Festival einer Demokratie, die unter Druck steht – Bericht von der re:publica 25
Ein Beitrag von Eneia Dragomir
12.06.2025
Die re:publica, die 2007 als „Bloggerkonferenz“ startete und sich inzwischen als „Festival für die digitale Gesellschaft“ begreift, lud dieses Jahr vom 26. bis zum 28. Mai die Generation X, die Millennials (bzw. GenY), die „GenZ“ sowie die Boomer dazu ein, eine „intergenerative Allianz“ zu schmieden und sich zur „Generation XYZ“ zusammenzutun – so das Motto der Konferenz. Doch schon der Erklärtext zum Motto weckt keine Feierlaune: „denn unsere demokratische Gesellschaft steht auf dem Prüfstand“. On- wie offline fehle es an Räumen, in denen sich die Generationen „offen begegnen können, um sich zu vergewissern“, dass sie mehr verbinde als trenne.1Vgl. https://re-publica.com/de/news/generation-xyz (10.06.2025). Steht unsere Demokratie also auf dem Prüfstand, weil die Generationen es vorziehen, sich in unterschiedlichen (digitalen) Räumen zu tummeln?
Gute Stimmung – düstere Perspektiven
Schon ein kurzer Blick ins Programm lässt daran Zweifel aufkommen: „Digitale Governance: Wie umgehen mit den Entwicklungen sozialer Netzwerke wie Instagram, Facebook oder X?“, „Machtfaktor Social Media – gestern war der beste Tag, mit Regulierung die Demokratie zu bewahren“, „Klimadesinformation auf X/Twitter – Welchen Einfluss hatte die Übernahme von Elon Musk“, „Meta, MAGA, Musk: Wie wir unsere Demokratie auf Social Media verteidigen“ – um nur wenige Beispiele aus der schon am ersten Tag schier unüberschaubaren Fülle an Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Gesprächen, Workshops und Meet-Ups herauszugreifen. Das Problem scheint weniger das Fehlen von Räumen, sondern vielmehr die Struktur und Ausgestaltung dieser Räume zu sein sowie die Interessen und Machtverhältnisse, die sie dominieren.

Auch auf einem der Opening Panel, „GenerationXYZ: Digitale Heimaten, digitale Zukünfte“, herrschte der Tenor vor, dass es weniger die unterschiedlichen Generationen seien, die sich in Bubbles gegeneinander abschließen, sondern „intergenerative“ Bubbles sich entlang von bildungs- und soziokulturellen Grenzen bilden würden. Weitgehende Einigkeit bestand auch in der Beobachtung, dass es bei der Ausgestaltung der Sozialen Medien um die Demokratie gehe. Denn es gebe zunehmend weniger „Pubs“, womit nicht nur Kneipen gemeint sind, sondern generell öffentliche („public“) analoge Orte, in denen die Gesellschaft zusammenkommt. Umso problematischer daher, dass die Gestaltung der größten sozialen Plattformen letztlich vom Gutdünken von Persönlichkeiten abhänge, die zunehmend umstritten sind. Während für Oğuz Yılmaz (Talent-Manager, Creator Economy-Experte, ehemaliger Youtuber sowie Vertreter der GenY) Mark Zuckerbergs Meta-Konzern der „größte Übeltäter“ ist und dazu aufrief, Facebook zu verlassen, brandmarkte der re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl Elon Musk in einer anderen Veranstaltung schlicht als „Faschisten“.2Vgl. https://www.zeit.de/wissen/2025-06/digitalisierung-deutschland-markus-beckedahl-krisenpodcast, 35:50 (12.06.2025).

