Kategorien
Autor: Lars Hupel Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb

Der digitale Euro: Elektronisch, aber offline-fähig

Der digitale Euro: Elektronisch, aber offline-fähig

Ein Beitrag von Lars Hupel

3. März 2025

Die Europäische Zentralbank veröffentlichte im Dezember letzten Jahres ihren zweiten Fortschrittsbericht der seit November 2023 laufenden „Vorbereitungsphase“, die eine mögliche Herausgabe des digitalen Euro projektieren soll.1EZB: “Second progress report on the digital euro preparation phase”, Dezember 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/progress/html/ecb.deprp202412.en.html. Bis Ende 2025 arbeitet die EZB dazu insbesondere am sogenannten Rule Book, also dem Regelwerk, und sammelt im Rahmen mehrerer Ausschreibungen Angebote für technische Lösungen. Darunter ist auch die Fähigkeit zur Offline-Bezahlung. Der digitale Euro soll dadurch immer dann einsetzbar sein, wenn bisher Bargeld die einzige Option war: etwa bei schlechtem Empfang oder für das Taschengeld von Kindern. Durch Wallets, die in der Lage sind, Geldwerte offline zu speichern und zu verwalten, soll im Handel wie auch untereinander bezahlt werden können.

Der Kontext

Der digitale Euro wird als Retail CBDC (digitale Zentralbankwährung für den Privatgebrauch) in erster Linie Konsument:innen und Händler:innen zur Verfügung stehen, um alltägliche Zahlungen abzuwickeln. Dadurch grenzt er sich von den gängigen unbaren Zahlungsmitteln ab, die allesamt privatwirtschaftlich organisiert und betrieben sind. Gleichzeitig unterscheidet er sich vom geschäftlichen Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen und Finanzinstitutionen, für den eine sogenannte Wholesale CBDC (eine digitale Zentralbankwährung für Geschäftsverkehr) im Gespräch ist.

Als Retail CBDC ähnelt der digitale Euro am ehesten dem Bargeld. Er etabliert das zweite Zahlungsmittel, welches eine direkte „Beziehung“ zwischen der breiten Öffentlichkeit und der Zentralbank herstellt. Genau wie beim Bargeld soll man auch mit dem digitalen Euro zahlen können, ohne online zu sein. Damit liegt die EZB im Trend: Gemäß der jüngsten Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) führt die Mehrheit der befragten Zentralbanken Offlinefähigkeit als wichtigstes Feature von CBDC-Wallets an.2Alberto Di Iorio, Anneke Kosse und Ilaria Mattei: “Embracing diversity, advancing together – results of the 2023 BIS survey on central bank digital currencies and crypto”, Juni 2024, https://www.bis.org/publ/bppdf/bispap147.pdf; hier: Seite 10, Kategorie D “Technology”

Die Offline-Wallets

Konkret interessiert sich die EZB beim digitalen Euro für Zahlungsvorgänge der Kategorien Person-to-Person (P2P) und Person-to-Business (P2B, d.h. im Online-Shop und an der Ladenkasse).3EZB: “State of play on offline digital euro”, April 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/timeline/profuse/shared/pdf/ecb.degov240411_item3updateofflinedigitaleuro.en.pdf.

Illustration verschiedener Zahlhardware und Formen des Zahlens: von Person zu Person, im Onlineshop oder im Einzelhandel

Abbildung 1. Eigene Illustration

Mit Ausnahme vom E-Commerce soll der digitale Euro offline funktionieren, das heißt: ohne Internet-, Telefon- oder anderweitige Verbindung.

Eine Endnutzerin lädt sich mit einer Smartphone-Wallet von ihrer Bank Geld „herunter“. Dafür ist eine Online-Verbindung nötig. Ab diesem Moment soll sie aber offline – das heißt weder Mobilfunkempfang noch WLAN – beispielsweise ihrer Tochter Geld auf deren Wallet übertragen können, egal, ob es sich dabei um ein Wearable, eine Karte  oder ein zweites Smartphone handelt. Und auch die Tochter soll nun mit ihrer Wallet – weiterhin offline – bei einem Händler bezahlen können.

Eine solche konsekutive Weitergabe durch mehrere Hände ohne Intermediäre erscheint beim Bargeld ganz selbstverständlich, ist aber bei elektronischen Zahlungsverfahren bisher nicht möglich. Selbst neuere Zahlungsapps wie Wero, die auch auf den Retail-Markt abzielen, leisten dies nicht.

Diese neue technische Möglichkeit bezeichnet die BIZ in ihrer Nomenklatur als „intermittently offline“.4BIS Innovation Hub: “Project Polaris. Part 1: A handbook for offline payments with CBDC”, Mai 2023, https://www.bis.org/publ/othp64.pdf. Diese ist definiert als:

  1. beide Zahlungsparteien können über einen längeren Zeitraum offline sein;
  2. die Zahlung wird unmittelbar und final abgeschlossen; und
  3. die Zahlungsempfängerin kann das erhaltene Geld offline an Dritte weiterausgeben.

Initial könnten Wallets per Bank-App oder Geldautomaten befüllt (oder entleert) werden. Dazu müssen Banken den Austausch zwischen Bargeld, Giralgeld und digitalem Euro anbieten. Die Wahl der Wallet (Smartphone, Karte o.Ä.) ist dabei der Nutzerin freigestellt; alle funktionieren nach gleichem Prinzip. Außerdem können Banken zusätzliche Funktionen anbieten, die über den basalen Zahlungsverkehr hinausgehen, beispielsweise dass durch automatisches Aufladen stets ein bestimmter Betrag in der Offline-Wallet vorliegt.

Natürlich müssen die Wallets ein hohes Schutzniveau anbieten, damit Fälschungen ausgeschlossen sind. All das ist Bestandteil der Ausschreibung der EZB.

Die Technik

Um all diese Anforderungen zu bewältigen, ist spezielle Hardware nötig. Eine reine Software-Lösung würde sich zu einfach manipulieren lassen: Beispielsweise könnte ein Angreifer eine Wallet mit Geld aufladen, es in einem sicheren Speicher ablegen und eine Offlinezahlung durchführen. Nach dieser Zahlung könnte er allerdings den Speicher manipulieren und diesen auf den vorherigen Wert zurücksetzen. Nun könnte eine weitere Zahlung mit „demselben“ Geld nochmal durchgeführt werden. Dieses Szenario, in der Fachliteratur als double spending problem, also doppeltes Ausgeben, bekannt, gilt es zu verhindern, denn es käme – in der analogen Welt – dem Kopieren von Banknoten gleich.

Es gibt allerdings technische Lösungen, die eine digitale Kopie von Geld oder doppeltes Ausgeben verhindern. Sogenannte Secure Elements sind dedizierte Hardware-Chips, die in sich die Funktion von Prozessor und Speicher vereinen und nach außen definierte Kommunikationskanäle (meist Near Field Communication, NFC) anbieten. Heutzutage kommen Secure Elements schon in einer Vielzahl von Geräten zum Einsatz: klassische elektronische Zahlkarten, Smartphones, Smartwatches, Wearables, Reisepässe, Personalausweise und viele mehr enthalten Secure Elements. Auch SIM- und Gesundheitskarten (zu erkennen an den Kontaktflächen) basieren auf Secure Elements.

verschiedene Hardware mit Secure Elements: Smartphone, Uhr oder Karte

Abbildung 2. Geräte mit eingebauten Secure Elements

Offensichtlich haben die Herausgeber dieser Geräte ein Interesse daran, dass sich Prozessor und Speicher nicht manipulieren lassen. Schließlich gilt es heute schon zu verhindern, dass Personalausweise oder Kreditkarten in analoger oder auf dem Smartphone gespeicherter Form geklont und Identitäten gestohlen werden könnten.

Wie der Name bereits suggeriert sind Secure Elements manipulationssicher, d.h. sie verfügen über technische Abwehrmaßnahmen. Sie garantieren, dass gespeicherte Daten nicht unberechtigt geändert und Algorithmen korrekt ausgeführt werden. Das obige Szenario würde also mit ihnen nicht funktionieren. Technisch gesehen gehen die Maßnahmen über den landläufig bekannten Kopierschutz etwa von DVDs weit hinaus.

Eine Zahlung würde stets zwischen den Secure Elements zweier Wallets ablaufen: im Regelfall kontaktlos via NFC. Wallets können daher nur auf Geräten sicher implementiert werden, die ein Secure Element enthalten. Genau das stellt sich die EZB als integralen Bestandteil des digitalen Euro vor. Damit wäre auch sichergestellt, dass eine Angreiferin sich nicht blanke Karten besorgt und diese mit einer eigenen Wallet-Implementierung bestückt. Wallets müssen sich, bevor digitaler Euro ausgetauscht wird, gegenseitig authentifizieren. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Händler nicht „einfach so“ von einer beliebigen, möglicherweise manipulierten Wallet Geld offline akzeptieren würde. Dies wird durch elektronische Zertifikate, ein gängiges Verfahren, sichergestellt. Wichtig ist, dass diese Authentifizierung lokal funktioniert und daher kein Austausch von Identitäten mit der Zentralbank stattfindet.

Kritiker:innen sehen in der Forderung nach Secure Elements allerdings eine Benachteiligung reiner Software-Lösungen. Doch diese Kritik ist in zweierlei Hinsicht fehlgeleitet.

  1. Reine Software-Lösungen bieten kein ausreichend hohes Schutzniveau vor dem digitalen „Gelddrucken“ und gerade ein nationales Zahlungssystem ist für fremdstaatliche Angriffe prädestiniert.
  2. Für die Nutzung der Secure Elements ist es zwar notwendig, dass Smartphone-Hersteller dafür ihre Genehmigung erteilen. Man kann nicht einfach „irgendwelche“ Apps auf dem Sicherheitschip installieren, denn das würde die Sicherheitsgarantien unterlaufen. Aber die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetzgebung sieht vor, dass Hersteller – auch außereuropäische – ihre Geräte für die Sicherheitsfunktionen des digitalen Euro öffnen müssen. Die EZB steht mit den Herstellern im Austausch.5Siehe EZB: “Second progress report on the digital euro preparation phase”, Dezember 2024, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/progress/html/ecb.deprp202412.en.html. Beispielsweise hat Apple in der Vergangenheit, auch im größeren Kontext des Digital Market Acts, ihre Geräte für alternative Zahlverfahren geöffnet.6Finextra: “Norway’s Vipps launches world’s first Apple Pay rival for iPhone”, 10.Dezember 2024, https://www.finextra.com/newsarticle/45188/norways-vipps-launches-worlds-first-apple-pay-rival-for-iphone.

Davon unbenommen können Wallets für den digitalen Euro auch auf den Zahlungskarten europäischer Banken angeboten werden, was die letzten Vorbehalte hinsichtlich europäischer Infrastruktur ausräumen sollte.

