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Die Bezahlkarte für Asylbewerber:innen: Eine Technologie zwischen Innovationsversprechen und Überwachung

Die Bezahlkarte für Asylbewerber:innen: Eine Technologie zwischen Innovationsversprechen und Überwachung

Ein Beitrag von Alexandra Keiner

16. Januar 2025

Die Bezahlkarte für Asylbewerber:innen soll schnellstmöglich eingeführt werden – darauf haben sich die Bundesländer geeinigt. Die monatlichen Leistungen, die Asylbewerber:innen bislang noch in bar ausgezahlt bekommen, sollen nun auf eine Prepaid-Karte überwiesen werden. Die Erwartungen an die Karte sind groß: Sie soll die Verwaltung entlasten und modernisieren, Migrationsanreize reduzieren und Schleuserkriminalität bekämpfen. Entsprechend weitreichend sind die mit der Karte verbundenen Einschränkungen: Käufe im Internet werden unterbunden, Bargeld ist nur eingeschränkt verfügbar, die Nutzung der Karte nur in bestimmten Postleitzahl-Gebieten möglich, und Überweisungen werden auf autorisierte Händler und Personen beschränkt. Von Organisationen und Sozialverbänden wie der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Pro Asyl und dem Institut für Finanzdienstleistungen wird die Karte deshalb als diskriminierend und grundrechtswidrig kritisiert.

Ein näherer Blick bringt einige Widersprüche zum Vorschein: Zum einen basiert die vermeintlich neuartige Bezahlkartentechnologie auf einer fast 30 Jahre alten Geschichte der Überwachung und Einschränkung von Asylbewerber:innen. Zum anderen verfehlt die Karte ihre eigenen Ziele, denn in der Praxis führt sie teilweise sogar zu mehr Verwaltungsaufwand und -kosten statt zu Modernisierung und Entlastung.  

Was ist die Bezahlkarte für Asylbewerber:innen?

In den technischen Anforderungen an die Bezahlkarte, die eine gemeinsame Arbeitsgruppe aller Bundesländer formuliert hat, heißt es, die Geldkarte solle eine „guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion (ohne Kontobindung)“ sein, also nicht über die Funktionen eines Bankkontos verfügen.

Obwohl in der Regel von einer „Bezahlkarte“ gesprochen wird, werden bereits seit Anfang 2024 verschiedene Bezahlkarten eingesetzt und getestet. Nach der Vergabe einer Ausschreibung im Oktober 2024 kommen nun drei Modelle in Deutschland in Gebrauch. Auch wenn alle drei Modelle laut eigenen Aussagen die genannten Anforderungen erfüllen, lohnt es sich, diese genauer anzuschauen:

(1) Social Card (Secupay und Visa)

Mit 14 Bundesländern hat sich die Mehrheit für die „Social Card“ entschieden, die von dem Zahlungsinstitut Secupay betrieben und von Visa herausgegeben wird. Die Karte ist bereits in einigen Städten und Gemeinden im Einsatz, unter anderem in Magdeburg, Hamburg und Hannover. Von Visa und Secupay wird sie als „guthabenbasierte Visa Debitkarte“ mit einer „virtuellen IBAN“ bezeichnet. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Debitkarten ist sie nicht mit einem privaten Bankkonto und den damit entsprechenden Kontofunktionen verbunden. „Guthabenbasiert“ und „Prepaid“ bedeutet, dass die Karte vor der Nutzung aufgeladen werden muss, aber nicht wie eine Kreditkarte oder ein Bankkonto ins Minus oder in den Dispo gehen kann. Über die Debitfunktion können Nutzer:innen mit der Karte bei allen Teilnehmer:innen des Visa-Netzwerks bezahlen oder Geld abheben. Die „virtuelle IBAN“ bedeutet allerdings, dass die Kontoinhaberin die Behörde ist und die Karteninhaber:innen nur eine virtuelle Subadresse erhalten, um die Leistungen überwiesen zu bekommen.

Eine Social Card von VISA/Secupay in der linken Hand, die dazugehörige HAndyapp auf dem Handy in der rechten Hand. Photo Credit: Hamburger Initiative „Nein zur Bezahlkarte!"
Eine Social Card von Secupay/VISA und die dazugehörige Handyapp. Photo Credit: Hamburger Initiative „Nein zur Bezahlkarte!“

Eigenständige Überweisungen, Lastschriften oder Zahlungseingänge sind damit für Asylbewerber:innen schon technisch nicht möglich. In der Praxis hat dies weitreichende Folgen. Um etwa Gebühren für Handyverträge oder Abonnements für öffentliche Verkehrsmittel bezahlen zu können, eröffnen manche Asylbewerber:innen parallel ein Konto bei einer Bank und buchen dort ihren monatlichen Barbetrag von meist 50 Euro ein. In anderen Fällen tätigen Verwaltungsmitarbeiter:innen die Überweisungen im Auftrag der Karteninhaber:innen, was nicht nur ein enormer Verwaltungsaufwand , sondern auch datenschutzrechtlich fragwürdig ist.

(2) Bezahlkarte (PayCenter und Mastercard)

Bayern hat sich als einziges Bundesland für die Bezahlkarte des E-Geld-Instituts PayCenter entschieden, die von Mastercard herausgegeben wird. Technisch ähnelt sie der SocialCard: Auch sie ist eine guthabenbasierte Karte, bei der das verfügbare Guthaben nur bei Partnern des Mastercard-Netzwerks abgerufen werden kann. Auch hier liegt ihr kein vollwertiges Konto zugrunde, aber im Gegensatz zur SocialCard sind Überweisungen mit dieser Geldkarte technisch möglich – wenn auch politisch nicht gewollt. In bestimmten Notfällen können Asylbewerber:innen aber Überweisungen bei der jeweiligen Behörde anfordern. So heißt es etwa auf der Webseite der Stadt München: „Damit Zahlungen an Dritte, wie beispielsweise Handyanbieter, erfolgen können, müssen Sie per E-Mail […] mitteilen, an wen Zahlungen erfolgen sollen. Nach entsprechender Prüfung können diese Zahlungsempfänger*innen freigeschaltet werden.“ Über die Bezahlkarten-App können dann Überweisungen an die freigeschalteten Empfänger:innen getätigt werden. Damit nicht jede Überweisung freigeschaltet werden muss, wurden sogenannte Whitelists mit zulässigen Zahlungsempfänger:innen erstellt, darunter Mobilfunkanbieter, die Deutsche Bahn oder Rechtsanwält:innen. Immer wieder neue Zahlungsempfänger:innen zu überprüfen ist in der Praxis allerdings mit einem sehr hohen Verwaltungsaufwand verbunden.

Eine Bezahlkarte von Mastercard/PayCenter. Photo Credit: Alexandra Keiner
Eine Bezahlkarte von Paycenter/Mastercard. Photo Credit: Alexandra Keiner

(3) Bezahlkarte (Yoursafe und Visa)

Auch Mecklenburg-Vorpommern wählt den Alleingang und hat das niederländische Finanzinstitut Yoursafe in Kooperation mit Visa mit der Einführung der Bezahlkarte beauftragt. Innenminister Christian Pegel begründet den Sonderweg damit, dass es „wichtig war und ist, die Belange der kommunalen Ebene, also der Landkreise und kreisfreien Städte, zu berücksichtigen“ und deshalb die Vergabe auch in Mecklenburg-Vorpommern eigenständig vorzunehmen. Die Karte soll den Anforderungen der Ausschreibung entsprechen und damit ähnliche Einschränkungen wie die beiden anderen Modelle haben. Ob Überweisungen mit der Karte technisch möglich sein werden, ist bislang noch unklar. Die Karte soll ab 2025 zunächst nur in Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt werden.

Die Geschichte der Bezahlkarte

Die Einführung einer Bezahlkarte wird häufig als innovative Technologie dargestellt, die auf die aktuellen Herausforderungen des Asylsystems reagiert. Dabei steht sie in einer bereits langen Tradition: Seit der Reform des Asylrechts in den 1990er Jahren wurden immer wieder Gutschein- oder Kartensysteme eingeführt, um die Barauszahlung von Leistungen an Asylbewerber:innen zu ersetzen oder einzuschränken. Die Vorläufer der heutigen Bezahlkarte zeigen, dass nicht nur die Ziele über die Jahre gleich geblieben sind, sondern auch die Einschränkungen und Technologien viele Ähnlichkeiten aufweisen.

1997: „Smart-Card“

Los ging es 1997 mit der sogenannten „Smart-Card“: Damals forderte die Berliner Sozialsenatorin Beate Hübner, dass Asylbewerber:innen nur noch ein Taschengeld in bar erhalten sollten und der Großteil der Leistungen in Form von „Scheckkarten“ ausgegeben wird. Die Scheckkarten konnten dabei nur in eigens dafür eröffneten Lebensmittelmagazinen und Kleiderkammern eingelöst werden. Bereits ein Jahr später wurden diese Karten in Berlin und Brandenburg durch eine Chipkarte der Firma Infra-Card ersetzt, mit der man nun bei Händlern einkaufen konnte, die sich zur Kooperation bereit erklärten, darunter Supermärkte wie Edeka und Minimal, nicht aber Discounter wie Lidl oder Aldi. Auch der Kauf von Produkten wie Alkohol und Zigaretten war verboten und wurde an der Kasse kontrolliert. Die Gründe, die Sozialsenatorin Hübner für den Einsatz der Chipkarte nannte, waren die gleichen wie knapp 30 Jahre später bei der Einführung der Bezahlkarte: „Um den Anreiz nach Berlin zu kommen zu verkleinern und um Schlepperbanden abzuschrecken, die Flüchtlingen ihr Bargeld abnehmen“. Die Chipkarte wurde hauptsächlich in Berlin eingesetzt, bis 2002 der Vertrag mit Infra-Card aufgrund des Regierungswechsels in Berlin gekündigt wurde. Auch Bemühungen, die Karte bundesweit als eine Art Multifunktionskarte einzusetzen, die nicht nur zum Bezahlen, sondern auch als Patientenkarte, Ausweis und Wohnheimschlüssel dienen sollte, scheiterten unter anderem an Datenschutzbedenken und der Ablehnung der Karte in einigen Bundesländern.

Ende 1990er: Sodexo-Wertgutscheine

Ende der 1990er Jahre wurden neben der „Smart-Card“ auch Wertgutscheine für Asylbewerber:innen ausgegeben. Mehrere Landkreise beauftragten das französische Catering- und Gebäudemanagementunternehmen Sodexo mit ihrer Ausgabe von Wertgutscheinen. Die Gutscheine konnten innerhalb eines Gültigkeitszeitraums von in der Regel einem Monat bei den Vertragspartnern von Sodexo eingelöst werden. Vor allem für Asylbewerber:innen, die erst kürzlich in Deutschland angekommen sind, war es schwer nachzuvollziehen, in welchen Geschäften die Gutscheine überhaupt angenommen wurden. Zudem gab es auch hier viele Einschränkungen: So musste der Gutscheinbetrag fast zur Gänze bei einem Einkauf eingelöst werden und bestimmte Produkte waren ausgeschlossen. Auf den Gutscheinen stand unübersehbar: „Einlösbar für Nahrungsmittel sowie Hygiene- und Körperpflegemittel, Bekleidung, Schuhe und Hausrat. Keine Abgabe von Tabakwaren und Alkohol“. Da die Gutscheine zweimal im Monat persönlich bei den jeweiligen Behörden abgeholt werden mussten, haben viele Kommunen die Gutscheine aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes wieder abgeschafft. In einigen Landkreisen wie dem Saalekreis in Sachsen-Anhalt wurden die Gutscheine noch bis 2018 ausgegeben.

2015: „Refugee Card“ von Sodexo und Wirecard

2015 führte der Landkreis Altötting in Bayern dann als erste Kommune eine „Refugee Card“ ein. Ähnlich den heutigen Bezahlkartenmodellen handelte es sich dabei um eine Prepaid-Karte, auf die Leistungen überwiesen werden und mit der nur in lokalen Geschäften bezahlt werden konnte, ohne die Möglichkeit, Geld zu überweisen oder Bargeld abzuheben. Betreiber der Karte war – wie auch bei den Wertgutscheinen – das französische Unternehmen Sodexo, Kartenprovider der Zahlungsdienstleister Wirecard. Der Einkauf war auf insgesamt 14 Geschäfte im Landkreis beschränkt, die sich an dem Projekt beteiligten; Handyrechnungen, Anwaltskosten oder ein Busticket konnten damit nicht bezahlt werden. Ähnlich wie bei der Chipkarte und den aktuellen Geldkartenmodellen wurde die Einführung der Karte vor allem mit Verwaltungsvereinfachung und der Verhinderung von Auslandsüberweisungen begründet. Obwohl Kommunalpolitiker den flächendeckenden Einsatz der Karte forderten, übernahmen nur wenige Nachbarlandkreise von Altötting die Refugee Card. Im Jahr 2020 wurde das Projekt aufgrund des Skandals um und der Insolvenz von Wirecard eingestellt.

Überwachungstechnologie und lukratives Geschäftsmodell

Die bisherigen Projekte wie Smart-Card, Wertgutscheine und Refugee Card wurden offiziell nie daraufhin evaluiert, ob sie zur Erreichung der Ziele beigetragen haben. Auch deshalb gibt es keine belastbaren Belege dafür, dass Bezahlkarten zu weniger Auslandsüberweisungen, Schleuserkriminalität und Migration führen. Eine repräsentative Studie des DIW zeigt, dass 2021 nur 7 Prozent der Geflüchteten in Deutschland Geld ins Ausland schickten. In dieser Zahl sind auch Geflüchtete erfasst, die erwerbstätig sind; der Anteil an Asylbewerber:innen, die einen Teil der Leistungen von maximal 500 Euro monatlich ins Ausland schicken, dürfte weit niedriger liegen. Vor diesem Hintergrund kann bezweifelt werden, dass sich für dieses Ziel der teure Einsatz der Karte finanziell wirklich lohnt.

Auch das Argument der Verwaltungsvereinfachung und Modernisierung hinkt: Zwar ist die elektronische Überweisung der Leistungen im Vergleich zur monatlichen Bargeldauszahlung eine Erleichterung, doch durch die technischen Hürden und die Autorisierung von Überweisungen ist der Einsatz der Karte für die Behörden mit weitaus mehr Aufwand und Kosten verbunden1Voraussichtliche Kosten für das Land Berlin: https://www.morgenpost.de/berlin/article241920348/Das-kostet-Berlin-die-Bezahlkarte-fuer-Asylbewerber.html bzw. eine wirkliche Entlastung scheint fraglich. In einigen Kreisen in Sachsen wird beispielweise trotz der Bezahlkarte eine monatliche Vorstellung auf dem Amt verlangt, um Leistungen zu erhalten. Damit fällt der Effizienzgewinn für die Verwaltung wieder gänzlich weg. Zudem fungieren die Verwaltungsmitarbeiterinnen neben ihren eigentlichen Aufgaben auch als Beschwerdestellen, da die Karteninhaber:innen keinen direkten Vertrag mit den Kartenbetreibern haben. So berichten Asylbewerber:innen, dass es in einigen Geschäften, die Kartenzahlung anbieten, nicht möglich war, mit der Karte zu bezahlen. Entweder, weil sie keine Master- oder Visa-Karten akzeptieren, oder aus technischen Gründen. Die Betroffenen mussten nicht nur den gesamten Einkauf zurücklegen, was eine Demütigung war, sondern wandten sich mit ihren Fragen oder Beschwerden an die Behörden.

Stattdessen scheinen die Bezahlkarte und ihre Vorgänger vor allem ein Ziel zu haben: die Kontrolle und Gängelung von Geflüchteten. Neue digitale Funktionen wie die automatische Beschränkung der Karte auf bestimmte Regionen schränken nicht nur die Mobilität der Asylsuchenden ein, sondern ermöglichen auch die Überwachung, ob und wann die Region verlassen wurde, was zu Sanktionen oder sogar Abschiebungen führen kann. Für diese regionale Einschränkung wird mit der Residenzpflicht einiger Asylbewerber:innen (AsylG § 56) argumentiert, die ihren zugewiesenen Bezirk oder Ort nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen. Zum einen ist fraglich, ob die Karte hier angemessen ist, um diese Regelung zu kontrollieren. Es kann zu Falschangaben kommen, z.B. wenn die Karte in Grenzbereichen oder irrtümlich von einer anderen Person benutzt wird. Gravierender ist aber, dass nicht alle Asylbewerber:innen, die ihre Leistungen auf der Bezahlkarte erhalten, der Residenzpflicht unterliegen und dennoch für das Verlassen der regionalen Beschränkung sanktioniert werden können.

Eine weitere Möglichkeit der Überwachung anhand der Bezahlkarte ist die fehlende oder eingeschränkte Überweisungsmöglichkeit. Da die Überweisungen dann von den Behörden durchgeführt oder genehmigt werden müssen, werden sensible Informationen über die Empfänger:innen einsehbar, die im Asylverfahren eine Rolle spielen können. So können z.B. die Namen und fachliche Spezialisierung von Anwält:innen nachvollzogen werden, aber auch, ob es sich bei den Überweisungen um Strafzahlungen z.B. für Fahren ohne gültigen Fahrschein handelt. So kann zum Beispiel bei Überweisungen an Asylrechtsanwält:innen darauf geschlossen werden, dass jemand gegen eine Entscheidung der Behörde vorgehen möchte.