Insgesamt geriet das Generationen-Thema gegenüber den politischen und insbesondere geopolitischen Verschiebungen in den Hintergrund: Das Erstarken rechter Kräfte, das sich nicht nur in den Sozialen Medien bemerkbar macht; Tech-Milliardäre, denen die Nähe zu diesen Kräften die mittlerweile populäre Bezeichnung „Broligarchen“ eingebracht hat;3Bspw. https://re-publica.com/de/session/zwischen-broligarchie-und-autokraten-playbook-wie-kontert-die-zivilgesellschaft (10.06.2025), vgl. dazu auch den FAZ-Gastbeitrag des Politikwissenschaftlers Jan-Werner Müller : https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/musk-zuckerberg-bezos-co-wie-gefaehrlich-sind-die-tech-oligarchen-110257765.html (12.06.2025). Big Tech-Konzerne, denen vorgeworfen wird, Regulierungsversuche wie DSGVO oder Digital Services Act zu missachten und zu untergraben.4Vgl. dazu auch https://re-publica.com/de/session/big-tech-regulierung-wer-setzt-unsere-rechte-durch bzw. https://www.youtube.com/watch?v=JDn2tMewt9M&pp=0gcJCd4JAYcqIYzv (12.06.2025). Selbst wenn unter den Konferenzteilnehmer:innen, die ihr persönliches Programm zudem mit Bällebad, Yoga, Meditation und Breathwork oder durch Videospiele-Kräftemessen mit „Pros“ auflockern konnten, gute Stimmung herrschte: Die diskutierten digital- und geopolitischen Perspektiven waren überwiegend ernst bis düster – die Demokratie im Allgemeinen und die EU im Besonderen stehen unter Druck.
Deutschland-, Euro- oder Elon-Stack?
Wie können demokratie- und rechtewahrende Lösungen für Europa aussehen, welche die Abhängigkeiten von Big Tech-Playern der USA sowie Chinas verringern? Wie lassen sich Werte wie Demokratie, Datenschutz, Privatheit, Solidarität und Subsidiarität wahren? Wie lässt sich die digitale Souveränität Europas erreichen und sichern?
Das Fediverse hat sich auf der re:publica 25 mit Mastodon und anderen offenen Plattformen als Alternative zu X, Instagram und Facebook in Stellung gebracht.5Vgl. Mastodon: Offene Infrastrukturen für alle (06.06.2025). Open Source-Anwendungen wurden als „Good Tech“ Big Tech gegenübergestellt6Vgl. Good Tech vs. Big Tech: Wie wir Allianzen gegen die Digitalmonopole schmieden (06.06.2025). und europäische Unternehmen wie Nextcloud und IONOS präsentierten sich als Alternativen zu den großen US-Cloud-Anbietern.7Vgl. Nexcloud: https://re-publica.com/de/session/so-baut-man-ein-nachhaltiges-open-source-unternehmen (10.06.2025) und IONOS (u.a.): https://re-publica.com/de/session/einfach-mal-machen-wie-die-europaeische-cloud-industrie-sich-mit-der-seca-api-selbst-hilft (10.06.2025). Zum „Tech-Stack“, also der Kombination technologischer, organisatorischer und (wirtschafts-)politischer Elemente, welche die digitale Souveränität Europas absichern und erweitern soll,8Ein tech oder technology stack meint eigentlich die Kombination verschiedener Komponenten, die notwendig sind, damit eine Software-Anwendung läuft. Der „EuroStack“ soll ein Konzept sein, um die Komponenten und Elemente in den Blick zu nehmen (Rohstoffe, Geräte und Infrastruktur, Codes, der Programme und Services sowie Daten, Datenflüsse, Datensicherheit, Standards und Protokolle), die es ermöglichen sollen, die digitale Souveränität der EU zu sichern sowie ökonomische Perspektiven zu erschließen. Vgl. https://netzpolitik.org/2025/digitale-souveraenitaet-und-eurostack-wie-kann-europa-digital-unabhaengiger-werden/ (10.06.2025). wurden immer wieder auch der Digitale Euro sowie die EUDI bzw. European Digital Identity Wallet gezählt. Während die EUDI-Wallet und der Stand ihrer Verfertigung gleich auf mehreren Panels dargestellt wurde,9Vgl. https://re-publica.com/de/session/die-deutsche-eudi-wallet-als-fundament-fuer-digitale-souveraenitaet und https://re-publica.com/de/session/trust-different-identity-futures-und-die-eudi-wallet (10.06.2025). haben Sebastian Gießmann und Petra Gehring für mehr Aufmerksamkeit für den Digitalen Euro sowie dafür plädiert, ihn als „das neue Geld der europäischen Öffentlichkeit“ zu begreifen. Während Gehring dazu aufrief, den Menschen in Europa zuzutrauen, dass sie nicht nur an einer bequemen, sondern auch an einer „gemeinwohlorientierten Ausgestaltung“ interessiert seien, betonte Gießmann, dass mit dem Digitalen Euro eine europäische „öffentlich-rechtliche“ Bezahl-Infrastruktur entstehe.10Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=PAbaSQupkzw (10.06.2025).

