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Autor: Lars Hupel Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb

Der digitale Euro: Elektronisch, aber offline-fähig

Der digitale Euro: Elektronisch, aber offline-fähig

Ein Beitrag von Lars Hupel

3. März 2025

Die Europäische Zentralbank veröffentlichte im Dezember letzten Jahres ihren zweiten Fortschrittsbericht der seit November 2023 laufenden „Vorbereitungsphase“, die eine mögliche Herausgabe des digitalen Euro projektieren soll.1EZB: “Second progress report on the digital euro preparation phase”, Dezember 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/progress/html/ecb.deprp202412.en.html. Bis Ende 2025 arbeitet die EZB dazu insbesondere am sogenannten Rule Book, also dem Regelwerk, und sammelt im Rahmen mehrerer Ausschreibungen Angebote für technische Lösungen. Darunter ist auch die Fähigkeit zur Offline-Bezahlung. Der digitale Euro soll dadurch immer dann einsetzbar sein, wenn bisher Bargeld die einzige Option war: etwa bei schlechtem Empfang oder für das Taschengeld von Kindern. Durch Wallets, die in der Lage sind, Geldwerte offline zu speichern und zu verwalten, soll im Handel wie auch untereinander bezahlt werden können.

Der Kontext

Der digitale Euro wird als Retail CBDC (digitale Zentralbankwährung für den Privatgebrauch) in erster Linie Konsument:innen und Händler:innen zur Verfügung stehen, um alltägliche Zahlungen abzuwickeln. Dadurch grenzt er sich von den gängigen unbaren Zahlungsmitteln ab, die allesamt privatwirtschaftlich organisiert und betrieben sind. Gleichzeitig unterscheidet er sich vom geschäftlichen Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen und Finanzinstitutionen, für den eine sogenannte Wholesale CBDC (eine digitale Zentralbankwährung für Geschäftsverkehr) im Gespräch ist.

Als Retail CBDC ähnelt der digitale Euro am ehesten dem Bargeld. Er etabliert das zweite Zahlungsmittel, welches eine direkte „Beziehung“ zwischen der breiten Öffentlichkeit und der Zentralbank herstellt. Genau wie beim Bargeld soll man auch mit dem digitalen Euro zahlen können, ohne online zu sein. Damit liegt die EZB im Trend: Gemäß der jüngsten Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) führt die Mehrheit der befragten Zentralbanken Offlinefähigkeit als wichtigstes Feature von CBDC-Wallets an.2Alberto Di Iorio, Anneke Kosse und Ilaria Mattei: “Embracing diversity, advancing together – results of the 2023 BIS survey on central bank digital currencies and crypto”, Juni 2024, https://www.bis.org/publ/bppdf/bispap147.pdf; hier: Seite 10, Kategorie D “Technology”

Die Offline-Wallets

Konkret interessiert sich die EZB beim digitalen Euro für Zahlungsvorgänge der Kategorien Person-to-Person (P2P) und Person-to-Business (P2B, d.h. im Online-Shop und an der Ladenkasse).3EZB: “State of play on offline digital euro”, April 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/timeline/profuse/shared/pdf/ecb.degov240411_item3updateofflinedigitaleuro.en.pdf.

Illustration verschiedener Zahlhardware und Formen des Zahlens: von Person zu Person, im Onlineshop oder im Einzelhandel

Abbildung 1. Eigene Illustration

Mit Ausnahme vom E-Commerce soll der digitale Euro offline funktionieren, das heißt: ohne Internet-, Telefon- oder anderweitige Verbindung.

Eine Endnutzerin lädt sich mit einer Smartphone-Wallet von ihrer Bank Geld „herunter“. Dafür ist eine Online-Verbindung nötig. Ab diesem Moment soll sie aber offline – das heißt weder Mobilfunkempfang noch WLAN – beispielsweise ihrer Tochter Geld auf deren Wallet übertragen können, egal, ob es sich dabei um ein Wearable, eine Karte  oder ein zweites Smartphone handelt. Und auch die Tochter soll nun mit ihrer Wallet – weiterhin offline – bei einem Händler bezahlen können.

Eine solche konsekutive Weitergabe durch mehrere Hände ohne Intermediäre erscheint beim Bargeld ganz selbstverständlich, ist aber bei elektronischen Zahlungsverfahren bisher nicht möglich. Selbst neuere Zahlungsapps wie Wero, die auch auf den Retail-Markt abzielen, leisten dies nicht.

