Kategorien
Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb Uncategorized

Coinzeit 3000 #8: Offline

Coinzeit 3000: Eine Lesekolumne zum Thema Offline

Ein Beitrag von Petra Gehring

15. April 2024

Der Nebel um die Ausgestaltung des Digitalen Euro lichtet sich erst sehr langsam. Anfang 2023 klang es jedenfalls aber so, als verfolgten EZB und EU nicht das Ziel, das neue Digitalgeld als hochgetriebenes „programmierbares“ Artefakt auf der Blockchain anzubieten. Programmierbares Geld – oder mindestens vorprogrammierte Zahlungsabläufe, also auf der Basis von „smarten“ Verträgen automatisierte Geldflüsse – fordert zwar die Industrie. Die Politik teilt aber mit, sie denke primär an die Bürger:innen, also an Bargeldnutzer:innen wie dich und mich. Und wir haben nun mal wenig Interesse an der aufwändig durchautomatisierten (weil massenhaften und somit billigeren) Prozessierung von Geld. Wir geben Geld in wechselnder Weise, situationsangemessen und oft spontan aus. Von daher die Botschaft der Politik: Der digitale Euro soll auch „offline“, also wohl physisch verfügbar sein. Was allerdings heißt das? Oder meint Offline-Nutzbarkeit gar nicht im vollen Wortsinn „physische“ Verfügbarkeit? Die Finanzverantwortlichen der Eurogruppe schreiben:

„The Eurogroup also supports the exploration of an offline functionality which would serve a wider range of use cases and also contribute to financial inclusion by facilitating the use by citizens in different scenarios. “

Damit scheint also nicht bloß eine Endstation Smartphone angestrebt zu werden. Sondern man denkt … ja: an was? An eine mit einem Girokonto verbundene Karte? Dann wäre ich freilich einfach wieder bei meiner (Geschäfts-)Bank. Also vielleicht eine aufladbare Geldkarte wie die Bezahlkarte in der Mensa? Eine Pay-Safe-Karte, die ich (bereits aufgeladen) in der Tankstelle kaufen kann? Oder gäbe es da einen anderswie verpackten Chip? Kann ich freilich ohne Netz mir die Summen auf einem solchen kleinen Wertspeicher „abholen“? Und ist beim Ausgeben des digitalen Offline-Euro dann wirklich auf der ganzen Strecke, also auch hinter dem Lesegerät eines Zahlungsempfängers, alles klassisch verkabelt und in diesem Sinne die Nutzung also ganz ohne Internet möglich? Letzteres kann ich mir kaum vorstellen. Ein Einwand eines Piraten-Abgeordneten im Europäischen Parlament lautete zwischenzeitlich auch: der „offline“-Euro muss Zahlungen auch bei physischem Abstand der Zahlenden ermöglichen. Also Verschickbarkeit per Postpaket? Deponierbarkeit im Versteck unter der Baumwurzel?

In einer überall immer auch von Online-Übermittlungswegen durchzogenen Welt muss, so scheint es, ziemlich präzise darüber geredet werden, was „offline“ eigentlich bedeutet. Folge ich Wikipedia, dann heißt „offline“ im Grunde nur der abgeschaltete Zustand eines (auch) online nutzbaren Programms. Etwas ‚offliniger‘ als bloß nach dem Download noch existent sollte der digitale Euro aber definitiv sein. Nur so ist er auch inklusiv, das heißt für Menschen ohne Konto, für Wohnungslose, für Kinder und für Menschen, die Geld gern unter dem Kopfkissen haben, verwendbar.

„Als Offliner werden Menschen bezeichnet, die das Internet nicht nutzen“, heißt es bei Wikipedia immerhin auch. Und gerade für diese sollte es ja die von der Eurogruppe „offline“ genannte Funktion wohl geben.

Eurogruppe: Pressemitteilung vom 16. Januar 2023: Eurogroup statement on the digital euro project, [15. April 2024]

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Europäisches Parlament: Änderungsanträge 34 – 277, Stellungnahme zur Einführung eines digitalen Euro, siehe insbesondere Änderungsantrag 76, 11. Dezember 2023, nur in Englisch verfügbar [15. April 2024].

Wikipedia: Offline, https://de.wikipedia.org/wiki/Offline, [15. April 2024].

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: gelb

Der digitale Euro: Momentaufnahmen aus dem Maschinenraum der Politik

Der digitale Euro: Momentaufnahmen aus dem Maschinenraum der Politik

Ein Beitrag von Erik Meyer

15. März 2024

Im Februar 2024 wurde auf verschiedenen Ebenen an den politisch-rechtlichen Voraussetzungen für ein digitales Zentralbankgeld in der Eurozone gearbeitet. Ein Blick auf Aktivitäten in Berlin und Brüssel.

Von einer geplanten „großen Anhörung“ war bei der Plenardebatte Anfang November 2023 im Bundestag die Rede, als zwei Anträge der Opposition zur möglichen Einführung eines digitalen Euros behandelt wurden. Nun lässt sich darüber streiten, was eine „große Anhörung“ in einem Ausschuss des Bundestags auszeichnet. Neun Sachverständige hatten die Fraktionen für die zweistündige öffentliche Anhörung am 19. Februar 2024 im Finanzausschuss benannt. Außerhalb der Fraktionskontingente nahm für die Deutsche Bundesbank deren Vorstandsmitglied Burkhard Balz Stellung. Abwesend waren auf Seiten der Abgeordneten die Gruppe „Die Linke“ und die Gruppe BSW, die zwar keine Sachverständigen benennen durften, aber auch Fragezeit gehabt hätten. Ein Fragenkatalog wurde vorab nicht erstellt, wie es bei anderen Anhörungen durchaus üblich ist.

Insofern war die ganze Veranstaltung durch das Dilemma gekennzeichnet, das bereits die Debatte im Plenum geprägt hatte: Die formale Frage, wer denn nun wie im auf EU-Ebene begonnenen politischen Prozess über die Ausgestaltung eines digitalen Euro mitentscheiden soll, wurde mit der inhaltlichen Frage, was von dem Vorhaben zur Einführung eines digitalen Zentralbankgelds in der Eurozone zu halten sei, vermischt. Geladen waren einerseits Wissenschaftler, die Aspekte des digitalen Euro aus der Perspektive verschiedener Disziplinen beurteilten. Andererseits Stakeholder, die diesbezüglich vor allem wirtschaftliche Interessen vertraten.

Eine dezidiert gemeinwohlorientierte Perspektive, wie sie etwa die Verbraucherzentralen im Hinblick auf Bedürfnisse der Bürger:innen artikulieren könnten, fehlte. Auch auf die in den Anträgen der Unions- sowie der AfD-Fraktion formulierten Vorstellungen von einer „Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten“ (Union) bzw. einer „Volksbefragung“ in Deutschland zu dieser Angelegenheit (AfD) wurde in den von vielen Expert:innen vorab vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen nur im Einzelfall eingegangen. Der von der SPD-Fraktion geladene Jurist Ulrich Hufeld sprach sich gegen einen Zustimmungsvorbehalt des Bundestags bei der Einführung eines digitalen Euro aus. Er stützte damit die bei der Plenardebatte aus den Regierungsfraktionen vertretene Meinung, was wiederum die voraussichtliche Ablehnung der Anträge am Ende des parlamentarischen Prozesses impliziert.

Überwiegend nüchterne Kosten-Nutzen-Kalkulationen

Ansonsten drehte sich die Anhörung vor allem um generelle und konkrete Vorbehalte gegen das Projekt. Die fortbestehende Bedeutung von Bargeld wurde allseits unterstrichen. Ein größeres Thema war die Frage danach, welche Konsequenzen ein digitaler Euro für das private Bankensystem und etwa die Kreditvergabefähigkeit der Institute hätte. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Ulrich Reuter, sagte als Vertreter des von der FDP-Fraktion geladenen Verbands „Die Deutsche Kreditwirtschaft“, die deutschen Banken würden mit Umsetzungskosten von einer Milliarde Euro für den digitalen Euro rechnen. Solche Kosten müssten auch durch Gebühren refinanziert werden können. Befürchtet wird darüber hinaus, dass die Bankeinlagen von Bürger:innen abfließen könnten, da sie diese dann in digitalem Zentralbankgeld halten könnten. Die Einschätzungen über mögliche Auswirkungen eines solchen Szenarios gingen allerdings auseinander. Reuter konnte sich bei der Höhe des Haltelimits nur wenige hundert Euro vorstellen, ohne dass es zu relevanten Beeinträchtigungen kommen würde. Andere Akteure aus der Digital- und Zahlungsbranche betonten die Wahrnehmung von Innovations- und Kooperationspotenzial etwa mit den avisierten Angeboten der privatwirtschaftlichen European Payments Initiative, die ebenfalls vertreten war. Bundesbanker Balz sah sogar die Option, auch staatliche Transferleistungen an Privathaushalte via digitalem Euro abzuwickeln. Eine dezidiert ablehnende Haltung nahm ausschließlich der von der AfD-Fraktion geladene Ökonom Philipp Bagus ein, der den digitalen Euro zusammenfassend als „Teufelswerk” charakterisierte.

Die Frage, wie Akzeptanz und Vertrauen durch sowie ein besonderer Nutzen für die Bürger:innen erzielt werden könnte, wurde vor allem im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre diskutiert. Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geladene Professor für Datensicherheit und -schutz, Rainer Böhme, sowie der von der FDP-Fraktion geladene Vertreter der Digital Euro Association, Jonas Gross, betonten hier die Notwendigkeit angemessener technischer Lösungen, aber auch die Bedeutung, die die Anwendung von Open-Source-Prinzipen für mehr Transparenz und Sicherheit entfalten könnten. Insofern bildete die Anhörung1Ihre Aufzeichnung, ein zusammenfassender Text, die Liste der Sachverständigen sowie die von einigen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen sind im Online-Angebot des Deutschen Bundestags hier» verfügbar. im Bundestag zentrale Konfliktlinien und Interessenlagen ab, die in der Debatte um den digitalen Euro virulent sind.

Beratungen in Brüssel

Bei der Anhörung im Bundestag hatte die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, bereits vorab beklagt: „Leider hat die EZB eine Einladung in den Finanzausschuss abgelehnt (…). Das ist sehr bedauerlich und trägt nicht zu einem offenen Diskurs bei.“2Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktion», 16. Februar 2023. Gleichwohl ist die Europäische Zentralbank regelmäßig beim zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments zu Gast. So gab Piero Cipollone, Mitglied des EZB-Direktoriums, erst am 14. Februar 2024 dort „Einblicke in die Vorbereitungsphase für einen digitalen Euro“  und seine einleitenden Bemerkungen sind sogar schriftlich in deutscher Sprache verfügbar.3 Einzusehen auf der Webseite der EZB hier» Dieser Ausschuss befasst sich auch federführend mit dem Legislativvorschlag zur Einführung eines digitalen Euro. Ein abschließendes Votum über Änderungsvorschläge, das dann wiederum die Grundlage für eine Abstimmung des Europäischen Parlaments darstellt, hat ECON bislang noch nicht vorgelegt.4Der letzte bei der Abfassung dieses Beitrags schriftlich vorliegende Stand ist ein noch nicht finalisierter Entwurf vom 9. Februar 2024. Hier» das entsprechende PDF-Dokument. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der diese Materie mitberät, hat aber schon Stellung mit dem Fokus auf Aspekte des Datenschutzes genommen. Das Abstimmungsergebnis vom 15. Februar 2023 über dieses Dokument signalisiert prinzipiell eine breite parlamentarische Zustimmung zum Vorhaben durch 48 Ausschussmitglieder bei sechs Gegenstimmen und sieben Enthaltungen.

Als dritte für das Gesetzgebungsverfahren relevante Instanz ist neben der Kommission und dem Parlament der Rat der Europäischen Union, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten sind, mit dem Thema befasst. Dieser beriet das Thema Ende Februar 2024 intern auf Expert:innen-Ebene in einer Arbeitsgruppe. Darüber berichtet Maximilian Henning für das kostenpflichtige Angebot Tagesspiegel Background: Digitalisierung & KI.5 Maximilian Henning: Ab wann braucht der digitale Euro eine Offline-Funktion, Tagesspiegel, 1. März 2024. Demnach stand die geplante Offline-Funktion eines digitalen Euro im Fokus dieser Beratungen. Damit sollen finanzielle Transaktionen etwa zwischen privaten Nutzer:innen in einem bestimmten Umfang möglich sein, auch ohne dass die Beteiligten dabei online sein müssen. Die Realisierung dieser gewünschten Funktionalität erscheint allerdings als eine große technisch-organisatorische Herausforderung. Deshalb wird diskutiert, ob sie für die Erstausgabe des digitalen Euro in der betreffenden Verordnung als verpflichtendes Feature verankert wird.