Ortsbeschränkung der Bezahlkarte. In der Bezahlkarten-App von Bayern erscheint die Warnanzeige, dass diese nur im Bereich der Stadt Nürnberg verwendet werden kann. Photo Credit: Alexandra Keiner
Ortsbeschränkung der Bezahlkarte. Warnhinweis in der bayrischen Bezahlkarten-App. Photo Credit: Alexandra Keiner

Für die beteiligten Unternehmen ist die Einführung der Bezahlkarte hingegen nicht nur ein lukratives Geschäft, da die Verträge mit den staatlichen Behörden meist über mehrere Jahre laufen, sondern auch ein Testfeld für neue Technologien und Geschäftsmodelle. Kreditkartenanbieter wie Visa und Mastercard verdienen nicht nur an jeder Kartenzahlung, sondern wollen auch „das kontolose Prekariat als Kundinnen und Kunden unter ihre Fittiche nehmen“, wie Michael Findeisen, Mitarbeiter bei Finanzwende und  ehemaliger Referatsleiter für Zahlungsverkehr und Geldwäsche im Finanzministerium, in einem Interview mit dem Magazin Jacobin erklärt. Zudem ist davon auszugehen, dass die Bezahlkarte in Zukunft nicht nur für Asylwerber:innen eingesetzt wird, sondern auch auf andere Bereiche ausgeweitet wird. Sven Schmitz, Manager bei Visa Europe, schrieb im Mai 2024, dass er auf dem CDU-Parteitag mit Vertreter:innen aus Bund, Ländern und Kommunen diskutiert habe, „für welche Anwendungsfälle [die SocialCard] fernab der Auszahlung von Sozialleistungen für Geflüchtete, nutzbar ist“.

Basiskonto statt Bezahlkarte

Dabei ist weder die Zusammenarbeit mit global dominanten, außereuropäischen Zahlungsdienstleistern noch die überbordende Kontrolle der Asylbewerber:innen eine Notwendigkeit, will man wirklich bloß den Verwaltungsaufwand reduzieren: Eine inklusive und ressourcensparende Lösung sowohl für Asylbewerber:innen als auch für Verwaltungsmitarbeiter:innen wäre ein Basiskonto für jede:n Asylbewerber:in bei einer Bank. Dies würde den Aufwand der monatlichen Bargeldauszahlung wie auch die Kosten für Bezahlkartenanbieter einsparen, aber auch die Asylbewerber:innen weniger einschränken. Denn seit dem „Zahlungskontengesetz“ 2016 ist die Eröffnung eines Basiskontos bereits mit einer Duldung möglich und ein Großteil der Asylbewerber:innen verfügt daher bereits über ein eigenes Konto. Einige mussten ihr Konto sogar aufgrund der Kontogebühren und des eingeschränkten Bargeldzugangs durch die Bezahlkarte kündigen. Die Bezahlkarte hat somit faktisch zu einem „unbanking“ der Asylbewerber:innen geführt – angesichts der weltweiten Debatte um finanzielle Inklusion eine eher paradoxe Entwicklung.

Und statt Gängelung qua Bezahlkarte schafft ein Basiskonto eine langfristige Perspektive für Asylbewerber:innen. Denn laut UNHCR, dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, führt ein Zugang zu einem Bankkonto und finanzielle Selbstbestimmung zu einer besseren Integration und zu einer dauerhaften finanziellen Unabhängigkeit der Geflüchteten.

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Autor: Leo Wittmann eFin-Blog Farbe: blau

NGI Taler und die Zukunft des digitalen Bezahlens

NGI Taler und die Zukunft des digitalen Bezahlens

Leo Wittmann im Interview mit Eneia Dragomir

23. Oktober 2024

Bezahlvorgänge finden zunehmend online bzw. digital statt. Das Taler Bezahlsystem ist mit dem Anspruch angetreten, Eigenschaften des Bargelds, wie anonymes Bezahlen, im digitalen Raum zu ermöglichen. Mit dem NGI Taler möchte die GLS Gemeinschaftsbank mit zehn weiteren Partnern dieses Bezahlsystem allgemein zugänglich machen. Wir haben mit Leo Wittmann von der GLS Bank über das Projekt, über die Einbindung der Zivilgesellschaft sowie über Micropayments gesprochen.

Herr Wittmann, warum interessiert sich die GLS Bank für das Taler-Bezahlsystem?

Wir sehen in GNU Taler ein Mittel, um selbstbestimmt online zu bezahlen. Und das ist beim digitalen Bezahlen vor allem eine Frage der informationellen Selbstbestimmung. Wir begreifen die Privatsphäre nicht als Hindernis, sondern als etwas Schützenswertes. Das Taler-System ermöglicht, in Echtzeit kostengünstig online zu bezahlen, während die Anonymität der Zahlenden wie beim Bargeld gewahrt bleibt. So möchten wir zur Zukunftssicherheit unserer Zahlungsinfrastruktur beitragen.

Was meinen Sie mit „Zukunftssicherheit“?

Das Bargeld ist die Basisinfrastruktur, die die EZB bereitstellt. Mit Bargeld kann man bislang aber nur im physischen Raum bezahlen – im Supermarkt oder am Kiosk zum Beispiel. Aber immer mehr Kaufvorgänge verschieben sich in den digitalen Raum. Genauso sollten wir die Qualitäten des Bargelds, wie Anonymität, in den digitalen Raum übertragen. Taler garantiert den Nutzer:innen technische Anonymität. Und wenn man auf die bisherigen Angebote am Markt schaut, dann steht das Taler-System mit dieser Eigenschaft ziemlich allein da.

GNU Taler, auf dem NGI Taler aufbaut, wurde schon als Grundlage für die Umsetzung einer digitalen Zentralbankwährung ins Spiel gebracht und auch die NGI Taler-Webseite thematisiert die Diskussionen um den Digitalen Euro. Das NGI-Taler-Projekt hat damit aber erstmal nichts zu tun, oder?

Genau. GNU Taler als Technologie kann auf verschiedene Weise verwendet werden: zur Umsetzung einer CBDC durch eine Zentralbank, zur Digitalisierung von Giralgeld oder als klassisches Zahlverfahren für den Privatsektor, wie wir das mit unserem Projekt vorhaben.

Wir haben grundsätzlich keine Aversion gegen den Digitalen Euro. Wir haben einen anderen Ansatz, aber GNU Taler und der Digitale Euro nehmen sich die Digitalisierung des Bargelds vor und sind deswegen eher als parallele Ansätze zu betrachten.

Ein Smartphone, auf dessen Display Münzen zu sehen sind - wie sieht die Zukunft des digitalen Bezahlens aus?
Wie sieht die Zukunft des digitalen Bezahlens aus? Bild: Erstellt mit Adobe Firefly.

Dennoch wird auf der Webseite das Taler-System als eine „privacy-respecting“ Alternative zu CBDCs in Spiel gebracht, die keiner „invasive practices“ bedürfe …

Die Schaffung anonymer Zahlungsmethoden im digitalen Raum halten wir für absolut notwendig. Wir schauen daher positiv auf alle Versuche, eine digitale Zentralbankwährung zu entwickeln, die diese Qualität des Bargelds online ermöglicht. Wenn wir uns aber die Zahlungsinfrastrukturen anschauen, die nach dem Bargeld gekommen sind, sehen wir einen beständigen Abbau der Privatsphäre. Es ist daher wichtig, dass die EZB ihre Aufgabe hinsichtlich dieser Basisstruktur erkennt und nicht den Status quo reproduziert, mit einer Art EZB-PayPal, das die Privatsphäre der Nutzer:innen ebenso exponiert wie Privatunternehmen. Das ist aber leider nicht die Entwicklung, die wir wahrnehmen. Die vorgestellten Konzepte für den Digitalen Euro gewährleisten keine technische Sicherung der Anonymität.

Weil wir diese Entwicklungen so wahrnehmen, ist NGI Taler nicht nur das Umsetzungsprojekt, um GNU Taler für alle verfügbar zu machen. Das Projekt soll auch die Diskussion um das digitale Bezahlen mitgestalten. Wir haben den Anspruch, eine der Stimmen zu sein, die die EZB daran erinnert, welche Eigenschaften des Bargelds beizubehalten sind.

Inwiefern wird die EZB dem nicht gerecht?

Das zeigt sich darin, dass die Anonymität zu einer Frage der politischen Ausgestaltung gemacht wird, statt sie durch das technische Design des Digitalen Euro zu garantieren. Wenn man auf andere Bereiche der Politik der EU-Kommission schaut, dann sehen wir, dass die Wahrung der Anonymität auch infrage gestellt wird, Stichwort: Chatkontrolle. Wenn es um das Zahlungssystem geht, das 400 Millionen Menschen nutzen sollen, sollte die Anonymität nicht nur von einer Absichtserklärung abhängen, sondern auch technisch garantiert sein. Das ist eine Frage der Resilienz der Zahlungsinfrastruktur. Das Taler-System würde Anonymität auch dann gewährleisten, wenn sich politische Strömungen durchsetzten, die die Anonymität der Zahlungen aufheben wollen.

Wenn Sie von „Resilienz“ sprechen, meinen Sie nicht die Möglichkeit einer Naturkatastrophe oder einen technischen Ausfall, sondern gewissermaßen eine politische Katastrophe?

Die technische Resilienz ist auch ein relevanter Faktor bei digitalen Formen des Bezahlens: Was ist, wenn der Strom ausfällt oder das Internet? Solche Überlegungen unterstreichen die Existenzberechtigung des Bargelds. Aber, insoweit es um die Sicherung der Anonymität geht, geht es einerseits um Persönlichkeitsrechte und mit Blick auf die aktuelle politische Entwicklung auch um einen Schutz vor autoritären Regierungen.

Auch so genannte Kryptowährungen werden auf der NGI Taler-Webseite genannt. Zu den Versprechen von blockchain-basierten Systemen wie Bitcoin gehört die Sicherung der Anonymität. Warum halten Sie diese Systeme nicht für zufriedenstellende Lösungen?

Da stellen sich verschiedene Probleme: Erstens gewährleisten Bitcoin und andere Kryptowährungen keine Anonymität, sondern allenfalls eine Pseudonymisierung. Wenn man die pseudonymisierten Transaktionen nur lange genug verfolgt, die ja alle öffentlich auf der Blockchain abgelegt sind, und die Zahlungsflüsse das Bitcoin-System wieder verlassen und in das klassische Geldsystem übergehen, dann findet dort wieder die Feststellung der Identität statt – und spätestens dann wird die Anonymität aufgehoben.

Zweitens streben wir als GLS Bank ökologische Nachhaltigkeit an. Kryptowährungen, zumindest die prominenten Beispiele, sind jedoch nicht ökologisch nachhaltig. Drittens stellen Kryptowährungen in Hinblick auf die Transaktionskosten und die Transaktionsraten, also die Geschwindigkeit von Zahlungen, keine guten Lösungen dar. Bitcoin eignet sich beispielsweise nur für größere Summen, da die Transaktionskosten für kleine Zahlungen viel zu hoch sind. Auch der so genannte hard cap, also die Festlegung, dass es nicht mehr als 21. Mio. Bitcoin geben darf, schränkt die Eignung von Bitcoin als Zahlungssystem erheblich ein, weil dem System die für den Zahlungsverkehr nötige Elastizität fehlt.

Ein weiteres Problem solcher Systeme besteht darin, dass wir im regulierten Finanzumfeld ganz konkrete Verantwortlichkeiten haben, die sich auf verteilte, also dezentrale Systeme nicht einfach übertragen und umverteilen lassen. Selbst wenn im regulierten Finanzbereich die Blockchain zur Anwendung kommt, fährt man häufig doppelspurig: Man hat eine Blockchain, aber man hat zugleich Systeme, mit denen man den regulatorischen Verantwortlichkeiten nachkommt.

NGI Taler soll vor allem im Micropayment-Bereich eine Rolle spielen. In einem anderen Interview haben Sie Verlagswesen, Presse und Gesundheitswesen genannt. Wie haben Sie diesen Bedarf festgestellt? Ist er an Sie herangetragen worden? Und warum sind gerade diese Bereiche interessant?

Der Bedarf ist uns aus der Community gemeldet worden, aus der sich das NGI Taler-Konsortium gebildet hat. Das Taler-System ist für Micropayments besonders geeignet, weil es in der Abwicklung sehr wirtschaftlich ist. Die technische Infrastruktur ist so anspruchslos, so schlank, dass wir Transaktionsraten, also eine Geschwindigkeit und Menge von Zahlungen, erreichen, die weit über dem liegen, was mit klassischen Systemen möglich ist. So können wir ganz neue Marktsegmente erschließen. Micropayments sind mit klassischen Zahlverfahren, aber auch mit PayPal nicht wirtschaftlich möglich, mit Kryptowährungen schon gar nicht. Wenn ich zum Beispiel eine App für 50 Cent verkaufen möchte, dann ist das wirtschaftlich kaum möglich, wenn ich Verfahren verwende, bei denen ich 10 Cent an Gebühren zahlen muss. Das verschlimmert sich, wenn eine Plattform zwischengeschaltet ist, die weitere Gebühren verlangt.

Wir glauben, dass wir mit dem Projekt die Finanzierungsmöglichkeiten von Künstler:innen, Kreativschaffenden, aber auch von Presseerzeugnissen und Journalist:innen erweitern können: Sie müssen ihre kreativen Erzeugnisse nicht mehr hinter einem Abo-Modell verstecken oder auf freie, dafür aber werbefinanzierte Modelle setzen, die dann wieder Probleme, wie Tracking, aufwerfen. Stattdessen können sie auf kleine Spenden setzen oder jeden Artikel direkt monetarisieren. Und das kommt auch den Konsument:innen zugute, denn die sind vielleicht auch daran interessiert, verschiedene Artikel von verschiedenen Zeitungen zu lesen. So möchten wir den Möglichkeitsraum in einer Weise erweitern, die nicht zu Lasten der Anbietenden geht, die sonst häufig allein die Gebühren schultern müssen.

Haben auch Privatkund:innen den Wunsch an Sie herangetragen, anonym digital bezahlen zu können?

Ja, dieser Bedarf wurde uns schon vor dem Start des Projekts gemeldet, schon 2019, als es noch um ganz andere Fragen ging. Schon damals haben wir zum Taler-Projekt Kontakt aufgenommen und uns angesehen, wie das System funktioniert. Den ersten Piloten haben wir 2021/22 getestet. Und wir sind da schon im Rahmen von quantitativen und qualitativen Interviews und mit Umfragen mit unseren Kund:innen in den Austausch gegangen. In diesen Umfragen hatte sich abgezeichnet, dass Privatsphäre und Anonymität gerade in unserer Kundschaft besonders hoch gewertet werden. Dass Privatsphäre und Anonymität den Menschen wichtig sind, haben auch die Umfragen der EZB bestätigt. Und das NGI Taler-Projekt erfährt immer noch sehr hohen Zuspruch.

Sie sagten in einem Interview in Bezug zur Gestaltung des Digitalen Euro, man sehe die Zivilgesellschaft nicht. Inwiefern ist das der Fall? Und wie kommt die Zivilgesellschaft in Ihrem Projekt ins Spiel?

Die EZB hat zwar Umfragen durchgeführt, aber man kann sich schon fragen, inwieweit solche Umfragen einen Austausch mit der Zivilgesellschaft darstellen. Auch die Workshops, die die Bundesbank ausgerichtet hat, hatten einen beschränkten Umfang.

Unser Projekt ist ganz anders angelegt. Die elf Mitglieder unseres Konsortiums sind sehr heterogen: Nur zwei Mitglieder sind Banken, neben der GLS Bank ist das die ungarische MagNet Bank. Unter den anderen Mitgliedern sind zwei Universitäten, verschiedene Unternehmen sowie Akteure aus der Zivilgesellschaft, auch aus dem netzpolitischen bzw. netzaktivistischen Bereich. Zum Beispiel Homo Digitales aus Griechenland, die Mitglied im Netzwerk European Digital Rights sind, oder die E-Seniors Association. Diese Stimmen fließen bei NGI Taler nicht erst nachträglich ein, sondern haben das Projekt und seine Strategie von Anfang an mitgestaltet.

Wie hat sich dieses heterogene Konsortium zusammengefunden? Gab es schon vor dem NGI Taler-Projekt Verbindungen?

Das waren tatsächlich Verbindungen, die bereits zuvor bestanden haben, und die für das Projekt aktiviert oder reaktiviert wurden. Dazu kam Taler Systems, das Schweizer Unternehmen, das das GNU Taler-System maßgeblich entwickelt. Mit Code Blau aus Berlin haben wir zuvor schon zusammengearbeitet. Auch mit der Berner Fachhochschule hatten wir schon Verbindungen und unsere Beziehungen zu den Akteur:innen aus der Finanzindustrie oder dem Bankenwesen haben wir als GLS Bank eingebracht. Das Konsortium hat sich also sehr organisch aus bestehenden Netzwerken zusammengesetzt.

NGI steht für Next Generation Internet – was ist das für ein Projekt und wie fügt sich das Taler-Bezahlsystem da ein?

Next Generation Internet ist eine Initiative der Europäischen Union im Rahmen des Horizon Europe-Projekts. Ziel der Initiative ist es, die Entwicklung eines menschenzentrierten Internets basierend auf Open-Source-Software voranzutreiben. Und was sowohl die EU als auch wir glauben – und was in der Förderung unseres Projekts zum Ausdruck kommt: faire Möglichkeiten des Bezahlens, die die Privatsphäre der Menschen schützen, müssen Teil dieses Internets der nächsten Generation sein.

Schlagworte, die im Zusammenhang mit dem NGI-Projekt immer wieder fallen, sind, „menschenzentriert“ und „demokratisch“. Was meint „menschenzentriert“ und inwiefern kommen Demokratiefragen ins Spiel?

Open Source oder freie Software wie Taler hat meines Erachtens etwas mit Demokratie zu tun, insofern als solche Eigentumsmodelle es ermöglichen, die Software anzuschauen, die unser tägliches Leben antreibt und am Laufen hält – vielleicht nicht Einzelpersonen, aber der Zivilgesellschaft. Es können Audits durchgeführt werden, die Software kann verändert und an bestimmte Bedürfnisse angepasst werden und sie kann vervielfältigt und breit zugänglich gemacht werden. Im Kontrast zu proprietären Anwendungen, also Software, die sich im Eigentum bestimmter Unternehmen befindet, ergibt sich daraus ein demokratisches Momentum.

Und was ist mit „menschenzentriert“ gemeint?