Diese neue technische Möglichkeit bezeichnet die BIZ in ihrer Nomenklatur als „intermittently offline“.4BIS Innovation Hub: “Project Polaris. Part 1: A handbook for offline payments with CBDC”, Mai 2023, https://www.bis.org/publ/othp64.pdf. Diese ist definiert als:

  1. beide Zahlungsparteien können über einen längeren Zeitraum offline sein;
  2. die Zahlung wird unmittelbar und final abgeschlossen; und
  3. die Zahlungsempfängerin kann das erhaltene Geld offline an Dritte weiterausgeben.

Initial könnten Wallets per Bank-App oder Geldautomaten befüllt (oder entleert) werden. Dazu müssen Banken den Austausch zwischen Bargeld, Giralgeld und digitalem Euro anbieten. Die Wahl der Wallet (Smartphone, Karte o.Ä.) ist dabei der Nutzerin freigestellt; alle funktionieren nach gleichem Prinzip. Außerdem können Banken zusätzliche Funktionen anbieten, die über den basalen Zahlungsverkehr hinausgehen, beispielsweise dass durch automatisches Aufladen stets ein bestimmter Betrag in der Offline-Wallet vorliegt.

Natürlich müssen die Wallets ein hohes Schutzniveau anbieten, damit Fälschungen ausgeschlossen sind. All das ist Bestandteil der Ausschreibung der EZB.

Die Technik

Um all diese Anforderungen zu bewältigen, ist spezielle Hardware nötig. Eine reine Software-Lösung würde sich zu einfach manipulieren lassen: Beispielsweise könnte ein Angreifer eine Wallet mit Geld aufladen, es in einem sicheren Speicher ablegen und eine Offlinezahlung durchführen. Nach dieser Zahlung könnte er allerdings den Speicher manipulieren und diesen auf den vorherigen Wert zurücksetzen. Nun könnte eine weitere Zahlung mit „demselben“ Geld nochmal durchgeführt werden. Dieses Szenario, in der Fachliteratur als double spending problem, also doppeltes Ausgeben, bekannt, gilt es zu verhindern, denn es käme – in der analogen Welt – dem Kopieren von Banknoten gleich.

Es gibt allerdings technische Lösungen, die eine digitale Kopie von Geld oder doppeltes Ausgeben verhindern. Sogenannte Secure Elements sind dedizierte Hardware-Chips, die in sich die Funktion von Prozessor und Speicher vereinen und nach außen definierte Kommunikationskanäle (meist Near Field Communication, NFC) anbieten. Heutzutage kommen Secure Elements schon in einer Vielzahl von Geräten zum Einsatz: klassische elektronische Zahlkarten, Smartphones, Smartwatches, Wearables, Reisepässe, Personalausweise und viele mehr enthalten Secure Elements. Auch SIM- und Gesundheitskarten (zu erkennen an den Kontaktflächen) basieren auf Secure Elements.

verschiedene Hardware mit Secure Elements: Smartphone, Uhr oder Karte

Abbildung 2. Geräte mit eingebauten Secure Elements

Offensichtlich haben die Herausgeber dieser Geräte ein Interesse daran, dass sich Prozessor und Speicher nicht manipulieren lassen. Schließlich gilt es heute schon zu verhindern, dass Personalausweise oder Kreditkarten in analoger oder auf dem Smartphone gespeicherter Form geklont und Identitäten gestohlen werden könnten.

Wie der Name bereits suggeriert sind Secure Elements manipulationssicher, d.h. sie verfügen über technische Abwehrmaßnahmen. Sie garantieren, dass gespeicherte Daten nicht unberechtigt geändert und Algorithmen korrekt ausgeführt werden. Das obige Szenario würde also mit ihnen nicht funktionieren. Technisch gesehen gehen die Maßnahmen über den landläufig bekannten Kopierschutz etwa von DVDs weit hinaus.