Vor dem Hintergrund dieser Schlaglichter auf den politischen Prozess in Berlin und Brüssel wird deutlich, dass die eigentliche Entscheidung über den Legislativvorschlag für einen Rechtsrahmen zum digitalen Euro im institutionellen Dreieck von Kommission, Parlament und Rat aller Voraussicht nach nicht vor der Europawahl Anfang Juni 2024 fällt. Dies würde zumindest die Möglichkeit eröffnen, über das Vorhaben im Wahlkampf eine inhaltliche Diskussion mit den Bürger:innen zu führen. Dass diese potenzielle Quelle demokratischer Legitimation produktiv genutzt wird, zeichnet sich bislang allerdings nicht ab.

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

  • 1
    Ihre Aufzeichnung, ein zusammenfassender Text, die Liste der Sachverständigen sowie die von einigen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen sind im Online-Angebot des Deutschen Bundestags hier» verfügbar.
  • 2
  • 3
    Einzusehen auf der Webseite der EZB hier»
  • 4
    Der letzte bei der Abfassung dieses Beitrags schriftlich vorliegende Stand ist ein noch nicht finalisierter Entwurf vom 9. Februar 2024. Hier» das entsprechende PDF-Dokument.
  • 5
    Maximilian Henning: Ab wann braucht der digitale Euro eine Offline-Funktion, Tagesspiegel, 1. März 2024.
Kategorien
Autor: Andreas Kerkemeyer Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb

Der digitale Euro: Ein erster Blick auf drei Herausforderungen

Der digitale Euro: Ein erster Blick auf drei Herausforderungen

Ein Beitrag von Andreas Kerkemeyer

15. Januar 2024

Langsam wird es ernst. Nach zahlreichen Diskussionspapieren der EZB, diversen Grundsatzreden von Mitgliedern des EZB Direktoriums, zahlreichen Stellungnahmen aus der Wissenschaft und ersten politischen Debatten hat die Kommission am 28. Juni 2023 ihren Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung des digitalen Euro» (dEuroVO-E) veröffentlicht. Im Anschluss hat die EZB im November 2023 die Vorbereitungsphase» eingeläutet, prüft also ganz konkret, ob und wie der digitale Euro eingeführt werden könnte. Damit schickt sich die Eurozone wahrscheinlich an, digitales Zentralbankgeld einzuführen.

Digitales Zentralbankgel lässt sich als Zahlungsmittel verstehen, das einen Anspruch gegenüber der herausgebenden Zentralbank begründet, in der jeweiligen Währung denominiert ist und ausschließlich digital emittiert wird. Der Verordnungsvorschlag der Kommission sieht genau dies vor. So wird der digitale Euro als „digitale Form der einheitlichen Währung“ (Art. 3 dEuroVO-E) umschrieben, der „eine direkte Verbindlichkeit der Europäischen Zentralbank bzw. der nationalen Zentralbanken gegenüber den Nutzern des digitalen Euro“ begründet (Art. 4 Abs. 2 dEuroVO-E). Diesem soll zudem der Status als gesetzliches Zahlungsmittel zukommen (Art. 7 Abs. 1 dEuroVO-E). Der digitale Euro soll also als weiteres gesetzliches Zahlungsmittel neben das Bargeld treten und im Euroraum allen natürlichen und juristischen Personen zur Verfügung stehen. Die EZB wird ihn nicht direkt „vertreiben“, vielmehr sollen Zahlungsdienstleister, also regelmäßig private Unternehmen, ihren Kundinnen und Kunden den Zugang zum digitalen Euro ermöglichen (vgl. Art. 13 dEuroVO-E).

Die Einführung des digitalen Euro wirft sehr unterschiedliche Fragen auf. Ich möchte an dieser Stelle nur drei herausgreifen: Erstens die Frage nach der Verbands- und Organkompetenz, also die Frage, ob die Union den digitalen Euro einführen darf und wenn ja, welche Organe dies tun dürfen. Zweitens die Frage, wie Desintermediationsgefahren und Bank Runs begegnet werden, also die Systemstabilität gesichert werden kann. Und drittens werden auch datenschutzrechtliche Belange zu klären sein.

Kompetenzfragen

Kompetenzfragen sind in einem politischen Mehrebenensystem unvermeidbar. Gleichzeitig gelten sie – diplomatisch ausgedrückt – gemeinhin als wenig spannend. Zudem werden Diskussionen darüber, wer welche Kompetenzen besitzt oder nicht, schnell als „Bremsklotz“ empfunden, geht es bei solchen Diskussionen doch zuvörderst um die rechtstechnische Machbarkeit und nicht oder weniger um die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen politischen Anliegens. So gesehen liegen Kompetenzfragen quer zur Erörterung der politischen Alternativen.

Gleichwohl haben Kompetenzfragen innerhalb der Europäischen Union eine hohe Bedeutung. Denn die Union kann nur auf die Kompetenzen rekurrieren, die ihr in den Verträgen, also im Vertrag zur Europäischen Union (EUV) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nebst ihrer Protokolle eingeräumt wurden. Für die Organe der EU gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Die Union hat also nicht das Recht, eigene Kompetenzen selbst zu begründen. (Im deutschsprachigen verfassungsrechtlichen Schrifttum wird ein solches Recht als „Kompetenz-Kompetenz“ umschrieben.) Diese Beschränkung der unionalen Kompetenz hat einen wichtigen Grund: der Einschränkung ihrer Gestaltungsspielräume haben die Parlamente der Mitgliedsstaaten zugunsten der Union zugestimmt, wollten dieser aber nur bestimmte Kompetenzen übertragen. Die unionale Rechtsordnung ist auch heute noch eine abgeleitete.

Der Verordnungsentwurf zur Einführung eines digitalen Euro stützt sich auf Art. 133 AEUV, demzufolge Rat und Parlament „Maßnahmen, die für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind“ erlassen. Allerdings sieht der Entwurf auch vor, dass der digitale Euro den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels erhalten soll (Art. 7 dEuroVO-E). Art. 128 AEUV bestimmt indes, dass die von der „Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten die einzigen Banknoten [sind], die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ (Art. 128 Abs. 1 S. 2 AEUV). Andere gesetzliche Zahlungsmittel werden in den Verträgen hingegen nicht erwähnt.

Hieraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass Art. 128 AEUV eine Art Kompetenzschranke begründet, die bei der Auslegung von Art. 133 AEUV zu berücksichtigen wäre und die zur Folge hätte, dass andere Zahlungsmittel nicht als gesetzliche Zahlungsmittel anerkannt werden könnten. Eine solche Lesart erscheint aus unterschiedlichen Gründen als deutlich zu weitgehend. Zunächst spricht bereits eine wortlautfixierte Betrachtung beider Artikel hiergegen. So spricht Art. 128 AEUV eben nicht aus, dass nur Euro-Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel sein sollen. Vielmehr beschränkt er sich darauf, dass sie im Euroraum die Banknoten sind, denen der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zukommt. Zentrales Ziel der Regelung war es, den vor der Einführung des Euro existierenden nationalen Banknoten den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels dauerhaft zu entziehen. Bei Art. 133 AEUV deutet nicht nur die weite sprachliche Fassung auf eine weitreichende Kompetenz der EU-Organe hin, auch eine Betrachtung, die nach der systematischen Einbettung von Art. 133 AEUV fragt, kommt zu keinem anderen Ergebnis. Denn mit der Einführung eines neuen gesetzlichen Zahlungsmittels werden zum einen die anderen gesetzlichen Zahlungsmittel nicht abgeschafft oder verdrängt; die entsprechenden Wertungen der Verträge werden also nicht überspielt. Zum anderen ist es unmittelbar einleuchtend, dass die nähere Ausgestaltung des Euro in die Hände derjenigen Körperschaft gehört, die für diesen verantwortlich zeichnet, also der Union. 

Im Ergebnis trägt Art. 133 AEUV den Verordnungsentwurf der Kommission. Da die Währungspolitik eine ausschließliche Kompetenz der Union darstellt, findet jedenfalls der kompetenzrechtliche Grundsatz der Subsidiarität, demzufolge die Union wenn sie nicht die ausschließliche Zuständigkeit hat, nur dann handelt, wenn ihre Maßnahmen wirksamer sind als nationale, regionale oder lokale, keine Anwendung.

Der zu verabschiedende Rechtsakt muss vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen werden. Beide Organe müssen sich im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens einig werden. Die EZB ist in dem Verfahren „nur“ anzuhören (S. 2), kann aber auf diesem Wege ihre Expertise einbringen.

Systemstabilität

Eine Vielzahl der Diskussionspapiere, die von der EZB im Rahmen der Diskussion über die Einführung des digitalen Euro lanciert wurden, beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen der digitale Euro auf die Stabilität der Finanzmärkte haben könnte (siehe bspw. hier» und hier»). Diskutiert wird etwa die Frage, ob die Einführung von digitalem Zentralbankgeld die Gefahr von Bank Runs für einzelne Banken erhöhen würde. Unter einem Bank Run lässt sich der plötzliche Liquiditätsabfluss einer Bank verstehen, durch den diese in Zahlungsschwierigkeiten gerät oder gar in die Insolvenz rutscht». Dieses Szenario lässt sich nie ganz ausschließen, denn die von Banken betriebene Finanzintermediation trägt dieses Risiko in sich.1Wegweisend: Diamond/Dybvig, Journal of Political Economy, 1983, 401. Auch im besten aller denkbaren Finanzsysteme ist also die Gefahr eines Bank Runs, der weitere Bank Runs nach sich ziehen kann, nie vollständig auszuschließen. Digitales Zentralbankgeld kann dieses Risiko allerdings erhöhen, weil diese Form des öffentlichen Geldes gerade im Krisenfall als besonders sicher wahrgenommen wird. Schließlich wird digitales Zentralbankgeld genauso wie Bargeld von der Zentralbank garantiert, die eine herausgehobene Stellung im Finanzsystem einnimmt und deren Insolvenz mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Dementsprechend wäre es rational, im (vermuteten) Krisenfall Bankeinlagen umzuschichten, also sie in digitale Euro zu tauschen.

Darüber hinaus ist aber auch die Gefahr einer sogenannten Desintermediation, also eines Bedeutungsverlusts von Geschäftsbanken als klassischen Finanzintermediären, nicht zu leugnen. Sollte es dauerhaft zu einer Umschichtung bestehender Einlagen in digitale Euro kommen, stehen den Banken weniger Einlagen zur Verfügung, weshalb sie dann auch nur noch in einem geringeren Maße ihrer zentralen Intermediationsfunktion nachkommen können, also beispielsweise Einlagen in einen Kredit zu transformieren und so Nachfrage und Angebot nach Kapital zusammenzubringen. 

Wie aber lässt sich der Gefahr eines schnelleren Liquiditätsabflusses aufgrund der Konvertierung von Giralgeld in digitales Zentralbankgeld sowie der Desintermediationsgefahr begegnen? Eine denkbare Lösung besteht in der Zweiteilung der Guthaben in digitalen Euro. So hat Bindseil bereits 2020 in einem Diskussionspapier der EZ ein zweistufiges Vergütungssystem („two-tier remuneration system“) vorgeschlagen. Guthaben in digitalen Euro bis zu einer bestimmten Höhe (als Diskussionspunkt genannt werden 3.000 Euro pro natürlicher Person) könnten frei genutzt werden (tier 1 bzw. Stufe 1). Die Guthaben auf dieser ersten Stufe würden in erster Linie als Zahlungsmittel fungieren. Darüber hinausgehenden Guthaben in digitalen Euro (tier 2 bzw. Stufe 2) käme hingegen allein eine Wertaufbewahrungsfunktion zu, sie könnten nicht (direkt) als Zahlungsmittel genutzt werden. Gleichzeitig könnten diese-Anlagen auf dieser Stufe über Zinsregeln auch so ausgestaltet werden, dass die Attraktivität des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel gemindert würde. So könnte Desintermediation und möglichen Bank Runs begegnet werden.