Es geht uns darum, zu fragen: Was sind die Bedürfnisse der Menschen? Und im Bereich des Bezahlens sehen wir das Bedürfnis, nicht als getracktes Individuum behandelt zu werden, das über gezielte Werbung gut monetarisiert werden kann. Ich möchte online bezahlen können, ohne dafür meine Privatsphäre offenlegen zu müssen. Menschenzentriert ist NGI Taler dann in dem Sinne, dass das die gestaltenden Merkmale der Anwendung sind.

Wann soll es Ihren Kund:innen möglich sein, das Taler-System für Zahlungen zu nutzen?

Das Projekt ist auf 36 Monate angelegt und das Ziel ist, Taler business ready zu bekommen, sodass das Verfahren im regulierten Finanzumfeld eingesetzt werden kann. Das ist die Aufgabe des ersten Jahres. Sobald wir dieses Ziel erreicht haben, wollen wir Taler in einem öffentlichen Piloten testen. Und Mitte 2025 möchten wir eine größere Öffentlichkeit ansprechen und Taler in die Hände europäischer Nutzer:innen geben.

Herr Wittmann, vielen Dank für das Gespräch!

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Autor: Erik Meyer eFin-Blog Farbe: blau

Entscheidet Krypto die US-Wahl?

Entscheidet Krypto die US-Wahl?

Ein Beitrag von Erik Meyer

6. September 2024

Trump tritt auf einer Bitcoin-Konferenz auf und aus der Krypto-Branche fließen Millionen Dollar in Kampagnen zur Unterstützung genehmer Kandidierender. In den USA könnte ein Politikwechsel bei staatlicher Regulierung und offizieller Relevanz von Kryptowerten anstehen.

Sicher ist es schwierig, die Reden des republikanischen Präsidentschaftskandidaten als konsistente Formulierung eines politischen Programms zu analysieren. Aber es sind relevante symbolische Signale, die Donald Trump mit seinen Auftritten sendet. So auch beim Besuch einer dieser Veranstaltungen, die mit dem Begriff „Bitcoin-Konferenz“ nur unzureichend beschrieben werden können. Vielmehr handelt es sich um Events zwischen Festival und Verkaufsveranstaltung. Wer hier hinkommt, gehört gewissermaßen zur Community, die ja zuweilen quasi-religiöse Züge trägt. Dementsprechend verkündete Trump bei der wohl weltweit größten Bitcoin Conference Ende Juli in Nashville, Tennessee, ungeachtet früherer kritischer Positionen, eine frohe Pro-Bitcoin-Botschaft. Er scheint also – auf Wählerstimmen aus diesem Lager spekulierend – konvertiert oder wie es im Krypto-Jargon heißt orange-pilled.1Vgl. den Titel des Buches von Ijoma Mangold: Die orange Pille. Warum Bitcoin weit mehr als nur ein neues Geld ist. München 2023.

Halten als Haltung

Im Fokus zumindest der deutschen Medienöffentlichkeit stand dabei die Ankündigung, im Falle eines Wahlsiegs eine strategische Bitcoin-Reserve anzulegen, also 100 Prozent aller Bitcoins zu behalten, die die US-Regierung derzeit besitzt oder in Zukunft erwirbt.2Gleichzeitig versprach er, während einer Präsidentschaft die Einführung digitalen Zentralbankgelds in den USA zu verhindern und alle betreffenden Vorbereitungen zu stoppen. Für eine Auflistung und Einordnung der zentralen Talking-Points seiner Rede siehe z.B. den Newsletter Cashless von Rich Turrin vom 29.7.2024 Damit bedient Trump ein zentrales Motiv der Szene, nämlich nicht auf Grundlage kurzfristiger Preisbewegungen zu handeln, sondern erworbene Coins langfristig zu halten. Diese Investitionsstrategie ist unter dem Titel HODL – vermutlich qua Tippfehler – zu einem mächtigen Meme avanciert, das gleichzeitig leidenschaftliche Hingabe und prinzipientreue Nervenstärke kommuniziert: Trump, der zukünftige HODLer-in-chief. Aus der Perspektive von Bitcoin-Besitzern wäre das auch die amtliche Anerkennung des Status ihrer Kryptowerte. Bitcoin wäre dann als ein Bestandteil der Währungsreserven zu verstehen, die womöglich die Zentralbank so wie Gold oder Devisen hält. Ein Szenario, das etwa in der Eurozone schwer vorstellbar ist, wo namhafte Vertreter der Europäischen Zentralbank darin ausschließlich ein durch finanzielle Fantasie getriebenes Spekulationsobjekt sehen.

Aber auch in Deutschland könnte die Forderung durchaus verfangen. Hier stand zuletzt die Veräußerung von fast 50.000 im Rahmen der Strafverfolgung beschlagnahmter Bitcoins im Fokus der Aufmerksamkeit. Mit dem Verkauf wollte die Sächsische Zentralstelle zur Verwahrung und Verwertung von virtuellen Währungen bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden nach eigener Darstellung verhindern, dass es zu einem Vermögensverlust durch den stark schwankenden Kurs kommt. Der Freistaat steht mit seiner als „Notveräußerung“ deklarierten Maßnahme demnach für einen anderen Verhaltensmodus, der als Fear of missing out (FOMO) charakterisiert werden kann. Auch ungewollt wird die öffentliche Hand so zum Player auf einem volatilen Markt, den sie durch Verkäufe dieser Größenordnung beeinflusst.

In Sachen „Krypto“ hat Donald Trump darüber hinaus nicht nur selbst mindestens eine Million Dollar in Kryptowerte investiert. Seine Ankündigung, nun selbst NFTs auf den Markt zu bringen, bewirbt er in einem Video mit dem Hinweis: „You know they call me the crypto president”.

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Einen ganz anderen Zugang zur Frage nach der Bedeutung von Krypto im aktuellen US-Wahlkampf bietet die politische Spendentätigkeit. Bereits im Mai hatte die Trump-Kampagne die Option implementiert, Spenden in Form von Kryptowerten anzunehmen. Bedeutsamer als das Fundraising mit Krypto ist aber die Einflussnahme durch von der Kryptobranche finanzierte Wahlkampffonds. Diesem Sujet widmet sich die für ihre krypto-kritische Ressource bekannte Molly White. Ihr neues, auf öffentlich zugänglichen Daten basierendes Online-Angebot heißt https://www.followthecrypto.org. Auch die zivilgesellschaftliche Organisation Public Citizen hat diese Angaben ausgewertet und einen Report dazu veröffentlicht. Demnach hat der größte betreffende Akteur zur Unterstützung von Krypto-Interessen Fairshake im Vergleich mit allen anderen Lobby-Organisationen dieses Typs bislang die meisten Spenden überhaupt eingesammelt, darunter etwa von der Kryptobörse Coinbase. Der aktuelle Stand in Millionen Dollar, woher das Geld kommt und wohin es zu welchem Zweck fließt, lässt sich unter https://www.followthecrypto.org fortlaufend aktualisiert nachvollziehen. Stand 5. September 2024 zählt Molly White insgesamt 174 Millionen Dollar, die so von der Krypto-Lobby zur Beeinflussung der US-Wahlen 2024 eingesammelt wurden. Eine klare Übereinkunft darüber, welche Kandidierenden auch abseits der Spitzenplätze unterstützt werden, gibt es seitens der Spender allerdings nicht. Vielmehr zog sich ein Großspender bereits zurück, weil ihm die bisherige Verteilung von Aufwendungen zu sehr auf die Absicherung einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus ausgerichtet schien.

Insofern wird deutlich, dass Krypto schon ein Faktor ist, der das politische Spiel in den Vereinigten Staaten beeinflusst. Dies konzedieren auch Vertreter:innen der Demokraten in einem im Netz zirkulierenden Brief an die Parteiführung und fordern u.a. das Thema positiv im Wahlprogramm aufzugreifen. Derweil hat sich nach der demokratischen Präsidentschaftskandidatur von Kamala Harris auch eine Unterstützergruppe „Crypto for Harris“ mit Branchenvertretern formiert. Also ist hier eine erste Annäherung zu konstatieren, die sich bislang aber nicht in entsprechenden programmatischen Aussagen niederschlägt. Sowohl Harris als auch ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz stehen Digitalthemen sicher habituell aufgeschlossener als Joe Biden gegenüber. Allerdings sind von ihnen keine krypto-freundlichen Haltungen überliefert, sondern eher die Absicht zur Aktivierung von digitalen Potenzialen für die Staatstätigkeit sowie zur Einhegung von Big Tech. Überhaupt ist fraglich, ob die Regulierung von Kryptowerten ein Thema ist, das eine relevante Rolle für den Ausgang der Wahl spielt. Oder eben „nur“ special interest groups tangiert, die dementsprechend ihre Ressourcen zur Wahlkampfkommunikation mobilisieren. Und ob dies dann wahlentscheidend wird, hängt von vielen Faktoren ab, die sich kaum kalkulieren lassen.

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Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

  • 1
    Vgl. den Titel des Buches von Ijoma Mangold: Die orange Pille. Warum Bitcoin weit mehr als nur ein neues Geld ist. München 2023.
  • 2
    Gleichzeitig versprach er, während einer Präsidentschaft die Einführung digitalen Zentralbankgelds in den USA zu verhindern und alle betreffenden Vorbereitungen zu stoppen. Für eine Auflistung und Einordnung der zentralen Talking-Points seiner Rede siehe z.B. den Newsletter Cashless von Rich Turrin vom 29.7.2024
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Autor: Marie Bröckling eFin-Blog Farbe: blau Mercator-Journalists in Residence

Wie die deutsche Justiz beschlagnahmtes Kryptogeld verkauft

Wie die deutsche Justiz beschlagnahmtes Kryptogeld verkauft

Ein Beitrag von Marie Bröckling

8. August 2024

Kryptowährungen gewinnen an Beliebtheit, auch bei illegalen Geschäften. Wird ein Täter gefasst, landen die Coins bei der deutschen Justiz. Doch was tun mit den unbeständigen, aber oft wertvollen Kryptowerten?

Wenn Ermittler:innen einen Darknet-Marktplatz hochnehmen, passiert es immer wieder, dass sie bei der Durchsuchung nebenbei Bitcoins entdecken, die viel wert sind und womöglich noch im Wert steigen werden. „Kryptos spielen eine Rolle als Tatmittel, Tatbeute und Tatobjekt“, erklärt Sebastian Büchner, Oberstaatsanwalt in Berlin. Vor allem bei Cybercrime-Ermittlungen der letzten zehn Jahre wurden Kryptowerte sichergestellt. Eingeleitet werden diese Ermittlungen meist wegen anderer Straftaten wie Drogen- und Waffenhandel im Darknet, Geldwäsche oder Betrug. Kryptowerte werden dabei beispielsweise als anonymes Zahlungsmittel genutzt. 

Auf den ersten Blick funktioniert Kryptogeld ähnlich wie Bargeld: Es erlaubt Zahlungen ohne dass Käufer und Verkäufer persönliche Daten austauschen müssen, etwa Name oder Herkunftsland. Bei Bitcoin wird jedoch jede Transaktion auf der Blockchain gespeichert. In diesem Sinne hinterlassen illegale Geschäfte, die mit Kryptowerten bezahlt wurden, mehr (digitale) Spuren als Bargeld. 

Noch nie wurden in Deutschland so viele Kryptowerte sichergestellt wie aktuell. 2023 beschlagnahmte die deutsche Polizei auf einen Schlag 44 Millionen Euro in Bitcoin, ein Rekord. Hintergrund waren Ermittlunggen gegen die Betreiber von ChipMixer wegen Geldwäsche. Nur ein Jahr später folgte der nächste Rekord: Im Januar 2024 wurden in Sachsen im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Plattform für illegale Raubkopien movie2k.to Bitcoins im Milliardenwert sichergestellt. Deutschland galt kurzzeitig als einer der größten Bitcoin-Besitzer weltweit. Das stellt die Behörden vor neue Herausforderungen. Da Kryptos oft nur als Nebenprodukte in größeren Ermittlungen auftauchen, war lange unklar, wie die Staatsanwaltschaft sie sicherstellen und behandeln soll. Verwahren, verkaufen, versteigern – und falls ja, wann? 

Meine Recherchen im Rahmen der Mercator- Journalist- Residency zeigen, wieviel Kryptowerte in Deutschland durch Justizbehörden verkauft wurden und welche unerwarteten Vorteile die Kryptobörsen für die Polizei- und Justizbehörden bringen.

Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Besonders früh dran beim Verkauf von Kryptos war Sachsen. Bereits im Jahr 2015 haben Ermittler in Leipzig 1200 Bitcoins sichergestellt, die kurze Zeit später für 430.000 Euro verkauft wurden. Seit Juli 2024 ist Sachsen bundesweit unangefochtener Spitzenreiter beim Verkauf beschlagnahmter Kryptowerte. Die oben genannten movie2k.to-Bitcoin wurden für 2.64 Milliarden Euro verkauft. Das Geld wird derzeit verwahrt und fließt erst nach rechtskräftigem Urteil in die Landeskasse.

Auch Hessen hat einige Erfolge vorzuweisen beim Verkauf beschlagnahmter Kryptowerte. Zwischen 2021 und 2023 haben hessische Behörden Kryptowerte für etwa 200 Millionen Euro verkauft, so viel wie kein anderes Bundesland in diesem Zeitraum. Auch hier fließt das Geld erst nach rechtskräftigem Urteil in die Landeskasse.

Ganz anders sieht es in Berlin aus, denn dort passierte lange nichts. Erst im April dieses Jahres wurden erstmals sichergestellte Kryptowerte verkauft. Die zwanzig Bitcoins und 71 Bitcoin Cash brachten der Landeskasse der Hauptstadt dabei fast 1,3 Millionen Euro.

Zwischen dem ersten Verkauf von Bitcoins in Sachsen 2016 und dem letzten Verkauf in Sachsen im Juli 2024 liegen acht Jahre. In dieser Zeit wurden bundesweit Kryptos im Wert von mindestens 2.7 Milliarden Euro verkauft. Die Statistik ist unvollständig, da Sachsen-Anhalt und Thüringen keine Zahlen angegeben haben. 

Dass Hessen, Sachsen, Bayern und NRW die Statistik der verkauften Kryptowerte anführen, liegt laut Staatsanwälten schlichtweg daran, dass dort große Ermittlungen stattgefunden haben. Die Behörden dort haben Pionierarbeit im Umgang mit Kryptowerten geleistet.

Wie werden die Kryptowerte sichergestellt?

Grundsätzlich gibt es drei Wege, wie die Polizei Kryptowerte sicherstellt:

1. Der Beschuldigte übergibt seine Private Keys an die Ermittler.

2. Die Ermittler finden die Zugangsdaten beim Beschuldigten.

3. Die Transaktionen können bis zu einem Kryptoverwahrer nachvollzogen und dort sichergestellt werden.

Dass ein Beschuldigter die Zugangsdaten zu seinen Kryptos herausgibt oder die Private Keys bei der Durchsuchung gefunden werden, ist nicht ungewöhnlich. Oft werden die Ermittler:innen in Notizbüchern oder Handyfotos fündig, berichtet ein Oberstaatsanwalt, der anonym bleiben will.

Aber es gibt auch Fälle, in denen die Private Keys nicht gefunden werden. „Wir haben Fälle, wo wir jahrelang nach den Private Keys suchen, auch während die Täter schon in Haft sitzen“, erzählt der Oberstaatsanwalt. Es kommt deshalb regelmäßig vor, bestätigt ein Sprecher der Polizei in Berlin, dass Kryptowerte nicht sichergestellt werden können, da die Zugangsdaten nicht bekannt sind. So könne es passieren, dass, vergleichbar mit einer vergrabenen Schatzkiste in der analogen Welt, ein Täter nach Ende seiner Haftstrafe wieder Zugriff auf die erbeuteten Kryptowerte erlangt. 

Kryptoverwahrer sind ein Glück für die Justiz

Fast alle Nutzer:innen, auch solche mit kriminellen Absichten, kaufen Kryptowerte inzwischen über Tauschbörsen, erklärt Dominik Skauradszun, Jura-Professor an der Hochschule Fulda und Spezialist für Kryptowerte. Kaum jemand greift selbst auf die jeweilige Blockchain zu und nur wenige haben die nötigen technischen Fähigkeiten für Kryptografie. „Diese Entwicklung hin zu Kryptoverwahrern war überraschend,“ sagt Skauradszun, „aber für die Justiz ist sie ein großes Glück.“

Denn Kryptoverwahrer werden in der EU reguliert und in Deutschland von der Finanzaufsicht BaFin kontrolliert. Sie haben schon deshalb ein hohes Eigeninteresse, mit der Justiz zu kooperieren. 

Tatsächlich funktioniert die Sicherstellung bei Kryptoverwahrern sogar außerhalb von Europa. Die deutsche Polizei hat bereits erfolgreich Rechtshilfegesuche an Kryptoverwahrer in Übersee gestellt, darunter auch eines in Belize, in Zentralamerika. Die Kryptowerte werden dann eingefroren und an die deutsche Staatsanwaltschaft transferiert. Kooperativ sind die Kryptoverwahrer, weil sie keine Probleme wegen Geldwäsche bekommen wollen, erklärt ein Ermittler.

Wann und wie beschlagnahmte Kryptowerte verkauft werden

Sobald die Kryptowerte gesichert und auf einem Behörden-Wallet hinterlegt sind, stellt sich die Frage: verkaufen oder auf das Gerichtsurteil warten? Dazu gibt es keine Vorgabe in Deutschland. Im Großteil der Fälle wurde so bald wie möglich über eine sogenannte Notveräußerung verkauft. Mit dem steigenden Kurs von Bitcoin kommt jedoch immer wieder die Frage, ob man nicht doch abwarten sollte, erklärt Thomas Goger, leitender Oberstaatsanwalt in Bamberg. 