Eine Zahlung würde stets zwischen den Secure Elements zweier Wallets ablaufen: im Regelfall kontaktlos via NFC. Wallets können daher nur auf Geräten sicher implementiert werden, die ein Secure Element enthalten. Genau das stellt sich die EZB als integralen Bestandteil des digitalen Euro vor. Damit wäre auch sichergestellt, dass eine Angreiferin sich nicht blanke Karten besorgt und diese mit einer eigenen Wallet-Implementierung bestückt. Wallets müssen sich, bevor digitaler Euro ausgetauscht wird, gegenseitig authentifizieren. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Händler nicht „einfach so“ von einer beliebigen, möglicherweise manipulierten Wallet Geld offline akzeptieren würde. Dies wird durch elektronische Zertifikate, ein gängiges Verfahren, sichergestellt. Wichtig ist, dass diese Authentifizierung lokal funktioniert und daher kein Austausch von Identitäten mit der Zentralbank stattfindet.

Kritiker:innen sehen in der Forderung nach Secure Elements allerdings eine Benachteiligung reiner Software-Lösungen. Doch diese Kritik ist in zweierlei Hinsicht fehlgeleitet.

  1. Reine Software-Lösungen bieten kein ausreichend hohes Schutzniveau vor dem digitalen „Gelddrucken“ und gerade ein nationales Zahlungssystem ist für fremdstaatliche Angriffe prädestiniert.
  2. Für die Nutzung der Secure Elements ist es zwar notwendig, dass Smartphone-Hersteller dafür ihre Genehmigung erteilen. Man kann nicht einfach „irgendwelche“ Apps auf dem Sicherheitschip installieren, denn das würde die Sicherheitsgarantien unterlaufen. Aber die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetzgebung sieht vor, dass Hersteller – auch außereuropäische – ihre Geräte für die Sicherheitsfunktionen des digitalen Euro öffnen müssen. Die EZB steht mit den Herstellern im Austausch.5Siehe EZB: “Second progress report on the digital euro preparation phase”, Dezember 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/progress/html/ecb.deprp202412.en.html. Beispielsweise hat Apple in der Vergangenheit, auch im größeren Kontext des Digital Market Acts, ihre Geräte für alternative Zahlverfahren geöffnet.6Finextra: “Norway’s Vipps launches world’s first Apple Pay rival for iPhone”, 10.Dezember 2024, https://www.finextra.com/newsarticle/45188/norways-vipps-launches-worlds-first-apple-pay-rival-for-iphone.

Davon unbenommen können Wallets für den digitalen Euro auch auf den Zahlungskarten europäischer Banken angeboten werden, was die letzten Vorbehalte hinsichtlich europäischer Infrastruktur ausräumen sollte.

Die Bedenken

Von technischer Seite gibt es aber noch weitere Bedenken. So wird vorgebracht, dass die oben geschilderte Offlinefähigkeit („intermittently offline“) mathematisch nicht möglich sei. Tatsächlich gibt es bei verteilten Systemen das sogenannte CAP-Theorem. Dieses besagt, dass ein Netzwerk nicht gleichzeitig konsistent (consistent), verfügbar (available) und resilient (partition tolerant) gegen Verbindungsabbrüche sein kann (lediglich zwei der drei Eigenschaften könnten erfüllt werden). Angewendet auf CBDC folgern nun manche, dass Offlinefähigkeit prinzipiell nicht funktionieren könne. Diese Schlussfolgerung fußt aber auf einer falschen Interpretation des Theorems. Wie die nachfolgende Grafik illustriert, muss man sich in der Tat für eine der drei Seiten des Dreiecks entscheiden. Banknoten sind offlinefähig, aber bei Verlust nicht wiederherstellbar. Schecks sind ebenso offlinefähig, aber erlauben es, mehr Geld auszugeben als man auf dem Konto hat. Debitkarten wiederum sind wiederherstellbar, aber nicht offlinefähig.

CAP-Theorem als Dreieck mit offlinefähig als einem, wiederherstellbar als zweitem und "kein doppeltes Ausgeben" als drittem Eck, mit Scheck zwischen ersten beiden, also sowohl offlinefähig als auch wiederherstellbar, Debitkarte sowohl wiederherstellbar als auch ohne double spending, Banknote sowohl offlinefähig als auch keine Möglichkeit doppelten Ausgebens, aber jeweils ohne die dritte EIgenschaft.

Abbildung 3. Das Dreieck der gewünschten Eigenschaften von Zahlungsmethoden

Der digitale Euro würde sich als ihre digitale Entsprechung wie die Banknoten positionieren: Der Vergleich von Secure Elements mit den proprietären Farben und Drucktechniken bei Banknoten als Sicherheitsmerkmalen liegt daher nahe. Da Banknoten (wie auch beispielsweise Pässe) staatliche Hoheitszeichen sind, die die Autorität und Legitimität eines Staates repräsentieren, ist die Fähigkeit, sie im analogen wie digitalen Raum schützen zu können, essenziell.