Die Bedenken

Von technischer Seite gibt es aber noch weitere Bedenken. So wird vorgebracht, dass die oben geschilderte Offlinefähigkeit („intermittently offline“) mathematisch nicht möglich sei. Tatsächlich gibt es bei verteilten Systemen das sogenannte CAP-Theorem. Dieses besagt, dass ein Netzwerk nicht gleichzeitig konsistent (consistent), verfügbar (available) und resilient (partition tolerant) gegen Verbindungsabbrüche sein kann (lediglich zwei der drei Eigenschaften könnten erfüllt werden). Angewendet auf CBDC folgern nun manche, dass Offlinefähigkeit prinzipiell nicht funktionieren könne. Diese Schlussfolgerung fußt aber auf einer falschen Interpretation des Theorems. Wie die nachfolgende Grafik illustriert, muss man sich in der Tat für eine der drei Seiten des Dreiecks entscheiden. Banknoten sind offlinefähig, aber bei Verlust nicht wiederherstellbar. Schecks sind ebenso offlinefähig, aber erlauben es, mehr Geld auszugeben als man auf dem Konto hat. Debitkarten wiederum sind wiederherstellbar, aber nicht offlinefähig.

CAP-Theorem als Dreieck mit offlinefähig als einem, wiederherstellbar als zweitem und "kein doppeltes Ausgeben" als drittem Eck, mit Scheck zwischen ersten beiden, also sowohl offlinefähig als auch wiederherstellbar, Debitkarte sowohl wiederherstellbar als auch ohne double spending, Banknote sowohl offlinefähig als auch keine Möglichkeit doppelten Ausgebens, aber jeweils ohne die dritte EIgenschaft.

Abbildung 3. Das Dreieck der gewünschten Eigenschaften von Zahlungsmethoden

Der digitale Euro würde sich als ihre digitale Entsprechung wie die Banknoten positionieren: Der Vergleich von Secure Elements mit den proprietären Farben und Drucktechniken bei Banknoten als Sicherheitsmerkmalen liegt daher nahe. Da Banknoten (wie auch beispielsweise Pässe) staatliche Hoheitszeichen sind, die die Autorität und Legitimität eines Staates repräsentieren, ist die Fähigkeit, sie im analogen wie digitalen Raum schützen zu können, essenziell.

Die fehlende Wiederherstellbarkeit des digitalen Euro ist dabei ein Zeugnis von hohen Datenschutzstandards. Denn wie beim Bargeld haben weder die EZB noch Banken einen Einblick, welcher digitale Euro sich gerade in welcher Wallet befindet.

Zentralbanken sind in einer guten Position, sichere und datenschutzfreundliche, öffentliche Infrastrukturen für den Zahlungsverkehr aufzubauen. Regulierung und gemeinsame Standards sorgen dafür, dass Geräte verschiedener Hersteller und Apps verschiedener Banken nahtlos zusammen funktionieren können.

Das Netz und der doppelte Boden

Trotzdem sind Wallets nicht für immer offline, aus zweierlei Gründen.

Erstens ist es zur Erhöhung der Sicherheit wichtig, dass die Wallets periodisch einen sogenannten Integritätscheck durchführen, um das auf der Wallet vorhandene Geld auf Echtheit zu prüfen. Außerdem würde eine als gestohlen gemeldete Wallet deaktiviert. Im Regelfall geschieht dies nahtlos, beispielsweise wenn ich, nachdem das Geld ausgegeben ist, neues Geld herunterlade. Manipulationen würden spätestens hier auffallen, wodurch der Wirkradius von potenziellen Angriffen drastisch eingeschränkt wird.

Zweitens gibt es ein Interesse daran, dass mit dem digitalen Euro kein Geld gewaschen werden kann. Im Gegensatz zum Geldkoffer, der mit zunehmendem Inhalt unhandlich wird, ist der Betrag beim Digitalgeld lediglich eine Zahl: in Kombination mit anonymen Offlinezahlungen ein Rezept für Desaster. Die EZB sieht daher strenge Limits vor. So ist ein generelles Haltelimit von 3000 € vorgesehen. Transaktionslimits könnten hinzukommen. 

Das Fazit

In der Gesamtschau ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Sicherheitsarchitektur von offlinefähigen Digitalwährungen verfügt über mehrere Ebenen: angefangen von der Hardware über kryptografisch sichere Kommunikationsprotokolle bis hin zum Integritätscheck durch die Zentralbank. .

Der digitale Euro gleicht als Zentralbankgeld dem Bargeld, nicht einem klassischen Konto. Geeignete Interfaces sorgen für die Integration mit sicherer Hardware und gleichzeitigen Bedienkomfort. Hierzu können Bank-Apps dienen, die zusätzliche Leistungen anbieten könnten.

Die immer wieder vorgebrachten technischen Bedenken können durch praktische Erfahrungen sowohl in existierenden CBDC-Projekten als auch in der freien Wirtschaft (breite Industrie) ausgeräumt werden. Secure Elements sind etablierte Vertrauensanker, die längst für kritische hoheitliche Aufgaben im Einsatz sind und daher auch für den digitalen Euro relevant.

Zu weiteren Beiträgen im eFin-Blog-Dossier Digitaler Euro

Zurück zur Startseite des Blogs

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

Kategorien
Autor: Leo Wittmann eFin-Blog Farbe: blau

NGI Taler und die Zukunft des digitalen Bezahlens

NGI Taler und die Zukunft des digitalen Bezahlens

Leo Wittmann im Interview mit Eneia Dragomir

23. Oktober 2024

Bezahlvorgänge finden zunehmend online bzw. digital statt. Das Taler Bezahlsystem ist mit dem Anspruch angetreten, Eigenschaften des Bargelds, wie anonymes Bezahlen, im digitalen Raum zu ermöglichen. Mit dem NGI Taler möchte die GLS Gemeinschaftsbank mit zehn weiteren Partnern dieses Bezahlsystem allgemein zugänglich machen. Wir haben mit Leo Wittmann von der GLS Bank über das Projekt, über die Einbindung der Zivilgesellschaft sowie über Micropayments gesprochen.

Herr Wittmann, warum interessiert sich die GLS Bank für das Taler-Bezahlsystem?

Wir sehen in GNU Taler ein Mittel, um selbstbestimmt online zu bezahlen. Und das ist beim digitalen Bezahlen vor allem eine Frage der informationellen Selbstbestimmung. Wir begreifen die Privatsphäre nicht als Hindernis, sondern als etwas Schützenswertes. Das Taler-System ermöglicht, in Echtzeit kostengünstig online zu bezahlen, während die Anonymität der Zahlenden wie beim Bargeld gewahrt bleibt. So möchten wir zur Zukunftssicherheit unserer Zahlungsinfrastruktur beitragen.

Was meinen Sie mit „Zukunftssicherheit“?

Das Bargeld ist die Basisinfrastruktur, die die EZB bereitstellt. Mit Bargeld kann man bislang aber nur im physischen Raum bezahlen – im Supermarkt oder am Kiosk zum Beispiel. Aber immer mehr Kaufvorgänge verschieben sich in den digitalen Raum. Genauso sollten wir die Qualitäten des Bargelds, wie Anonymität, in den digitalen Raum übertragen. Taler garantiert den Nutzer:innen technische Anonymität. Und wenn man auf die bisherigen Angebote am Markt schaut, dann steht das Taler-System mit dieser Eigenschaft ziemlich allein da.

GNU Taler, auf dem NGI Taler aufbaut, wurde schon als Grundlage für die Umsetzung einer digitalen Zentralbankwährung ins Spiel gebracht und auch die NGI Taler-Webseite thematisiert die Diskussionen um den Digitalen Euro. Das NGI-Taler-Projekt hat damit aber erstmal nichts zu tun, oder?

Genau. GNU Taler als Technologie kann auf verschiedene Weise verwendet werden: zur Umsetzung einer CBDC durch eine Zentralbank, zur Digitalisierung von Giralgeld oder als klassisches Zahlverfahren für den Privatsektor, wie wir das mit unserem Projekt vorhaben.

Wir haben grundsätzlich keine Aversion gegen den Digitalen Euro. Wir haben einen anderen Ansatz, aber GNU Taler und der Digitale Euro nehmen sich die Digitalisierung des Bargelds vor und sind deswegen eher als parallele Ansätze zu betrachten.

Ein Smartphone, auf dessen Display Münzen zu sehen sind - wie sieht die Zukunft des digitalen Bezahlens aus?
Wie sieht die Zukunft des digitalen Bezahlens aus? Bild: Erstellt mit Adobe Firefly.

Dennoch wird auf der Webseite das Taler-System als eine „privacy-respecting“ Alternative zu CBDCs in Spiel gebracht, die keiner „invasive practices“ bedürfe …

Die Schaffung anonymer Zahlungsmethoden im digitalen Raum halten wir für absolut notwendig. Wir schauen daher positiv auf alle Versuche, eine digitale Zentralbankwährung zu entwickeln, die diese Qualität des Bargelds online ermöglicht. Wenn wir uns aber die Zahlungsinfrastrukturen anschauen, die nach dem Bargeld gekommen sind, sehen wir einen beständigen Abbau der Privatsphäre. Es ist daher wichtig, dass die EZB ihre Aufgabe hinsichtlich dieser Basisstruktur erkennt und nicht den Status quo reproduziert, mit einer Art EZB-PayPal, das die Privatsphäre der Nutzer:innen ebenso exponiert wie Privatunternehmen. Das ist aber leider nicht die Entwicklung, die wir wahrnehmen. Die vorgestellten Konzepte für den Digitalen Euro gewährleisten keine technische Sicherung der Anonymität.

Weil wir diese Entwicklungen so wahrnehmen, ist NGI Taler nicht nur das Umsetzungsprojekt, um GNU Taler für alle verfügbar zu machen. Das Projekt soll auch die Diskussion um das digitale Bezahlen mitgestalten. Wir haben den Anspruch, eine der Stimmen zu sein, die die EZB daran erinnert, welche Eigenschaften des Bargelds beizubehalten sind.

Inwiefern wird die EZB dem nicht gerecht?

Das zeigt sich darin, dass die Anonymität zu einer Frage der politischen Ausgestaltung gemacht wird, statt sie durch das technische Design des Digitalen Euro zu garantieren. Wenn man auf andere Bereiche der Politik der EU-Kommission schaut, dann sehen wir, dass die Wahrung der Anonymität auch infrage gestellt wird, Stichwort: Chatkontrolle. Wenn es um das Zahlungssystem geht, das 400 Millionen Menschen nutzen sollen, sollte die Anonymität nicht nur von einer Absichtserklärung abhängen, sondern auch technisch garantiert sein. Das ist eine Frage der Resilienz der Zahlungsinfrastruktur. Das Taler-System würde Anonymität auch dann gewährleisten, wenn sich politische Strömungen durchsetzten, die die Anonymität der Zahlungen aufheben wollen.