Auch die Frage, wie verkauft werden soll, war lange unklar. „Für den Verkauf von Kryptowerten wurden in den vergangenen Jahren neue Strukturen aufgebaut. Es gab lange kein Beispiel, wie man es richtig macht“, erklärt Markus Hartmann, Chef der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in NRW (ZAC).

Die Justiz in NRW hat es beispielsweise im Jahr 2021 mit einer Auktion probiert. Die sichergestellten Bitcoin wurden über das Portal justiz-auktion.de versteigert. Finanziell war das ein Erfolg: Die Coins wurden über Marktwert versteigert. Dennoch sei dieses Modell nicht praktikabel, sagt Hartmann. Es gab viele Anrufe von Käufern, die nicht wussten, wie sie mit ihren ersteigerten Bitcoin umgehen sollten, das habe die Behörde überlastet. Es blieb bundesweit die einzige Auktion von sichergestellten Kryptos.

Banken verkaufen Kryptowerte für die Behörden

Die Festnahme der Betreiber des Darknet-Marktplatzes Wall Street Market im Jahr 2019 hingegen hat den Umgang der deutschen Behörden mit Krypto nachhaltig verändert. Bei den Ermittlungen gegen die ihrerzeit weltweit zweitgrößte Plattform für illegale Drogen und Waffen wurden damals Bitcoin, Monero und acht weitere Coins in einem bis dato nie dagewesenen Umfang sichergestellt.

Die zuständige Cybercrime-Staatsanwältin Jana Ringwald hat daraufhin im Jahr 2021 eine Kooperation mit dem privaten Bankhaus Scheich in Frankfurt am Main verhandelt. Die Bank sollte die Kryptowerte für die Behörde verkaufen, dafür wurde ein System entwickelt und ein Vertrag geschlossen. Die hessische Justizministerin Eva Köhne-Hörmann bezeichnete die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit einer privaten Bank bei einer Pressekonferenz damals als „einzigartig in der Bundesrepublik“.

Mittlerweile sind vier weitere Bundesländer diesem Beispiel gefolgt und kooperieren ebenfalls mit dem Bankhaus Scheich. Die Rahmenverträge zwischen den Behörden und dem Bankhaus sind geheim und auch auf Nachfrage für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Laut Medienberichten erhebt die Bank keine Kommission, sondern verdient beim richtigen Timing am schwankenden Kurs. Das Saarland arbeitet mit einer anderen Bank, der Futurum zusammen, die eine Vermittlungsgebühr von zwei Prozent des Erlöses erhebt.

White-Listing von Kryptowerten

Das Bankhaus Scheich wirbt damit, dass es das White-Listing für die Behörden übernimmt. Beim White-Listing weist die Behörde nach, dass die Kryptos zwar in einem Strafverfahren aufgetaucht sind, jetzt aber wieder legal in Umlauf gebracht werden. Die Bank überprüft diese Nachweise und informiert anschließend alle anderen Händler darüber, dass diese Coins wieder „sauber“ sind. Neben dem Bankhaus Scheich bieten auch andere Unternehmen White-Listing als Dienstleistung an, beispielsweise der österreichische Bitcoin-Broker CoinFinity.

Zwingend notwendig ist das White-Listing nicht. In vielen Bundesländern verkaufen die Behörden weiterhin Kryptos über reguläre Handelsplattformen wie Bitcoin.de, teilweise ohne ein aktives White-Listing. Auf Bitcoin.de wird beispielsweise eine feste Gebühr von 0,5 Prozent auf den Verkaufspreis erhoben.

Wie es weitergeht

Insgesamt scheint sich bei den deutschen Behörden der Weg über ein aktives White-Listing von sichergestellten Kryptowerten durchzusetzen. Das wird immer wichtiger, je größer die Mengen an Krypto werden, die von der Justiz verkauft werden. Und Kryptowerte dürften in den kommenden Jahren eine noch größere Bedeutung für die Justiz und die Strafverfolgung erlangen. 

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Autor: Carolina Melches eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Big-Techs im Finanzwesen: Warum wir klare Regeln für Alipay, Apple und Co. brauchen

Big-Techs im Finanzwesen: Warum wir klare Regeln für Alipay, Apple und Co. brauchen

Ein Beitrag von Carolina Melches

10. Juli 2024

Die Fußball-Europameisterschaft 2024 wird nicht nur wegen der sportlichen Leistungen in Erinnerung bleiben, sondern auch durch die prominente Präsenz großer chinesischer EM-Sponsoren. Unter ihnen ist der chinesische Finanzdienstleister Alipay. Als offizieller Sponsor der UEFA und Bezahlpartner der EM 2024 betritt das Unternehmen die europäische Bühne in großem Stil. Tickets für die Spiele konnten nur mittels Kreditkarte oder Alipay erworben werden. Alipay ist in der EU Stand heute nur wenig bekannt. Die Sponsorenschaft von satten 200 Millionen Euro über acht Jahre ist jedoch ein strategischer Schritt, um den Zahlungsdienstleister in Europa bekannter zu machen und den europäischen Markt zu erobern.1UEFA, Alipay unterzeichnet langfristige Vereinbarung als Sponsor des UEFA-Nationalmannschaftsfußballs, 9. November 2018, zuletzt aufgerufen am 08.07.2024.

Alipay ist das Paradebeispiel für die rasante Expansion und das enorme Wachstumspotenzial eines Technologiekonzerns im Finanzwesen. Seine Entwicklung in China verdeutlicht aber auch die Risiken, die mit einer ungebremsten Ausbreitung großer Technologieunternehmen („Big-Techs“) im Finanzsektor einhergehen können.

Alipay – Technologie-Gigant wird Finanzgigant

Alipay wurde 2004 als Zahlungsdienst des chinesischen Online-Marktplatzes und Big-Techs Alibaba entwickelt. Binnen weniger Jahre wurde es zur größten Finanz-App Chinas. Anfangs als einfacher Zahlungsdienst konzipiert, erweiterte Alipay sein Angebot kontinuierlich um Kreditvergabe, Vermögensverwaltung und Versicherungen. Heute umfasst die App ein großes Ökosystem an Finanzdienstleistungen und Millionen von Mini-Anwendungen von Drittanbietern.

Damit ist Alipay mittlerweile ein zentraler Bestandteil des täglichen Lebens in China. Die Zahlen sprechen für sich: Fast die Hälfte der chinesischen Bevölkerung nutzt die Plattform aktiv, weltweit sind es schon jetzt rund 1,3 Milliarden Nutzer:innen. Der Dienst wickelte im Jahr 2020 Transaktionen im Wert von mehr als 110 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts ab –mehr als Visa und Mastercard zusammen.2Wall Street Journal, „Inside Ant, the Company Behind the World’s Biggest IPO“, 27. Oktober 2020, zuletzt aufgerufen am 08.07.2024.

Das ungebremste Wachstum von Alipay wurde 2020 durch den chinesischen Staat abrupt gestoppt. Die Begründung: zunehmende systemische Risiken durch den Technologie-Giganten im Finanzsektor. In der Folge musste Alipay weitreichende Konzernumstrukturierungen und neue Regulierungen umsetzen. Seiner Expansionsmöglichkeiten im chinesischen Markt beraubt, versucht das Unternehmen seitdem verstärkt ausländische Märkte zu erschließen – wie jetzt durch sein prominentes EM-Sponsoring.

Big-Techs sind mehr als traditionelle Finanzinstitute

Die rasante Entwicklung von Alipay ist eng mit den Vorteilen verbunden, die das Unternehmen als Big-Tech-Tochter von Alibaba genoss. Denn Big-Techs sind keine traditionellen Finanzinstitute, sondern Technologiekonzerne, die unter anderem Finanzdienste anbieten. Ihre Dienstleistungen reichen von E-Commerce über Social Media zu Telekommunikation und Cloud-Computing-Diensten. Sie verfügen daher über immense Datenmengen, technologische Kapazitäten, einen riesigen bestehenden Kundenstamm und große finanzielle Ressourcen. Diese können sie bei der Entwicklung von Finanzangeboten nutzen, was ihnen gegenüber traditionellen Finanzinstituten und kleineren FinTechs einen extremen Wettbewerbsvorteil verschafft.  

Auch westliche Technologie-Giganten wollen zu Finanzgiganten werden…

Doch nicht nur Alipay, auch westliche Technologie-Riesen wie Google, Apple und Meta drängen zunehmend in den Finanzsektor. In der EU werden Zahlungsdienste wie Apple Pay, Google Pay und Amazon Pay schon heute gern genutzt. Viele erinnern sich noch an Metas (damals Facebook) gescheiterten Versuch, die eigene digitale Währung Libra einzuführen. In anderen Bereichen der Finanzdienstleistungen sind die Tech-Giganten bereits erfolgreicher. Zwar verläuft ihr Einstieg in westlichen Märkten aufgrund der hohen Marktsättigung im Finanzbereich deutlich langsamer als in Südostasien, doch auch in der EU sind insbesondere die Zahlungsdienste wie etwa Apple Pay und Google Pay weit verbreitet. In ihrem Heimatmarkt, den USA, bieten die US-amerikanischen Big-Techs bereits Ratenkredite, Sparkonten und andere Finanzprodukte an.3BankingHub, Financial services categories served by Big-Techs, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024.

Wie bei Alipay beruht ihr Geschäftsmodell auf einer einzigartigen Kombination aus Big Data, Technologie, finanziellen Ressourcen, einem großen Kundenstamm und Netzwerkeffekten. Diese Kombination wirkt wie ein Wachstumsmotor: Durch fortschrittliche Datenanalyse schaffen Big-Techs ein breites und optimiertes Angebot, das neue Nutzer:innen anzieht. Eine Rückkopplungsschleife, die das Wachstum der Tech-Unternehmen weiter beschleunigt und ihnen auch im Finanzwesen großen Erfolg verspricht.

…mit erheblichen Risiken für Verbraucher:innen…

Für Big-Techs bietet dieses Geschäftsmodell ein enormes Gewinn- und Wachstumspotenzial. Ihre ungehemmte Ausbreitung bringt jedoch gesamtgesellschaftlich große Gefahren mit sich. Ein zentrales Problem ist die zunehmende Konzentration von Marktmacht und Daten.

Big-Techs sind bereits für ihren problematischen Umgang mit Nutzer:innendaten bekannt. Der Zugang zu Finanzdaten könnte neue Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen. Denn Finanzdaten sind äußerst aufschlussreich, verraten viel zum Beispiel über politische Ansichten, den Gesundheitszustand und die Wohnsituation der Nutzer:innen. Diese Informationen könnten für neuartige Risikobewertungsmethoden und Bonitätsprüfungen zusammengeführt werden – mit erheblichen Risiken der unfairen Exklusion oder etwa der Preisdiskriminierung bei Finanzprodukten.

… die Finanzstabilität…

Big-Techs sind schon heute zu groß und zu mächtig. Als Finanzdienstleister könnten sie binnen kürzester Zeit relevante Akteure werden, die – ähnlich wie die Großbanken in der Finanzkrise – „too big to fail“ sind. Durch die zunehmende Vernetzung mit traditionellen Banken entsteht ein zusätzliches systemisches Risiko: die Gefahr zu vernetzt zu sein, um scheitern zu können („too interconnected to fail”). Denn selbst wenn sie bei Finanzprodukten wie Ratenkrediten nur vermitteln, werden sie zu wichtigen Knotenpunkten im Finanzsystem. Diese Vernetzung könnte im Falle von internen Problemen der Big-Techs (z. B. Cyber-Angriffen oder IT-Problemen) Ansteckungseffekte auf die Finanzinstitute im Hintergrund haben.

… unsere politische Souveränität

Zahlungen und Zahlungsinfrastruktur bilden die Basis wirtschaftlichen Handelns und gesellschaftlicher Partizipation. Sie sind kritische Infrastruktur und ein weiterer Lebensbereich der Nutzer:innen, den sich die Big-Techs erschließen. Im Bereich des 5G-Netzausbaus ist längst eine Debatte um die Bereitstellung kritischer Infrastruktur durch nicht-europäische Akteure entfacht. Es ist erstaunlich, dass Unternehmen wie Huawei als Sicherheitsrisiko eingestuft werden, während der Vorstoß Alipays nach Europa sowie das wachsende Finanzangebot der Tech-Konzerne in der EU in der Debatte um politische Souveränität und kritische Infrastruktur kaum Beachtung finden.4Thierry Breton, Statement, 5G Security: The EU Case for Banning High-Risk Suppliers, 15. Juni 2023, zuletzt aufgerufen am 29.04.2024.

… und unsere Gesellschaft

Man muss sich fragen, ob es gesellschaftlich überhaupt gewünscht ist, dass sich die ohnehin omnipräsenten Big-Tech einen weiteren Lebensbereich, unsere Finanzen, erschließen. Ihre starken Netzwerkeffekte werden weiter befeuert und machen die Big-Techs im Alltag unumgänglich. Mark Zuckerberg, CEO von Meta Platforms, hat kürzlich seine Vision von WhatsApp als Super-App und damit zentraler Anlaufstelle für Chatten, Einkaufen, Banking und vielem mehr ausgerollt.5Handelsblatt, WhatsApp wird zur „Alles-App, 27. Juli 2024, zuletzt aufgerufen am 08.07.2024. Eine Vision, die andere Big-Techs sicher teilen. Das Angebot von Finanzdiensten durch die Big-Techs ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Regulatorische Konsequenzen ziehen, so lange dies noch möglich ist

Es wird deutlich: Wenn Big-Tech-Unternehmen uneingeschränkt Finanzdienstleistungen anbieten dürfen, wächst ihre (Markt-)Macht weiter. Ein Blick nach China und insbesondere die USA zeigt, welche Entwicklung Europa noch bevorstehen könnte. Doch die EU hat noch die Chance, es besser zu machen. Das derzeit noch überschaubare Angebot finanzieller Dienstleistungen durch Big-Techs erlaubt es, notwendige regulatorische Maßnahmen einzuleiten und Risiken mit klaren Regeln vorzubeugen.

Durch den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) hat die EU zwar bereits Maßnahmen im Bereich des Verbraucherschutzes, des Datenschutzes und des Wettbewerbsrechts ergriffen. Aber die Finanzdienstleistungen der Tech-Giganten werden derzeit unzureichend reguliert. Die spezifischen Risiken, die sich durch das spezifische Geschäftsmodell der Big-Techs ergeben, bleiben bisher unberücksichtigt. Denn die Lizenzen für Finanzdienstleistungen werden oft von Tochterunternehmen der Big-Techs gehalten, so dass die Aufsichtsbehörden nur den jeweils lizenzierten Teil des Konzerns, die Tochtergesellschaft, überwachen können. Risiken aus der Interaktion mit anderen Sparten wie E-Commerce oder Social Media bleiben weitestgehend unbeaufsichtigt.

Regeln für mehr Transparenz und Effizienz

Eine mögliche Lösung besteht darin, die Finanzdienstleistungen von den anderen Geschäftsbereichen der Big-Techs klar zu trennen. Finanzdienste wie etwa Kreditvergabe, Banking, E-Geld und Zahlungsdienste könnten unter einer Finanzholding-Gesellschaft gebündelt werden. So könnten sowohl die Finanzdienste selbst als auch die Interaktion der Finanzsparte mit dem Rest des Konzerns beaufsichtigt werden.

Regeln zum Datenaustausch, gemeinsamer Nutzung von Technologie sowie Finanzflüssen zwischen den Sparten könnten definiert werden. Der Grad der Trennung könnte unterschiedlich stark, bis hin zur eigentumsrechtlichen Trennung, kalibriert werden. So ließen sich die spezifischen Risiken der Big-Techs effizient und transparent überwachen und das Risiko von Interessenkonflikten und systemischen Risiken durch konzerninterne Ansteckungseffekte verringern. Ein ähnlicher Ansatz wurde bei der Regulierung Alipays durch den chinesischen Staat angewandt.

Es ist Tempo geboten

Angesichts der Geschwindigkeit, mit der Big-Techs im Finanzsektor wachsen, stellt die Trennung der Finanzdienstleistungen vom Kerngeschäft eine schnell umsetzbare Lösung dar. Alternativ wäre eine ganzheitliche Aufsicht der Technologieunternehmen auf Konzernebene unter Einbezug der Finanzsparte möglich. Eine solche Form der Regulierung wäre jedoch deutlich komplexer und würde genaue Kenntnisse der oft komplexen Konzernstrukturen und Interaktionen benötigen.

Insgesamt ist die wachsende Präsenz von Big-Techs im Finanzsektor eine nicht mehr zu übersehende Herausforderung. Die Omnipräsenz des Zahlungsdienstleisters Alipay bei der aktuellen Europameisterschaft zeigt, wie wichtig es ist, zeitnah einen geeigneten Rechtsrahmen auf EU-Ebenen zu schaffen. Denn wenn Big-Techs Finanzdienstleistungen anbieten, sollten sie auch auf ihre spezifischen Risiken hin reguliert werden. Ziel muss es sein, von der Innovation und den Potenzialen zu profitieren und gleichzeitig Verbraucher:innen, Finanzstabilität und unsere Demokratien zu schützen.

Weiterführende Literatur: In der aktuellen Studie „Mehr Geld, mehr Macht: Big-Techs im Finanzwesen“ hat Finanzwende Recherche die Risiken und Handlungsoptionen angesichts von Big-Techs im Finanzwesen ausführlich analysiert.

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Autor: Caroline Marburger Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Kein Weiterkommen in der EU? Die EU-Wahlen und der digitale Euro

Kein Weiterkommen in der EU? Die EU-Wahlen und der digitale Euro

Ein Beitrag von Caroline Marburger

24. Mai 2024

Vom 6. bis 9. Juni könnten über 350 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger ab  16 Jahren ihre Stimme abgeben, sofern sie sich denn entscheiden zur Wahlurne zu gehen. Mehr Menschen als in den USA leben. Und doppelt soviel wie dort derzeit entsprechend registriert sind und wählen dürfen. Dennoch hat die EU-Wahl, schaut man in die Medien, wenig eigenen Appeal. Sie scheint eher die Fußnote des Superwahljahres 2024 zu sein. Dabei zeigt eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung von März diesen Jahres, dass zwei Drittel der Befragten die EU-Wahl für sehr wichtig halten. In der Medienlandschaft findet dieses Interesse allerdings keinen merkbaren Niederschlag. Und selbst die vergleichsweise rekordhafte Wahlbeteiligung in 2019 blieb 15% hinter der Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen zurück. Ob sich das womöglich brexitinduzierte Ergebnis wiederholt, bleibt fraglich. Kümmmert uns Europa genug?