Derzeit wird allerdings insbesondere über einen „Wasserfall-Ansatz“ (waterfall functionality) diskutiert. Dieser ist bereits im Entwurf der Rulebook Development Group der EZB, die Regeln für die Distribution des digitalen Euro ausarbeiten soll, vorgesehen (siehe jüngst hier»). Auch mit diesem Ansatz soll die Menge an digitalen Euro, die eine Person halten darf, begrenzt und damit Bank Runs und Desintermediation vorgebeugt werden. Allerdings unterscheidet sich der „Wasserfall-Ansatz“ deutlich vom zweistufigen Vergütungsmodell. Denn die Guthaben würden hier nicht in zwei „Stufen“ (tiers) eingeteilt. Die Idee ist vielmehr, die Beträge, die über das festgesetzte Maximalvolumen in digitalen Euro hinausgehen, auf ein (mit der „Brieftasche“ für den digitalen Euro verknüpftes) Bankkonto zu überweisen, um so die Einhaltung der (zu definierenden) Höchstgrenzen sicherzustellen. Dieser Ansatz dürfte technisch relativ leicht zu realisieren sein, setzt aber die dauerhafte Verknüpfung von Bankkonto und „Brieftasche“ voraus. Jedenfalls entbindet er die EZB von der im zweistufigen Modell notwendigen und ebenso schwierigen Aufgabe der adäquaten und situationsangepassten Ausgestaltung der zweiten Stufe (sprich: der Anpassung der Zinsen).

Natürlich kommt es hier (und bei anderen Lösungsoptionen) auch stark auf die Umsetzung im Einzelfall an. Deswegen soll die EZB nach dem Verordnungsentwurf zur Sicherung der Finanzstabilität (auch) „Instrumente zur Beschränkung der Nutzung des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel“ entwickeln (Art. 16 Abs. 1 dEuroVO-E). Diese Formulierung ist bewusst vage gehalten; nur so kann sie flexible Reaktionen auf schwer antizipierbare Entwicklungen zulassen. Die EZB wird sicher nicht nur die im Verordnungsentwurf erwähnten „Instrumente“ entwickeln, sondern auch fortlaufend anpassen. Gleichzeitig werden die Instrumente klar kommuniziert werden müssen, wenn sie die Akzeptanz des digitalen Euro fördern sollen.

Datenschutz

Gerade in Deutschland, wo Bargeld eine stark freiheitsermöglichende Funktion zugewiesen und auch sonst der Datenschutz (relativ) hochgehalten wird, dürfte sich die Diskussion über den digitalen Euro in Zukunft vor allem um die Gewährleistung eines angemessenes Datenschutzniveaus drehen. Klar ist, dass jede digitale Transaktion in einem höheren Maße für Dritte nachvollziehbar ist als eine Bargeldtransaktion – jede digitale Transaktion hinterlässt elektronische Spuren. Zudem werden beim digitalen Euro große Mengen an Transaktionsdaten anfallen, die relativ leicht Personen zugeordnet werden können. Um den datenschutzrechtlichen Herausforderungen zu begegnen, setzt der Verordnungsentwurf der Kommission zum einen auf die Ermöglichung von Offline-Zahlungen und zum anderen auf weitgehende datenschutzrechtliche Standards.

Mit Offline-Zahlungen werden Transaktionen mit einem geringen Transaktionsvolumen von der digitalen Nachverfolgung ausgenommen, weil sie nicht systematisch erfasst werden. Hiermit wird ein erheblicher Zugewinn an Anonymität erreicht, auch wenn die für die jeweilige Transaktion eingesetzten Endgeräte natürlich ausgelesen werden können, etwa wenn sie beschlagnahmt werden.

Besonders hohe Anforderungen an den Datenschutz müssen allerdings Online-Zahlungen erfüllen, denn deren Transaktionsdaten müssen systematisch gespeichert werden und lassen sich den beteiligten Parteien zuordnen. Der Verordnungsentwurf schafft kein vollständig neues Datenschutzrecht, sondern adaptiert die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung, die sich – bei allen Streitigkeiten im Detail – grosso modo bewährt haben. Dies bedeutet auch: die aus der Datenschutz-Grundverordnung bekannten datenschutzrechtlichen Grundsätze und Rechtfertigungstatbestände finden Anwendung. Die EZB2Genau genommen trifft diese Pflicht nicht nur die EZB, sondern auch die nationalen Zentralbanken, die Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken sind. Um die Lesbarkeit zu erhöhen, wird aber hier und im Folgenden jeweils nur die EZB genannt, wenn diese und die nationalen Zentralbanken verpflichtet werden. und die Zahlungsdienstleister nehmen bei der Abwicklung von Transaktionen in digitalen Euro Aufgaben von öffentlichem Interesse wahr (Art. 34 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 dEuroVO-E). Dies schafft einen nach der Datenschutz-Grundverordnung notwendigen Rechtfertigungsgrund für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Insoweit verläuft alles weitgehend in den bekannten datenschutzrechtlichen Bahnen.

Der Verordnungsentwurf geht aber über die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung hinaus. So werden in den Anhängen III und IV des Entwurfs all jene personenbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit einer Transaktion verarbeitet werden dürfen, abschließend aufgezählt. Weitere Daten dürfen also von vornherein nicht erfasst werden. Deutlich wird hier das Bemühen der Kommission, nur jene Daten zu erfassen, die für die Verarbeitung der Transaktionen dringend erforderlich sind.

Darüber hinaus sind sowohl die Zahlungsdienstleister auf der einen als auch die EZB auf der anderen Seite verpflichtet, „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, einschließlich modernste[r] Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen“ zu treffen (Art. 34 Abs. 4, 35 Abs. 4 dEuroVO-E). Das ist zwar keine einklagbare Pflicht, aber sehr wohl ein weitgehendes Optimierungsgebot, das fortlaufend zu beachten ist. Zudem soll insbesondere die Identifizierbarkeit der Nutzer:innen erschwert werden. Um nicht direkt identifizierbar zu sein, wird von der EZB eine „klare Trennung der personenbezogenen Daten“ (Art. 35 Abs. 4 dEuroVO-E) verlangt. Die Daten, die Rückschlüsse auf die natürlichen Personen zulassen, sind also getrennt von den Transaktionsdaten zu speichern. Selbst wenn jemand also Zugriff auf die Transaktionsdaten hat, kann sie/er nicht ohne Weiteres nachvollziehen, wer an der Transaktion beteiligt war. Auch hiermit wird ein hohes Maß an Datenschutz gewährleistet.

Die aufgezeigten datenschutzrechtlichen Standards sind also durchaus ambitioniert und es wird bereits aus dem Verordnungsentwurf deutlich, dass die technische Umsetzung fortlaufend weiterzuentwickeln ist. Auch wenn über Einzelheiten gewiss noch politisch gestritten werden wird (und sollte), gelingt dem Entwurf doch grundsätzlich der Spagat zwischen dem technisch-operativ Notwendigen und dem Datenschutz. 

Zu weiterführenden Beiträgen zum Thema im Dossier Digitaler Euro»

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

  • 1
    Wegweisend: Diamond/Dybvig, Journal of Political Economy, 1983, 401.
  • 2
    Genau genommen trifft diese Pflicht nicht nur die EZB, sondern auch die nationalen Zentralbanken, die Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken sind. Um die Lesbarkeit zu erhöhen, wird aber hier und im Folgenden jeweils nur die EZB genannt, wenn diese und die nationalen Zentralbanken verpflichtet werden.
Kategorien
Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb Uncategorized

Anträge, Aussprache und Anschlusskommunikation – Der digitale Euro im Bundestag

Anträge, Aussprache und Anschlusskommunikation – Der digitale Euro im Bundestag

Ein Beitrag von Erik Meyer

20. November 2023

Die mögliche Einführung digitalen Zentralbankgelds (CBDC) in der Eurozone ist ein voraussetzungsvolles Unterfangen. Nachdem die Europäische Kommission im Juni 2023 einen Legislativvorschlag zur Schaffung des Rechtsrahmens dafür vorgelegt hat, hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober 2023 eine weitere Weichenstellung verkündet, die die Deutsche Vertretung der EU-Kommission so resümiert: „In der Vorbereitungsphase wird die EZB nun ihre Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen, der Nutzererfahrung und der technischen Lösungen für einen digitalen Euro vertiefen, um sich auf dessen mögliche Entwicklung und Ausgabe vorzubereiten. Die Vorbereitungsphase beginnt am 1. November 2023 und wird voraussichtlich zwei Jahre dauern. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeiten und Analysen kann der EZB-Rat beschließen, auf die Erprobung eines möglichen digitalen Euro hinzuarbeiten.“1 Pressemitteilung» der Deutschen Vertretung der Europäischen Kommission

Auf diese Konstellation hat die Bundestagsfraktion der Union mit einem parlamentarischen Antrag reagiert. Ebenso hat die AfD-Fraktion zu dieser Initiative einen Antrag vorgelegt, und beide wurden am 8. November 2023 im Plenum debattiert. Die CDU/CSU-Fraktion will die „Abstimmung über den digitalen Euro im Bundestag bindend machen“, so der Titel des Antrags. Ausgangspunkt ist hier, dass der politische Prozess zur europäischen Rechtssetzung im vorliegenden Fall keine Dezision durch den Deutschen Bundestag vorsieht. Der Antrag verweist aber darauf, dass die „Herstellung eines Einvernehmens zwischen Bundestag und Bundesregierung bei wichtigen Fragen des Euro (…) unserer Gesetzgebung (…) keinesfalls fremd sind.“ Vor diesem Hintergrund werden vor allem zwei Forderungen gegenüber der Bundesregierung erhoben:

„1. sich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung dazu zu bekennen, der Einführung eines digitalen Euro im Rat der Europäischen Union nur dann zuzustimmen, wenn sich der Deutsche Bundestag zuvor für dessen Einführung ausgesprochen hat;

2. sich gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten für eine Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten einzusetzen“. (Drucksache 20/9133 -PDF»)

Hier wird primär eine prozedurale Absicht bezüglich der Beschlussfassung verfolgt. Demgegenüber positioniert sich die AfD-Fraktion auch inhaltlich ablehnend gegenüber dem Vorhaben und hat ihren Antrag mit „Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bewahren und Überwachung der Bürger durch digitales Zentralbankgeld verhindern“ betitelt. Sie verleiht damit ihrem Verdacht Ausdruck, dass trotz anderslautender Einlassungen aller administrativ Beteiligten und ebenso verfolgter regulatorischer Festlegungen des europäischen Gesetzgebers eine Abschaffung des Bargelds politisch intendiert wird. Der Antrag versucht diese Annahme durch Angabe diverser Indizien zu plausibilisieren. Gemäß der Argumentation, dass digitales Zentralbankgeld Zwecken wie staatlicher Überwachung diene und zur Abschaffung von Bargeld führe, wird von der Bundesregierung unter anderem gefordert:

„2. sicherzustellen, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZBs) des Eurosystems keine digitalen Zentralbankwährungen ausgeben dürfen;

3. sich auf europäischer Ebene gegen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung einzusetzen
(…)

7. noch bevor die EZB über die Einführung des digitalen Euros beschließt, eine Volksbefragung nach Art. 20 Abs. 2 GG darüber abzuhalten, ob die Bürger die Einführung eines digitalen Euros in der von der EZB dann vorgeschlagenen Ausgestaltung zustimmen oder nicht“. (Drucksache 20/9144 – PDF»)

Vom Rede- zum Arbeitsparlament

In der dazu anberaumten Bundestagsdebatte setzten sich die Redner:innen dann weniger mit den Details der beiden Anträge auseinander als mit übergeordneten Fragestellungen und Implikationen. Die dominante Konfliktlinie war dementsprechend pro oder contra digitaler Euro und artikulierte unterschiedliche Vorstellungen bezüglich dessen Ausgestaltung. Bis auf die AfD-Fraktion sowie fraktionslose Abgeordnete begrüßten alle Fraktionen die Initiative zur Einführung digitalen Zentralbankgelds mehr oder weniger. Bei der Positionierung gegen die Abschaffung von Bargeld bestand überwiegend Übereinstimmung. Allerdings differierte die Bewertung dessen respektive Spekulation darüber, was (supra-)staatliche Akteure und Zentralbanken mit einem digitalen Euro beabsichtigen. Die aufgeworfene Frage, ob das Verhalten der Bundesregierung im europäischen Gesetzgebungsprozess an die parlamentarische Mehrheitsmeinung zu binden sei, wurde unterschiedlich beurteilt. Gerade die Regierungsfraktionen vertraten die Auffassung, dass die in Deutschland vorgesehenen Verfahren parlamentarischer Beratung inklusive einer vorgesehenen Anhörung ausreichend seien. Einem gar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchgängig umzusetzenden Parlamentsvorbehalt fehle darüber hinaus schlicht die Rechtsgrundlage.