Die fehlende Wiederherstellbarkeit des digitalen Euro ist dabei ein Zeugnis von hohen Datenschutzstandards. Denn wie beim Bargeld haben weder die EZB noch Banken einen Einblick, welcher digitale Euro sich gerade in welcher Wallet befindet.

Zentralbanken sind in einer guten Position, sichere und datenschutzfreundliche, öffentliche Infrastrukturen für den Zahlungsverkehr aufzubauen. Regulierung und gemeinsame Standards sorgen dafür, dass Geräte verschiedener Hersteller und Apps verschiedener Banken nahtlos zusammen funktionieren können.

Das Netz und der doppelte Boden

Trotzdem sind Wallets nicht für immer offline, aus zweierlei Gründen.

Erstens ist es zur Erhöhung der Sicherheit wichtig, dass die Wallets periodisch einen sogenannten Integritätscheck durchführen, um das auf der Wallet vorhandene Geld auf Echtheit zu prüfen. Außerdem würde eine als gestohlen gemeldete Wallet deaktiviert. Im Regelfall geschieht dies nahtlos, beispielsweise wenn ich, nachdem das Geld ausgegeben ist, neues Geld herunterlade. Manipulationen würden spätestens hier auffallen, wodurch der Wirkradius von potenziellen Angriffen drastisch eingeschränkt wird.

Zweitens gibt es ein Interesse daran, dass mit dem digitalen Euro kein Geld gewaschen werden kann. Im Gegensatz zum Geldkoffer, der mit zunehmendem Inhalt unhandlich wird, ist der Betrag beim Digitalgeld lediglich eine Zahl: in Kombination mit anonymen Offlinezahlungen ein Rezept für Desaster. Die EZB sieht daher strenge Limits vor. So ist ein generelles Haltelimit von 3000 € vorgesehen. Transaktionslimits könnten hinzukommen. 

Das Fazit

In der Gesamtschau ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Sicherheitsarchitektur von offlinefähigen Digitalwährungen verfügt über mehrere Ebenen: angefangen von der Hardware über kryptografisch sichere Kommunikationsprotokolle bis hin zum Integritätscheck durch die Zentralbank. .

Der digitale Euro gleicht als Zentralbankgeld dem Bargeld, nicht einem klassischen Konto. Geeignete Interfaces sorgen für die Integration mit sicherer Hardware und gleichzeitigen Bedienkomfort. Hierzu können Bank-Apps dienen, die zusätzliche Leistungen anbieten könnten.

Die immer wieder vorgebrachten technischen Bedenken können durch praktische Erfahrungen sowohl in existierenden CBDC-Projekten als auch in der freien Wirtschaft (breite Industrie) ausgeräumt werden. Secure Elements sind etablierte Vertrauensanker, die längst für kritische hoheitliche Aufgaben im Einsatz sind und daher auch für den digitalen Euro relevant.

Zu weiteren Beiträgen im eFin-Blog-Dossier Digitaler Euro

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1.8. Der digitale Euro und die Europäische Zentralbank

Cover zur Folge 1.8.

Wenn der digitale Euro eingeführt wird, wird er von der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zentralbanken des Eurosystems bereitgestellt. Die genaue Ausgestaltung dieser digitalen Währung ist jedoch noch Gegenstand intensiver Diskussion und wird voraussichtlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die EZB beschäftigt sich jedoch bereits seit mindestens 2020 mit der Untersuchung einer solchen CBDC oder eben eines digitalen Zentralbankgeldes. Im vergangenen Herbst wurde eine erste Vorbereitungsphase eingeläutet und gewisse Pfadentscheidungen lassen sich mittlerweile ablesen.