EU-Politik und politische Arbeit auf EU-Ebene sind kaum Referenzrahmen. Eine abseits vom European Song Contest selten europäische, sondern meist national stark segmentierte Öffentlichkeit widmet sich vornehmlich dem, was in der Hauptstadt getan oder dieses Jahr in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gewählt wird. Eher als Berichterstattung zur EU-Wahl finden sich Nachrichten zum US-Wahlkampf und den Erwartungen, was mit einer Wiederwahl Trumps einhergehen könnte. Europäische Nachrichtendienste wie Politico Europe oder EURACTIV bleiben eine Nische.

Wie unsere nationalen Sozialversicherungs-, Gesundheits- und Bildungssysteme operieren, da hat die EU wenig mitzureden. Geht es aber um Themen wie Binnenmarkt und Wettbewerb, Landwirtschaft, Umwelt und Migration, werden in Brüssel wesentliche Entscheidungen gefällt, die uns alle angehen. Themen, die allesamt Schwergewichte der medialen, öffentlichen Diskussion der letzten Zeit sind. Grund genug, diese Wahl als höchstrelevant für unsere Zukunft, zumindest die Weichenstellungen der kommenden 5 Jahre, einzustufen. Aber unsere mediale Logik und nationale Themenfilter, so scheint es, erschweren eine solche Einsicht.

Dann hingegen gibt es zutiefst europäische Themen wie den digitalen Euro, der womöglich aus der entgegengesetzten Logik heraus bisher unter dem Radar fliegt. Definitiv keines der Schwergewichte der öffentlichen Debatte. Hingegen fraglos ein gesamteuropäisches politisches Projekt. Nach der Einführung des Euro zwischen 1999 und 2002  geht es nun um seine fehlende, nun nachzuholende digitale Ergänzung. Die Einführung des Euro zwischen 1999 und 2002 war keineswegs unumstritten, aber der digitale Euro ist in nationalen Debatten derzeit noch kaum von Bedeutung.

eFin &Demokratie hat sich der möglichen bis wahrscheinlichen Einführung dieses digitalen Zentralbankgeldes in verschiedenen Formaten gewidmet bzw. tut dies weiterhin. Darunter in der ersten Staffel des projekteigenen Podcasts Digitalgelddickicht, der es mir zur Aufgabe gemacht hat, den digitalen Euro in inzwischen 8 Folgen aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, verschiedensten Expertinnen und Experten, Laien auf der Straße und Stakeholdern Fragen zu stellen und zu versuchen, den digitalen Euro wenn nicht jedermann, so doch mehr Zuhörerinnen und Zuhörern näherzubringen. Dabei ist ins Auge gefallen: er wird bisher vornehmlich von Vertreterinnen und Vertretern von EZB, Geschäftsbanken und Zahlungsdienstleistern, vor allem Wirtschafts- und Rechts-, weitaus geringfügiger von Sozialwissenschaftlerinnen und – wissenschaftlern und einigen finanzpolitischen NGOs breiter und öfter diskutiert. Und dann vornehmlich unter finanzwirtschaftlichen und geldpolitischen Vorzeichen im engeren Sinne.

Es scheint oft selbstverständlich, unsere Währung und ihre Digitalisierung nicht auch als soziopolitisches Unterfangen, als gestaltbares öffentliches Gut zu thematisieren, sondern vornehmlich als technokratische Aufgabe, die unsere Geld- und Wirtschaftsordnung möglichst geringfügig stören, idealerweise natürlich fördern und zukunftstauglich machen solle. Eine meines Erachtens unzureichende Engführung.1Siehe hierzu beispielsweise die Themen und Perspektiven, die im jüngst erschienen ZEVEDI-Kurzfilm Follow the [New] Money. Auf den Spuren von Krypto, Karten, Coins und Cash angerissen werden. Legitime Beschränkung vielleicht für die EZB, deren Aufgabe es ist, ihn zu entwickeln und auszugeben, aber eine keineswegs notwendige Limitierung für die Diskussion unter Expertinnen und Experten. Und erst recht nicht für die politische Diskussion: sowohl für die öffentliche Debatte als auch für jene innerhalb der zuständigen, politischen Institutionen. Denn diese ist schließlich entscheidend dafür, wie der digitale Euro letztlich gestaltet wird, was er vermag und was nicht.

Warum ein digitaler Euro?

Würde ein Gesetz zum digitalen Euro verabschiedet, könnte das den Alltag aller EU-Bürgerinnen und -Bürger verändern, auch wenn es kaum die haptische Symbolkraft und emotionale Bedeutung der Einführung des Euros zum Jahreswechsels 2001/2002 hätte. Aber: als gesetzliches Zahlungsmittel müsste er gemäß des derzeitigen Gesetzesentwurfes überall da, wo jetzt schon digital gezahlt wird, also im Netz, im Supermarkt oder im Flugzeug, akzeptiert werden. Anders als es seinerzeit unumgänglich war, die D-Mark in Euromünzen und -banknoten umzutauschen, bliebe es die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger, ob sie ihn dann anderen digitalen Bezahlungsoptionen vorziehen oder nicht. Euromünzen und -banknoten bleiben und der Erhalt dieses Bargeldes soll innerhalb des gleichen Gesetzespaketes festgeschrieben und versichert werden. Aber dort, wo bereits ausschließlich bargeldlos operiert wird, z.B. online oder in weniger bargeldaffinen Ländern wie Finnland oder den baltischen Staaten , da wäre der digitale Euro eine Alternative, die anderen Gesetzen folgen würde als die anderen, privatwirtschaftlichen Zahlungsoptionen, die wir bisher zu nutzen gewöhnt sind.

Anlass, ein solches digitales Zentralbankgeld einzuführen, ist, was im Hintergrund geschieht, während wir unsere Uhr, Handy oder Karte an der Kasse hinhalten oder im Netz auf die Bezahloption unserer Wahl klicken. Oft verschwenden wir keinen größeren Gedanken daran. Außer vielleicht, dass es so viel schneller und angenehmer geht als früher und uns den lästigen Gang zum immer entfernter gelegenen Geldautomaten erspart. Was währenddessen aber passiert ist: wir nutzen keine gesamteuropäische Zahlungsinfrastruktur, weil es die nicht gibt. Und je stärker die Marktdominanz dieser nichteuropäischen Anbieter ist oder wird, umso weniger Handhabe bleibt der EU politisch und europäischen Anbietern wirtschaftlich, deren Geschäftspraktikern oder ihren hohen Tarifen etwas entgegenzusetzen. Kurz: Je öfter digital bezahlt wird und je mehr sich diese Dominanz verschärft, umso weniger Resilienz hat die international verwobene deutsche und europäische Zahlungsinfrastruktur und umso schwieriger wird es für die EU oder ihre Mitgliedsstaaten, die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger beim digitalen Bezahlen – sei es bei Tarifen, Datenschutz, Sicherheit oder Anonymität – klar verteidigen zu können.

Daher ist besagtes Gesetzespaket der Versuch, erstens das Bargeld als von der EZB ausgegebenes öffentliches Geld zu stärken, als auch zweitens ein digitales Äquivalent, ein sogenanntes digitales Zentralbankgeld, zu entwickeln. Ein digitaler Euro könnte im Idealfall angesichts der existierenden Mängel digitalen Zahlens einerseits und der gleichzeitig existierenden Entwicklungs- und Innovationsmöglichkeiten andererseits neue Maßstäbe in Sachen Transparenz, Privatsphäre und Datenschutz setzen. Und im Sinne des Verbraucherschutzes privatwirtschaftliche Ambitionen zügeln, aber auch die Entwicklung kompetitiver Angebote durch Privatanbieter für den europäischen Markt fördern und verstärken.

Die Verhandlungen auf EU-Ebene stocken

Ein Gesetz zum digitalen Euro wird seit Juni 2023 konkret diskutiert, seitdem die EU-Kommission ihren Verordnungsentwurf zum digitalen Entwurf vorgelegt hat. Dass die darauf folgende Aushandlung einer Gesetzgebung sich über Jahre erstreckt, ist normal.  Natürlich auch, dass es je nach Erscheinen mehr als eine Legislaturperiode brauchen kann. Nur ist im Falle des digitalen Euros seit Ende April der Prozess scheinbar noch mehr ausgebremst als unbedingt nötig. Eine erste Phase der politischen Entscheidungsfindung hätte mit der Stellungnahme von EU-Parlament wie Europäischem Rat einen Abschluss gefunden. Die Annahme war lange, eine solche Stellungnahme seitens des Parlamentes oder zumindest die klare Empfehlung des zuständigen Ausschusses würde es vor Ende der Legislaturperiode noch geben. Aber nicht einmal zu Letzerem ist es nun noch gekommen.

Solange es keine Entscheidung seitens der EU-Organe gibt, so wird auch kein digitaler Euro eingeführt. Was er genau könnte und soll, bleibt so lange Skizze und Prototyp. Während die EZB parallel an der Vorbereitung und technologischen Entwicklung eines digitalen Euros arbeitet, kann auch sie nur bedingt weitermachen. Sie kann testen, klären, untersuchen, Prototypen aufsetzen, aber solange der politische Prozess, mit dem sie im Austausch steht, nicht weitergeht, sind selbst einer EZB letztlich die Hände gebunden. Ihre Entscheidung fällt sie unabhängig, aber nicht ohne vorhergehende Gesetzgebung.

Was ist da passiert? Bevor das Parlament in einer sogenannten Ersten Lesung diese Entscheidung fällt, wird es zunächst in dessen Ausschüssen beraten. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) wurde als federführender Ausschuss, der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Inneres und Justiz (LIBE) als beratender Ausschuss bestimmt. In beiden werden für den Gesetzesentwurf Verhandlungsteams besetzt, geleitet von einem sogenannten Berichterstatter oder einer Berichterstatterin einer Fraktion. Teammitglieder sind außerdem die sogenannten Schattenberichterstatterinnen und Schattenberichterstatter aller übrigen im Parlament vertretenen Fraktionen. Wer die Leitung übernimmt, wird durch ein Punktesystem ausgehandelt, das die Stärke der jeweiligen Fraktionen im Parlament widerspiegelt. Mit entsprechenden Punkten ausgestattet, bewerben sich Fraktionen für die Verhandlungsleitung bei für sie strategisch wichtigen Themen.

Federführender Berichterstatter und somit Verhandlungsführer für das Parlament für das Gesetzespaket Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel und etwaige Einführung eines digitalen Euro ist im federführenden Ausschuss Stefan Berger von der CDU bzw. der EVP (Europäische Volkspartei), der als Berichterstatter für die inzwischen rechtskräftige MiCAR-Gesetzgebung zur Harmonisierung der Regulierung von Kryptowerten Expertise im Bereich digitale Finanzindustrie mitbringt. Auch der zuständige Berichterstatter des LIBE-Ausschusses, Emil Radev, ist EVP-Mitglied. Berichterstattende sind Chefverhandlerinnen oder Chefverhandler, sie setzen die Agenda, können sich in Hintergrundgesprächen mit den zuständigen Ratsvertreterinnen und -vertretern treffen, müssen aber im späteren Trilog zwischen Europäischem Rat, Kommission und Parlament das gesamte Parlament vertreten, d.h. ggf. auch eine Position vertreten, die nicht die ihrer eigenen Fraktion ist. Gleichzeitig ist kaum davon auszugehen, dass die EVP- Fraktion sich diese Verhandlungsposition nur so nebenbei gesichert hat. Ein Bewusstsein dafür, dass diese Entscheidung für das eigene Profil relevant ist, wird es gegeben haben. Auch wenn CDU wie CSU den digitalen Euro in ihren Wahlprogrammen mit keinem Wort erwähnen, nur den anderen Teil des Gesetzespaketes aufgreifen und für den Erhalt des Bargeldes plädieren.

Positionen und mögliche Kompromisse

Im demokratischen Prozedere des EU-Parlaments ist es essenziell, sich Mehrheiten organisieren zu können, also einen tragfähigen Kompromiss zu finden, der die Unterstützung anderer Fraktionen findet. Henrike Hahn, Schattenberichterstatterin für Die Grünen/EFA zum digitalen Euro hatte im Interview für die siebte Folge des Digitalgelddickichts zur Arbeit auf EU-Ebene bezüglich der verschiedenen Fraktionen gesagt: „Für uns alle ist klar, dass Privatsphäre und Datenschutz beim digitalen Euro nicht zu kurz kommen sollten.“ Es gäbe generell Überschneidungen, meinte sie, gerade auf sozialdemokratischer, grüner und liberaler Seite. Streitpunkt blieben die Gebühren, die der digitale Euro für den Einzelhandel oder zwischen Zahlungsdienstleistern kosten darf. Linkerhand wird dafür plädiert, diese Gebühren zu deckeln, auf liberaler und konservativer Seite plädiert man eher für den freien Wettbewerb und/oder den Schutz der Eigeninteressen der Geschäftsbanken. Neben deren Rolle seien Haltelimits und Verzinsung strittige Themen.  Aber, hätte die EVP gewollt, so entsteht der Eindruck, wäre ein mehrheitsfähiger Beschluss möglich gewesen?

Ihr sozialdemokratischer Kollege Paul Tang hatte bereits Mitte Februar in einer  Sitzung des Wirtschafts- und Währungsausschusses explizit seiner Irritation über das stockende Prozedere Ausdruck verliehen

I think political groups, S&D, the Greens, Renew are willing to move forward on the entire package. My concern in all this is […]the process up to now. There have been two deadlines for the report on the digital euro. It has not been produced. Now, finally, we got the report on last Monday[…]while we are working against the clock since the end of the mandate is coming. […] There’s a timeline proposed where we need to finalise three files in ten days. So let me express my concern on the process. I’m not sure why this is so difficult. I’m not sure what is behind it. But I have to tell to people outside the European Parliament who take an interest in this package of files that I’m not sure what the European Parliament will do. Personally, I find it’s a very difficult situation because I think we should work on it. And it’s a parliamentary right to have these files discussed. But the process up till now makes it almost, makes it very difficult, if not impossible. […]I express my concern that we see so much uncertainty in this process that I’m not sure that we would be able to deliver and to do our democratic duty.“

Ob der EU-Wahl-Prognosen mag es nicht verwundern, dass S&D sowie Grüne noch gerne zu einer Entscheidung gekommen wären. Gleichzeitig hatte SPD-Abgeordneter Joachim Schuster, Mitglied der S&D-Fraktion sowie des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, im Gespräch mit dem Digitalgelddickicht doch eher zur Vorsicht gemahnt. Er betonte, das Thema sei noch zu unklar. Es sei zu früh, eine abschließende Meinung und Position zu entwickeln. Für die deutsche SPD stimmt das: auch dort klafft bezüglich des digitalen Euros im Wahlprogramm eine Leere.

Rechterhand der EVP zeigt sich die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer EKR, der beispielsweise die polnische PiS-Partei angehört, absolut skeptisch, was den digitalen Euro angeht, möchte ihn eigentlich von Anfang an stoppen. So zumindest der entsprechende Änderungsvorschlag des zuständigen Schattenberichterstatters Michiel Hoogeveen (Amendment 120). Nun hat die Fraktion Identität und Demokratie jüngst die AfD-Abgeordneten in Gänze – wenn auch ob beendeter Sitzungsphase ohne unmittelbare Konsequenz – ausgeschlossen. AfD-Abgeordneter Gunnar Beck war zuständiger Schattenberichterstatter, wurde aber in den Diskussionen nicht sichtbar, hat keinerlei Änderungsanträge vorgebracht. Seine Fraktionskollegen der italienischen Lega schon, fordern beispielsweise ein möglichst niedriges Haltelimit. Eine grundsätzliche Ablehnung formulieren sie nicht. Die AfD hingegen betont in ihrem Wahlprogramm, dass nur nationale Währungen jedem Staat wieder seine Souveränität über seine Wirtschafts- und Währungspolitik zurückgeben. Den digitalen Euro lehnt die Partei als vermeintliches Zensur- und Überwachungsinstrument ab.  Beide Fraktionen, EKR wie ID, dürfen derzeit am Wahlwochenende Anfang Juni den Prognosen zufolge mit signifikantem Stimmenzuwachs rechnen.

Auf nationaler Ebene finden sich in den Wahlprogrammen der deutschen Parteien zum digitalen Euro neben der Leerstelle bei SPD und CDU/CSU durchaus klar divergierende Positionen. Klare Befürworter wie VOLT, FDP und Die Grünen und klare Gegner wie die AfD. Aber, so meint die Inititative monetative e.V, die das Thema bereits vor 5 Jahren angemahnt hatte: Die Tendenz, das Thema von politischer Seite zu meiden oder mit Allgemeinplätzen zu beantworten, setze sich fort. „Bis heute gibt es im Detail kaum fundiert ausgearbeitete Positionen der politischen Parteien zum digitalen Euro.“

Die EU-Wahl als Zäsur

Entgegen ursprünglicher Erwartungen ist also inzwischen klar: Eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments gibt es nicht, eine Einigung im Wirtschafts- und Währungsausschuss auch nicht. Hinzu kommt, dass Investigativrecherchen für die Plattform „Follow the Money“ nahelegen, dass die Geschäftsbanken nicht nur wiederholt ihre verständlichen Sorgen artikuliert haben,2Siehe hierzu insbesondere Folgen 5 und 6 des Digitalgelddickichtsdie sie ob des digitalen Euros für ihr Geschäftsmodell sehen. Sondern dass die Bankenlobby ihre Position immer wieder bei den Verantwortlichen zu Gehör zu bringen vermöge,  während Argumente bankenkritischer NGOs oder der Verbraucherschutzverbände nicht dasselbe Gehör fänden.