Wenn Sie von „Resilienz“ sprechen, meinen Sie nicht die Möglichkeit einer Naturkatastrophe oder einen technischen Ausfall, sondern gewissermaßen eine politische Katastrophe?

Die technische Resilienz ist auch ein relevanter Faktor bei digitalen Formen des Bezahlens: Was ist, wenn der Strom ausfällt oder das Internet? Solche Überlegungen unterstreichen die Existenzberechtigung des Bargelds. Aber, insoweit es um die Sicherung der Anonymität geht, geht es einerseits um Persönlichkeitsrechte und mit Blick auf die aktuelle politische Entwicklung auch um einen Schutz vor autoritären Regierungen.

Auch so genannte Kryptowährungen werden auf der NGI Taler-Webseite genannt. Zu den Versprechen von blockchain-basierten Systemen wie Bitcoin gehört die Sicherung der Anonymität. Warum halten Sie diese Systeme nicht für zufriedenstellende Lösungen?

Da stellen sich verschiedene Probleme: Erstens gewährleisten Bitcoin und andere Kryptowährungen keine Anonymität, sondern allenfalls eine Pseudonymisierung. Wenn man die pseudonymisierten Transaktionen nur lange genug verfolgt, die ja alle öffentlich auf der Blockchain abgelegt sind, und die Zahlungsflüsse das Bitcoin-System wieder verlassen und in das klassische Geldsystem übergehen, dann findet dort wieder die Feststellung der Identität statt – und spätestens dann wird die Anonymität aufgehoben.

Zweitens streben wir als GLS Bank ökologische Nachhaltigkeit an. Kryptowährungen, zumindest die prominenten Beispiele, sind jedoch nicht ökologisch nachhaltig. Drittens stellen Kryptowährungen in Hinblick auf die Transaktionskosten und die Transaktionsraten, also die Geschwindigkeit von Zahlungen, keine guten Lösungen dar. Bitcoin eignet sich beispielsweise nur für größere Summen, da die Transaktionskosten für kleine Zahlungen viel zu hoch sind. Auch der so genannte hard cap, also die Festlegung, dass es nicht mehr als 21. Mio. Bitcoin geben darf, schränkt die Eignung von Bitcoin als Zahlungssystem erheblich ein, weil dem System die für den Zahlungsverkehr nötige Elastizität fehlt.

Ein weiteres Problem solcher Systeme besteht darin, dass wir im regulierten Finanzumfeld ganz konkrete Verantwortlichkeiten haben, die sich auf verteilte, also dezentrale Systeme nicht einfach übertragen und umverteilen lassen. Selbst wenn im regulierten Finanzbereich die Blockchain zur Anwendung kommt, fährt man häufig doppelspurig: Man hat eine Blockchain, aber man hat zugleich Systeme, mit denen man den regulatorischen Verantwortlichkeiten nachkommt.

NGI Taler soll vor allem im Micropayment-Bereich eine Rolle spielen. In einem anderen Interview haben Sie Verlagswesen, Presse und Gesundheitswesen genannt. Wie haben Sie diesen Bedarf festgestellt? Ist er an Sie herangetragen worden? Und warum sind gerade diese Bereiche interessant?

Der Bedarf ist uns aus der Community gemeldet worden, aus der sich das NGI Taler-Konsortium gebildet hat. Das Taler-System ist für Micropayments besonders geeignet, weil es in der Abwicklung sehr wirtschaftlich ist. Die technische Infrastruktur ist so anspruchslos, so schlank, dass wir Transaktionsraten, also eine Geschwindigkeit und Menge von Zahlungen, erreichen, die weit über dem liegen, was mit klassischen Systemen möglich ist. So können wir ganz neue Marktsegmente erschließen. Micropayments sind mit klassischen Zahlverfahren, aber auch mit PayPal nicht wirtschaftlich möglich, mit Kryptowährungen schon gar nicht. Wenn ich zum Beispiel eine App für 50 Cent verkaufen möchte, dann ist das wirtschaftlich kaum möglich, wenn ich Verfahren verwende, bei denen ich 10 Cent an Gebühren zahlen muss. Das verschlimmert sich, wenn eine Plattform zwischengeschaltet ist, die weitere Gebühren verlangt.

Wir glauben, dass wir mit dem Projekt die Finanzierungsmöglichkeiten von Künstler:innen, Kreativschaffenden, aber auch von Presseerzeugnissen und Journalist:innen erweitern können: Sie müssen ihre kreativen Erzeugnisse nicht mehr hinter einem Abo-Modell verstecken oder auf freie, dafür aber werbefinanzierte Modelle setzen, die dann wieder Probleme, wie Tracking, aufwerfen. Stattdessen können sie auf kleine Spenden setzen oder jeden Artikel direkt monetarisieren. Und das kommt auch den Konsument:innen zugute, denn die sind vielleicht auch daran interessiert, verschiedene Artikel von verschiedenen Zeitungen zu lesen. So möchten wir den Möglichkeitsraum in einer Weise erweitern, die nicht zu Lasten der Anbietenden geht, die sonst häufig allein die Gebühren schultern müssen.

Haben auch Privatkund:innen den Wunsch an Sie herangetragen, anonym digital bezahlen zu können?

Ja, dieser Bedarf wurde uns schon vor dem Start des Projekts gemeldet, schon 2019, als es noch um ganz andere Fragen ging. Schon damals haben wir zum Taler-Projekt Kontakt aufgenommen und uns angesehen, wie das System funktioniert. Den ersten Piloten haben wir 2021/22 getestet. Und wir sind da schon im Rahmen von quantitativen und qualitativen Interviews und mit Umfragen mit unseren Kund:innen in den Austausch gegangen. In diesen Umfragen hatte sich abgezeichnet, dass Privatsphäre und Anonymität gerade in unserer Kundschaft besonders hoch gewertet werden. Dass Privatsphäre und Anonymität den Menschen wichtig sind, haben auch die Umfragen der EZB bestätigt. Und das NGI Taler-Projekt erfährt immer noch sehr hohen Zuspruch.

Sie sagten in einem Interview in Bezug zur Gestaltung des Digitalen Euro, man sehe die Zivilgesellschaft nicht. Inwiefern ist das der Fall? Und wie kommt die Zivilgesellschaft in Ihrem Projekt ins Spiel?

Die EZB hat zwar Umfragen durchgeführt, aber man kann sich schon fragen, inwieweit solche Umfragen einen Austausch mit der Zivilgesellschaft darstellen. Auch die Workshops, die die Bundesbank ausgerichtet hat, hatten einen beschränkten Umfang.

Unser Projekt ist ganz anders angelegt. Die elf Mitglieder unseres Konsortiums sind sehr heterogen: Nur zwei Mitglieder sind Banken, neben der GLS Bank ist das die ungarische MagNet Bank. Unter den anderen Mitgliedern sind zwei Universitäten, verschiedene Unternehmen sowie Akteure aus der Zivilgesellschaft, auch aus dem netzpolitischen bzw. netzaktivistischen Bereich. Zum Beispiel Homo Digitales aus Griechenland, die Mitglied im Netzwerk European Digital Rights sind, oder die E-Seniors Association. Diese Stimmen fließen bei NGI Taler nicht erst nachträglich ein, sondern haben das Projekt und seine Strategie von Anfang an mitgestaltet.

Wie hat sich dieses heterogene Konsortium zusammengefunden? Gab es schon vor dem NGI Taler-Projekt Verbindungen?

Das waren tatsächlich Verbindungen, die bereits zuvor bestanden haben, und die für das Projekt aktiviert oder reaktiviert wurden. Dazu kam Taler Systems, das Schweizer Unternehmen, das das GNU Taler-System maßgeblich entwickelt. Mit Code Blau aus Berlin haben wir zuvor schon zusammengearbeitet. Auch mit der Berner Fachhochschule hatten wir schon Verbindungen und unsere Beziehungen zu den Akteur:innen aus der Finanzindustrie oder dem Bankenwesen haben wir als GLS Bank eingebracht. Das Konsortium hat sich also sehr organisch aus bestehenden Netzwerken zusammengesetzt.

NGI steht für Next Generation Internet – was ist das für ein Projekt und wie fügt sich das Taler-Bezahlsystem da ein?

Next Generation Internet ist eine Initiative der Europäischen Union im Rahmen des Horizon Europe-Projekts. Ziel der Initiative ist es, die Entwicklung eines menschenzentrierten Internets basierend auf Open-Source-Software voranzutreiben. Und was sowohl die EU als auch wir glauben – und was in der Förderung unseres Projekts zum Ausdruck kommt: faire Möglichkeiten des Bezahlens, die die Privatsphäre der Menschen schützen, müssen Teil dieses Internets der nächsten Generation sein.

Schlagworte, die im Zusammenhang mit dem NGI-Projekt immer wieder fallen, sind, „menschenzentriert“ und „demokratisch“. Was meint „menschenzentriert“ und inwiefern kommen Demokratiefragen ins Spiel?

Open Source oder freie Software wie Taler hat meines Erachtens etwas mit Demokratie zu tun, insofern als solche Eigentumsmodelle es ermöglichen, die Software anzuschauen, die unser tägliches Leben antreibt und am Laufen hält – vielleicht nicht Einzelpersonen, aber der Zivilgesellschaft. Es können Audits durchgeführt werden, die Software kann verändert und an bestimmte Bedürfnisse angepasst werden und sie kann vervielfältigt und breit zugänglich gemacht werden. Im Kontrast zu proprietären Anwendungen, also Software, die sich im Eigentum bestimmter Unternehmen befindet, ergibt sich daraus ein demokratisches Momentum.

Und was ist mit „menschenzentriert“ gemeint?

Es geht uns darum, zu fragen: Was sind die Bedürfnisse der Menschen? Und im Bereich des Bezahlens sehen wir das Bedürfnis, nicht als getracktes Individuum behandelt zu werden, das über gezielte Werbung gut monetarisiert werden kann. Ich möchte online bezahlen können, ohne dafür meine Privatsphäre offenlegen zu müssen. Menschenzentriert ist NGI Taler dann in dem Sinne, dass das die gestaltenden Merkmale der Anwendung sind.

Wann soll es Ihren Kund:innen möglich sein, das Taler-System für Zahlungen zu nutzen?

Das Projekt ist auf 36 Monate angelegt und das Ziel ist, Taler business ready zu bekommen, sodass das Verfahren im regulierten Finanzumfeld eingesetzt werden kann. Das ist die Aufgabe des ersten Jahres. Sobald wir dieses Ziel erreicht haben, wollen wir Taler in einem öffentlichen Piloten testen. Und Mitte 2025 möchten wir eine größere Öffentlichkeit ansprechen und Taler in die Hände europäischer Nutzer:innen geben.