Als „Deutschland-Stack“ tauchte der Tech-Stack wie auch das digitale Bezahlen und die europäische Wallet auch im Vortrag des neuen Bundesministers für Digitales und Staatsmodernisierung Karsten Wildberger auf.11Vgl. https://re-publica.com/de/session/digitalministerium-als-start (12.06.2025). Es gelte Alternativen sowie eigene digitale Kapazitäten zu entwickeln, die auf unverhandelbaren Werten basieren, so der Digitalminister. 12Vgl. bspw. https://www.youtube.com/watch?v=gkvGrmjhuwg, 7:35 und 20:13ff (12.06.2025). Vor re:publica-Publikum versprach er, dass der digitale Staat auch auf der Basis von Open Source laufen solle. Denn das sei angesichts der Weltlage auch eine Frage der Souveränität.13Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=gkvGrmjhuwg, 26:03ff (12.06.2025).
Francesca Bria, die leitende Autorin des Berichts „EuroStack – A European Alternative for Digital Sovereignty“,14 Vgl. https://www.euro-stack.info/ (12.06.2025). war über den Begriff „Deutschland-Stack“ jedoch nicht glücklich.15Vgl. „Europe’s digital future: How to build the EuroStack!“ und https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 13:36f (12.06.2025). Der Begriff „EuroStack“ solle nicht nur als eine Alternative zum „digitalen Autoritarismus“ begriffen werden, sondern auch zum „Techno-Nationalismus“.16Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 11:30ff (12.06.2025). Als Antwort auf die Bedrohung von Demokratie, Rechten (der Nutzer:innen) und der EU müsse diese nicht nur regulieren, sondern auch entwickeln und bauen.17Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 9:19-44 (12.06.2025). Denn es gehe nicht nur um Marktanteile, sondern um Geopolitik.18Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 4:05ff (12.06.2025). Dafür brauche es nicht zweistellige Millionenbeträge, sondern dreistellige Milliardenbeträge.19Im Bericht Francesca Bria et al.: EuroStack – A European Alternative for Digital Sovereignty (Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2025) ist von 300 Mrd. € für die nächsten zehn Jahre Rede (S. 15). Wenn die EU nicht ernsthaft den Aufbau eines „European, Sovereign, Interoperable, Democratic Technology Stack for the People“ (15:04f) angehe, könnten wir mit einem „Elon-Stack“ enden, so Bria.20Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 12:35ff (12.06.2025).
Repolitisierung der Technologie
So schwierig es oft war, sich auf der sehr gut besuchten Konferenz einen Weg zu bahnen, so schwer fällt es auch, ein dominantes Thema aus dem unübersichtlichen Programm herauszulesen. Wollte man um Rechtsruck, um Big Tech und die Broligarchen herum „routen“, musste man sich allerdings bemühen. Dass die großen Tech-Konzerne wie Google (bzw. Alphabet) den Nimbus der entspannten, hippen Nerd-WG verloren haben, den sie noch in Mottos wie „Don’t be evil“ vor sich hertrugen, ist keine Neuigkeit. Schon 2014 hatte Shoshana Zuboff den Begriff „Überwachungskapitalismus“ geprägt und damit noch in erster Linie die digitale Überwachung der Nutzer:innen sowie die Aneignung der entstehenden Daten durch Big Tech gemeint.21Vgl. Shoshana Zuboff: Unsere Zukunft mit „Big Data“: Lasst euch nicht enteignen! In: FAZ.NET vom 14.09.2014 (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/unsere-zukunft-mit-big-data-lasst-euch-nicht-enteignen-13152809.html; 10.06.2025). In den letzten Jahren haben sich in diese Problematik zunehmend geopolitische Faktoren hinzugemengt, wie nicht zuletzt dem EuroStack-Bericht zu entnehmen ist.