De facto ist nun, statt eine neue Konkretisierungsstufe in der Debatte zu erreichen, alles denkbar offen. Das im weiteren Prozess relevante Personal am Verhandlungstisch wird sich zumindest in Teilen ändern: Berichterstatter Stefan Berger, Schattenberichterstatter Gunnar Beck (AfD), Michiel Hoogeveen (EKR), Gilles Boyer (RENEW) und Chris MacManus (Die Linke) kandidieren zumindest wieder und gelangen womöglich zurück an den Verhandlungstisch. Paul Tang und Henrike Hahn, Verhandlungsführer und -führerin für Sozialdemokraten und Die Grünen/EFA , kandidieren hingegen nicht erneut. Bis es zur weiteren Verhandlung kommt, werden Monate vergehen, mindestens die Grünen/EFA und S&D werden die Stellen an diesem Verhandlungstisch neu zuweisen. Mindestens diese zwei Abgeordneten werden sich neu einarbeiten müssen, aber nach derzeitigen Prognosen weniger Fraktionsstimmen als Verhandlungsmasse in die Waagschale legen können. Aber letztlich sind reichlich Umbesetzungen in der Ausschussarbeit denkbar. Prognosen legen bestenfalls nahe, dass es eher die Gegner eines digitalen Euro sind, die Parlamentssitze gewinnen werden und dass eher bankenfreundliche Positionen Gewicht bekommen als jene, die für finanzielle Inklusion und größeren Wettbewerb auch für Geschäftsbanken argumentieren.   

Ob nun Sachzwänge oder strategische Fragen eine erste Stellungnahme verhindert haben, die Konsequenz ist klar: Was der digitale Euro letztlich zu leisten vermag, bleibt ein großes Fragezeichen. Und ob eine Ausgabe 2028 noch realistisch ist, steht ebenso zur Disposition. Eine Positionierung des Währungsausschusses und erst recht des EU-Parlamentes, auch stärkeres Profil der Parteien wäre wünschenswert gewesen bzw. bleibt es weiterhin. So bleibt unsicher, in welche Richtung der digitale Euro sich konkret entwickeln könnte. Konkrete Aussagen aus Brüssel und Straßburg sind derzeit für Monate keine zu erwarten. Und, leider, solange alles im Vagen bleibt, weil die Politik keine Position findet und medial die Debatte eben weiterhin nicht breiter geführt wird, bleibt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit von den destruktiven Verdächtigungen, wie sie die AfD aufgreift, durchdrungen, der digitale Euro sei zur Kontrolle und Überwachung der Bürgerinnen und Bürger gedacht. Es bleibt weiterhin wünschenswert, diesen Nebelkerzen eine informierte Diskussion entgegenzusetzen, die sich mit den Risiken genauso klar auseinandersetzt wie den Chancen. Auch und gerade seitens der Politik.

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Autor: Barbara Brandl eFin-Blog Farbe: blau

Was die Digitalisierung des Geldes mit sozialer Ungleichheit zu tun hat

Was die Digitalisierung des Geldes mit sozialer Ungleichheit zu tun hat

Ein Beitrag von Barbara Brandl1Der Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung des englischsprachigen Artikels der Autorin und ihren Koautor:innen David Hengsbach und Guadalupe Moreno im Socio-Economic Review, 2024, Vol. 00, Nr. 0, S. 1-23: Small money, large profits: how the
cashless revolution aggravates
social inequality»
.

1. März 2024

Seit 2020 ist das wertvollste Unternehmen in der Finanzbranche nicht mehr wie jahrzehntelang zuvor eine Privatbank, sondern das Kreditkartenunternehmen Visa. Was ist geschehen? Traditionell waren mit dem Zahlungsgeschäft nur geringe Gewinnmargen verbunden. Profite steckten hingegen in den beiden anderen Geschäftsbereichen der Banken: Investition und Vermögensverwaltung. Was hat also den Zahlungsverkehr so lukrativ werden lassen?

Die Antwort ist: die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs. Und das hat – so meine These – enorme Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben in modernen Gesellschaften. Denn die Digitalisierung verändert die Bedingungen unserer täglichen Transaktionen tiefgreifend. Die öffentliche Diskussion um die „Abschaffung des Bargelds“ und Digitalisierung des Bezahlens wird allerdings bislang sehr einseitig geführt. Dabei wird vor allem die Gefahr hervorgehoben, die fortschreitende Digitalisierung gebe den großen Tech-Unternehmen Zugang zu sensiblen Daten. Übersehen werden hingegen das Ausmaß und die Bedeutung, die die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs für die Dynamiken der sozialen Ungleichheit entfaltet.

Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs als tiefgreifende Transformation unserer alltäglichen Transaktionen

Der Zugang zu Zahlungssystemen ist in modernen Gesellschaften existenziell. Wer keinen Zugang zu den Infrastrukturen hat, über die der überwiegende Teil der täglichen Transaktionen – wie etwa der Kauf von Lebensmitteln oder die Entlohnung von Arbeit ­ abgewickelt wird, ist gesellschaftlich isoliert. Gleichzeitig war gerade die Herauslösung der meisten Transaktionen aus ihrem sozialen Gefüge, wie es der Soziologe Georg Simmel bereits im Jahre 1900 herausgearbeitet hat, eine wesentliche Grundbedingung für die Individualisierung und damit für moderne Gesellschaften: Arbeit muss nicht mehr im Familienverband verrichtet werden, sondern kann unter vertraglich fixierten Bedingungen in einem Unternehmen erbracht und entlohnt werden. Lebensmittel werden nicht mehr in einem komplexen sozialen Geflecht selbst hergestellt oder getauscht, sondern können nahezu ohne jegliche soziale Interaktion in einem Supermarkt käuflich erworben werden. Und für diese Transformation von der Agrargesellschaft in moderne Gesellschaften war Geld die notwendige Vorbedingung. Und zwar Geld in seiner Funktion als Tauschmittel: also als jene allgemein verfügbare Infrastruktur, durch die es ermöglicht wird, dass Individuen nach Abschluss einer Transaktion auseinandergehen und quitt – im Sinne von sich nichts mehr schuldig – sind.

In Form territorialer Währungen stellten diese Infrastruktur die aufstrebenden Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts bereit. Durch den Einsatz industrieller Technologie bei ihrer Herstellung gelang es nun erstmals, die eigenen Territorien mit ausreichend kleinen Münzen zu versorgen. Eine Aufgabe, an der die mittelalterlichen Stadtstaaten häufig gescheitert waren und damit regelmäßig Wirtschaftskrisen heraufbeschworen hatten. Mit den nun industriell erzeugten Münzen gelang es innerhalb der nationalstaatlichen Territorien zum ersten Mal, den überwiegenden Teil einer Bevölkerung in ein für das alltägliche Leben zusehends entscheidendes Marktgeschehen einzubinden.

Mit der schwindenden Bedeutung des Bargeldes verschiebt sich nun dieses für mehr als hundert Jahre grundlegende Arrangement. Während Bargeld eine öffentliche Infrastruktur ist, basieren alle bargeldlosen Zahlungen auf einem Netzwerk, das private Unternehmen zur Verfügung stellen. Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs bedeutet also im Kern, dass eine öffentliche Infrastruktur in eine private umgewandelt wird. Bargeld ist insofern eine öffentliche Infrastruktur, als dass sie der Staat in Gestalt der Zentralbank zur Verfügung stellt und damit alle Kosten der Etablierung und Unterhaltung dieser Infrastruktur trägt, sei es der Druck der fälschungssicheren Noten oder ihre Distribution. Alle digitalen Zahlungen laufen hingegen über die Systeme der Geschäftsbanken bzw. der Kreditkartenfirmen. Und diese müssen die Bereitstellung solcher Leistungen amortisieren. Die Umstellung von einer öffentlichen auf eine private Infrastruktur hat nun eine schwerwiegende Konsequenz: Während von der Nutzung von Bargeld niemand ausgeschlossen werden kann, ist dies bei digitalen Zahlungsverfahren anders. Hier entscheiden private Firmen über den Zugang bzw. zu welchen Kosten dieser gewährt wird.

Aus Zahlungen Gewinne machen – die Entstehung der Payment Industry

Durch die sukzessive Ersetzung von Bargeld durch digitale Alternativen entstand eine neue, rasant wachsende Branche: die sogenannte payment industry. In der ersten Welle der Digitalisierung, geprägt durch die Einführung von Kartenzahlungen seit den frühen 1960er Jahren, behielten die traditionellen Akteure des Finanzsektors, die Banken, die Oberhand. Dies änderte sich in der zweiten Welle der Digitalisierung, die spätestens mit den 2010er Jahren einsetzte und durch das Aufkommen der Smartphones gekennzeichnet ist. Nun stiegen die Gewinnaussichten erheblich und der Markt für Zahlungsdienstleistungen wurde dadurch attraktiv für eine ganze Reihe an Akteuren wie etwa Mobilfunkanbieter, Start-ups sowie die großen Technologiefirmen wie Google oder Apple. Diese veränderten Gewinnpotenziale haben aber eine konkrete Ursache: die Transformation des Akts der Zahlung an sich – mit großen sozioökonomischen Folgen.

Die erste und nach wie vor bedeutendste Veränderung des Zahlungsaktes war seine Verknüpfung mit der Entstehung von Kredit. Ist bei Bargeldzahlung der Prozess von Zahlung und Kredit strikt getrennt, ändert sich dies mit der Einführung der Kreditkarte und später der Debitkarte.2Beide Karten erlauben es ihren Nutzer:innen, mehr auszugeben, als sie an Kontoguthaben besitzen. Die Kreditkarte sammelt die Zahlungen, bietet kurzfristigen Kredit und zieht den Betrag erst am Monatsende gebündelt vom Konto ab. Die Debitkarte ist unmittelbar an das Girokonto geknüpft, der Abzug erfolgt daher zügiger und einzeln, die meisten Besitzer:innen können damit aber qua Dispokredit ihr Konto überziehen. Bei Nutzung dieses ersten und auch weiterhin wichtigsten Instruments des bargeldlosen Zahlens wird jeder Zahlungsvorgang potenziell mit der Entstehung von Konsumkrediten verwoben – und damit mit einer Kreditform, welche soziale Ungleichheitsdynamiken ganz besonders befeuert. Wieso? Während andere an Eigentum geknüpfte Kreditformen wie etwa der Hypothekarkredit in aller Regel dazu dient, ein bereits vorhandenes Vermögen zu mehren und insbesondere von höheren Klassen und Schichten in Anspruch genommen wird, verhält es sich bei Konsumkrediten genau umgekehrt. Waren auch die zu Beginn eher vermögenden Schichten vorbehalten, führte ihre breitere Verfügbarkeit ab spätestens den 1990er Jahren dazu, dass vielfach insbesondere Menschen aus niedrigeren Klassen und Schichten solche Konsumkredite in Anspruch nehmen. Aber das zu meist schlechteren Konditionen, die die ohnehin schon prekäre Situation des Kreditnehmers zusätzlich verschärfen. Zunehmende Marktanteile bargeldloser Zahlungen sowie die Expansion digitaler Finanzdienstleistungen in Ländern des globalen Südens verstärkten diesen Trend noch. Und inzwischen ist fast jeder, der bargeldlose Zahlungen tätigt, potenziell Kreditnehmer – aber von Krediten zu miserablen Konditionen.

War bereits mit dem Aufkommen der Kartenzahlungen, also der ersten Digitalisierungswelle im Finanzsektor, die Verknüpfung der Zahlung mit der Entstehung von Konsumkredit erfolgt, ergab sich mit der zweiten Welle eine weitere Einnahmequelle: die Verwertung der im Zahlungsprozess entstandenen Daten. Diese werden zu einem Rohstoff, der weiterverarbeitet und verkauft werden kann. Diese im Zahlungsprozess generierten Daten dienen einerseits als vermarktbare Voraussetzung, um passgenaue Werbung zu platzieren. Anderseits dienen sie den Unternehmen der Finanzbranche nun auch dazu, um an die Bonitäten der Nutzer:innen angepasste Finanzprodukte zu kreieren. Dies können dann sogenannte Subprime-Kreditkarten sein, für die Nutzer:innen in den Vereinigten Staaten schon mal 30 % Überziehungszinsen zahlen.

Die politische Regulation der digitalen Transformation

Die digitale Transformation des Zahlungssektors und damit die sozioökonomischen Folgen, die dieser Prozess mit sich bringt, sind kein notwendiger Digitalisierungseffekt, sondern im Gegenteil in hohem Maße politisch gestaltbar. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man die unterschiedlichen Pfade betrachtet, die einzelne Nationalstaaten oder eben auch supranationale Gebilde wie die Eurozone gehen. So werden die Bedingungen, die es Unternehmen erlauben, im digitalen Zahlungsverkehr Gewinne zu machen und damit die sozioökomischen Folgen, die sie für die Bevölkerung haben, von der Regulation der payment industry bestimmt. Die Vereinigten Staaten und die Eurozone haben hier radikal unterschiedliche Strategien gewählt.

So sind in den Vereinigten Staaten die Gewinne für die Unternehmen in der Zahlungsindustrie besonders hoch, sie betragen nach einer Schätzung von McKinsey3McKinsey&Company: The 2022 McKinsey Global Payments Report». jedes Jahr pro Person 1.300 Dollar. Demgegenüber sind die Gewinne der Banken, Kreditkartenfirmen und Start-ups im europäischen Zahlungssektor geradezu mickrig. Sie betragen für Deutschland um die 300 Dollar pro Person pro Jahr, was im Vergleich mit den europäischen Nachbarn im unteren Mittelfeld liegt: in Frankreich sind es 400 Dollar, in den Niederlanden 250 Dollar, in Spanien 600 Dollar. Die europäischen Unternehmen können also nur ein Viertel bis die Hälfte der Gewinne realisieren, die ihre US-amerikanischen Gegenüber machen. Ursächlich dafür sind die Möglichkeiten der Unternehmen, den Zahlungsprozess in einen Vorgang zu verwandeln, der Gewinn für sie abwirft.

Und diese Optionen sind stark durch die Regulation des Zahlungsverkehrs und der Gebühren, die hier erhoben werden können, eingeschränkt. Während in den meisten asiatischen Ländern der überwiegende Anteil der Kosten von den Händlern abgeschöpft wird, ist dies in Europa sowie in Nord- und Südamerika anders: hier kommen überwiegend die Konsument:innen für die Nutzung der digitalen Zahlungsinfrastruktur auf. Neben den verdeckten Gebühren im Zahlungsprozess, die insbesondere in den Vereinigten Staaten erheblich sind, sind es vor allem die Zinsen auf Überziehungskredite, die große Verdienstmöglichkeiten bieten. Während diese in der Eurozone bei 8 % liegen, liegen diese in den USA im Durchschnitt bei fast 20 % und für „bad credit“, also bei Subprime-Kreditkarten, gar bei 30 % (siehe Abbildung 14Datenquellen: Für die USA: Dilworth, Kelly und Tang, Kaytlin 2023: Average credit card interest rates: Week of August 2, 2023. Für die Eurozone: Knops, Kai-Oliver und Fromm, Calvin, 2022: Consumer protection in the context of overdraft facilities and overrunning. Für Euribor: ECB, 2023a. Für USD Libor: ECB, 2023b.).

Radikal unterschiedliche Pfade, die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs politisch zu gestalten: Eurozone und Vereinigte Staaten

Neben der bereits angesprochenen Ungleichheitsdynamik, die mit Kreditkartenkrediten einhergeht, gibt es eine weitere Dimension der sozialen Ungleichheit, die mit der zunehmenden Digitalisierung des Zahlungsverkehrs einhergeht: der partielle oder vollständige Ausschluss aus dem formalen Bankensystem. Insbesondere in den Vereinigten Staaten ein ernstzunehmendes Problem, waren hier 2021 5 % der Haushalte ohne Zugang zu einem Bankkonto (unbanked) und weitere 14 %5Federal Deposit Insurance Cooperation (FDIC): FDIC National Survey of Unbanked and Underbanked Households, 2021, Zugriff: 5. Oktober 2023. nutzten informelle Finanzdienstleistungen außerhalb des Bankensektors (underbanked) für Geldtransfers oder kleinere Kredite. Dies bedeutet, dass dort das derzeitige Bankensystem den Bedürfnissen von fast 20 % der Konsument:innen nicht gerecht wird. Der Anteil der Menschen, die ganz oder teilweise vom Bankensystem ausgeschlossen sind, variiert stark nach ethnischer Gruppe, Bildung und Einkommen. Während nur 2 % der weißen Bevölkerung keinen Zugang zu einem Bankkonto hat, betrifft dies über 11 % der afroamerikanischen und 9,3 % der hispanoamerikanischen Bevölkerung. Die Situation in der Eurozone ist hier glücklicherweise weniger ernst. Im Jahr 2021 hatten 99 % Zugang zu einem Bankkonto und während es in den Vereinigten Staaten eine Vielzahl von Anbietern für informelle Finanzdienstleistungen gibt, sind diese in Europa (ausgenommen von Anbietern für Rücküberweisungen) gänzlich unbekannt. In Abbildung 26Datenquellen: The World Bank, 2022: The Global Findex Database 2021, eigene Berechnungen. unten sehen wir die Unterschiede zwischen den USA und der Eurozone darin, wieviele Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem Bildungsniveau, das hier als Proxy-Variable für das Einkommen verwendet wird, ein Bankkonto besitzen. In den USA hatten 2021 weniger als 60 % der Bevölkerung mit lediglich Primarausbildung ein Bankkonto; in der Eurozone lag dieser Anteil bei 97 %.