Auf der symbolischen Ebene waren Auftritte aus der AfD-Fraktion sowie der fraktionslosen Abgeordneten Cotar (Ex-AfD) bemerkenswert. Neben inhaltlichen Aspekten liegt das vornehmlich an der inzwischen etablierten Praxis, die Aufzeichnungen des Parlamentsfernsehens in den jeweiligen Social-Media-Kanälen der Akteure auszuspielen. Dies führt zu einer Veränderung der Kommunikation, die die Parlamentsmehrheit nicht goutiert: Ausdrucksformen außerhalb der eigentlichen Rede gelten als nicht zulässig. Dagegen verstieß auch in dieser Debatte ein Abgeordneter der AfD-Fraktion durch das demonstrative Hantieren mit goldfarbenen Geldscheinen und kassierte dafür einen Ordnungsruf. Solche Inszenierungen sind im außerparlamentarischen Resonanzraum allerdings kommunikativ erfolgreich wie die Rede von Cotar zeigt. Sie wurde etwa im Blog des bei YouTube reichweitenstarken „Blocktrainers“ Roman Reher als „Erste Pro-Bitcoin-Rede im Bundestag“ aufgegriffen. Darüber hinaus verbreitete der Dienstleister Swanbitcoin.com eine Version des betreffenden Videos, die anmutet, als wäre die Rede in englischer Sprache gehalten worden. Die Caption bei X (Ex-Twitter) dazu lautet: „German member of Parliament @JoanaCotar bashes CBCDs in the Bundestag WHILE WEARING a #Bitcoin T-shirt. (English via AI translation)”

Die Plenardebatte endete mit der Überweisung an diverse parlamentarische Ausschüsse unter Federführung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, in denen die Anträge später zur weiteren Beratung aufgerufen werden. Für alle Details, das Protokoll sowie die Dokumentation von Anträgen, Redner:innen sowie den Aufzeichnungen ihrer Beiträge siehe die Mediathek» des Bundestages. Eine Zusammenfassung liefert darüber hinaus der Bericht „Bares ist Wahres“» in der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Zeitschrift Das Parlament.

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Autor: Carola Westermeier und Marek Jessen Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: hellblau

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Ein Beitrag von Carola Westermeier und Marek Jessen

15. November 2023

Auch wenn der Mehrwert eines digitalen Euros auf den ersten Blick vielleicht nicht gleich ersichtlich ist, bringt er doch viele Chancen mit sich: auf mehr Souveränität für europäische Anbieter und Bürgerinnen und Bürger. Dafür müssen allerdings noch ein paar Weichen gestellt werden.

Das Eurosystem hat eine wichtige, vielleicht sogar historische Entscheidung getroffen. Die Notenbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, und die Europäische Zentralbank (EZB) werden die Entwicklung eines digitalen Euro weiter vorantreiben und in einigen Jahren könnten europäische Bürgerinnen und Bürger Zugang zu einer neuen Art des Geldes haben. Kritische Stimmen werfen dem Projekt vor, dass es keinen Mehrwert habe. Ob ich 50 Euro mit meiner EC-Karte oder mit dem digitalen Euro ausgebe, ist meinem Kontostand egal, er wird verringert. Allerdings reduzieren die Kritikerinnen das Bezahlen mit einer solchen Argumentation auf den Austausch von Werten. Im digitalen Zeitalter sind Bezahlen und der Einsatz des Geldes in Transaktionen jedoch weit mehr.

Alles neu macht der digitale Euro – aber was eigentlich genau?

Es scheint paradox: Der digitale Euro wird unser Bezahlverhalten womöglich kaum verändern, obwohl er eine völlig neue Form des Geldes darstellt. Mit dem digitalen Euro nimmt Zentralbankgeld – die sicherste Form des Geldes, da die Zentralbank hinter ihr steht – eine digitale Form an, die für alle zugänglich sein soll. Bisher war diese Form des Geldes und die damit verbundene direkte Forderung gegen die Zentralbank lediglich mit dem Bargeld vorhanden.

Derzeit jedoch liegen alle digitalen Formen des Geldes in den Händen der Privatwirtschaft und stellen eine Forderung der Bürgerinnen gegen diese dar. Entsprechende Einlagen sind bei dem jeweiligen Kreditinstitut über die gesetzliche Einlagensicherung bis zu 100.000 € geschützt. Der digitale Euro soll die Versorgung mit Zentralbankgeld, für das es keine Einlagensicherung braucht, auch im digitalen Zeitalter und bei gleichzeitig rückläufigem Gebrauch von Bargeld sicherstellen.

Eine Frage der europäischen Souveränität

Derzeit ist digitales Bezahlen vor allem ein Markt, in dem Unternehmen um Anteile kämpfen, um über Gebühren Gewinne zu erzielen. Zahlungsdienstleister können Transaktionen aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen untersagen und sind verpflichtet, Sanktionen durchzusetzen. In Europa dominieren vorwiegend nicht-europäische Akteure diesen Markt, während europäische Transaktionen über ihre Netzwerke laufen. Ein Umstand, den europäische Institutionen bereits zu Zeiten der Trump-Administration in den USA als Gefahr für die Souveränität des Euroraums identifiziert haben.

Der digitale Euro hingegen soll auf Infrastrukturen basieren, die in europäischer Hand liegen. Die Ausgestaltung dieser technischen Infrastrukturen wird in den kommenden Jahren konkretisiert und könnte entscheidend für die Akzeptanz des neuen Geldes sein. Die besten Chancen für eine breite Adaption bieten sich, wenn sich der digitale Euro von den genannten Marktlogiken löst und vielmehr als öffentliches Gut entwickelt wird, bei dessen Entwicklung die Rolle des Geldes in all seinen Facetten überdacht und digitales Geld im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gestaltet wird.

Datenschutz als höchste Priorität

Ein zentrales Thema wird dabei der Schutz der Privatsphäre und der Umgang mit den anfallenden Daten sein. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist dies der zentrale Aspekt des Bezahlens, das haben Befragungen im Auftrag der EZB gezeigt. Zugleich fehlt das Bewusstsein, was bereits im derzeitigen Modell mit den eigenen Daten passiert und wie diese ausgewertet werden können.

Transaktionen im digitalen Raum hinterlassen Daten, die für die Abwicklung von Zahlungen notwendig sind. Bereits heute werden Transaktionsdaten genutzt, um gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzugehen. Hierbei arbeiten Banken, die etwa verpflichtet sind, verdächtige Transaktionen zu melden, und Strafverfolgungsbehörden eng zusammen. Die Analyse von Transaktionsdaten beruht also auf der einen Seite auf regulatorischen Vorgaben, sie sind aber auch für kommerzielle Zwecke interessant. Finanztransaktionsdaten bieten umfangreiche Einblicke in das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer und sind somit besonders aussagekräftige und sensible Daten. Die EZB hat wiederholt betont, dass sie kein Interesse an der kommerziellen Nutzung von Transaktionsdaten hat. Dennoch wird es eine Herausforderung sein, die Interessen der unterschiedlichen Akteure im Laufe des weiteren Prozesses in Einklang zu bringen.

Die konkrete Rollenverteilung für den digitalen Euro und welche Intermediäre eingebunden werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Grundlegend ist vorgesehen, dass die EZB den digitalen Euro ausgibt und er Nutzerinnen und Nutzern durch Intermediäre, wie Banken und Zahlungsdienstleister, über Wallets zugänglich gemacht werden soll. Der digitale Euro soll für alltägliche Bezahlfunktionen, wie beispielsweise an der Ladenkasse oder im Onlinehandel, aber auch zwischen Privatpersonen, genutzt werden.

Gesetzesvorschlag muss Datensammelwut besser vorbeugen

Obwohl die EZB eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des digitalen Euro spielt, sollte nicht übersehen werden, dass sie nicht allein über dessen Ausgestaltung entscheidet. Die Einführung des digitalen Euro erfordert die Schaffung einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Europäische Kommission hat im Sommer einen ersten Legislativvorschlag vorgelegt, der nun Rückmeldungen erhält. Der Datenschutz spielte darin eine wichtige Rolle. Laut aktuellem Bericht der EZB sollen Intermediäre dabei personenbezogene Daten lediglich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für Aufnahme von Kundinnen und Kunden und die Abwicklung der Zahlung verarbeiten. Jegliche Nutzung dieser Daten für kommerzielle Zwecke erfordert nach den Plänen der EZB die ausdrückliche Zustimmung vonseiten der Nutzerinnen und Nutzer. Diese Klarheit sollte sich auch im Gesetzesentwurf wiederfinden. Ein klar umrissener Katalog, der die Zwecke der Datenverarbeitung präzise darlegt, schafft Rechtssicherheit für die Intermediäre und fördert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Gleiches gilt für die EZB und das Eurosystem. Es muss klar sein, welche Daten verarbeitet werden und dass keine nachträgliche Zuordnung der Identität der Nutzerinnen und Nutzer der Daten möglich ist. Um dem Überwachungspotential einer zentralisierten Datensammlung vorzubeugen, empfehlen europäische Datenschützerinnen und Datenschützer, die mit dem Kundenmanagement (insbesondere Verwaltung digitaler Euro-Accounts) verbundenen Aufgaben dezentral und damit über Intermediäre zu organisieren. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass ab einem bestimmten Punkt Daten in aggregierter Form der EZB zur Verfügung stehen, da sie den digitalen Euro ausgibt und über die im Umlauf befindliche Geldmenge Kenntnis hat. In dem gesetzlichen Rahmenwerk sollte eindeutig festgelegt werden, dass diese Daten nach Pseudonymisierung keine nachträgliche Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen.

Auch wenn die Vorzüge des Bargelds nicht vollständig in den digitalen Raum transferiert werden können, ist es wünschenswert, dass Zahlungen zumindest unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym möglich sein sollen. An vielen – vor allem ländlichen – Orten sind Bargeldzahlungen nicht mehr möglich, weil die entsprechenden Geschäfte außer Reichweite und Online-Bestellungen die einzige Möglichkeit sind, an bestimmte Waren zu gelangen. Der Schutz der Privatsphäre beim Bezahlen sollte jedoch keine Frage des Wohnortes sein, sondern ist im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Nach Aussage von Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, wird es voraussichtlich noch etwa fünf Jahre dauern, bis der digitale Euro für Zahlungen genutzt werden kann. Diese Zeitspanne sollte als eine Gelegenheit betrachtet werden, den digitalen Euro nicht als kommerzielles Projekt, sondern im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln. Ein starker Datenschutz spielt dabei eine wichtige Rolle.

Redaktionelle Notiz: Dieser Text wurde im Tagesspiegel Background (KI & Digitalisierung: Standpunkte») am 6. November erstveröffentlicht.

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Autor: eFin Blog Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: gelb

Digitaler Euro: Zum Stand des politischen Prozesses

Digitaler Euro: Zum Stand des politischen Prozesses

Letztes Status Update: 15. Februar 2024

Die Debatte über eine mögliche Einführung von digitalem Zentralbankgeld in der Eurozone läuft schon länger. Hier informieren wir über die Entwicklungen und den jeweils aktuellen Stand. Im Juni 2023 hat der betreffende Entscheidungsprozess auf EU-Ebene begonnen.

Der digitale Euro ist zunächst ein Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hat im Juli 2021 offiziell damit begonnen, Anwendungsfälle und Möglichkeiten der Ausgestaltung eines solchen Zahlungsmittels zu untersuchen. Diese Phase soll im Oktober 2023 enden. Dann entscheidet der EZB-Rat als das oberste Beschlussorgan der EZB darüber, ob zur nächsten Phase übergegangen wird. Für die konkrete Realisierung wird derzeit eine dreijährige Auseinandersetzung angesetzt.