Herr Wittmann, vielen Dank für das Gespräch!

Zurück zur Startseite des Blogs

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

Kategorien
Autor: Christian Grothoff Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: hellblau Uncategorized

„Security through obscurity?” Die EZB und mögliche Design-Probleme des Digitalen Euro

„Security through obscurity?” Die EZB und mögliche Design-Probleme des Digitalen Euro

Christian Grothoff im Interview mit Eneia Dragomir – Teil 2

23. September 2024

Bezahlsysteme reichen weit in unseren Alltag hinein und werfen fundamentale datenschutzrechtliche Fragen auf. Wenn man solche Systeme konzipiert, sollte man so tun, als würde man sich selbst nicht über den Weg trauen, so Christian Grothoff. In Teil 2 des Interviews mit dem Experten für IT-Sicherheit und Taler-Initiator geht es um das Design einer CBDC sowie um mögliche Probleme des Digitalen Euro.

Herr Grothoff, das berühmte Bitcoin-White-Paper ist 2008 damit angetreten, die Banken, Zentralbanken und andere Third Parties aus dem Spiel zu nehmen. Taler will das nicht. Dennoch heißt es in einem Paper, die Zentralbanken sollten sich als böswillige Akteure imaginieren, wenn sie das System konzipieren. Warum?

Wir haben mit unserem Text auf ein Paper der Europäischen Zentralbank (EZB) geantwortet, in dem es sinngemäß hieß, wir sind eine öffentlich-rechtliche Institution, deswegen können Sie uns Ihre Daten anvertrauen, die EZB werde sie nicht verkaufen. Das erste Problem dabei: Die EZB ist keine rein öffentlich-rechtliche Institution. Das Eurosystem beinhaltet Griechenland und die griechische Zentralbank ist in privater Hand. Nicht alle Zentralbanken sind öffentlich-rechtliche Institutionen. Die Schweizer Nationalbank beispielsweise auch nicht. Sie hat zwar staatliche Aufgaben und ist staatlich reguliert, aber sie ist eine Aktiengesellschaft.

Das zweite Problem: Es ist schön, dass eine Behörde meint, dass sie zu den Guten gehört, aber vielleicht ist das irgendwann nicht mehr der Fall. Ich sollte daher mein System nie in der Annahme designen, dass ich zu den Guten gehöre. Wenn wir Systeme bauen, die so fundamentale Eingriffe ermöglichen, wie Bezahlsysteme, von denen die Wirtschaft abhängt, die aber auch in das Alltagsleben der Menschen hineinreichen, dann ist besondere Vorsicht geboten. Ich sollte immer den Fall berücksichtigen, dass ein Böser an meine Stelle tritt. Selbst, wenn ein Diktator an meine Stelle tritt, sollte nichts Schlimmes passieren können, selbst dann sollte der Datenschutz gegeben sein. Das ist der richtige Anspruch für das Systemdesign. Dass meine Daten verkauft werden, ist bei weitem nicht das größte Problem. Da sollte der Anspruch sein: Ich vertraue mir selbst nicht und baue das System entsprechend. So halten wir es auch mit dem Taler-System.

Wir laden alle ein, sich unser System anzusehen und nach Schwachstellen zu suchen: Alle Spezifikationen, der gesamte Quellcode, die gesamte Dokumentation, das ist im Netz für alle einsehbar. Alle können sich das ansehen und analysieren und Schwachstellen gerne veröffentlichen, damit wir sie beheben können. Es gibt bestimmt Fehler in der Software, aber maximale Transparenz ist das beste Mittel, das wir haben, um diese zu finden und zu beheben. Das macht die EZB leider anders: Der EZB-Sprecher wurde von einem unserer Mitarbeiter auf einem Forum in Wien gefragt, wie die EZB die Offline-Funktion des Digitalen Euro sicher machen möchte. Antwort: das ist geheim. „Security through obscurity?“, kommentierte mein Mitarbeiter. Sicherheit durch Geheimniskrämerei? Wikileaks und Edward Snowden haben gezeigt, dass selbst Geheimdienste nicht alle ihre Geheimnisse sichern können, aber der EZB wird das gelingen? Geheimhaltung bringt uns weder mehr Sicherheit noch eine vernünftige demokratische Kontrolle der Institution.

Wenn eine Zentralbank das Taler-Bezahlsystem nutzen würde, dann wäre es eine CBDC, also ein digitale Zentralbankwährung?

Genau, eine Retail-CBDC.

Sie haben in verschiedenen Papern die Pläne der EZB für den Digitalen Euro kritisiert. Das letzte ist 2022 erschienen. Gilt diese Kritik auch für den Verordnungsentwurf aus dem Juni 2023?

Auch die aktuellen Entwürfe sind schlecht. Ich sehe da ganz grundlegende Probleme: Der Digitale Euro, so wie die Pläne derzeit sind, bringt eigentlich niemandem einen Vorteil. Ein weiteres Bankkonto, nur diesmal bei der Zentralbank? Die meisten Menschen im Euro-Raum haben schon ein Bankkonto, als europäische Bürger haben wir ein Recht darauf. Brauchen wir ein weiteres Bankkonto? Mit 3.000 Euro Maximalguthaben und ohne Kredit? Bei meiner regulären Bank habe ich eine Einlagensicherung bis 100.000 Euro. In einem weiteren Konto sehe ich keinen Mehrwert.

Weiteres Problem: Für die Kunden sollen die Transaktionen kostenlos sein, für die Händler aber nicht. Für eine SEPA-Überweisung zahle ich heute auch schon nichts. Für die Händler, die dazu verpflichtet werden sollen, Digitale Euro anzunehmen, soll die Transaktion aber nicht kostenlos sein. Wer trägt die Kosten, die bei der Umstellung entstehen? Die Händler werden die Kosten auf die Preise umlegen. Millionen Händler im Euro-Raum werden diese Umstellung vornehmen müssen, innerhalb einer bestimmten Frist, die nicht allzu groß sein darf. Was werden dann die Dienstleister machen, die diese Umstellung vornehmen und die mit Aufträgen überrannt werden? Die Kosten für die technische Umstellung werden steigen, wenn nur wenige Dienstleister Millionen Kunden zeitnah umstellen sollen.

Ein weiteres Problem ist die Verknüpfung mit dem Konto, das man bei seiner Geschäftsbank hat. Warum? Weil auf dem Konto mit den Digitalen Euros nicht mehr als 3.000 Euro gehalten werden dürfen. Jeder Euro, der darüber liegt, soll automatisch auf mein Geschäftsbankkonto „fließen“, das ist die sogenannte Waterfall-Funktion. So soll verhindert werden, dass den Geschäftsbanken die Liquidität entzogen wird. Das leuchtet mir ein. Aber der Wasserfall geht auch in die andere Richtung: Wenn die Deckung des Kontos, auf dem ich Digitale Euro halte, nicht ausreicht, soll automatisch auf das Guthaben des Geschäftsbankkontos zugegriffen werden. Dadurch ergeben sich erhebliche Probleme: Was passiert, wenn mein Konto, auf denen ich Digitale Euro halte, gehackt wird? Dann wird mein Girokonto gleich von den Angreifern über den Wasserfall auch leergeräumt. Wer haftet dann dafür? Die Geschäftsbanken werden wohl kaum das Risiko auf sich nehmen. Und was, wenn das Girokonto ins Minus gezogen wird? Müssen die Geschäftsbanken automatisch Kredite vergeben? Und für die Geschäftsbanken ergibt sich durch das Onboarding auch ein Kostenproblem.

Inwiefern?

Die EZB will nicht selbst 300 Mio. Kunden onboarden – 300 Mio. Kunden prüfen bedeutet, 300 Mio. Personalausweise prüfen etc. Dafür wäre ein Filialnetz nützlich, das die EZB nicht hat. Die EZB will diesen Know-Your-Customer-Prozess an Payment Service Provider (PSP) auslagern, also an kommerzielle Anbieter. Welche kommerziellen PSP sollen diesen KYC-Prozess kostenlos für 300 Mio. Menschen durchführen? Es soll die Kunden ja nichts kosten. Die Eröffnung eines Bankkontos kostet eine Bank etwa 50 Euro. Welche kommerziellen Unternehmen werden das für potenziell 300 Mio. Menschen übernehmen, ohne den Kunden die Kosten zu berechnen?

Eine Antwort ist die europäische eID, also die europäische digitale Identität. Die ist aber erstens nicht ausgerollt und zweitens ist der Aufwand auch mit der eID nicht gleich null, denn auch die eID könnte gestohlen worden sein oder es gibt Probleme beim Vorgang. Und überhaupt ist die Frage nicht geklärt, ob wir die eID wirklich wollen. Die eID birgt erhebliches Überwachungspotential: Muss ich mich, wenn sie eingeführt wird, überall im Netz damit ausweisen? Haben wir diese Gefahr politisch diskutiert?

Zurück zur Kostenfrage: Neben der Kontoeröffnung sollen kommerzielle PSP auch den Kundensupport übernehmen, auch das soll für die Kunden kostenlos sein. Aber sie dürfen bei den Händlern Gebühren erheben. Damit der Digitale Euro attraktiv ist, sollen diese Gebühren gedeckelt werden. Jetzt sind zwei Fälle denkbar: Der Deckel ist zu hoch und der Digitale Euro ist für die Händler unattraktiv oder der Deckel ist zu niedrig, niedriger als die aktuellen Gebühren. Welches private Unternehmen steigt dann aber da ein? Als jemand, der sich mit IT-Sicherheit befasst, überlege ich mir, was könnte das Geschäftsmodell für die privaten Unternehmen sein? Ich darf bei den Kunden keine Gebühren erheben und die Gebühren für die Händler sind stark gedeckelt – wo verdiene ich da Geld? Es bleibt nur die Möglichkeit: Ich spare bei der Sicherheit. Und zwar nicht ein wenig, sondern im WireCard-Stil: gar keine Sicherheit. Sicherheitskosten gehören neben den Kosten für Compliance zu den höchsten Kosten im Bankenumfeld. Ich weiß nicht, wie die EZB sowohl hohe Sicherheit als auch niedrige Kosten erreichen will.

Mit dem Taler-Bezahlsystem können wir das erreichen, weil es technisch ganz anders aufgestellt ist: Die Kundenidentifizierung bleibt bei den Geschäftsbanken, das Double-Spending-Problem lösen wir durch Kryptografie und Anonymität stellen wir durch blinde Signaturen her. So kann ich Einiges einsparen. Der Digitale Euro soll aber kontenbasiert sein, es soll ein Bankkonto sein, also werden auch die Kosten eines Bankkontos anfallen.