Wenn der auch als „tante“ bekannte Jürgen Geuter in diesem Kontext zu einer Repolitisierung der Technologie aufrief, hat er wohl die Nutzer:innen, Beobachter:innen und Aktivist:innen gemeint, denn Tech-Akteure wie Elon Musk haben diesen Schritt offensichtlich schon vollzogen. Statt über Technologie solle man lieber über Politik reden – insbesondere darüber, wie wir die Technik der Demokratie und unseren Werten anpassen.22Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=GgbvN6kIW2U, 23:15ff (12.06.2025).
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- 1Vgl. https://re-publica.com/de/news/generation-xyz (10.06.2025).
- 2Vgl. https://www.zeit.de/wissen/2025-06/digitalisierung-deutschland-markus-beckedahl-krisenpodcast, 35:50 (12.06.2025).
- 3Bspw. https://re-publica.com/de/session/zwischen-broligarchie-und-autokraten-playbook-wie-kontert-die-zivilgesellschaft (10.06.2025), vgl. dazu auch den FAZ-Gastbeitrag des Politikwissenschaftlers Jan-Werner Müller : https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/musk-zuckerberg-bezos-co-wie-gefaehrlich-sind-die-tech-oligarchen-110257765.html (12.06.2025).
- 4
- 5Vgl. Mastodon: Offene Infrastrukturen für alle (06.06.2025).
- 6
- 7Vgl. Nexcloud: https://re-publica.com/de/session/so-baut-man-ein-nachhaltiges-open-source-unternehmen (10.06.2025) und IONOS (u.a.): https://re-publica.com/de/session/einfach-mal-machen-wie-die-europaeische-cloud-industrie-sich-mit-der-seca-api-selbst-hilft (10.06.2025).
- 8Ein tech oder technology stack meint eigentlich die Kombination verschiedener Komponenten, die notwendig sind, damit eine Software-Anwendung läuft. Der „EuroStack“ soll ein Konzept sein, um die Komponenten und Elemente in den Blick zu nehmen (Rohstoffe, Geräte und Infrastruktur, Codes, der Programme und Services sowie Daten, Datenflüsse, Datensicherheit, Standards und Protokolle), die es ermöglichen sollen, die digitale Souveränität der EU zu sichern sowie ökonomische Perspektiven zu erschließen. Vgl. https://netzpolitik.org/2025/digitale-souveraenitaet-und-eurostack-wie-kann-europa-digital-unabhaengiger-werden/ (10.06.2025).
- 9
- 10Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=PAbaSQupkzw (10.06.2025).
- 11Vgl. https://re-publica.com/de/session/digitalministerium-als-start (12.06.2025).
- 12Vgl. bspw. https://www.youtube.com/watch?v=gkvGrmjhuwg, 7:35 und 20:13ff (12.06.2025).
- 13Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=gkvGrmjhuwg, 26:03ff (12.06.2025).
- 14Vgl. https://www.euro-stack.info/ (12.06.2025).
- 15Vgl. „Europe’s digital future: How to build the EuroStack!“ und https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 13:36f (12.06.2025).
- 16Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 11:30ff (12.06.2025).
- 17Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 9:19-44 (12.06.2025).
- 18Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 4:05ff (12.06.2025).
- 19Im Bericht Francesca Bria et al.: EuroStack – A European Alternative for Digital Sovereignty (Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2025) ist von 300 Mrd. € für die nächsten zehn Jahre Rede (S. 15).
- 20Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=1dKYk1an7xc, 12:35ff (12.06.2025).
- 21Vgl. Shoshana Zuboff: Unsere Zukunft mit „Big Data“: Lasst euch nicht enteignen! In: FAZ.NET vom 14.09.2014 (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/unsere-zukunft-mit-big-data-lasst-euch-nicht-enteignen-13152809.html; 10.06.2025).
- 22Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=GgbvN6kIW2U, 23:15ff (12.06.2025).