Auch wenn die EZB erst im Anschluss daran endgültig über eine Einführung des bis dahin im Detail ausgestalteten digitalen Euros entscheidet, hat die EU-Kommission mit dem begonnen, was als „Rechtsetzungsarbeit” bezeichnet wird, denn: „Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat die EU die ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Für die Ausgabe eines digitalen Euro und die Entscheidung über seine technischen Merkmale ist die EZB zuständig, doch muss der digitale Euro zuvor durch eine EU-Verordnung, in der seine wesentlichen Aspekte festgelegt sind, eingeführt werden”, heißt es in einem Dokument der Kommission.1Die Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung (19.4.2022) findet sich zum Download hier»

EU-Vorschlag zur rechtlichen Regulierung

Am 28. Juni 2023 hat die EU-Kommission dementsprechend einen Legislativvorschlag zur Schaffung des Rechtsrahmens für einen möglichen digitalen Euro als Ergänzung zu Euro-Banknoten und -Münzen vorgelegt. Und zwar im Paket mit einem Legislativvorschlag über Euro-Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel, der sicherstellen soll, dass dieses weithin akzeptiert wird und im gesamten Euro-Währungsgebiet leicht zugänglich bleibt.2Angaben zum Paket zur einheitlichen Währung: Neue Vorschläge zur Gewährleistung der Möglichkeit, Bargeld zu verwenden, und zur Schaffung eines Rechtsrahmens für einen digitalen Euro sowie betreffende Dokumente finden sich zum Download hie

Damit beginnt ein Gesetzgebungsverfahren, an dem das Europäische Parlament und der sogenannte Ministerrat beteiligt sind. In diesem Rat der Europäischen Union sind die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten. In mehreren Lesungen wird der Legislativvorschlag von Parlament und Rat überarbeitet. Sobald sich die beiden Institutionen auf entsprechende Änderungen geeinigt haben, wird der Vorschlag angenommen. Dies ist nicht zuletzt deshalb so komplex, weil die betreffenden Organe wiederum in sich heterogene Interessen repräsentieren, die umfangreiche Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse notwendig machen.

Eine relevante Rolle dürfte in diesem Kontext die Euro-Gruppe spielen. Dabei handelt es sich um ein informelles Gremium, in dem die Finanzminister:innen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets über den Euro betreffende Fragen, die in die gemeinsame Verantwortung ihrer Länder fallen, beraten. Darüber hinaus findet Anfang Juni 2024 die nächste Europawahl statt, bei der dieses Thema eine Rolle spielen könnte.

Die Europawahl könnte darüber hinaus weitere Konsequenzen für das Verfahren haben:

“Für all jene Gesetzesvorlagen, über die das Plenum vor den Wahlen nicht mehr abgestimmt hat, gibt es keine rechtswirksame Position des Europäischen Parlaments. Die Geschäftsordnung des Parlaments sieht daher vor, dass in solchen Fällen die Arbeit der Abgeordneten (zum Beispiel in Form von Beschlüssen auf Ausschussebene) verfällt. Allerdings kann die neue Konferenz der Präsidenten – die aus dem Präsidenten/ der Präsidentin des Parlaments und den Fraktionsvorsitzenden besteht – zu Beginn der neuen Legislaturperiode beschließen, die Arbeit an diesen Gesetzesvorlagen unter Nutzung des bereits erreichten Standes fortzusetzen (vgl. Artikel 240 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments).”3 Siehe hierzu die Antwort in den FAQs des Europäischen Parlament

Reaktionen auf Bundesebene

Parallel dazu hat auch in den Mitgliedsländern die Befassung mit dieser Materie begonnen. Im Rahmen seiner Mitwirkung in europäischen Angelegenheiten» hat sich der Bundesrat bei seiner Sitzung am 29. September 2023 mit den EU-Vorschlägen für einen Rechtsrahmen zur Einführung des digitalen Euro befasst und eine Stellungnahme» beschlossen.

Im Bundestag hat die Unionsfraktion einen Antrag mit dem Titel „Abstimmung über den digitalen Euro im Bundestag bindend machen“ vorgelegt, der am Mittwoch, den 8. November 2023, im Plenum debattiert wird. Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, führt dazu aus: „Nachdem das Projekt digitaler Euro nun voranschreitet, muss die Bundesregierung dem Parlament ein wirkliches Mitspracherecht einräumen. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung der Einführung eines digitalen Euro nur zustimmt, nachdem der Deutsche Bundestag eine Einführung befürwortet hat.”4 Siehe die entsprechende Pressemitteilung». Nach der Debatte soll der Antrag gemeinsam mit einer Initiative der AfD-Fraktion zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss überwiesen werden. Der Titel des AfD-Antrags lautet „Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bewahren und Überwachung der Bürger durch digitales Zentralbankgeld verhindern“. Zur Dokumentation der Anträge und zu weiteren Informationen siehe hie.

Im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags findet am 19. Februar 2024 eine zweistündige öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema „digitaler Euro“ sowie den vorgelegten Anträgen statt. Ein Fragenkatalog wurde dafür nicht erstellt; für Details zum Termin siehe hier».

Dieser Beitrag wird um aktuelle Angaben ergänzt, wenn der politische Prozess fortschreitet. Siehe zum jeweiligen Stand auch den Eintrag zum Verordnungsentwurf auf der Seite EUR-Le der Europäischen Union.

  • 1
    Die Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung (19.4.2022) findet sich zum Download hier»
  • 2
    Angaben zum Paket zur einheitlichen Währung: Neue Vorschläge zur Gewährleistung der Möglichkeit, Bargeld zu verwenden, und zur Schaffung eines Rechtsrahmens für einen digitalen Euro sowie betreffende Dokumente finden sich zum Download hie
  • 3
  • 4
    Siehe die entsprechende Pressemitteilung».
Kategorien
Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 18. Juli 2022

Bislang war der digitale Euro eine eher administrative Angelegenheit. Spätestens mit dem vorgelegten Verordnungsentwurf der EU-Kommission sollte auch die Vermittlung des Vorhabens in eine neue Phase öffentlicher Diskussion eintreten. Einige Eindrücke zum aktuellen Stand.

Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet nun schon länger daran, wie ein digitaler Euro auszugestalten wäre und eruiert, ob es ihr sinnvoll erscheint, diesen auch einzuführen. Dieser Prozess wird an Hand von Dokumenten einigermaßen transparent in der Online-Kommunikation der Institution dargestellt. Das heißt allerdings, dass viele Informationen primär auf Englisch vorliegen und zudem fachsprachlich formuliert sind. Auch die Deutsche Bundesbank verweist in ihrem nicht ganz aktuellen Online-Angebot» auf solche Materialien. Fortlaufend dokumentiert werden betreffende Publikationen hier» . Ein zentrales Format sind dabei Folienpräsentationen, die zu diversen Anlässen vorgelegt werden und etwa den Fortschritt des Vorhabens grafisch darstellen sollen. Einer solchen Präsentation ist auch der aktuell auf der deutschsprachigen EZB-Unterseite verlinkte Zeitplan des Projekts» entnommen, der bislang erreichte Meilensteine fokussiert.

Darstellung des Zeitplans für die Testphase des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank.

Anders als dieses kleinteilige und für eine auf das Projekt bezogene Themenöffentlichkeit einschlägige Angebot mutet die visuelle Regierungskommunikation an, die mit der Vorlage des Verordnungsentwurfs für einen Rechtsrahmen des digitalen Euros insbesondere in den sozialen Medien eingesetzt hat. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat etwa in der Erklär-Video-Reihe Finanzisch für Anfängerinnen und Anfänger einen einminütigen Clip im Comic-Stil zu folgender Fragestellung veröffentlicht: „Was könnte ein digitaler Euro möglich machen, wer arbeitet daran und wann könnte er eingeführt werden?“». Per Du und mit Musik unterlegt werden hier vor allem vermeintliche Vorzüge des digitalen Euro in Szene gesetzt und für Informationen abstrakt auf www.bundesfinanzministerium.de» verwiesen. Die dem zuständigen EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung unterstehende Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen lanciert derweil etwa bei Twitter unter @ecfin und mit den Hashtags #EuroCash #YourChoice diverse farbenfrohe Sharepics, ein ähnliches Video-Format wie das BMF sowie einen recht schematischen Faktencheck. Während hier alles in Englisch vorgetragen wird, existieren einige Angaben der EU-Kommission zu ihren Legislativvorschlägen auch in deutscher Sprache: etwa ein Informationsblatt zum Download». Dieses hebt auch primär darauf ab, knapp Vorteile des digitalen Euro aufzuzählen sowie Gegenargumente zu entkräften.

Parlamentarische Anfrage und Antwort der Bundesregierung

Ein weniger präsentes Format der politischen Kommunikation sind demgegenüber parlamentarische Anfragen, die von Mitgliedern des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung gerichtet werden. Eine sogenannte Große Anfrage hat die AfD-Fraktion im Februar 2023 unter dem Titel Tokenisierung des Geldes – Chancen und Risiken gestellt, die den Gesamtzusammenhang von Bar- und Digitalgeld adressiert. Mitte Juni hat die Bundesregierung darauf schriftlich geantwortet und der Bundestag hat darüber Ende Juni in seinen Parlamentsnachrichten berichtet».

Deckblatt der Drucksache 20/7277 vom 14.06.2023. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der AfD. Tokenisierung des Geldes - Chancen und Risiken.

Die Drucksache selbst» hat inklusive der 83 gestellten Einzelfragen einen Umfang von über 50 Seiten. Auch wenn diese Auskünfte noch vor der Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs erteilt wurden und die Bundesregierung an einigen Stellen darauf verweist, dass ihr betreffende Erkenntnisse nicht vorliegen bzw. nur den aktuell bekannten Stand reflektieren, werden einige Aspekte, die den digitalen Euro betreffen, hier weniger plakativ-persuasiv denn nüchtern-nachvollziehbar formuliert. Dabei werden diverse Quellen berücksichtigt. Dementsprechend lohnt es sich, hier ausgewählte Passagen zu dokumentieren.

Aus der Vorbemerkung zum Entscheidungsverfahren:
„Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es für die Einführung eines möglichen digitalen Euro eines demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesses bedarf.“ (…) Auch eine positive Entscheidung der EZB über den Eintritt in eine weitere Projektphase im Herbst 2023 würde keine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro bedeuten. Eine solche Entscheidung könnte vielmehr erst dann getroffen werden, wenn die europäischen Ko-Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung eines digitalen Euro geschaffen hätten.“ (S. 20)

Dies im Hinblick auf die Vorgehensweise der EZB konkretisierend:
„Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, hat in ihrer Rede bei der Plenarsitzung des Europaparlaments am 15. Februar 2023 ausgeführt, dass eine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro erst getroffen werden könne, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sei. In ihrem dritten Fortschrittsbericht zum digitalen Euro vom 24. April 2023 hat die EZB dargelegt, dass das Design eines digitalen Euro dann auf Grundlage des Gesetzgebungsprozesses erfolgen wird.“ (S. 22 f.)

Ein relevantes Gremium bei der bisherigen Ausarbeitung von Gestaltungsoptionen des digitalen Euro ist die High-Level Task Force on Central Bank Digital Currency, die sich aus Vertreter:innen der EZB und der nationalen Zentralbanken der Eurozone zusammensetzt. Auf diese wird etwa im Hinblick auf die Frage Bezug genommen, ob es hier nur um digitales Zentralbankgeld für Endkund:innen geht (Retail-CBDC) oder auch um eine digitale Zentralbankwährung für Geschäftsbanken und andere Finanzinstitutionen (Wholesale-CBDC):
„Die bisherigen Arbeiten der HLTF-CBDC zum Digitalen Euro beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung ausschließlich auf Retail-CBDC. Eine Zusammenführung der dabei bisher identifizierten Designoptionen für einzelne Gestaltungsmerkmale (‚High-level design‘) ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.“ (S. 26)

Zu den Ressort-Zuständigkeiten seitens der Bundesregierung wird ausgeführt:
„Das Bundesministerium der Finanzen koordiniert und bearbeitet das Thema innerhalb der Bundesregierung federführend und beteiligt die Ressorts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und das Bundeskanzleramt. Zu den beteiligten Ressorts gehörten bislang insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Justiz, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.“ (S. 27)

Zur Frage danach, ob Zentralbanken beim digitalen Euro die Kontenführung übernehmen:
„Nach Kenntnis der Bundesregierung sehen die aktuellen Überlegungen der Zentralbanken des Eurosystems zum digitalen Euro nicht vor, dass die EZB oder nationale Zentralbanken Konten für jedermann eröffnen würden. Nach den Vorstellungen des Eurosystems würde der digitale Euro zwar bilanziell eine Verbindlichkeit der Zentralbanken darstellen – wie dies heute auch beim Bargeld der Fall ist. Es wären aber nicht die Zentralbanken, sondern beaufsichtigte Intermediäre (in der Regel Geschäftsbanken und/oder andere Zahlungsdienstleister), die für die Verteilung des digitalen Euro an die Endnutzer verantwortlich wären, einschließlich der Eröffnung von Konten oder Wallets“. (S. 33)