In diesem Zusammenhang werfen einige Kritiker der EZB vor, den Interessen der Geschäftsbanken zu sehr entgegenzukommen. Gleichzeitig sind gerade diese Geschäftsbanken diejenigen, die am lautesten warnen und behaupten, dass ein digitaler Euro zu stark in den Zahlungsmarkt eingreifen und ihr Geschäftsmodell gefährden würde. Diese Folge des Digitalgelddickichts wirft daher einen Blick auf das Mandat und die Aufgaben der EZB und erklärt, warum und wie sie bereits am digitalen Euro arbeitet. Im Gespräch mit Jürgen Schaaf, einem Berater der Generaldirektion für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der Europäischen Zentralbank, möchten wir herausfinden, wie die EZB beim Projekt „Digitaler Euro“ mit der EU-Gesetzgebung, der Finanzindustrie und der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet, inwieweit sie deren Kritik berücksichtigt und was sie ihr entgegnet.

Digitalgelddickicht Staffel Digitaler Euro – Folge 8 | 29. April 2024

Gäste

Jürgen Schaaf ist seit November 2019 Berater der Generaldirektion des Geschäftsbereichs Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr bei der Europäischen Zentralbank. Zuvor war er Berater des Direktoriums der EZB und Sekretär des Projektteams für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM). Bevor er zur EZB kam, war er persönlicher Berater des Gouverneurs der Banque Centrale du Luxembourg. Zuvor war er bei der Börsen-Zeitung und als Senior Economist bei der Deutschen Bank tätig. Er hat Wirtschaftswissenschaften in Marburg und Canterbury studiert und an der Philipps-Universität Marburg in Volkswirtschaftslehre promoviert.

Cornelia Manger-Nestler ist Professorin für Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht an der HWTK Leipzig, spezialisiert auf Währungsrecht. Studiert und gearbeitet hat sie zuvor an der TU Dresden und TU Chemnitz, wo sie auch zur Rolle der Deutschen Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken promoviert hat. Sie betreut aktuell zudem, unter anderem ein Forschungsprojekt zu Rechtsfragen des digitalen Euro.

Markus Ferber ist Diplomingenieur, seit 1990 durchgehend Vorstandsmitglied und von 2005 bis 2023 Vorsitzender der CSU Schwaben. Seit 1994 ist er durchgehend Mitglied des Europäischen Parlamentes. Er ist dort Mitglied der EVP–Fraktion, also der Europäischen Volkspartei und seit 2009 auch Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Zwischen 2014 und 2018 fungierte er als dessen stellvertretender Vorsitzender und seitdem als der Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss. Seit 2020 ist er Vorsitzender der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Henrike Hahn ist Politologin und war als Unternehmensberaterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im bayerischen Landtag und Bundestag tätig. Seit 2012 ist sie aktives Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen Bayern, unter anderem als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen und Vorstandsmitglied. 2019 wurde sie Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort ist sie Vollmitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, sowie stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss. Für ihre Fraktion „Die Grünen/EFA“ ist sie Verhandlungsführerin und Schattenberichterstatterin zum digitalen Euro.

Joachim Schuster ist promovierter Politikwissenschaftler und war bis 2006 in der Forschung, im Wissenschaftsmanagement und in der Politikberatung tätig. Seit 1999 für die SPD Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft, war er von 2006 bis 2012 Bremer Staatsrat für Arbeit, Jugend und Soziales sowie später für Gesundheit und Wissenschaft. 2014 zog er ins Europäische Parlament ein. Der S&D-Fraktion zugehörig ist er seit 2019 Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Im Vorstand der deutschen Sozialdemokrat:innen ist er verantwortlich für die Zusammenarbeit mit der SPD-Bundestagsfraktion

Weiterführende Informationen und Quellen

Panetta, Fabio: Letter to several MEPs on the request to postpone the decision on the digital euro, 6. Oktober 2023 ( nur in Englisch).

Bollen, Thomas / Fanta, Alexander: Warum die Großbanken Angst vor dem digitalen Euro haben und wie sie gegen ihn lobbyieren, voxeurop Deutsch, 18. April 2024.

Aufzeichnung der Sitzung des EU-Ausschusses für Währung und Wirtschaft (ECON) zum Digitalen Euro mit Piero Cipollone, Direktoriumsmitglied der EZB, vom Nachmittag des 14. Februar 2024.

Empfehlung für Überblicksinformation zum digitalen Euro seitens der EZB: Häufig gestellte Fragen zum digitalen Euro, EZB-Webseite (abgerufen am 29. April 2024).