Im Bezug zur Retail-CBDC wird die Möglichkeit von Offline-Zahlungen diskutiert. Eine taler-basierte CBDC soll aber „online only“ sein. Warum?

Das Problem bei Offline-Zahlungen mit einer CBDC ist, wie bei anderem digitalem Bargeld, das schon angesprochene Double Spending: Wie verhindere ich, dass jemand seine elektronischen Wertbestände kopiert und doppelt ausgibt? Und die Antworten, die wir historisch kennen, raten zur Vorsicht: Wir haben die verschiedensten Arten des Digital Restrictions Managements (DRM), also des Kopierschutzes. Und was hat das gebracht? Waren die Film- und die Musikindustrie mit ihrem Kopierschutz erfolgreich? Nein! Man kann das Kopieren erschweren, aber mit genügend Aufwand geht es immer. Man muss auch kein Informatiker sein, um Filme oder Musik zu kopieren. Das Kopierproblem verschärft sich beim digitalen Bezahlen: Wenn die kriminelle Energie da ist, einen Film zu kopieren, wie groß ist dann die kriminelle Energie, Geld selbst zu drucken? Dazu kommen noch geopolitische Interessen: Wenn Russland der Wirtschaft der EU schaden könnte, indem es Trillionen von Digitalen Euros druckt, wäre es blöd, das nicht zu tun. Es geht also nicht nur darum, dass Privatleute mit beschränkten Ressourcen versuchen könnten, eine CBDC zu kopieren, sondern wir müssen damit rechnen, dass staatliche Akteure mit großem Budget und guter Technik das versuchen werden.

Und deswegen sollte mit einer CBDC nur online gezahlt werden können?

Ja, denn die einzige effektive Möglichkeit, das Kopieren zu verhindern, ist das Digital Watermarking: Ich markiere jede Kopie mit einem mehr oder weniger eindeutigen Siegel, das sagt, „diese Kopie hatte ich dem Herrn Müller gegeben“. Und wenn Herr Müller Kopien anfertigt, dann weiß ich, dass es seine Kopien sind. Jetzt kommt das Problem mit dem Offline-Modus ins Spiel: Die Europäische Zentralbank (EZB) sagt, das Offline-Zahlen wird vollanonym sein. Dann kann ich aber nicht mehr feststellen, dass es Herr Müller war, der die Kopien gemacht hat, denn er war anonym. Und selbst ohne Anonymität gibt es dann noch das Enforcement-Problem. Ein denkbarer Fall wäre: Eine Person in der Familie steht kurz vor dem Tod, ich kopiere ihr Geld, sie verstirbt und ich bringe das kopierte Geld in Umlauf. Selbst wenn der Bezahlvorgang nicht anonym ist, wie soll die EZB das kopierte Geld von der verstorbenen 90-jährigen Oma zurückbekommen? Eine dritte Möglichkeit, das entstehende Problem zu lösen: Die EZB kann dem Händler, der kopiertes Geld entgegengenommen hat, schlicht sagen, dass es doppelt ausgegeben wurde und er Pech gehabt hat und auf seinen Kosten sitzen bleibt. Das kann auch bei Kreditkartenzahlungen passieren: Wenn jemand mit einer gestohlenen Kreditkarte bei einem Händler bezahlt, der gerade offline ist, kann es sein, dass die Kreditkartenfirma dem Händler sagt, „Die Karte war schon gesperrt, Du hast das nicht geprüft, Du bleibst auf Deinen Kosten sitzen.“ Die EZB verspricht aber hohe Sicherheit. Das Erste, was ich von einem sicheren digitalen Bezahlsystem erwarten würde, wäre, dass, wenn mir mein Computer sagt, „Du hast das Geld bekommen“, dass ich das Geld auch wirklich bekommen habe. Das ist aber im Offline-Modus schlicht nicht möglich.

Wir wissen, dass es trotz der DRM-Maßnahmen möglich sein wird, digitale Daten zu kopieren. Man könnte auch Taler offline nutzen, dann können wir aber auch nicht garantieren, dass die Daten nicht kopiert sind bzw., dass das Geld, das ich erhalte, nicht doppelt ausgegeben wurde. Das muss man den Leuten erklären: Das Offline-Bezahlen mit digitalem Cash ist möglich, aber nicht sicher und anonym.

Im Katastrophenfall könnten wir das Risiko hinnehmen. So macht man das in Japan beispielsweise mit der Bezahlkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel: Kommt es zu einem Erdbeben und ist das System offline, dann funktioniert die Karte trotzdem, damit die Leute nachhause kommen können. Man rechnet damit, dass es in wenigen Fällen zu Betrug kommen wird, aber wichtiger ist, dass die Menschen nach Hause kommen können. Im Katastrophenfall wird also Menschlichkeit gegenüber korrekter Abrechnung priorisiert.

Die EZB betont immer wieder, der Digitale Euro wird erst nach einem politischen Beschluss eingeführt. Haben Sie noch Hoffnung, dass der Digitale Euro doch noch als token-basiertes System umgesetzt wird?

Während die EZB das verspricht, hat sie schon eine Ausschreibung für 1,3 Mrd. Euro gemacht, in der schon ganz konkrete Vorgaben genannt werden. Und auf diese Ausschreibung konnten sich nur Unternehmen mit einem Mindest-Jahresumsatz von 10 Mio. Euro bewerben. Kleine Akteure, die angeblich auch gefördert werden sollen, sind also schon aus dem Spiel. Die Ausschreibung hatte eine Frist von sechs Wochen, die kürzeste mögliche legale Frist. Man kann doch nicht sagen, wir machen nichts ohne politischen Beschluss und gleichzeitig Gelder für die technische Umsetzung vergeben, die an enge technische Vorgaben geknüpft sind. Damit werden Fakten geschaffen. Und von einem token-basierten Ansatz ist in der Ausschreibung nichts zu finden. Dass die EZB nach einem politischen Beschluss auf einen grundlegend anderen Ansatz umschwenkt, ist nicht zu erwarten.

Ich glaube, dass man sich nur nach einem Scheitern der aktuellen Pläne Hoffnungen darauf machen kann, dass ein token-basierter Ansatz verfolgt wird. Erst wenn der Digitale Euro entweder politisch oder ökonomisch oder technisch gescheitert ist, haben wir aus meiner Sicht eine Chance, eine ordentliche politische Debatte darüber zu führen, was wir eigentlich als Gesellschaft haben wollen. Vielleicht könnte es dann in 15 Jahren einen neuen Anlauf geben. Und dann können wir sehen, ob es mit der Tokenisierung was wird oder nicht.

Herr Grothoff, vielen Dank für das Gespräch.

Zurück zur Startseite des Blogs

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

Kategorien
Uncategorized

1.8. Der digitale Euro und die Europäische Zentralbank

Cover zur Folge 1.8.

Wenn der digitale Euro eingeführt wird, wird er von der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zentralbanken des Eurosystems bereitgestellt. Die genaue Ausgestaltung dieser digitalen Währung ist jedoch noch Gegenstand intensiver Diskussion und wird voraussichtlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die EZB beschäftigt sich jedoch bereits seit mindestens 2020 mit der Untersuchung einer solchen CBDC oder eben eines digitalen Zentralbankgeldes. Im vergangenen Herbst wurde eine erste Vorbereitungsphase eingeläutet und gewisse Pfadentscheidungen lassen sich mittlerweile ablesen.

In diesem Zusammenhang werfen einige Kritiker der EZB vor, den Interessen der Geschäftsbanken zu sehr entgegenzukommen. Gleichzeitig sind gerade diese Geschäftsbanken diejenigen, die am lautesten warnen und behaupten, dass ein digitaler Euro zu stark in den Zahlungsmarkt eingreifen und ihr Geschäftsmodell gefährden würde. Diese Folge des Digitalgelddickichts wirft daher einen Blick auf das Mandat und die Aufgaben der EZB und erklärt, warum und wie sie bereits am digitalen Euro arbeitet. Im Gespräch mit Jürgen Schaaf, einem Berater der Generaldirektion für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der Europäischen Zentralbank, möchten wir herausfinden, wie die EZB beim Projekt „Digitaler Euro“ mit der EU-Gesetzgebung, der Finanzindustrie und der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet, inwieweit sie deren Kritik berücksichtigt und was sie ihr entgegnet.

Digitalgelddickicht Staffel Digitaler Euro – Folge 8 | 29. April 2024

Gäste

Jürgen Schaaf ist seit November 2019 Berater der Generaldirektion des Geschäftsbereichs Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr bei der Europäischen Zentralbank. Zuvor war er Berater des Direktoriums der EZB und Sekretär des Projektteams für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM). Bevor er zur EZB kam, war er persönlicher Berater des Gouverneurs der Banque Centrale du Luxembourg. Zuvor war er bei der Börsen-Zeitung und als Senior Economist bei der Deutschen Bank tätig. Er hat Wirtschaftswissenschaften in Marburg und Canterbury studiert und an der Philipps-Universität Marburg in Volkswirtschaftslehre promoviert.

Cornelia Manger-Nestler ist Professorin für Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht an der HWTK Leipzig, spezialisiert auf Währungsrecht. Studiert und gearbeitet hat sie zuvor an der TU Dresden und TU Chemnitz, wo sie auch zur Rolle der Deutschen Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken promoviert hat. Sie betreut aktuell zudem, unter anderem ein Forschungsprojekt zu Rechtsfragen des digitalen Euro.

Markus Ferber ist Diplomingenieur, seit 1990 durchgehend Vorstandsmitglied und von 2005 bis 2023 Vorsitzender der CSU Schwaben. Seit 1994 ist er durchgehend Mitglied des Europäischen Parlamentes. Er ist dort Mitglied der EVP–Fraktion, also der Europäischen Volkspartei und seit 2009 auch Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Zwischen 2014 und 2018 fungierte er als dessen stellvertretender Vorsitzender und seitdem als der Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss. Seit 2020 ist er Vorsitzender der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Henrike Hahn ist Politologin und war als Unternehmensberaterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im bayerischen Landtag und Bundestag tätig. Seit 2012 ist sie aktives Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen Bayern, unter anderem als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen und Vorstandsmitglied. 2019 wurde sie Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort ist sie Vollmitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, sowie stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss. Für ihre Fraktion „Die Grünen/EFA“ ist sie Verhandlungsführerin und Schattenberichterstatterin zum digitalen Euro.