Die privilegierte Position der Verbraucher:innen im Zahlungsverkehr in der Eurozone hat allerdings einen hohen Preis: die Abhängigkeit von US-amerikanischen Unternehmen. So brachten die hohen Gewinnmöglichkeiten in den Vereinigten Staaten sehr erfolgreiche Unternehmen (Visa & Mastercard) und Start-ups (Paypal) hervor, die den europäischen Markt quasi als Nebenerwerb mitbedienen. Demgegenüber ist es durch die geringen Gewinnmargen in der Eurozone bisher keinem Unternehmen gelungen, eine Infrastruktur für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in der EU zu entwickeln und anzubieten. Während es innerhalb von einzelnen (großen) Ländern, etwa Frankreich und Deutschland, nationalstaatliche Lösungen (Girocard bzw. carte bancaire) gibt, basieren alle grenzüberschreitenden Zahlungen innerhalb Europas auf der Infrastruktur der US-amerikanischen Kreditkartenfirmen Mastercard und Visa. Aber die Kreditkartennetzwerke stellen nicht nur eine Herausforderung für den relativ kleinen Markt für grenzüberschreitende Zahlungen im Euroraum dar. Sie bedrohen auch die von der öffentlichen Hand geförderten nationalen Kartensysteme. In vielen Ländern des Euroraums wurden diese nationalen Kartensysteme in den 2010er Jahren aufgegeben. So verfügten im Jahr 2018 nur noch zehn der damals neunzehn Länder des Euroraums über ein eigenes nationales Kartensystem. In Deutschland kann der Wettstreit zwischen den US-amerikanischen Kartenanbietern und dem von der öffentlichen Hand geförderten Girosystem quasi in Echtzeit beobachtet werden. So kündigte 2023 Mastercard die Kooperation mit Maestro – und damit mit dem deutschen Girosystem.

Während in den Vereinigten Staaten große Bevölkerungssegmente durch die Digitalisierung und die damit verbundene Dominanz einzelner Unternehmen bereits vom Bankensystem ganz oder teilweise ausgeschlossen sind, besteht diese Gefahr in Deutschland bisher nur potenziell. Aber die einzige Möglichkeit, dieser gegebenen Gefahr aktiv entgegen zu wirken, ist der Aufbau einer tatsächlichen Alternative zu der Dominanz US-amerikanischer Unternehmen. Im europäischen Kontext ist dies der Aufbau einer öffentlichen Infrastruktur zur Abwicklung digitaler Zahlungen – wie sie der digitale Euro darstellen sollte.

Redaktionsnotiz: Der Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung des englischsprachigen Artikels der Autorin, David Hengsbach und Guadalupe Moreno im Socio-Economic Review, 2024, Vol. 00, Nr. 0, S. 1-23: Small money, large profits: how the cashless revolution aggravates social inequality».

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Autor: Tom Leonhardt eFin-Blog Farbe: blau

Simmels Erbe im Zeitalter des Digitalen: Neue Perspektiven auf Geld

Simmels Erbe im Zeitalter des Digitalen: Neue Perspektiven auf Geld

Ein Beitrag von Tom Leonhardt

7. Dezember 2023

Die Rolle des Geldes in unserer Gesellschaft ist ambivalent. Als Wertträger und Tauschobjekt weitet es Handelsmöglichkeiten aus, stärkt unseren Wohlstand und löst Begehrlichkeiten aus. Logisch, es präsentiert sich als Mittel zur Erfüllung unserer Träume. Gleichzeitig bringt es aber auch einen entfremdenden Effekt mit sich, wenn es in seinem Wert überschätzt wird, zum Selbstzweck verkommt und den Blick auf natürliche Wertvorstellungen verstellt. Entwickeln wir als Gesellschaft anders geartete, nämlich digitale Geldformen, jetzt wo der digitale Raum von großen Teilen der Gesellschaft erschlossen ist und die einhergehenden Möglichkeiten zunehmend ausgeschöpft werden können, ergeben sich damit Chancen wie Risiken. Im Hinblick auf das technische Design der neuen Geldformen sind die Möglichkeiten vielfältig und die Weichen der Ausgestaltung noch nicht gestellt.

Um den Blick für die Ausgestaltungsmöglichkeiten und die damit einhergehenden ambivalenten Wirkungen digitalen Geldes zu schärfen, lohnt es, dieses gedanklich kurz beiseitezulegen, den Blick zunächst auf grundlegende Fragen zu werfen und mit dem Soziologen Georg Simmel zu fragen: wie funktioniert Geld, woraus entspringt der ökonomische Mehrwert und inwiefern beeinflusst es subtil auch unser subjektives Erleben. Abschließend soll zum Spekulieren eingeladen werden: Inwiefern hilft die kritische Perspektive Simmels auf das Geld und könnten aus dieser heraus auch andere Potenziale digitalen Geldes sichtbar oder entwickelt werden?

Als Symbol für die Objekte unserer Begierde entfaltet sich Geld in einem zweistufigen Symbolisierungsprozess

Ein facettenreicher Zugang zum Thema Geld findet sich bei dem Soziologen und Philosophen Georg Simmel in seiner Philosophie des Geldes (1900), in der sowohl die Funktionalität des Geldes als auch  dessen kultureller Einfluss erläutert wird. In wenigen Worten zusammengefasst stellt Simmel fest, dass Geld über die Nutzung als Tauschobjekt einen von seiner Materialität unabhängigen, eben „nominalistischen Wert“ erhält, der sich daraus speist, dass es gegen andere Güter eintauschbar ist. Als solches Tauschobjekt stellt Geld eine Art abstrakte Repräsentation unserer Werte und Bedürfnisse dar und kann zwischen verschiedenen Wertvorstellungen vermitteln. Sozusagen als kleinster gemeinsamer Nenner gemeinsamen Interesses eröffnet es neue Handels- und Produktionsmöglichkeiten. Mit dem ökonomischen Mehrwert geht aber auch eine Bedeutungsverschiebung der produzierten Güter einher und es verändert sich die Art und Weise, wie wir Menschen zur Erfüllung unserer Wünsche wechselseitig aufeinander angewiesen sind. Damit droht die Gefahr, dass das Geld zunehmend zwischenmenschliche Interaktion ersetzt, mehr Raum in unserem Denken einnimmt und letztlich zum Selbstzweck verkommt.

Der nominalistische Wert des Geldes, und die Zusammenhänge, aus denen sich dieser ergibt, ist ein guter Ausgangspunkt für weiterführende Gedanken. Er kristallisiert sich bei Simmel logisch-systematisch in einem zweistufigen Prozess heraus: 1) Ursprung der Wertzuweisung ist der einzelne Mensch. Dieser bewertet die ihn umgebenden Objekte auf ihr Potenzial hin, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Durch die subjektive Einschätzung des Wertes der Dinge, ergibt sich im Vergleich dieser eine Art ordinaler Bewertungsskala, über die sie eine erste Sortierung finden. 2) Im zweiten Schritt erfolgt eine Vergesellschaftung der individuellen Wertzuschreibungen. Indem das Geld als Transaktionsmittel wiederholt in Tauschprozessen genutzt wird, ergibt sich aus den Abwägungen, für wieviel Geld ein Gut eingetauscht werden soll, ein marktüblicher Preis. Es folgt eine Art absoluter Bewertungsskala, in welcher der Wert der Wert der Dinge numerisch bestimmbar wird. Simmel dazu:

„[D]as bloße Begehren eines Objektes [führt] noch nicht dazu, daß dieses einen wirtschaftlichen Wert hat – denn es findet sich allein nicht das hierfür erforderliche Maß:
erst die Vergleichung der Begehrungen, d.h. die Tauschbarkeit ihrer Objekte, fixiert
jedes derselben als einen seiner Höhe nach bestimmtem, also wirtschaftlichem Wert.“

Georg Simmel: Philosophie des Geldes (1900), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006, S. 76.

Um im Folgenden auf diese Gedanken Bezug nehmen zu können, soll mit: „(1)“ und „(2)“ auf die individuellen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen in Simmels Symbolisierungsprozess Bezug genommen werden. Ein Pfeil „(1->2)“, „(1<-2)“ bezeichnet den wechselseitigen Einfluss dieser Wertinstanzen, der sich beim Handeln und Nachdenken über Geldwerte einzelner Objekte ergibt.

Zwei ergänzende Facetten: Informationsverlust und Nutzen des Geldes

Im Hinblick die Möglichkeiten digitalen Geldes und für das Verständnis der im nächsten Abschnitt dargestellten vor- und nachteiligen Auswirkungen von diesem auf gesellschaftlicher Ebene sind zwei weitere Aspekte interessant. Bei dem Soziologen und Systemtheoretiker Niklas Luhmann fällt in Die Wirtschaft der Gesellschaft“ (1988) ein Begriff, der einen bestimmten Aspekt der oben geschilderten Zusammenhänge unterstreicht. Luhmann stellt fest, dass in der preismäßigen Wertdarstellung der Dinge durch Geld (1->2) eine irreversible Informationsreduktion stattfinde. Der Preis finde seinen Ausgangspunkt zwar in den Eigenschaften eines Objektes (Seltenheit, Nützlichkeit o.Ä.), vom Preis ausgehend könne aber nicht rückwirkend auf die verursachenden Qualitäten geschlossen werden1Vgl. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft (1988), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2019, S. 17f.). In dieser Diagnose einer irreversiblen Informationsreduktion des materiellen Geldes liegt eine Ursache für die im nächsten Abschnitt geschilderten gesellschaftlichen Probleme, die das Geld mit sich bringt und bietet gleichzeitig eine Chance für digitales Geld, mittels zusätzlicher Informationen, die es möglicherweise liefert, sie zu entschärfen. Für diese Überlegung soll im letzten Abschnitt Platz sein.

Geläufigen Darstelllungen zufolge – beispielsweise der EZB2Vgl. Geld und Geldpolitik. 1.2 Funktionen des Geldes, Europäische Zentralbank: https://www.geld-und-geldpolitik.de/funktionen-und-formen-des-geldes-kapitel-1.html – erfüllt Geld grundlegend drei Funktionen: es wird zum Tauschen und Bezahlen, zur Wertaufbewahrung und zum Wertmessen genutzt. Praktikabel ist es dafür aufgrund seiner numerischen Darstellungsform (die es mathematisierbar macht) und seiner Unverderblichkeit. Außerdem löst es das beim Handeln auftretende Problem der doppelten Koinzidenz: Würde man ein begehrtes Buch statt gegen Geld direkt für ein Gemälde eintauschen wollen, müsste jemand gefunden werden, der gleichzeitig am Angebotenen interessiert ist und das Gewünschte vorrätig hat. Mit dem Geld als Tauschmittel kann hingegen flexibel über eine dritte Person zwischengehandelt werden.

Die Kehrseiten der Medaille – Ökonomische Vorteile des Geldes und die Gefahren der Entfremdung

Die mit der Existenz des Geldes einhergehenden Folgen werden bei Simmel über die Teilung in eine objektive und subjektive Kulturwelt deutlich. Ihm zufolge führt das Geld zu einer Intensivierung des ökonomischen Treibens, in dessen Folge neue Werkzeuge und Technologien geschaffen werden, die zum Voranschreiten der objektiven Kulturwelt beitragen. Im Kontrast dazu lässt sich die subjektive Kulturwelt, die als Begriff das Interpretationsvermögen der Menschen, ihr Verständnis der philosophischen Zusammenhänge und ihre Erlebensperspektive reflektiert, nicht gleichermaßen beschleunigen. Um den drohenden Missstand zu erläutern, gibt Simmel drei Beziehungsebenen an, auf die Geld Einfluss ausübt: die von Mensch zu Mitmensch, von Mensch zu Sachgut und von Mensch zum eigenen Wertesystem. Spannend ist, dass sich auf diesen Ebenen die Vorteile für die objektive Kulturwelt mit den Nachteilen der subjektive Kulturwelt kontrastieren lassen.

Geld beeinflusst zwischenmenschliche Beziehungen

Im Hinblick auf die Vorzüge, die das Geld im zwischenmenschlichen Bereich im Hinblick auf die objektive Kulturwelt mit sich bringt, stellt Simmel fest:

„Je mehr Menschen miteinander in Beziehung treten, desto abstrakter und allgemeingültiger muß ihr Tauschmittel sein; und umgekehrt, ist erst einmal ein solches geschaffen, so gestattet es eine Verständigung auf sonst unzugängliche Entfernung hin, eine Einbeziehung der allermannigfaltigsten Persönlichkeiten in die gleiche Aktion, eine Wechselwirkung und damit Vereinheitlichung von Menschen, die wegen ihres räumlichen, sozialen, personalen und sonstigen Interessenabstandes in garkeine andere Gruppierung zu bringen wären“

Georg Simmel: Philosophie des Geldes (1900), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006, S.470.

Hier zeigt sich, dass Geld als kleinster Nenner gemeinsamen Interesses interpretiert werden kann, aus dessen Existenz sich verbesserte Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Mit Simmel folgt durch diese Vereinheitlichung der Menschen eine Verdichtung und Intensivierung der Handelsverflechtungen und Arbeitsteilungen. Insbesondere können Freiheiten und Wohlstand folgen. Es gibt aber eine Kehrseite der Medaille, die sich in der subjektiven Erlebenswelt zeigt.

„Das Geld […] schafft zwar Beziehungen zwischen Menschen, aber es lässt die Menschen außerhalb derselben, es ist das genaue Äquivalent für sachliche Leistungen, aber ein sehr inadäquates für das Individuelle und Personale an ihnen“

Georg Simmel: Philosophie des Geldes (1900), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006, S. 404.

Das Geld verändert die Art und Weise, inwiefern wir Menschen zur Erfüllung unserer Wünsche aufeinander angewiesen sind. Dabei wird es häufig zum „Maß der Dinge“, persönliche Beziehungen hingegen werden zurückgedrängt. Es schleicht sich die Gefahr einer zwischenmenschlichen Entfremdung ein, teilweise mit weitreichenden Folgen. Moralisches findet beispielsweise weniger Berücksichtigung, wenn über das Geld bereits alles gesagt zu sein scheint.

Die wachsende Kluft zwischen der objektiven und subjektiven Kulturwelt drängt das Geld in den Mittelpunkt

Ökonomisch betrachtet bringt das Geld durchweg Vorteile mit sich. Die gesteigerte Produktion verändert aber auch die subjektive Bedeutung der Güter. Aus ein paar Besitzgegenständen werden zunehmend viele. Es ergeben sich Freiheiten, aber das Verständnis der geschaffenen Dinge verringert sich. Mit Simmels Worten:

„Täglich und von allen Seiten her wird der Schatz der Sachkultur vermehrt, aber nur wie aus weiter Entfernung ihr folgend und in einer nur wenig zu steigernden Beschleunigung kann der individuelle Geist die Formen und Inhalte seiner Bildung erweitern.“

Georg Simmel: Philosophie des Geldes (1900), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006, S.621f.

Im Endeffekt, das ist eine der zentralen Botschaften der Philosophie des Geldes, öffnet sich eine Kluft zwischen der voranschreitenden objektiven und der subjektiven Kulturwelt, weil sich das Geld als Katalysator zur Produktion, aber nur kaum zur Ausdifferenzierung der geistigen Perspektive eignet. Der Prozess der Wertbildung (1->2) wird gestört, was Orientierungslosigkeit auslöst. Es droht die Gefahr, dass Geld in seiner Rolle als Mittel aller Mittel zunehmend zum Selbstzweck verkommt. Simmel schreibt dazu:

„Die Tatsache, daß immer mehr Dinge für Geld zu haben sind, sowie die damit solidarische, daß es zum zentralen und absoluten Wert auswächst, hat zur Folge, daß die Dinge schließlich nur noch so weit gelten, wie sie Geld kosten, und daß die Wertqualität, mit der wir sie empfinden, nur als eine Funktion des Mehr oder Weniger ihres Geldpreises erscheint.“

Georg Simmel: Philosophie des Geldes (1900), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006, S.361.

Er nennt die Steigerung dieses Phänomen, bei der das Geld schlussendlich zum Selbstzweck verkommt und lediglich dem Ziel dient, angehäuft zu werden, Mammonismus.

Eine veränderte Perspektive auf digitales Geld

Im Zeitalter der Digitalisierung scheint das Geld als objektives Kulturgut selbst in den Strudel beschleunigter Innovationen geraten zu sein. Ein gänzlich immaterielles und doch werttragendes Tauschobjekt kann befremdlich wirken. Über Simmels nominalistische Werttheorie wird allerdings nachvollziehbar, dass es nicht wichtig ist, welcher Stoff als Geldmittel genutzt wird. Ob Kauri-Muschel, Geldschein, oder Zigarette; es ist Geld, solange es das genannte Funktionsportfolio abdeckt und über einen Tauschprozess (2) einen symbolischen Wert zugeschrieben bekommt.3Der abduktive Schluss: „If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck” findet bezogen auf das Geld wegen dessen selbstreferenziellen Wertzuschreibung überraschend sinnvoll Anwendung. Das gilt auch für digitales Geld.

Möglicherweise erfordert die Existenz der Token es, Wertsymbolisierung und ihre Konsequenzen neu zu denken. Versteht man digitales Geld nicht als „Coin“ (Münze) sondern als „Token“ (Zeichen), zeigt sich, dass es als digitales Wertsymbol anders funktioniert als bloß abzählbar zu sein.

Zunächst ist es möglich, digitales Geld mittels der Einbettung in den IT-Kosmos in Programmcode zu integrieren, wodurch gänzlich neue Geschäftsmodelle erschlossen werden könnten. Die resultierende Ausweitung der Innovations- und Produktionsmöglichkeiten können als weitere Beschleunigung der objektiven Kulturwelt gedeutet werden und würden so eine Verschärfung der von Simmel dargestellten Entfremdungserscheinungen androhen.