Alle Folgen des Digitalgelddickichts

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Autor: Carola Westermeier und Marek Jessen Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: hellblau

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Ein Beitrag von Carola Westermeier und Marek Jessen

15. November 2023

Auch wenn der Mehrwert eines digitalen Euros auf den ersten Blick vielleicht nicht gleich ersichtlich ist, bringt er doch viele Chancen mit sich: auf mehr Souveränität für europäische Anbieter und Bürgerinnen und Bürger. Dafür müssen allerdings noch ein paar Weichen gestellt werden.

Das Eurosystem hat eine wichtige, vielleicht sogar historische Entscheidung getroffen. Die Notenbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, und die Europäische Zentralbank (EZB) werden die Entwicklung eines digitalen Euro weiter vorantreiben und in einigen Jahren könnten europäische Bürgerinnen und Bürger Zugang zu einer neuen Art des Geldes haben. Kritische Stimmen werfen dem Projekt vor, dass es keinen Mehrwert habe. Ob ich 50 Euro mit meiner EC-Karte oder mit dem digitalen Euro ausgebe, ist meinem Kontostand egal, er wird verringert. Allerdings reduzieren die Kritikerinnen das Bezahlen mit einer solchen Argumentation auf den Austausch von Werten. Im digitalen Zeitalter sind Bezahlen und der Einsatz des Geldes in Transaktionen jedoch weit mehr.

Alles neu macht der digitale Euro – aber was eigentlich genau?

Es scheint paradox: Der digitale Euro wird unser Bezahlverhalten womöglich kaum verändern, obwohl er eine völlig neue Form des Geldes darstellt. Mit dem digitalen Euro nimmt Zentralbankgeld – die sicherste Form des Geldes, da die Zentralbank hinter ihr steht – eine digitale Form an, die für alle zugänglich sein soll. Bisher war diese Form des Geldes und die damit verbundene direkte Forderung gegen die Zentralbank lediglich mit dem Bargeld vorhanden.

Derzeit jedoch liegen alle digitalen Formen des Geldes in den Händen der Privatwirtschaft und stellen eine Forderung der Bürgerinnen gegen diese dar. Entsprechende Einlagen sind bei dem jeweiligen Kreditinstitut über die gesetzliche Einlagensicherung bis zu 100.000 € geschützt. Der digitale Euro soll die Versorgung mit Zentralbankgeld, für das es keine Einlagensicherung braucht, auch im digitalen Zeitalter und bei gleichzeitig rückläufigem Gebrauch von Bargeld sicherstellen.

Eine Frage der europäischen Souveränität

Derzeit ist digitales Bezahlen vor allem ein Markt, in dem Unternehmen um Anteile kämpfen, um über Gebühren Gewinne zu erzielen. Zahlungsdienstleister können Transaktionen aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen untersagen und sind verpflichtet, Sanktionen durchzusetzen. In Europa dominieren vorwiegend nicht-europäische Akteure diesen Markt, während europäische Transaktionen über ihre Netzwerke laufen. Ein Umstand, den europäische Institutionen bereits zu Zeiten der Trump-Administration in den USA als Gefahr für die Souveränität des Euroraums identifiziert haben.

Der digitale Euro hingegen soll auf Infrastrukturen basieren, die in europäischer Hand liegen. Die Ausgestaltung dieser technischen Infrastrukturen wird in den kommenden Jahren konkretisiert und könnte entscheidend für die Akzeptanz des neuen Geldes sein. Die besten Chancen für eine breite Adaption bieten sich, wenn sich der digitale Euro von den genannten Marktlogiken löst und vielmehr als öffentliches Gut entwickelt wird, bei dessen Entwicklung die Rolle des Geldes in all seinen Facetten überdacht und digitales Geld im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gestaltet wird.

Datenschutz als höchste Priorität

Ein zentrales Thema wird dabei der Schutz der Privatsphäre und der Umgang mit den anfallenden Daten sein. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist dies der zentrale Aspekt des Bezahlens, das haben Befragungen im Auftrag der EZB gezeigt. Zugleich fehlt das Bewusstsein, was bereits im derzeitigen Modell mit den eigenen Daten passiert und wie diese ausgewertet werden können.