Joachim Schuster ist promovierter Politikwissenschaftler und war bis 2006 in der Forschung, im Wissenschaftsmanagement und in der Politikberatung tätig. Seit 1999 für die SPD Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft, war er von 2006 bis 2012 Bremer Staatsrat für Arbeit, Jugend und Soziales sowie später für Gesundheit und Wissenschaft. 2014 zog er ins Europäische Parlament ein. Der S&D-Fraktion zugehörig ist er seit 2019 Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Im Vorstand der deutschen Sozialdemokrat:innen ist er verantwortlich für die Zusammenarbeit mit der SPD-Bundestagsfraktion

Weiterführende Informationen und Quellen

Panetta, Fabio: Letter to several MEPs on the request to postpone the decision on the digital euro, 6. Oktober 2023 ( nur in Englisch).

Bollen, Thomas / Fanta, Alexander: Warum die Großbanken Angst vor dem digitalen Euro haben und wie sie gegen ihn lobbyieren, voxeurop Deutsch, 18. April 2024.

Aufzeichnung der Sitzung des EU-Ausschusses für Währung und Wirtschaft (ECON) zum Digitalen Euro mit Piero Cipollone, Direktoriumsmitglied der EZB, vom Nachmittag des 14. Februar 2024.

Empfehlung für Überblicksinformation zum digitalen Euro seitens der EZB: Häufig gestellte Fragen zum digitalen Euro, EZB-Webseite (abgerufen am 29. April 2024).

Alle Folgen des Digitalgelddickichts

Alle ZEVEDI-Podcasts

Creative Commons Lizenzvertrag

Kategorien
Uncategorized

1.7. Der digitale Euro – Im Maschinenraum der EU

Cover der Folge 1.7.

Diese Folge des Digitalgelddickichts fragt – mit einem Seitenblick auf die kommende Europawahl:  Wie genau kommt es, insbesondere beim digitalen Euro, in Brüssel eigentlich zur finalen Gesetzgebung? Welche Schritte stehen noch aus? Wer hat wo welche Möglichkeiten zur inhaltlichen und strategischen Einflussnahme? Und welche Fallstricke gibt es auf dem Weg dahin? Welche Positionen gibt es im Parlament derzeit und welche Bedeutung hat die Europawahl? Welche Rolle spielen Ausschüsse und die sogenannten Berichterstatter:innen und Schattenberichterstatter:innen? Diesen Fragen widmen wir uns im Gespräch mit EU-Parlamentarier:innen.

Denn die EU-Organe entscheiden, ob ein solches digitales Zentralbankgeld (CBDC) überhaupt eingeführt wird. Und wenn ja, dann gibt Brüssel die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor, innerhalb derer ein digitaler Euro entwickelt werden muss. Das wird aber noch dauern. Denn wir befinden uns in der Frühphase des Gesetzgebungsprozesses, die Zielgerade ist noch lange nicht in Sicht. Das heißt aber auch: es kann noch so einiges passieren. Jede stichhaltige Diskussion zum digitalen Euro greift derzeit noch zurück auf den Verordnungsentwurf der EU-Kommission aus dem Juni 2023. Aber als nächster Schritt gilt es auf Ebene des Europäischen Parlamentes wie auch des Europäischen Rates jeweils eine mehrheitsfähige Position zu finden. Diese Folge wirft daher zunächst einen genaueren Blick in den zugänglichsten der Maschinenräume der EU: das Europäische Parlament und seine Ausschüsse.

Digitalgelddickicht Staffel Digitaler Euro – Folge 7 | 5. April 2024

Gäste

Damian Boeselager hat Wirtschaft und Philosophie studiert, als Unternehmensberater gearbeitet und gründete gemeinsam mit einer Italienerin und einem Franzosen 2017 Volt als paneuropäische Partei. Als Spitzenkandidat des deutschen Verbandes wurde er 2019 als einziger Volt-Abgeordneter in das Europäische Parlament gewählt. Dort gehört er der Fraktion der Grünen /EFA an und ist insbesondere Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen.

Patrick Breyer ist Jurist, Gründungsmitglied und seit 2012 aktiver Politiker der Piratenpartei Deutschland. Von 2012 bis 2017 war er Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein und von 2012 bis 2013 und 2016 bis 2017 zudem Fraktionsvorsitzender der Piratenfraktion. Als Spitzenkandidat der deutschen Piraten für die Europawahl 2019 sitzt er seitdem als einziger deutscher Abgeordneter seiner Partei im Europäischen Parlament. Er ist Mitglied der Fraktion der Grünen /EFA sowie Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.

Markus Ferber ist Diplomingenieur, seit 1990 durchgehend Vorstandsmitglied und von 2005 bis 2023 Vorsitzender der CSU Schwaben. Seit 1994 ist er durchgehend Mitglied des Europäischen Parlamentes. Er ist dort Mitglied der EVP–Fraktion, also der Europäischen Volkspartei und seit 2009 auch Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Zwischen 2014 und 2018 fungierte er als dessen stellvertretender Vorsitzender und seitdem als der Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss. Zudem ist er seit 2020 Vorsitzender der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Henrike Hahn ist Politologin und war als Unternehmensberaterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im bayerischen Landtag und Bundestag tätig. Seit 2012 ist sie aktives Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen Bayern, unter anderem als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen und Vorstandsmitglied. 2019 wurde sie Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort ist sie Vollmitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, sowie stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss. Für ihre Fraktion „Die Grünen/EFA“ ist sie Verhandlungsführerin und Schattenberichterstatterin zum digitalen Euro.

Joachim Schuster ist promovierter Politikwissenschaftler und war bis 2006 in der Forschung, im Wissenschaftsmanagement und in der Politikberatung tätig. Seit 1999 für die SPD Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft, war von 2006 bis 2012 Bremer Staatsrat für Arbeit, Jugend und Soziales sowie später Gesundheit und Wissenschaft. 2014 zog er ins Europäische Parlament ein. Der S&D-Fraktion zugehörig ist er seit 2019 Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Im Vorstand der deutschen Sozialdemokrat:innen ist er verantwortlich für die Zusammenarbeit mit der SPD-Bundestagsfraktion

Weiterführende Informationen und Quellen

Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des digitalen Euro, 28. Juni 2023.

Vorläufiger Bericht des EU-Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Einführung des digitalen Euro, 9. Februar 2024 (nur in Englisch).

Aufzeichnung der Sitzung des EU-Ausschusses für Währung und Wirtschaft vom Vormittag des 14. Februar 2024, siehe: Berichterstattung und Diskussion des Vorläufigen Berichtes zu Euro-Bargeld und Einführung des digitalen Euro ab 10:45.

Stellungnahme (Opinion) des EU-Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Einführung des digitalen Euro, 20. Februar 2024 (nur in Englisch).

Änderungsanträge (Amendments) 120-367 des EU-Ausschusses für Währung und Wirtschaft (ECON) zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Einführung des digitalen Euros, 21. Februar 2024 (nur in Englisch).

Änderungsanträge (Amendments) 368 – 725 des EU-Ausschusses für Währung und Wirtschaft (ECON)  zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Einführung des digitalen Euro, 21. Februar 2024 (nur in Englisch).

ZEVEDI-Podcast Digitalgespräch, Folge 48 mit Dominik Wendt: Der AI Act der EU: Wie er zustande kam und wie er KI reguliert, 5. März 2024.

Für die Europawahlprogramme der Parteien und ihre Positionen zum digitalen Euro konsultieren Sie bitte die Seiten der fraglichen Parteien.

Alle Folgen des Digitalgelddickichts»

Alle ZEVEDI-Podcasts

Creative Commons Lizenzvertrag

Kategorien
Uncategorized

1.5. Der digitale Euro – Geschäftsbanken in Gefahr?

Nach der Klärung des Verhältnisses des digitalen Euro zu konkurrierenden bzw. verwandten Zahlungsmitteln, wechselt der Fokus dieser Episode zu jenen Geldinstitutionen, deren Geschäftsmodell der digitale Euro ergänzen, verändern oder infrage stellen könnte: den Geschäftsbanken.

Vertreterinnen und Vertreter von Geschäftsbanken warnen vor einer unbedachten Veränderung der existierenden Wirtschafts- und Finanzordnung im Zuge der Einführung des digitalen Euro. Stimmen hingegen, die den Status quo kritisieren, sehen digitales Zentralbankgeld als mögliches Gegenmittel gegen die Krisenanfälligkeit unseres Finanzwesens – weniger als Heilmittel für Banken, sondern eher als Garant größerer Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger.

In dieser ersten von zwei Folgen zum Verhältnis des digitalen Euro zu den Geschäftsbanken beleuchten wir, inwiefern ein digitaler Euro die eingespielte Arbeitsteilung von Zentral- und Geschäftsbanken transformieren oder stören könnte. Sind digitale Bankenstürme – digital bank runs – wirklich zu befürchten oder doch viel Lärm um nichts?

Um das herauszufinden haben wir mit Vertretern des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) sowie der Deutschen Bank gesprochen. Wir haben auch eine Bandbreite diverser Stellungnahmen sowie eine Anhörung von Expertinnen und Experten in Brüssel Ende November zum Thema ausgewertet.

Staffel Digitaler Euro – Folge 5| 21. Dezember 2023

Gäste

Dr. Andreas Bley ist Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR).

Jens Holeczek leitet die Abteilung Digitale Zahlungssysteme beim Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken.

Manuel Klein ist Product Manager Blockchain Solutions & Digital Currencies in der Unternehmensbank der Deutschen Bank. In dieser Eigenschaft analysiert er auch die Auswirkungen digitaler Zentralbankwährungen auf die Bank.

Prof. Dr. Sebastian Omlor ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bankrecht sowie Rechtsvergleichung» an der Philipps-Universität Marburg und Gründungsdirektor des Marburger Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi)». Rechtsfragen des digitalisierten Finanzsektors bilden einen seiner Schwerpunkte. Er leitet zudem die ZEVEDI-Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt».

Weiterführende Informationen und Quellen

Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken»

LinkedIn-Profil des BVR»

• Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zum Legislativvorschlag der EU-Kommisssion zur Einführung eines digitalen Euro vom 28. Juni 2023: Deutsche Kreditwirtschaft fordert politische Leitplanken für einen digitalen Euro».

• Bundesverband der Deutschen Volks und Raiffeisenbanken: Die Digitalisierung des Euro: Chancen nutzen, Risiken begrenzen. Zielbild für ein europäisches Geldsystem der Zukunft», BVR-Position 2/2023.

Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2021», 2022, insbesondere S. 13-15.

Osman, Yasemin, Digitaler Euro – Eine Gefahr für kleine Banken?», Handelsblatt, 8. März 2023.

Person, Christian: Bank Run 2.0: Das Phänomen des Bankensturms im Spiegel des digitalen Wandels, eFin-Blog, 20. Dezember 2023.

Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des digitalen Euro», 28. Juni 2023.

Veblen Institute for Economic Reform und Positive Money Europe: A Digital Euro for the People», Position Paper, Juni 2022, insbesondere S. 11-12.

Deutsche Kreditwirtschaft: Erste Stellungnahme zum Legislativvorschlag der EU-Kommission zum digitalen Euro vom 28.06.2023», August 2023, insbesondere S. 2.