Zur informellen Beteiligung von Stakeholdern am laufenden Entwicklungsprozess:
„Die Einbeziehung erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung z. B. über (i) Marktkontaktgruppen wie das Euro Retail Payments Board (ERPB) auf europäischer Ebene und das Forum Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank auf nationaler Ebene, sowie der Market Advisory Group (MAG), in der Experten aus dem Zahlungsverkehr das Eurosystem beraten (ii) Umfragen und (iii) Mitarbeit privater Akteure an technischen Merkmalen eines digitalen Euro (z. B. im Rahmen von Prototyping-Aktivitäten oder einer Marktuntersuchung).“ (S. 36)

Zum Charakter des digitalen Euro als digital cash:
„Die Bundesregierung sieht den digitalen Euro als eine Ergänzung zum Bargeld und setzt sich für eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro ein. Ein digitaler Euro sollte als Zahlungsmittel und nicht zur Geldanlage verwendet werden, um die Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission und den Finanzsektor wirksam zu begrenzen.“ (…) Mit Blick auf eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro setzt die Bundesregierung sich dabei für ein möglichst weitgehendes Maß an Privatsphäreschutz ein, das über den Privatsphäreschutz heutiger, von privaten Unternehmen angebotenen elektronischer Zahlverfahren hinausgeht.“ (S. 37)

Zur abgestuften Ablehnung von Programmierbarkeit als Feature für digitales Zentralbankgeld:
„Das Eurosystem und die Mitgliedstaaten des Euroraums lehnen eine Programmierbarkeit eines digitalen Euro dergestalt, dass z. B. eine Bedingung direkt in einem ‚digitalen Geldstück“ hinterlegt würde, strikt ab, denn es wäre sonst nicht mehr sichergestellt, dass das ‚digitale Geldstück‘ zum Nennwert (also eins zu eins) in andere Formen des Euro (z. B. Bargeld) umtauschbar wäre. Die freie Konvertibilität ist aber eine Grundanforderung an den digitalen Euro.
Davon abzugrenzen ist der Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber dem Eurosystem dafür ein, den Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen verstärkt zu untersuchen. Als programmierbare Zahlungen versteht die Bundesregierung Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags durch vorher vorgegebene Bedingungen bestimmt werden. Solche Zahlungen können die geldseitige Abwicklung von komplizierten Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der Erfüllung vorgegebener Bedingungen ermöglichen.“ (S. 39)

Aktuell wird an den Voraussetzungen für einen einheitlichen digitalen Identitätsnachweis für Menschen und Unternehmen in der EU (EUid:) gearbeitet; ausgeführt quasi äquivalent zu einem Ausweis als digitale Brieftasche (Wallet). Gerade im Hinblick auf potenzielle Problematiken des digitalen Euro betreffend den Schutz der Privatsphäre spielen Planungen zur Nutzung der EUid im Zusammenhang mit digitalem Zentralbankgeld (CBDC) eine Rolle. Dazu wird ausgeführt:
„Die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von CBDC und digitalen Identitäten hinge von der jeweiligen konkreten technischen Ausgestaltung ab. Diese ist weder für einen möglichen digitalen Euro noch für eine EUid abschließend geklärt. Der europäische Gesetzgebungsprozess für eine EUid (eIDAS-VO) befindet sich gegenwärtig im ‚europäischen Trilog‘. Unbeschadet dessen könnte ein potenzielles Zusammenspiel beider Technologien nur unter strenger Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte (insb. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht) und des geltenden Datenschutzrechts erfolgen.“ (S. 41)

Finanzisch für gut informierte Bürger:innen

Die Unterschiede zwischen verschiedenen Varianten zur kommunikativen Vermittlung des digitalen Euro sind signifikant, wenn auch den jeweiligen Entstehungskontexten und Adressatenkreisen geschuldet. Zwischen Angeboten für professionell mit dem Thema befasste Personen und eine interessierte Öffentlichkeit klafft noch eine erkennbare Lücke. Der Blick auf die parlamentarische Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass entsprechende Inhalte aber in Deutschland durchaus verfügbar sind. Es wäre deshalb wünschenswert, sie nicht nur als im Informationssystem für Parlamentsmaterialien vorgehaltenes PDF zu dokumentieren, sondern prominenter online zugänglich zu machen. Gerade die Markierung von unterschiedlichen Ansichten aber auch Wissensständen im dialogischen Format von Anfrage und Antwort erscheint hier besonders geeignet. Eine zusätzliche Herausforderung bleibt dabei, dass nicht nur der Gegenstand „digitaler Euro“ komplex und wenig fassbar ist. Auch die Arbeit von Zentralbanken und das politische System der Europäischen Union sind höchst erklärungsbedürftig.

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Autor: Cederic Meier Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: hellblau

Quo vadis digitaler Euro?

Quo vadis digitaler Euro? Über die rechtlichen Indikationen des Verordnungsentwurfs zur Einführung eines digitalen Euro

Ein Beitrag von Cederic Meier

vom 4. Juli 2023

Am 28. Juni 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission im Rahmen des Pakets zur einheitlichen Währung neben dem Verordnungsentwurf über Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel1Regulation on the legal tender of euro banknotes and coins. den lang erwarteten Entwurf einer Verordnung zur etwaigen Einführung eines digitalen Euro.2Regulation on the establishment of the digital euro. Verfassungsrechtlich erhält der digitale Euro damit die ausgehende Grundlage für die demokratische Diskussion eines kollektiven Rechtsrahmens, der Gestalt und Funktion des neuen Geldmediums weitgehend bestimmen würde.

Während die parallele Entscheidung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) über die tatsächliche Einführung eines digitalen Euro weiterhin aussteht, benötigt der Verordnungsentwurf nun die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union, die als gemeinsame Institutionen der Gesetzgebung der Union eigene Änderungsvorschläge zur Verordnung einbringen können. In diesem Prozess gilt es fortan, das rechtliche Wesen des digitalen Euro demokratisch zu bestimmen.

Bereits in der Art und Weise der Veröffentlichung des Entwurfs innerhalb des einheitlichen Gesetzgebungspakets verdeutlicht die Europäische Kommission ein wesentliches Fundament des digitalen Euro: Der digitale Euro soll die derzeit existierende Erscheinung des Bargelds in keiner Form ersetzen, sie vielmehr ergänzen und den Bürgerinnen und Bürgern des Euroraums nunmehr die freie Wahlmöglichkeit der Zahlung mit Zentralbankgeld in barer oder digitaler Form gewähren.3Vgl. dahingehend auch die zugehörige Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 28. Juni 2023 sowie die am gleichen Tag in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichten Beitrag von Fabio Panetta (Direktoriumsmitglied der EZB) und Valdis Dombrovskis (Exekutiver Vizepräsident der Europäischen Kommission) Warum Europa einen digitalen Euro braucht, hierzulande verfügbar unter FAZ vom 28. Juni 2023 sowie kostenlos auf dem EZB-Blog vom 28. Juni 2023. Siehe zudem die dies mehrfach betonende Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 1, 2, 9, 17.So repräsentiert ein digitaler Euro zuvorderst das ausgesprochene europäische Ziel, auch innerhalb einer sich zunehmend digitalisierenden Ökonomie (beispielsweise E-Commerce, Industrie 4.0, Web3) eine kostenlose und effektiv verwendbare Form des öffentlich emittierten Zentralbankgeldes anzubieten, die das für die moderne Geldordnung essenzielle Vertrauen in den Euro im digitalen Zeitalter langfristig zu sichern vermag. Auf dieser Linie soll ein innovativer digitaler Euro als gesetzliches Zahlungsmittel ein hohes Maß an Datenschutz und Privatsphäre gewährleisten, die Finanzstabilität der Eurozone wahren und die allgemeine finanzielle Integration weiter fördern.4Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 2, 3.Der anstehende normative Gestaltungsprozess ist damit jedoch gerade erst angestoßen. Fortan gilt es, das rechtliche Wesen des digitalen Euro in den entsprechenden europäischen Gremien demokratisch zu diskutieren und es im Sinne der europäischen Gesellschaft weiter zu formen.

Zum allgemeinen politischen Rahmen einer Verordnung zum digitalen Euro

In rechtsstaatlicher Betrachtung ist zum generellen Erlass der Verordnung zunächst eine entsprechende Rechtsgrundlage erforderlich, die die Europäische Union politisch zur Rechtssetzung ermächtigt. Die Kommission stützt diese Kompetenz auf Art. 133 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), der vorsieht, dass das Europäische Parlament und der Rat die Maßnahmen erlassen, „die für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind.“ Da die Währungspolitik gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) AEUV jedoch ohnehin in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Union fällt,5Womit das Subsidiaritätsprinzip der Unionsgesetzgebung gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV unanwendbar ist.dürften der generellen Gesetzgebungskompetenz der Union für einen digitalen Euro unter Wahrung der normativ unabhängigen Befugnisse der EZB keine ernsthaften Zweifel entgegenstehen. Zusätzlich begründet die Kommission den Rückgriff auf Art. 133 AEUV entsprechend des Wortlauts als „erforderlich“, um die Verwendung des Euro als einheitliche Währung im digitalen Zeitalter zu gewährleisten.6Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 5.

Dass die Kommission mit ihrem ausschließlichen Gesetzesinitiativrecht derart frühzeitig und noch vor der Entscheidung der EZB über die Entwicklung eines digitalen Euro im Oktober 2023 aktiv wird, ist dabei aus politischer Sicht äußerst begrüßenswert. So ist die Gestalt eines unmittelbar verbindlichen Rechtssatzes innerhalb einer Gesellschaft, die sich mittels staatlicher Strukturen politisch organisiert, die vorwiegende Grundlage der allgemeinen Akzeptanz einer kollektiv begründeten Ordnung. Für die allgemeine Akzeptanz einer neu zu schaffenden Ordnung des digitalen Euro ist es aus staatstheoretischer Perspektive somit förderlich, sie mittels eines demokratisches Gesetzgebungsprozesses normativ zu konstituieren. Die politische Berücksichtigung der Ergebnisse der öffentlichen Befragung zum digitalen Euro,7Eurosystem report on the public consultation on a digital euro. Zur expliziten Berücksichtigung siehe Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 6. an der sich nach der Veröffentlichung des Report on a digital euro von Oktober 2020 bis Januar 2021 alle Bürgerinnen und Bürger des Euroraums beteiligen konnten, ist in ihrer Intention zwar lobenswert, jedoch bleibt kritisch anzumerken, dass an der Befragung nur 8221 Menschen der knapp 343 Millionen Einwohner des Euroraums teilnahmen, die Befragung fast zweieinhalb Jahre zurückliegt und zu dieser Zeit kaum über einen digitalen Euro informiert wurde. Im weiteren Gesetzgebungsprozess wäre es für die zukünftige politische Akzeptanz und das gemeine Verständnis eines digitalen Euro daher essenziel , eine neue weitreichende und groß angelegte öffentliche Debatte über die Einführung eines digitalen Euro sowie seine etwaigen sozialen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile anzustoßen.

Der digitale Euro als öffentlich kreditiertes Zahlungsmedium

Nachdem der Verordnungsentwurf zunächst die wesentliche Intention eines digitalen Euro sowie grundlegende Begriffsdefinitionen festlegt, formuliert er in Art. 4 die wohl bedeutendste Eigenschaft eines digitalen Euro, die ihn von allen bisher existierenden digitalen Zahlungsmedien abheben würde. Ein digitaler Euro stellt eine unmittelbare Verbindlichkeit der EZB oder der nationalen Zentralbanken dar, dessen Ausgabe ausschließlich zentral durch die EZB genehmigt wird. Damit bildet ein digitaler Euro ein in seinem Bestand öffentlich kreditiertes Geldmedium, das von einer Institution garantiert wird, die innerhalb ihrer eigenen Währung insolvenzunfähig ist und damit stets den Status der Zahlungsfähigkeit erhält. Im Gegensatz dazu fußt die Nutzbarkeit des bereits digital verwendbaren Buchgeldes auf den Geschäftsbankkonten – trotz gesetzlicher Einlagensicherung – grundsätzlich auf der Liquidität einer insolvenzfähigen Geschäftsbank. Denn anders als öffentlich emittiertes Zentralbankgeld stellt dieses „private“ Buchgeld normativ zunächst ausschließlich einen rechtlichen Anspruch gegen eine Geschäftsbank auf Auszahlung des nominalen Betrages in öffentliches Zentralbankgeld dar.