Transaktionen im digitalen Raum hinterlassen Daten, die für die Abwicklung von Zahlungen notwendig sind. Bereits heute werden Transaktionsdaten genutzt, um gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzugehen. Hierbei arbeiten Banken, die etwa verpflichtet sind, verdächtige Transaktionen zu melden, und Strafverfolgungsbehörden eng zusammen. Die Analyse von Transaktionsdaten beruht also auf der einen Seite auf regulatorischen Vorgaben, sie sind aber auch für kommerzielle Zwecke interessant. Finanztransaktionsdaten bieten umfangreiche Einblicke in das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer und sind somit besonders aussagekräftige und sensible Daten. Die EZB hat wiederholt betont, dass sie kein Interesse an der kommerziellen Nutzung von Transaktionsdaten hat. Dennoch wird es eine Herausforderung sein, die Interessen der unterschiedlichen Akteure im Laufe des weiteren Prozesses in Einklang zu bringen.

Die konkrete Rollenverteilung für den digitalen Euro und welche Intermediäre eingebunden werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Grundlegend ist vorgesehen, dass die EZB den digitalen Euro ausgibt und er Nutzerinnen und Nutzern durch Intermediäre, wie Banken und Zahlungsdienstleister, über Wallets zugänglich gemacht werden soll. Der digitale Euro soll für alltägliche Bezahlfunktionen, wie beispielsweise an der Ladenkasse oder im Onlinehandel, aber auch zwischen Privatpersonen, genutzt werden.

Gesetzesvorschlag muss Datensammelwut besser vorbeugen

Obwohl die EZB eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des digitalen Euro spielt, sollte nicht übersehen werden, dass sie nicht allein über dessen Ausgestaltung entscheidet. Die Einführung des digitalen Euro erfordert die Schaffung einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Europäische Kommission hat im Sommer einen ersten Legislativvorschlag vorgelegt, der nun Rückmeldungen erhält. Der Datenschutz spielte darin eine wichtige Rolle. Laut aktuellem Bericht der EZB sollen Intermediäre dabei personenbezogene Daten lediglich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für Aufnahme von Kundinnen und Kunden und die Abwicklung der Zahlung verarbeiten. Jegliche Nutzung dieser Daten für kommerzielle Zwecke erfordert nach den Plänen der EZB die ausdrückliche Zustimmung vonseiten der Nutzerinnen und Nutzer. Diese Klarheit sollte sich auch im Gesetzesentwurf wiederfinden. Ein klar umrissener Katalog, der die Zwecke der Datenverarbeitung präzise darlegt, schafft Rechtssicherheit für die Intermediäre und fördert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Gleiches gilt für die EZB und das Eurosystem. Es muss klar sein, welche Daten verarbeitet werden und dass keine nachträgliche Zuordnung der Identität der Nutzerinnen und Nutzer der Daten möglich ist. Um dem Überwachungspotential einer zentralisierten Datensammlung vorzubeugen, empfehlen europäische Datenschützerinnen und Datenschützer, die mit dem Kundenmanagement (insbesondere Verwaltung digitaler Euro-Accounts) verbundenen Aufgaben dezentral und damit über Intermediäre zu organisieren. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass ab einem bestimmten Punkt Daten in aggregierter Form der EZB zur Verfügung stehen, da sie den digitalen Euro ausgibt und über die im Umlauf befindliche Geldmenge Kenntnis hat. In dem gesetzlichen Rahmenwerk sollte eindeutig festgelegt werden, dass diese Daten nach Pseudonymisierung keine nachträgliche Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen.

Auch wenn die Vorzüge des Bargelds nicht vollständig in den digitalen Raum transferiert werden können, ist es wünschenswert, dass Zahlungen zumindest unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym möglich sein sollen. An vielen – vor allem ländlichen – Orten sind Bargeldzahlungen nicht mehr möglich, weil die entsprechenden Geschäfte außer Reichweite und Online-Bestellungen die einzige Möglichkeit sind, an bestimmte Waren zu gelangen. Der Schutz der Privatsphäre beim Bezahlen sollte jedoch keine Frage des Wohnortes sein, sondern ist im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Nach Aussage von Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, wird es voraussichtlich noch etwa fünf Jahre dauern, bis der digitale Euro für Zahlungen genutzt werden kann. Diese Zeitspanne sollte als eine Gelegenheit betrachtet werden, den digitalen Euro nicht als kommerzielles Projekt, sondern im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln. Ein starker Datenschutz spielt dabei eine wichtige Rolle.

Redaktionelle Notiz: Dieser Text wurde im Tagesspiegel Background (KI & Digitalisierung: Standpunkte») am 6. November erstveröffentlicht.

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