Veranstaltungsseite der Öffentlichen Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments vom 28. November 2023: https://www.europarl.europa.eu/committees/en/public-hearing-on-digital-euro/product-details/20231121CHE12405

Einführende Stellungnahmen aller vier geladenen Experten (in Englisch):

Ignazio Angeloni» (SAFE, Frankfurt am Main, und EHI, Florenz)

Miguel Fernández Ordóñez»

Marieke van Berkel», European Association of Co-Operative Banks (EACB)

Vicky van Eyck», , Positive Money Europe

Siehe auch das Youtube-Video des Statements» von Vicky van Eyck bei der Öffentlichen Anhörung auf dem Kanal von Positive Money Europe.

Videoaufnahme der Podiumsdiskussion: Digitaler Euro – Pro und Contra» vom 18. Juli 2022 im Rahmen der eFin-Ringvorlesung „Verstehen Sie Krypto“ an der Technischen Universität Darmstadt, unter anderem mit Marcus Härtel, Marktinfrastrukturexperte, Europäische Zentralbank.

Alle Folgen des Digitalgelddickichts »

Alle ZEVEDI-Podcasts

Creative Commons Lizenzvertrag

Kategorien
Uncategorized

1.4. Der digitale Euro – Wie der Stablecoin eines Datenkonzerns staatliche Währungen herausfordern kann

Cover zur Folge 1.4

Als Facebook (heute Meta) 2019 ein globales Stablecoin-Projekt namens Libra mitinitiierte, wurden die mit Währung und Geldpolitik befassten staatlichen Institutionen mit einem Schlag hellhörig – um nicht zu sagen: nervös. Das Vorhaben eines globalen, digitalen Plattformgeldes, das weltweit milliardenfach hätte genutzt werden können, erhielt seitens der Regulatoren auf beiden Seiten des Atlantiks massiven Gegenwind. Im Februar 2022 wurde das Projekt endgültig eingestellt.

Wird es daher auch kaum noch als Argument für oder wider einen digitalen Euro erwähnt, hat das Libra-Projekt die Pläne für einen digitalen Euro doch wesentlich mitinspiriert. Daher wirft das Digitalgelddickicht in dieser Episode einen Blick auf diese besondere Verbindung neuen digitalen Geldes und der Plattformökonomie: Was genau ist ein Stablecoin? Wie hätte der Stablecoin Libra funktioniert? Welche Hoffnungen und Befürchtungen waren mit Libra verbunden – und mit privatwirtschaftlichen Stablecoins generell? Und was für Aufgaben haben sich daraus hinsichtlich der Regulierung von Kryptowerten zum einen und digitalem Zentralbankgeld zum anderen ergeben?  

Staffel Digitaler Euro – Folge 4| 7. Dezember 2023

Gäste

Dr. Jonas Gross ist Wirtschaftswissenschaftler». Promoviert hat er an der Universität Bayreuth zu monetärer Ökonomie und digitalen Währungen. Er ist Mitgründer und Vorsitzender der Digital Euro Association (DEA) sowie Chief Operating Officer bei etonec, einem Unternehmen, das blockchainbasierte Zahlungslösungen anbietet. 

Prof. Dr. Sebastian Omlor ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bankrecht sowie Rechtsvergleichung» an der Philipps-Universität Marburg und Gründungsdirektor des Marburger Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi)». Rechtsfragen des digitalisierten Finanzsektors bilden einen seiner Schwerpunkte. Er leitet zudem die ZEVEDI-Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt».

Moritz Hütten ist Finanzsoziologe, Forschungskoordinator am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt und Doktorand» an der Universität Amsterdam.

Claus George ist Leiter für Digitalisierung und Innovation TxB bei der DZ BANK AG» und insbesondere mit neuen Zahlungs- und Geldformen befasst. Er war Mitglied der Arbeitsgruppe „Programmierbares Geld“ der Deutschen Bundesbank und des Finanzministeriums und Co-Autor des Basispapiers „Europa braucht neues Geld“(2021) der Deutschen Kreditwirtschaft.

Weiterführende Informationen und Quellen

Status Update» zum Stand des politischen Prozesses auf dem eFin-Blog.

European Central Bank, Crypto Asset Task Force:  Stablecoins: Implications for monetarypolicy, financial stability, market infrastructure and payments, and banking supervision in the euro area, Occasional Paper Series, No. 247, September 2020. Einzusehen als pdf hier».

John Oliver: Cryptocurrencies II (Sendung vom 24. April 2023): https://www.youtube.com/watch?v=o7zazuy_UfI

Hannah Murphy und Kiran Stacey: Facebook Libra: the inside story of how the company’s cryptocurrency dream died, Facebook Libra: the inside story of how the company’s cryptocurrency dream died», Financial Times, 10. März 2022.

Claus George:  Digitalzahlungen – gestern, heute, morgen», Vorlesung vom 25. Aril 2022, gehalten  im Rahmen der Citizen Lecture „Verstehen Sie Krypto“ im Sommersemester 2022 an der TU Darmstadt.

Ein kleiner Überblick zur Market in Crypto Assets Regulation (MiCA) z. B. in einem Artikel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Europäische MiCA-Verordnung: Regel-Fundament für Kryptowerte», 17. Mai 2023.

Alle Folgen des Digitalgelddickichts »

Alle ZEVEDI-Podcasts

Creative Commons Lizenzvertrag

Kategorien
Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: gelb Uncategorized

Anträge, Aussprache und Anschlusskommunikation – Der digitale Euro im Bundestag

Anträge, Aussprache und Anschlusskommunikation – Der digitale Euro im Bundestag

Ein Beitrag von Erik Meyer

20. November 2023

Die mögliche Einführung digitalen Zentralbankgelds (CBDC) in der Eurozone ist ein voraussetzungsvolles Unterfangen. Nachdem die Europäische Kommission im Juni 2023 einen Legislativvorschlag zur Schaffung des Rechtsrahmens dafür vorgelegt hat, hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Oktober 2023 eine weitere Weichenstellung verkündet, die die Deutsche Vertretung der EU-Kommission so resümiert: „In der Vorbereitungsphase wird die EZB nun ihre Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen, der Nutzererfahrung und der technischen Lösungen für einen digitalen Euro vertiefen, um sich auf dessen mögliche Entwicklung und Ausgabe vorzubereiten. Die Vorbereitungsphase beginnt am 1. November 2023 und wird voraussichtlich zwei Jahre dauern. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeiten und Analysen kann der EZB-Rat beschließen, auf die Erprobung eines möglichen digitalen Euro hinzuarbeiten.“1 Pressemitteilung» der Deutschen Vertretung der Europäischen Kommission

Auf diese Konstellation hat die Bundestagsfraktion der Union mit einem parlamentarischen Antrag reagiert. Ebenso hat die AfD-Fraktion zu dieser Initiative einen Antrag vorgelegt, und beide wurden am 8. November 2023 im Plenum debattiert. Die CDU/CSU-Fraktion will die „Abstimmung über den digitalen Euro im Bundestag bindend machen“, so der Titel des Antrags. Ausgangspunkt ist hier, dass der politische Prozess zur europäischen Rechtssetzung im vorliegenden Fall keine Dezision durch den Deutschen Bundestag vorsieht. Der Antrag verweist aber darauf, dass die „Herstellung eines Einvernehmens zwischen Bundestag und Bundesregierung bei wichtigen Fragen des Euro (…) unserer Gesetzgebung (…) keinesfalls fremd sind.“ Vor diesem Hintergrund werden vor allem zwei Forderungen gegenüber der Bundesregierung erhoben:

„1. sich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung dazu zu bekennen, der Einführung eines digitalen Euro im Rat der Europäischen Union nur dann zuzustimmen, wenn sich der Deutsche Bundestag zuvor für dessen Einführung ausgesprochen hat;

2. sich gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten für eine Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten einzusetzen“. (Drucksache 20/9133 -PDF»)

Hier wird primär eine prozedurale Absicht bezüglich der Beschlussfassung verfolgt. Demgegenüber positioniert sich die AfD-Fraktion auch inhaltlich ablehnend gegenüber dem Vorhaben und hat ihren Antrag mit „Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bewahren und Überwachung der Bürger durch digitales Zentralbankgeld verhindern“ betitelt. Sie verleiht damit ihrem Verdacht Ausdruck, dass trotz anderslautender Einlassungen aller administrativ Beteiligten und ebenso verfolgter regulatorischer Festlegungen des europäischen Gesetzgebers eine Abschaffung des Bargelds politisch intendiert wird. Der Antrag versucht diese Annahme durch Angabe diverser Indizien zu plausibilisieren. Gemäß der Argumentation, dass digitales Zentralbankgeld Zwecken wie staatlicher Überwachung diene und zur Abschaffung von Bargeld führe, wird von der Bundesregierung unter anderem gefordert:

„2. sicherzustellen, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZBs) des Eurosystems keine digitalen Zentralbankwährungen ausgeben dürfen;

3. sich auf europäischer Ebene gegen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung einzusetzen
(…)

7. noch bevor die EZB über die Einführung des digitalen Euros beschließt, eine Volksbefragung nach Art. 20 Abs. 2 GG darüber abzuhalten, ob die Bürger die Einführung eines digitalen Euros in der von der EZB dann vorgeschlagenen Ausgestaltung zustimmen oder nicht“. (Drucksache 20/9144 – PDF»)

Vom Rede- zum Arbeitsparlament

In der dazu anberaumten Bundestagsdebatte setzten sich die Redner:innen dann weniger mit den Details der beiden Anträge auseinander als mit übergeordneten Fragestellungen und Implikationen. Die dominante Konfliktlinie war dementsprechend pro oder contra digitaler Euro und artikulierte unterschiedliche Vorstellungen bezüglich dessen Ausgestaltung. Bis auf die AfD-Fraktion sowie fraktionslose Abgeordnete begrüßten alle Fraktionen die Initiative zur Einführung digitalen Zentralbankgelds mehr oder weniger. Bei der Positionierung gegen die Abschaffung von Bargeld bestand überwiegend Übereinstimmung. Allerdings differierte die Bewertung dessen respektive Spekulation darüber, was (supra-)staatliche Akteure und Zentralbanken mit einem digitalen Euro beabsichtigen. Die aufgeworfene Frage, ob das Verhalten der Bundesregierung im europäischen Gesetzgebungsprozess an die parlamentarische Mehrheitsmeinung zu binden sei, wurde unterschiedlich beurteilt. Gerade die Regierungsfraktionen vertraten die Auffassung, dass die in Deutschland vorgesehenen Verfahren parlamentarischer Beratung inklusive einer vorgesehenen Anhörung ausreichend seien. Einem gar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchgängig umzusetzenden Parlamentsvorbehalt fehle darüber hinaus schlicht die Rechtsgrundlage.