Zudem soll ein digitaler Euro gemäß Art. 7 ff. des Verordnungsentwurfs – vergleichbar dem Bargeld – als gesetzliches Zahlungsmittel grundsätzlich einer generellen rechtlichen Annahmepflicht für die Tilgung von Geldschulden unterliegen. Dies gilt für die offline-Verwendung im Allgemeinen und für die online-Verwendung, soweit der Zahlungsempfänger im Euroraum ansässig bzw. niedergelassen ist (Art. 8). Im Sinne des Verbraucherschutzes wäre es im Rahmen der online-Verwendung im Geschäftsverkehr folglich wünschenswert, Unternehmen zur eindeutigen Kennzeichnung ihrer etwaigen Niederlassung im Euroraum zu verpflichten. Ausnahmen von der gesetzlichen Annahmepflicht sollen nur unter den im Verordnungsentwurf engen Voraussetzungen des Art. 9 möglich sein, die später gemäß Art. 11 durch die Kommission ergänzt werden können.8Gemäß Art. 38 Abs. 6 des Verordnungsentwurfs gilt die Befugnis der Kommission jedoch nur, soweit das Europäische Parlament oder der Rat der Europäischen Union keine Einwände erheben. Gemäß Art. 39 Abs. 3 soll die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte (neben Art. 11 auch Art. 33, 34 und 35) zudem jederzeit durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union widerrufbar sein.Insbesondere soll ein Ausschluss der Annahmepflicht gemäß Art. 10 nicht durch einseitig vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen des Zahlungsempfängers ermöglicht werden. Auf dieser Linie trifft die Verordnung Regelungen, die weit in die mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen hineinwirken.

Als gesetzliches Zahlungsmittel könnte sich ein digitaler Euro derart als universelle Eintrittskarte in die Welt der digitalen Ökonomie des Euroraums etablieren. Als öffentliches Geldmedium würde ein digitaler Euro einerseits die unmittelbare Sicherung durch die staatliche Hoheitsgewalt genießen und andererseits als gesetzliches Zahlungsmittel eine im Grundsatz wirtschaftliche Allzweckwaffe zur sofortigen Tilgung eingegangener Schuldverhältnisse verkörpern. Mittels eines digitalen Euro würde im demokratischen Sinne so die Möglichkeit der allgemeinen Partizipation an der digitalen Marktwirtschaft – ohne Einflussnahme und notwendige Unterwerfung unter die gesetzten Regeln privater Zahlungsanbieter – öffentlich garantiert werden.

Zugang und Nutzung des digitalen Euro als politische Fragen

Der Verordnungsentwurf setzt sich in den Art. 13 ff. weiterhin ausführlich mit Zugang und Nutzung des digitalen Euro auseinander. Gemäß Art. 13 sollen die praktischen Marktprozesse demnach primär von zugelassenen privaten Anbietern von Zahlungsdiensten wie beispielsweise Geschäftsbanken koordiniert werden, ohne eine direkte vertragliche Beziehung der Endnutzer mit der EZB oder den nationalen Zentralbanken entstehen zu lassen (Art. 13 Abs. 6).9Die generelle Zulassung der Zahlungsanbieter des digitalen Euro richtet sich somit folglich nach der Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Mit Bezug auf Art. 4 Abs. 2 des Verordnungsentwurfs bleibt dabei jedoch eindeutig, dass sich dieser Haftungsausschluss ausschließlich auf die konkrete Ausführung der Zahlungsdienste bezieht, der digitale Euro seine Eigenschaft als unmittelbare Verbindlichkeit einer insolvenzunfähigen Zentralbank aber dennoch uneingeschränkt bewahrt. Der Entwurf verpflichtet die privaten Zahlungsanbieter ferner, allen anfragenden Endnutzern gleichermaßen und unabhängig von der Wahrnehmung anderer Angebote, klar benannte, grundlegende digitale-Euro-Dienste kostenlos zur Verfügung zu stellen.10Die entsprechende Auflistung dieser Dienste findet sich in Annex 2 des Verordnungsentwurfs. Entgelte für darüberhinausgehende Dienste dürfen unter strenger Aufsicht der EZB nur in verhältnismäßiger und vergleichbarer Höhe zu anderen angebotenen digitalen Zahlungsmethoden erhoben werden (Art. 17 Abs. 2). Mittels weiterer Informationspflichten (Art. 13 Abs. 8) sowie differenzierten Antidiskriminierungs- und Inklusionsvorschriften (beispielsweise Art. 14 Abs. 4, Art. 22 Abs. 1, 2) trifft der Verordnungsentwurf insgesamt bereits weitreichende und wirksame Vorkehrungen für eine uneingeschränkte finanzielle Inklusion aller Bürgerinnen und Bürger des Euroraums in die digitale Ökonomie.

In der konkreten Verwendung lässt der Verordnungsentwurf – wie es ob der bisherigen Äußerungen der EZB zu erwarten war – gemäß Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 die Möglichkeit offen, die wirtschaftliche Funktion des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel instrumentell zu begrenzen. Um die Finanzstabilität des Euroraums zu schützen, ist davon auszugehen, dass eine im Wert noch offene Obergrenze der Geldmenge, die Bürgerinnen und Bürger maximal in digitalen Euro halten dürfen, durch die EZB etabliert wird. Andernfalls wäre zu erwarten, dass zahlreiche Endnutzer ihr Buchgeld von den Geschäftsbankkonten vollständig in das System des digitalen Euro umlegen, um ihr Kapital unmittelbar an eine insolvenzunfähige Zentralbank zu binden. Trotz dieser Obergrenze sollen die konkreten Zahlungsvorgänge innerhalb der Infrastruktur des digitalen Euro in unbestimmter Höhe ermöglicht werden. Der dabei zusätzlich benötigte Betrag würde von einem Geschäftsbankkonto des Schuldners ergänzt („reverse waterfall functionality“) und im erhöhten Betrag auf einem Geschäftsbankkonto des Gläubigers gutgeschrieben werden („waterfall functionality“). Derart würde die Infrastruktur des digitalen Euro eine vielfach geforderte Funktion erfüllen: Eine allumfassende Zahlungsabwicklung in einem öffentlich abgesicherten und garantierten System.11So stellt die Zahlungsinfrastruktur des digitalen Euro eine echte Alternative zu privaten Instant Payment Systemen wie PayPal dar und erfüllt ähnliche Funktionen wie das häufig gelobte öffentliche Zahlungssystem PIX der brasilianischen Zentralbank.

Überdies sollen die Zahlungsvorgänge gemäß Art. 30 Abs. 1 in nur wenigen Sekunden erfolgen, was die allgemeine Tilgungssicherheit und Effizienz gegenüber traditionellen Zahlungsinstrumenten erheblich stärkt. Auch dem Schutz der Daten, die zwangsläufig bei allen Handlungen im digitalen Raum entstehen, sowie der Privatsphäre wird in den Art. 34 ff. des Verordnungsentwurfs weitreichend Rechnung getragen. Entsprechend der Verordnungsbegründung soll dieser Schutz auf modernsten Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen wie Pseudonymisierung oder Verschlüsselung aufbauen. Unter dem Begriff des „programmierbaren Geldes“ schließt der Verordnungsentwurf in Art. 24 Abs. 2 zudem aus, die Verwendbarkeit des digitalen Euro für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu beschränken. Ein programmierbarer Einsatz des digitalen Euro in Smart Contracts, in M2M Payments oder im Internet of Things, wie er bspw. mittels der Blockchain Technologie möglich wäre, soll damit wohl hingegen keineswegs ausgeschlossen werden.

Aus politischer Sicht stehen alle genannten rechtlichen Wesenszüge und Eigenschaften eines digitalen Euro indessen vollständig zur demokratischen Disposition des europäischen Gesetzgebers. Derart etabliert die Diskussion um einen digitalen Euro die historisch wohl bislang einzigartige Chance, eine völlig neue Erscheinung des Geldes demokratisch zu formen. Münz-, Papier- und Buchgeld werden im modernen Verfassungsstaat zwar ebenfalls rechtlich reguliert, stellen in ihrem existenziellen Ursprung jedoch vordemokratische Ideenkonstrukte dar. In der digitalen Welt werden die exakten Spielregeln der Zahlungsvorgänge gleichwohl bis heute primär von privaten Zahlungsanbietern diktiert. Ein digitaler Euro würde aus diesem Blick eine moderne Alternative bieten, dessen Nutzung stets der freien Wahlmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger des Euroraums unterliegt.

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb Uncategorized

Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie: Empfehlungen des Rats für Digitalethik

Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie: Empfehlungen des Rats für Digitalethik

24. April 2023

Der Rat für Digitalethik» wurde von der Hessischen Landesregierung gegründet, um ethische Aspekte der Digitalisierung zu identifizieren und die Landesregierung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu beraten. Als wissenschaftliche Direktorin des Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung ist Prof. Dr. Petra Gehring Mitglied im Rat für Digitalethik. Dieser hat Ende 2022 Empfehlungen zu den Herausforderungen der digitalen Transformation für die Stabilität von Demokratie» vorgelegt. Wir dokumentieren daraus den dritten Abschnitt mit dem Titel Finanzsektor, Kryptowerte und Demokratie.


„Die Welt des Geldes ist durch Digitalisierung deutlich abstrakter und unübersichtlicher geworden. Global tätige Internetkonzerne planen eigene Zahlungsmittel und treten damit in eine Art Konkurrenz zum Staat. Digitale Finanzprodukte, dezentrale Kreditvergabe und andere dezentrale Finanzprodukte („De-Fi“) boomen. Krypto-Werte („Krypto-Währungen“) wie Bitcoin oder Ether erfreuen sich als staatsferne Zahlungsmittel sowie als Spekulationsgegenstände mit zeitweilig hohen Renditen einer wachsenden Beliebtheit. Zahlreiche alternative Anlage- und Investitionsangebote knüpfen ebenso an die Idee eines gänzlich dem staatlichen Einfluss entzogenen Wirtschaftens an. Solche Angebote sind oft komplex, schwer durchschaubar und nicht selten unseriös. Kryptowerte unterliegen enormen Schwankungen, was deren Verwendung riskant macht. In Zeiten hoher Inflation könnte die Risikobereitschaft dennoch weiter steigen – und auch die Anziehungskraft von auf Gewinnmaximierung angelegten, libertär-anarchistischer Internet-Ideologien ist beträchtlich. Krypto-Communities grenzen sich nicht selten von demokratischer (Rechts)Staatlichkeit mehr oder weniger offen ab. Technik soll Recht und demokratische Diskurse ersetzen. Frustration über „den Staat“ kann hier Existenzkrisen und Verschuldung nach sich ziehen.


Das Wissen der Bevölkerung über Geldanlagen und Finanzmarktmechanismen generell ist in Deutschland gering und ungleich verteilt. Erst recht gilt dies für das Wissen über die digitale Transformation des Finanzsektors, die ein globales Phänomen ist, den europäischen Alltag jetzt aber erreicht hat. Zugleich drängen digitale Bezahlverfahren in Europa ganz generell die Nutzung von Bargeld zurück. Die Covid-19-Pandemie hat diese Entwicklung auch in Deutschland – einem relativ bargeldfreundlichen Land – verstärkt. Digitales Bezahlen ist oft bequem. Es ist aber niemals anonym, was Befürchtungen vor gläsernen Kundinnen und Kunden und womöglich einem Überwachungsstaat weckt. Welcher Mix einer künftigen Geldnutzung passt also zu einer Demokratie?