Auf der anderen Seite scheint es möglich, die subjektive Erlebensperspektive in die digitalen Werteinheiten zu integrieren, da diese zusätzlich Bilder, Töne und Text speichern könnten. Im Handelsprozess könnten darüber zusätzliche Informationen und Restriktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Anders als bei Simmel wäre der Einzelne dann bei der Wertorientierung der Dinge am Markt (2->1) weniger mit dem Preis als wertabbildendes Symbol allein. Luhmann schreibt zu den Auswirkungen des Informationsverlust materiellen Geldes:

„Weder brauchen die Bedürfnisse oder Wünsche, die man über Geldzahlungen befriedigen kann, besonders erläutert oder begründet zu werden, noch gibt der Zahlende über die Herkunft des Geldes Aufschluss. Insofern wirkt die Geldform sozial destabilisierend, sie kappt kommunikativ mögliche Bindungen […]. Dieser Informationsverlust verstärkt sich nochmals auf der Ebene derjenigigen Konditionierungen, die als „Preise“ allgemein festgesetzt sind; denn solche Preise geben nicht einmal darüber Auskunft, ob und wie häufig zu diesem Preis tatsächlich Zahlungen erfolgt sind.“

Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft (1988), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2019, S.18f.

Als spezifische Repräsentation einzelner Objekte, aber auch in seiner numerischen Form könnte digitales Geld hier weitere Informationen liefern. Luhmann unterstreicht aber auch, dass jener Informationsverlust eine Bedingung der ausdifferenzierten Wirtschaft ist und zu einem diskriminierungsfreien Wirtschaften führt. Mit dem Internet als zusätzlicher Vernetzungsmöglichkeit und digitalen Token als digitalen Wertsymbolen scheint es möglich, das Monopol der Wertsymbolisierung klassischen Geldes aufzubrechen, über parallele Wertdarstellungen die Freiheiten der Handelsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die soziale Komponente in das Kalkül zurückzuholen.

Die gesellschaftlichen Implikationen digitalen Geldes sollten nicht unterschätzt werden, insbesondere auch da die mit den Möglichkeiten digitaler Werteinheiten zusammenhängenden Missbrauchsgefahren die Kehrseite derselben Medaille sind. Das Spannungsfeld aus Freiheit und Entfremdung bleibt auch beim digitalen Geld besorgt zu beachten.

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Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

  • 1
    Vgl. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft (1988), Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2019, S. 17f.)
  • 2
    Vgl. Geld und Geldpolitik. 1.2 Funktionen des Geldes, Europäische Zentralbank: https://www.geld-und-geldpolitik.de/funktionen-und-formen-des-geldes-kapitel-1.html
  • 3
    Der abduktive Schluss: „If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck” findet bezogen auf das Geld wegen dessen selbstreferenziellen Wertzuschreibung überraschend sinnvoll Anwendung.
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Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 eFin-Blog Farbe: blau

Coinzeit 3000 #5: Stable, encore

Ein Beitrag von Petra Gehring

vom 5. Oktober 2023

Das Buch des quicklebendigen ehemaligen Derivatehändlers und Aktivisten Brett Scott über Cloudmoney bietet viele gute Argumente dafür, auf Bargeld nicht zu verzichten. Scott hat die Finanzkrise und auch das Aufkommen von Kryptowerten aus der Nähe miterlebt. So wirkt sein Zorn auf Abzocksysteme, die das digitale Finanzwesen immer mächtiger machen, besonders glaubwürdig. Freilich schreibt er nicht giftig oder verschwurbelt, sondern locker. Aus echtem Insiderwissen wird wie durch ein Wunder eine gänzlich nicht-insiderische Sprache.

Unter anderem finde ich im vorletzten Kapitel jetzt aber eine ganz andere Sicht auf Stablecoins als beim Finanzprofessor Huber (siehe Coinzeit #2»). Scott schildert Stablecoins als Trick: eigentlich sind es nur Kryptosysteme – Brett nennt Token anschaulicherweise „Chips“, und, weil kein echtes Geld sie absichert, „drittrangige Chips“. Sie hängen sich aber quasi an echte Währungen dran. Ähnlich ungebetenen Doppelgängern, die behaupten, sie hätten zuhause jetzt auch so allerlei Gegenwerte, und weil sie sich freiwillig an die Kurse einer bestimmten Währung binden, könne man ihnen genauso vertrauen wie richtigem Geld. Als „dezentrale Versprechen für Bankdollar“ versuchen Stablecoins gleichwohl den schummerigen Ruf von Autonomie und Staatsferne zu kultivieren, den Krypto-Fans so sehr schätzen. „In ihren früheren Versionen konnte man Stablecoins als einen Beutezug von Krypto-Piraten in die Welt des Fiat-Geldes charakterisieren, aber im Jahre 2018 begannen viele andere Unternehmen in dieses Geschäft einzusteigen“ (292): Scott zufolge „plündern“ Big-Tech-Konzerne inzwischen ihrerseits das Stable-Konzept. So kann Amazon Coin eben dadurch schon fast als Währung gelten, dass es sich einfach wie eine solche – oder noch besser: auf einmal gleich wie mehrere solche – verhält. Auch Facebooks Libra-Projekt wäre so etwas gewesen: „Libra wäre ein ‚Stablecoin‘ für Konzerne, gestützt von einer Palette globaler Bankchips.“ (293)

Das an den Dollar angelehnte, aber währungsübergreifend antretende Libraprojekt wurde durch die USA gestoppt (wobei China argwöhnte, dank Libra hätte sich die Macht des Dollar über den ganzen virtuellen Globus verteilt – während es vermutlich mit seiner eigenen virtuellen Zentralbankwährung ähnliches im Sinn hat). Stablecoins wie auch CBDCs (also staatliches und also zu Recht „Währung“ zu nennendes Digitalgeld) „können in die Geschäftsabläufe von Big-Tech-Plattformen integriert werden, und sie können sogar über Big-Tech-Plattformen ausgegeben und verteilt werden“, bilanziert Scott.

Wer in „stable” die bessere Alternative zu beispielsweise Bitcoin sieht, wäre demnach schon wieder mittendrin im „zentralisierten“ Geschäft der Giganten. Wobei Konzerne den Staat mit mehr oder weniger weitreichenden Folgen umarmen.

Brett Scott: Cloud Money. Cash, Karte oder Krypto: Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet. München: Penguin 2022.

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Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 18. Juli 2022

Bislang war der digitale Euro eine eher administrative Angelegenheit. Spätestens mit dem vorgelegten Verordnungsentwurf der EU-Kommission sollte auch die Vermittlung des Vorhabens in eine neue Phase öffentlicher Diskussion eintreten. Einige Eindrücke zum aktuellen Stand.

Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet nun schon länger daran, wie ein digitaler Euro auszugestalten wäre und eruiert, ob es ihr sinnvoll erscheint, diesen auch einzuführen. Dieser Prozess wird an Hand von Dokumenten einigermaßen transparent in der Online-Kommunikation der Institution dargestellt. Das heißt allerdings, dass viele Informationen primär auf Englisch vorliegen und zudem fachsprachlich formuliert sind. Auch die Deutsche Bundesbank verweist in ihrem nicht ganz aktuellen Online-Angebot» auf solche Materialien. Fortlaufend dokumentiert werden betreffende Publikationen hier» . Ein zentrales Format sind dabei Folienpräsentationen, die zu diversen Anlässen vorgelegt werden und etwa den Fortschritt des Vorhabens grafisch darstellen sollen. Einer solchen Präsentation ist auch der aktuell auf der deutschsprachigen EZB-Unterseite verlinkte Zeitplan des Projekts» entnommen, der bislang erreichte Meilensteine fokussiert.

Darstellung des Zeitplans für die Testphase des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank.

Anders als dieses kleinteilige und für eine auf das Projekt bezogene Themenöffentlichkeit einschlägige Angebot mutet die visuelle Regierungskommunikation an, die mit der Vorlage des Verordnungsentwurfs für einen Rechtsrahmen des digitalen Euros insbesondere in den sozialen Medien eingesetzt hat. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat etwa in der Erklär-Video-Reihe Finanzisch für Anfängerinnen und Anfänger einen einminütigen Clip im Comic-Stil zu folgender Fragestellung veröffentlicht: „Was könnte ein digitaler Euro möglich machen, wer arbeitet daran und wann könnte er eingeführt werden?“». Per Du und mit Musik unterlegt werden hier vor allem vermeintliche Vorzüge des digitalen Euro in Szene gesetzt und für Informationen abstrakt auf www.bundesfinanzministerium.de» verwiesen. Die dem zuständigen EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung unterstehende Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen lanciert derweil etwa bei Twitter unter @ecfin und mit den Hashtags #EuroCash #YourChoice diverse farbenfrohe Sharepics, ein ähnliches Video-Format wie das BMF sowie einen recht schematischen Faktencheck. Während hier alles in Englisch vorgetragen wird, existieren einige Angaben der EU-Kommission zu ihren Legislativvorschlägen auch in deutscher Sprache: etwa ein Informationsblatt zum Download». Dieses hebt auch primär darauf ab, knapp Vorteile des digitalen Euro aufzuzählen sowie Gegenargumente zu entkräften.

Parlamentarische Anfrage und Antwort der Bundesregierung

Ein weniger präsentes Format der politischen Kommunikation sind demgegenüber parlamentarische Anfragen, die von Mitgliedern des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung gerichtet werden. Eine sogenannte Große Anfrage hat die AfD-Fraktion im Februar 2023 unter dem Titel Tokenisierung des Geldes – Chancen und Risiken gestellt, die den Gesamtzusammenhang von Bar- und Digitalgeld adressiert. Mitte Juni hat die Bundesregierung darauf schriftlich geantwortet und der Bundestag hat darüber Ende Juni in seinen Parlamentsnachrichten berichtet».

Deckblatt der Drucksache 20/7277 vom 14.06.2023. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der AfD. Tokenisierung des Geldes - Chancen und Risiken.

Die Drucksache selbst» hat inklusive der 83 gestellten Einzelfragen einen Umfang von über 50 Seiten. Auch wenn diese Auskünfte noch vor der Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs erteilt wurden und die Bundesregierung an einigen Stellen darauf verweist, dass ihr betreffende Erkenntnisse nicht vorliegen bzw. nur den aktuell bekannten Stand reflektieren, werden einige Aspekte, die den digitalen Euro betreffen, hier weniger plakativ-persuasiv denn nüchtern-nachvollziehbar formuliert. Dabei werden diverse Quellen berücksichtigt. Dementsprechend lohnt es sich, hier ausgewählte Passagen zu dokumentieren.

Aus der Vorbemerkung zum Entscheidungsverfahren:
„Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es für die Einführung eines möglichen digitalen Euro eines demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesses bedarf.“ (…) Auch eine positive Entscheidung der EZB über den Eintritt in eine weitere Projektphase im Herbst 2023 würde keine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro bedeuten. Eine solche Entscheidung könnte vielmehr erst dann getroffen werden, wenn die europäischen Ko-Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung eines digitalen Euro geschaffen hätten.“ (S. 20)

Dies im Hinblick auf die Vorgehensweise der EZB konkretisierend:
„Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, hat in ihrer Rede bei der Plenarsitzung des Europaparlaments am 15. Februar 2023 ausgeführt, dass eine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro erst getroffen werden könne, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sei. In ihrem dritten Fortschrittsbericht zum digitalen Euro vom 24. April 2023 hat die EZB dargelegt, dass das Design eines digitalen Euro dann auf Grundlage des Gesetzgebungsprozesses erfolgen wird.“ (S. 22 f.)

Ein relevantes Gremium bei der bisherigen Ausarbeitung von Gestaltungsoptionen des digitalen Euro ist die High-Level Task Force on Central Bank Digital Currency, die sich aus Vertreter:innen der EZB und der nationalen Zentralbanken der Eurozone zusammensetzt. Auf diese wird etwa im Hinblick auf die Frage Bezug genommen, ob es hier nur um digitales Zentralbankgeld für Endkund:innen geht (Retail-CBDC) oder auch um eine digitale Zentralbankwährung für Geschäftsbanken und andere Finanzinstitutionen (Wholesale-CBDC):
„Die bisherigen Arbeiten der HLTF-CBDC zum Digitalen Euro beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung ausschließlich auf Retail-CBDC. Eine Zusammenführung der dabei bisher identifizierten Designoptionen für einzelne Gestaltungsmerkmale (‚High-level design‘) ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.“ (S. 26)

Zu den Ressort-Zuständigkeiten seitens der Bundesregierung wird ausgeführt:
„Das Bundesministerium der Finanzen koordiniert und bearbeitet das Thema innerhalb der Bundesregierung federführend und beteiligt die Ressorts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und das Bundeskanzleramt. Zu den beteiligten Ressorts gehörten bislang insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Justiz, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.“ (S. 27)

Zur Frage danach, ob Zentralbanken beim digitalen Euro die Kontenführung übernehmen:
„Nach Kenntnis der Bundesregierung sehen die aktuellen Überlegungen der Zentralbanken des Eurosystems zum digitalen Euro nicht vor, dass die EZB oder nationale Zentralbanken Konten für jedermann eröffnen würden. Nach den Vorstellungen des Eurosystems würde der digitale Euro zwar bilanziell eine Verbindlichkeit der Zentralbanken darstellen – wie dies heute auch beim Bargeld der Fall ist. Es wären aber nicht die Zentralbanken, sondern beaufsichtigte Intermediäre (in der Regel Geschäftsbanken und/oder andere Zahlungsdienstleister), die für die Verteilung des digitalen Euro an die Endnutzer verantwortlich wären, einschließlich der Eröffnung von Konten oder Wallets“. (S. 33)

Zur informellen Beteiligung von Stakeholdern am laufenden Entwicklungsprozess:
„Die Einbeziehung erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung z. B. über (i) Marktkontaktgruppen wie das Euro Retail Payments Board (ERPB) auf europäischer Ebene und das Forum Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank auf nationaler Ebene, sowie der Market Advisory Group (MAG), in der Experten aus dem Zahlungsverkehr das Eurosystem beraten (ii) Umfragen und (iii) Mitarbeit privater Akteure an technischen Merkmalen eines digitalen Euro (z. B. im Rahmen von Prototyping-Aktivitäten oder einer Marktuntersuchung).“ (S. 36)

Zum Charakter des digitalen Euro als digital cash:
„Die Bundesregierung sieht den digitalen Euro als eine Ergänzung zum Bargeld und setzt sich für eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro ein. Ein digitaler Euro sollte als Zahlungsmittel und nicht zur Geldanlage verwendet werden, um die Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission und den Finanzsektor wirksam zu begrenzen.“ (…) Mit Blick auf eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro setzt die Bundesregierung sich dabei für ein möglichst weitgehendes Maß an Privatsphäreschutz ein, das über den Privatsphäreschutz heutiger, von privaten Unternehmen angebotenen elektronischer Zahlverfahren hinausgeht.“ (S. 37)

Zur abgestuften Ablehnung von Programmierbarkeit als Feature für digitales Zentralbankgeld:
„Das Eurosystem und die Mitgliedstaaten des Euroraums lehnen eine Programmierbarkeit eines digitalen Euro dergestalt, dass z. B. eine Bedingung direkt in einem ‚digitalen Geldstück“ hinterlegt würde, strikt ab, denn es wäre sonst nicht mehr sichergestellt, dass das ‚digitale Geldstück‘ zum Nennwert (also eins zu eins) in andere Formen des Euro (z. B. Bargeld) umtauschbar wäre. Die freie Konvertibilität ist aber eine Grundanforderung an den digitalen Euro.
Davon abzugrenzen ist der Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber dem Eurosystem dafür ein, den Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen verstärkt zu untersuchen. Als programmierbare Zahlungen versteht die Bundesregierung Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags durch vorher vorgegebene Bedingungen bestimmt werden. Solche Zahlungen können die geldseitige Abwicklung von komplizierten Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der Erfüllung vorgegebener Bedingungen ermöglichen.“ (S. 39)

Aktuell wird an den Voraussetzungen für einen einheitlichen digitalen Identitätsnachweis für Menschen und Unternehmen in der EU (EUid:) gearbeitet; ausgeführt quasi äquivalent zu einem Ausweis als digitale Brieftasche (Wallet). Gerade im Hinblick auf potenzielle Problematiken des digitalen Euro betreffend den Schutz der Privatsphäre spielen Planungen zur Nutzung der EUid im Zusammenhang mit digitalem Zentralbankgeld (CBDC) eine Rolle. Dazu wird ausgeführt:
„Die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von CBDC und digitalen Identitäten hinge von der jeweiligen konkreten technischen Ausgestaltung ab. Diese ist weder für einen möglichen digitalen Euro noch für eine EUid abschließend geklärt. Der europäische Gesetzgebungsprozess für eine EUid (eIDAS-VO) befindet sich gegenwärtig im ‚europäischen Trilog‘. Unbeschadet dessen könnte ein potenzielles Zusammenspiel beider Technologien nur unter strenger Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte (insb. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht) und des geltenden Datenschutzrechts erfolgen.“ (S. 41)

Finanzisch für gut informierte Bürger:innen

Die Unterschiede zwischen verschiedenen Varianten zur kommunikativen Vermittlung des digitalen Euro sind signifikant, wenn auch den jeweiligen Entstehungskontexten und Adressatenkreisen geschuldet. Zwischen Angeboten für professionell mit dem Thema befasste Personen und eine interessierte Öffentlichkeit klafft noch eine erkennbare Lücke. Der Blick auf die parlamentarische Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass entsprechende Inhalte aber in Deutschland durchaus verfügbar sind. Es wäre deshalb wünschenswert, sie nicht nur als im Informationssystem für Parlamentsmaterialien vorgehaltenes PDF zu dokumentieren, sondern prominenter online zugänglich zu machen. Gerade die Markierung von unterschiedlichen Ansichten aber auch Wissensständen im dialogischen Format von Anfrage und Antwort erscheint hier besonders geeignet. Eine zusätzliche Herausforderung bleibt dabei, dass nicht nur der Gegenstand „digitaler Euro“ komplex und wenig fassbar ist. Auch die Arbeit von Zentralbanken und das politische System der Europäischen Union sind höchst erklärungsbedürftig.

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