht werden. Sie haben das Recht, Zugang zu diesen Dokumenten zu verlangen und Stellung dazu zu nehmen. Außerdem haben die Bürger das Recht zu erfahren, wer Mittel aus dem EU-Haushalt erhält.“ Sie ist hier» zu finden.
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    Für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sind die Unterlagen hier».
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    Warum der eNaira nicht akzeptiert wird, kann man hier» nachlesen. Mehr zu Nigeria und CBDC kann man in einer Studie über finanzielle Inklusion und CBDCs der Digital Currency Initiative aus dem Jahr 2023» nachlesen.
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    Eine Bilanz der Tagesschau zur einjährigen Einführung von Bitcoin in El Salvador gibt es hier».
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Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: gelb

Digitaler Euro: Europäische Rechtssetzung und organisierte Zivilgesellschaft

Digitaler Euro: Europäische Rechtssetzung und organisierte Zivilgesellschaft

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 24. April 2023

Die Diskussion um die Einführung eines Digitalen Euro nimmt Fahrt auf. Die Europäische Zentralbank sondiert derzeit dessen Einführung, im Rahmen ihrer politischen Unabhängigkeit in einem mehrjährigen Prozess. Auch wenn eine Grundsatz-Entscheidung offiziell noch gar nicht gefallen ist, hat die EU-Kommission nun mit dem begonnen, was als „Rechtsetzungsarbeit” bezeichnet wird, denn: „Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat die EU die ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist.Für die Ausgabe eines digitalen Euro und die Entscheidung über seine technischen Merkmale ist die EZB zuständig, doch muss der digitale Euro zuvor durch eine EU-Verordnung, in der seine wesentlichen Aspekte festgelegt sind, eingeführt werden”, heißt es in einem Dokument der Kommission.1 Die Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung (19.4.2022) findet sich zum Download hier».

Schon im Vorfeld der Formulierung einer Verordnung werden nun weitere Akteur:innen tätig, im vorliegenden Fall der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA). „Der EWSA ist ein beratendes Gremium der EU, in dem soziale und wirtschaftliche Interessenvertreter die EU-Organe (Rat, Kommission und Europäisches Parlament) unterstützen und Vorschläge zu Gesetzesinitiativen einbringen”, erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung.2Siehe den Eintrag Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)» von M. Große Hüttmann im Europalexikon der Bundeszentrale für politische Bildung. Insofern fungiert dieses 329-köpfige Gremium im europäischen Gesetzgebungsprozess in thematisch einschlägigen Politikfeldern als Vertretung der „organisierten Zivilgesellschaft”3So die Selbstdarstellung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses» auf der offiziellen Webseite der Europäischen Union. .

Doch das politische System der EU erscheint vielen seiner Bürger:innen als intransparent. Und auch der Blick auf eine Anhörung im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zeigt begrenzte Ansatzpunkte für Information und Beteiligung bei der Einführung eines digitalen Zentralbankgelds.

Beratung und Beteiligung: Ein Blick in die Black Box

Im beschriebenen Kontext hat die EWSA-Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (ECO) am 7. September 2022 eine öffentliche Anhörung unter dem Titel „A Digital Euro: Challenges and Opportunities” durchgeführt .4Siehe die vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss veröffentlichten Angaben und Ressourcen zur Anhörung hier». Dieses Hearing diente der Formulierung einer Initiativstellungnahme zum Thema. Es wurde als Hybrid-Event durchgeführt, live online übertragen und auch als Aufzeichnung dokumentiert.5Die Veröffentlichung der Anhörung ist hier» verfügbar.

Darüber hinaus waren Interessierte etwa via Twitter im Vorfeld schon darauf hingewiesen worden, dass Fragen mittels des Online-Tools Slido gestellt werden können, die dann aber erst redaktionell freigegeben werden mussten. In der Anhörung wurden mehrere dieser Fragen von dem die Sitzung leitenden ECO-Präsidenten Stefano Palmieri vorgetragen und an Hearing-Teilnehmende im Anschluss an deren Präsentationen gestellt. Dies korrespondierte womöglich damit, dass vor Ort kaum Personen anwesend waren, die Fragen vortrugen. Es stellte jedenfalls eine niedrigschwellige Möglichkeit zu einer vagen Form der Beteiligung dar, die prinzipiell jeder und jedem offenstand.

Das Format ermöglichte so eine Art europäische (Mikro-)Öffentlichkeit, deren Fehlen ja grundsätzlich oft beklagt wird. Des Weiteren schließt sich daran die Berichterstattung für eine Fach- und Themenöffentlichkeit an, wie etwa im Online-Magazin Coindesk6Siehe z.B. Digital Euro to Focus on Personal Use, Not Web3, EU Officials Say» (7.9.2022) von Jack Schickler. oder auf der Website Global Government Fintech7Siehe den Beitrag Government payments among three priority use cases for digital euro: ECB» (7.9.2022) von Ian Hall.. Gleichermaßen blieb das Event eher exklusiv, vor allem was eine gesamteuropäische sprachliche Vermittlung angeht: Englisch oder Französisch waren eine Voraussetzung zum Verständnis. Der EU-Politik- sowie Finanzjargon erhöhten die Hürde weiter. Inhaltlich war die Veranstaltung einigermaßen informativ: Es gab einen Einblick in den aktuellen Stand der Überlegungen der EZB, der von der Programm-Managerin des Digitalen Euro, Evelien Witlox, referiert wurde. Auch die EU-Kommission war einschlägig durch den Referatsleiter der Abteilung Digitale Finanzen, Jan Ceyssens, vertreten. Darüber hinaus wurden ganz unterschiedliche Standpunkte repräsentiert, die von der Perspektive der Bankenbranche über die Forderung nach der Berücksichtigung derjeniger EU-Bürger:innen, die den Euro gar nicht als Währung haben, bis hin zur Ablehnung von digitalem Zentralbankgeld überhaupt reichte. Ein solcher Beratungsprozess ist aber nur der Auftakt für das komplexe Verfahren, das nun ansteht. Im Zentrum der politischen Entscheidungen zum Digitalen Euro stehen dann der Europäische Rat, die EU-Kommission und das Europäische Parlament, die alle wiederum in sich heterogene Interessen repräsentieren.