Digitale Finanzkompetenzen stellen eine wichtige – und unterschätzte – Dimension derjenigen digitalen Kompetenzen dar, an denen es in der Gesellschaft aktuell fehlt. Eine auf Befähigung aller Beteiligten ausgerichtete Bildungspolitik muss dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen digitale Finanzkompetenzen erlangen. Benötigt wird ein digitaler Verbraucherschutz, der sich in verstärktem Maße auf komplexe Finanzprodukte erstreckt. Gerade für das Land Hessen mit dem herausragenden Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Main ist vor einem pauschalen Hype rund um neue Finanzprodukte zu warnen. Eine leistungsfähige Strafverfolgung sollte auch dem Schutz vor digitaler Finanzkriminalität und digitalen Betrugsformen dienen


Ergänzend schlägt der Rat für Digitalethik der Hessischen Landesregierung vor, eine breite, öffentliche und partizipative Diskussion über den „Digitalen Euro“ zu initiieren, also über digitales Zentralbankgeld, dessen Einführung die Europäische Zentralbank derzeit erwägt. Das erforderliche Maß an Wissen, um dieses für die Demokratie wichtige Projekt zu verstehen und zu bewerten, fehlt derzeit weitgehend – denn Geld ist etwas, das alle angeht. Selbst in den verantwortlichen Institutionen ist digitales Zentralbankgeld ein Thema, mit dem sich Fachleute intensiv befassen müssen. Veränderungen der Währung stellen eine Schlüsselfrage für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren Staat dar. Die Hessische Landesregierung sollte daher die zu erwartende Diskussion über die Einführung und Ausgestaltung eines „Digitalen Euro“ (als einer Art anonymes digitales Bargeld) nicht nur passiv abwarten, sondern das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern eröffnen. Durch derartige partizipative Diskurse kann das Land Hessen ein Vorreiter bei der demokratischen Ausgestaltung einer künftigen digitalen Zentralbankwährung für Europa sein.“

Zurück zur Startseite des Blogs»

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors»

Kategorien
Autor: Isabel Schmidt Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Wie nah ist Europa? Erfahrungen von der virtuellen Teilnahme an einem EU-Hearing zum digitalen Euro

Wie nah ist Europa? Erfahrungen von der virtuellen Teilnahme an einem EU-Hearing zum digitalen Euro

Ein Beitrag von Isabel Schmidt

vom 24. April 2023

eFin & Demokratie hat das public hearing der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (ECO) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) „A Digital Euro – Challenges and Opportunities“ am 7. September 2022 per Videostream besucht.1 Ein Webstream des Hearings ist hier» online. Wir sind überrascht über die dichte und nachhaltige Dokumentation der EU-Gremien im Netz und fragen uns gleichzeitig, was die virtuelle Präsenz der europäischen Institutionen tatsächlich an demokratischen Mitwirkungseffekten nach sich ziehen kann.

Ein Klick und ich bin mitten in der Sitzung der Fachgruppe des Brüsseler Wirtschafts- und Sozialausschusses. Es geht verblüffend einfach, europäische Politik zu mir nach Hause auf den Bildschirm zu holen und live daran teilzunehmen.

Selbst Fragen lassen sich von allen Anwesenden an das Gremium stellen, die ad hoc aufgegriffen und beantwortet werden. Das ist keineswegs ein Zufall. Alle EU-Gremien, zu denen der Ausschuss gehört, arbeiten nach einer 100 Prozent Transparenz-Regel.2Diese besagt: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, wie die EU-Organe ihre Entscheidungen treffen, wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist und welche Dokumente im Zuge der Vorbereitung und Annahme von Rechtsakten hervorgebracht werden. Sie haben das Recht, Zugang zu diesen Dokumenten zu verlangen und Stellung dazu zu nehmen. Außerdem haben die Bürger das Recht zu erfahren, wer Mittel aus dem EU-Haushalt erhält.“ Sie ist hier» zu finden. Grundlage für diese Regel ist die Annahme, dass diese Transparenz dazu beitragen könne, europäische Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiveren Teilnahme am demokratischen Leben der EU anzuregen.Tatsächlich lassen sich alle Aktivitäten minutiös nachvollziehen und einsehen. Das heißt, Sitzungen können gestreamt werden, Vorgänge zu Gesetzesentscheidungen werden nachvollziehbar und teilweise in 23 (!) verschiedenen europäischen Sprachen bereitgestellt. Dokumente sind im Netz verfügbar – selbst bis zurück ins Jahr 1999.3Für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sind die Unterlagen hier».

Europäische Politik ist erstaunlich präsent im Netz, aber wer schaut hin?

Beim Surfen und Livestreamen entsteht so der Eindruck, europäische Politik ist zu 100 Prozent im Netz erlebbar. Diese digitale Spiegelung der EU-Politikebene lässt uns staunen und ist einer Abbildung und Transparenz deutscher Politik im Netz wahrscheinlich um Längen voraus. Trotzdem drängen sich Fragen auf: Wie nah sind Bürger:innen den politischen Entscheidungsprozessen? Existieren womöglich trotz digitaler Barrierefreiheit Hindernisse der Inhalte? Wer nimmt üblicherweise den Service in Anspruch, vor allem: Wer, der nicht sowieso am Thema dran ist? Und was ist mit all jenen, die keinen Zugang zum Internet haben oder denen andere digitale Barrieren im Wege stehen?

Aber kommen wir erstmal wieder zurück zum Thema der Sitzung, der geplanten Einführung eines digitalen Euro. Alle Zuhörer:innen können also Fragen über den Chat stellen und unsere Fragen werden tatsächlich aufgegriffen. Wir fragen, wie Erfolg in Bezug auf die Nutzer:innen-Anzahl des digitalen Euro bemessen wird und wie ein inklusiver digitaler Euro aussehen müsste, damit er von allen Menschen genutzt werden kann. Also eine Möglichkeit der Nutzung, unabhängig davon, ob Personen ein Bankkonto, Ausweispapiere, Internetzugang oder eine Behinderung haben. Das heißt auch, unabhängig davon, ob jemand Endgeräte besitzt oder diese bedienen kann.

Wie wird der Erfolg des digitalen Euro bemessen? Was passiert, wenn der digitale Euro scheitert?

Womöglich steht hinter dem Verzicht auf Aussagen zu Erfolgskriterien hierzu die Angst vor Maßnahmen, die umgesetzt werden könnten, falls der digitale Euro nicht genutzt werden sollte. Einführungen von CBDCs (CBDC: Digitales Zentralbankgeld) können scheitern. Das zeigt das Beispiel des eNaira in Nigeria, der aktuell existiert aber aus mangelndem Vertrauen in die Zentralbank trotz dringendem Bedarf nur von 0,5 Prozent der Bevölkerung genutzt wird.4Warum der eNaira nicht akzeptiert wird, kann man hier» nachlesen. Mehr zu Nigeria und CBDC kann man in einer Studie über finanzielle Inklusion und CBDCs der Digital Currency Initiative aus dem Jahr 2023» nachlesen. Das zeigen auch Beispiele aus Finnland und Ecuador, wo eingeführte CBDCs an den Kosten scheiterten und wieder abgeschafft wurden.

Was, wenn der digitale Euro scheitert? Bleibt er dann ein freiwilliges zusätzliches Tool oder sind nachträgliche Gegensteuerungen denkbar, die einen Nutzen fördern oder gar ein Anfangsguthaben umfassen – das ist zwar ein nicht unbedingt passendes, da „kryptisches“ Beispiel –, wie bei der Einführung des Bitcoin in El Salvador, die eine Verwendung und das Herunterladen zunächst zur Erfolgsstory machten?5Eine Bilanz der Tagesschau zur einjährigen Einführung von Bitcoin in El Salvador gibt es hier». In der Diskussion hierzu nannte beim public hearing der EU die Programmmanagerin des digitalen Euros der EZB, Evelien Witlox, dass es keine zahlenmäßigen Benchmarks gebe, sondern man sich am Erreichen der selbstgesetzten Ziele messe, also der Bereitstellung von Zentralbankgeld unter veränderten (digitalen) Bedingungen und der Unabhängigkeit der EU-Zone von amerikanischen Bezahlsystemen sowie der Stärkung der europäischen Wirtschaft.

Wie sieht ein inklusiver digitaler Euro aus?

Zur Frage der Ausgestaltung eines möglichst inklusiven digitalen Euros, also einem Zahlungsmittel, auf das alle Bürger:innen zugreifen können, gibt es gleich mehrere Antworten. Iacob Alin (Chairman of Association of Romanian Financial, Rumänien) betont, dass ein gutes Design, welches eine offline-Nutzung möglich mache und Weiterbildungen zu digitalen Finanzthemen hier von zentraler Bedeutung seien. Jonas Gross (Digital Euro Assoziation, Frankfurt) geht davon aus, dass ein einfacher technischer Zugang wichtig sei. Er verweist auf das Beispiel Chinas, wo anlässlich der Winterolympiade verschiedene Geräte – unter anderem Handschuhe – den digitalen Yuan, kurz e‑CNY, ermöglichten. Alexandra Maniati (European Banking Federation, Brüssel) hingegen erwidert, dass sie keinen Bedarf einer finanziellen Inklusion sehe, da jede:r Anrecht auf Zugang zu einem Bankkonto habe und sieht das Problem auf der Ebene der digitalen Inklusion, also nur einem Zugang zum Internet.

Kann digitale Transparenz alleine eine aktive Teilnahme am demokratischen Leben ermöglichen?

Die Tatsache, dass unsere Fragen in der Sitzung aufgegriffen und von allen einstimmig als wichtig bezeichnet wurden, hinterlässt bei mir zunächst ein wohliges Gefühl der Selbstwirksamkeit und ich gewinne den Eindruck, dass ich tatsächlich ganz nah dran bin. Doch dieses Gefühl verschwindet relativ schnell wieder. Fragen werden zwar adressiert, aber wie es danach weitergeht und wo es weitere Momente gibt, in denen ich als Bürger:in am Entscheidungs-Prozess teilhaben kann, das muss ich weiterhin selbst im Auge behalten. Wie es in diesem konkreten Fall dann letztendlich zu den Entscheidungen bei Designfragen des digitalen Euro kommt, bleibt für mich offen. Vor allem: Solange es keine Entscheidungen gibt, passiert demokratische Mitbestimmung ja auch irgendwie im Nebel.

Am Beispiel des Hearings konnten wir erleben, dass die EU-Gremien ihre Regeln einhalten und im Netz transparent unterwegs sind. Aber es bleibt für uns die Frage: Wie kommt europäische Politik aus der digitalen Finanzblase oder bleibt hier Eigenverantwortung das Schlagwort der Stunde?

Vermutlich auch Corona sei Dank war europäische Politik noch nie so nahbar wie jetzt, aber als Nicht-Profi lässt sich nicht wirklich alles verstehen, was passiert und vor allem, was das dann bedeutet. Um zu wissen, welchen digitalen Euro ich will, muss ich wissen, welche Konsequenzen die einzelnen Designfragen für mich als Bürger:in haben. Theoretisch muss ich die Antworten dazu aber selbst (im Netz) suchen. Es gehört in dieser Phase des Digitalen-Euro-Projektes weder zum Service, dass diese Blasenphänomene von den Akteuren ganz bewusst wahrgenommen und durchbrochen werden, noch werden gezielt Zielgruppen angesprochen oder zum Nachdenken angeregt. Das heißt im Prinzip: Die Pflicht der Transparenz wird ernst genommen und jede/jeder mit Interesse kann aktiv werden und sich beteiligen. Aber den Willen muss ich selbst mitbringen und hier liegt bei aller Finanzverdrossenheit und eben bei der Komplexität des Themas eine ziemlich große Schwelle.

Hinzu kommt auch, dass europäische Politik meist der Alltagswelt recht fernsteht. Themen müssten hier auf der bundespolitischen Ebene landen, damit dem Ganzen die Aufmerksamkeit gegeben wird, die es verdient. Aber da passiert zurzeit, was den digitalen Euro angeht, noch nicht viel um nicht zu sagen, zu wenig. Hier existiert nicht nur ein alleiniges Versäumnis auf EU-Ebene, auch die Bundespolitik hat in diesem Sinne noch nicht rangezoomt.

  • 1
    Ein Webstream des Hearings ist hier» online.
  • 2
    Diese besagt: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, wie die EU-Organe ihre Entscheidungen treffen, wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist und welche Dokumente im Zuge der Vorbereitung und Annahme von Rechtsakten hervorgebracht werden. Sie haben das Recht, Zugang zu diesen Dokumenten zu verlangen und Stellung dazu zu nehmen. Außerdem haben die Bürger das Recht zu erfahren, wer Mittel aus dem EU-Haushalt erhält.“ Sie ist hier» zu finden.
  • 3
    Für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sind die Unterlagen hier».
  • 4
    Warum der eNaira nicht akzeptiert wird, kann man hier» nachlesen. Mehr zu Nigeria und CBDC kann man in einer Studie über finanzielle Inklusion und CBDCs der Digital Currency Initiative aus dem Jahr 2023» nachlesen.
  • 5
    Eine Bilanz der Tagesschau zur einjährigen Einführung von Bitcoin in El Salvador gibt es hier».