Auf der symbolischen Ebene waren Auftritte aus der AfD-Fraktion sowie der fraktionslosen Abgeordneten Cotar (Ex-AfD) bemerkenswert. Neben inhaltlichen Aspekten liegt das vornehmlich an der inzwischen etablierten Praxis, die Aufzeichnungen des Parlamentsfernsehens in den jeweiligen Social-Media-Kanälen der Akteure auszuspielen. Dies führt zu einer Veränderung der Kommunikation, die die Parlamentsmehrheit nicht goutiert: Ausdrucksformen außerhalb der eigentlichen Rede gelten als nicht zulässig. Dagegen verstieß auch in dieser Debatte ein Abgeordneter der AfD-Fraktion durch das demonstrative Hantieren mit goldfarbenen Geldscheinen und kassierte dafür einen Ordnungsruf. Solche Inszenierungen sind im außerparlamentarischen Resonanzraum allerdings kommunikativ erfolgreich wie die Rede von Cotar zeigt. Sie wurde etwa im Blog des bei YouTube reichweitenstarken „Blocktrainers“ Roman Reher als „Erste Pro-Bitcoin-Rede im Bundestag“ aufgegriffen. Darüber hinaus verbreitete der Dienstleister Swanbitcoin.com eine Version des betreffenden Videos, die anmutet, als wäre die Rede in englischer Sprache gehalten worden. Die Caption bei X (Ex-Twitter) dazu lautet: „German member of Parliament @JoanaCotar bashes CBCDs in the Bundestag WHILE WEARING a #Bitcoin T-shirt. (English via AI translation)”

Die Plenardebatte endete mit der Überweisung an diverse parlamentarische Ausschüsse unter Federführung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, in denen die Anträge später zur weiteren Beratung aufgerufen werden. Für alle Details, das Protokoll sowie die Dokumentation von Anträgen, Redner:innen sowie den Aufzeichnungen ihrer Beiträge siehe die Mediathek» des Bundestages. Eine Zusammenfassung liefert darüber hinaus der Bericht „Bares ist Wahres“» in der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Zeitschrift Das Parlament.

Update: Am 4. Juli 2024 wurden beide Anträge abschließend durch den Bundestag abgelehnt.

Zurück zur Startseite des Blogs

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

Kategorien
Autor: Carola Westermeier und Marek Jessen Digitaler Euro eFin-Blog Farbe: hellblau

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Den digitalen Euro als öffentliches Gut entwickeln

Ein Beitrag von Carola Westermeier und Marek Jessen

15. November 2023

Auch wenn der Mehrwert eines digitalen Euros auf den ersten Blick vielleicht nicht gleich ersichtlich ist, bringt er doch viele Chancen mit sich: auf mehr Souveränität für europäische Anbieter und Bürgerinnen und Bürger. Dafür müssen allerdings noch ein paar Weichen gestellt werden.

Das Eurosystem hat eine wichtige, vielleicht sogar historische Entscheidung getroffen. Die Notenbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, und die Europäische Zentralbank (EZB) werden die Entwicklung eines digitalen Euro weiter vorantreiben und in einigen Jahren könnten europäische Bürgerinnen und Bürger Zugang zu einer neuen Art des Geldes haben. Kritische Stimmen werfen dem Projekt vor, dass es keinen Mehrwert habe. Ob ich 50 Euro mit meiner EC-Karte oder mit dem digitalen Euro ausgebe, ist meinem Kontostand egal, er wird verringert. Allerdings reduzieren die Kritikerinnen das Bezahlen mit einer solchen Argumentation auf den Austausch von Werten. Im digitalen Zeitalter sind Bezahlen und der Einsatz des Geldes in Transaktionen jedoch weit mehr.

Alles neu macht der digitale Euro – aber was eigentlich genau?

Es scheint paradox: Der digitale Euro wird unser Bezahlverhalten womöglich kaum verändern, obwohl er eine völlig neue Form des Geldes darstellt. Mit dem digitalen Euro nimmt Zentralbankgeld – die sicherste Form des Geldes, da die Zentralbank hinter ihr steht – eine digitale Form an, die für alle zugänglich sein soll. Bisher war diese Form des Geldes und die damit verbundene direkte Forderung gegen die Zentralbank lediglich mit dem Bargeld vorhanden.

Derzeit jedoch liegen alle digitalen Formen des Geldes in den Händen der Privatwirtschaft und stellen eine Forderung der Bürgerinnen gegen diese dar. Entsprechende Einlagen sind bei dem jeweiligen Kreditinstitut über die gesetzliche Einlagensicherung bis zu 100.000 € geschützt. Der digitale Euro soll die Versorgung mit Zentralbankgeld, für das es keine Einlagensicherung braucht, auch im digitalen Zeitalter und bei gleichzeitig rückläufigem Gebrauch von Bargeld sicherstellen.

Eine Frage der europäischen Souveränität

Derzeit ist digitales Bezahlen vor allem ein Markt, in dem Unternehmen um Anteile kämpfen, um über Gebühren Gewinne zu erzielen. Zahlungsdienstleister können Transaktionen aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen untersagen und sind verpflichtet, Sanktionen durchzusetzen. In Europa dominieren vorwiegend nicht-europäische Akteure diesen Markt, während europäische Transaktionen über ihre Netzwerke laufen. Ein Umstand, den europäische Institutionen bereits zu Zeiten der Trump-Administration in den USA als Gefahr für die Souveränität des Euroraums identifiziert haben.

Der digitale Euro hingegen soll auf Infrastrukturen basieren, die in europäischer Hand liegen. Die Ausgestaltung dieser technischen Infrastrukturen wird in den kommenden Jahren konkretisiert und könnte entscheidend für die Akzeptanz des neuen Geldes sein. Die besten Chancen für eine breite Adaption bieten sich, wenn sich der digitale Euro von den genannten Marktlogiken löst und vielmehr als öffentliches Gut entwickelt wird, bei dessen Entwicklung die Rolle des Geldes in all seinen Facetten überdacht und digitales Geld im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gestaltet wird.

Datenschutz als höchste Priorität

Ein zentrales Thema wird dabei der Schutz der Privatsphäre und der Umgang mit den anfallenden Daten sein. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist dies der zentrale Aspekt des Bezahlens, das haben Befragungen im Auftrag der EZB gezeigt. Zugleich fehlt das Bewusstsein, was bereits im derzeitigen Modell mit den eigenen Daten passiert und wie diese ausgewertet werden können.

Transaktionen im digitalen Raum hinterlassen Daten, die für die Abwicklung von Zahlungen notwendig sind. Bereits heute werden Transaktionsdaten genutzt, um gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzugehen. Hierbei arbeiten Banken, die etwa verpflichtet sind, verdächtige Transaktionen zu melden, und Strafverfolgungsbehörden eng zusammen. Die Analyse von Transaktionsdaten beruht also auf der einen Seite auf regulatorischen Vorgaben, sie sind aber auch für kommerzielle Zwecke interessant. Finanztransaktionsdaten bieten umfangreiche Einblicke in das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer und sind somit besonders aussagekräftige und sensible Daten. Die EZB hat wiederholt betont, dass sie kein Interesse an der kommerziellen Nutzung von Transaktionsdaten hat. Dennoch wird es eine Herausforderung sein, die Interessen der unterschiedlichen Akteure im Laufe des weiteren Prozesses in Einklang zu bringen.

Die konkrete Rollenverteilung für den digitalen Euro und welche Intermediäre eingebunden werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Grundlegend ist vorgesehen, dass die EZB den digitalen Euro ausgibt und er Nutzerinnen und Nutzern durch Intermediäre, wie Banken und Zahlungsdienstleister, über Wallets zugänglich gemacht werden soll. Der digitale Euro soll für alltägliche Bezahlfunktionen, wie beispielsweise an der Ladenkasse oder im Onlinehandel, aber auch zwischen Privatpersonen, genutzt werden.

Gesetzesvorschlag muss Datensammelwut besser vorbeugen

Obwohl die EZB eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des digitalen Euro spielt, sollte nicht übersehen werden, dass sie nicht allein über dessen Ausgestaltung entscheidet. Die Einführung des digitalen Euro erfordert die Schaffung einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Europäische Kommission hat im Sommer einen ersten Legislativvorschlag vorgelegt, der nun Rückmeldungen erhält. Der Datenschutz spielte darin eine wichtige Rolle. Laut aktuellem Bericht der EZB sollen Intermediäre dabei personenbezogene Daten lediglich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für Aufnahme von Kundinnen und Kunden und die Abwicklung der Zahlung verarbeiten. Jegliche Nutzung dieser Daten für kommerzielle Zwecke erfordert nach den Plänen der EZB die ausdrückliche Zustimmung vonseiten der Nutzerinnen und Nutzer. Diese Klarheit sollte sich auch im Gesetzesentwurf wiederfinden. Ein klar umrissener Katalog, der die Zwecke der Datenverarbeitung präzise darlegt, schafft Rechtssicherheit für die Intermediäre und fördert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Gleiches gilt für die EZB und das Eurosystem. Es muss klar sein, welche Daten verarbeitet werden und dass keine nachträgliche Zuordnung der Identität der Nutzerinnen und Nutzer der Daten möglich ist. Um dem Überwachungspotential einer zentralisierten Datensammlung vorzubeugen, empfehlen europäische Datenschützerinnen und Datenschützer, die mit dem Kundenmanagement (insbesondere Verwaltung digitaler Euro-Accounts) verbundenen Aufgaben dezentral und damit über Intermediäre zu organisieren. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass ab einem bestimmten Punkt Daten in aggregierter Form der EZB zur Verfügung stehen, da sie den digitalen Euro ausgibt und über die im Umlauf befindliche Geldmenge Kenntnis hat. In dem gesetzlichen Rahmenwerk sollte eindeutig festgelegt werden, dass diese Daten nach Pseudonymisierung keine nachträgliche Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen.

Auch wenn die Vorzüge des Bargelds nicht vollständig in den digitalen Raum transferiert werden können, ist es wünschenswert, dass Zahlungen zumindest unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym möglich sein sollen. An vielen – vor allem ländlichen – Orten sind Bargeldzahlungen nicht mehr möglich, weil die entsprechenden Geschäfte außer Reichweite und Online-Bestellungen die einzige Möglichkeit sind, an bestimmte Waren zu gelangen. Der Schutz der Privatsphäre beim Bezahlen sollte jedoch keine Frage des Wohnortes sein, sondern ist im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Nach Aussage von Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, wird es voraussichtlich noch etwa fünf Jahre dauern, bis der digitale Euro für Zahlungen genutzt werden kann. Diese Zeitspanne sollte als eine Gelegenheit betrachtet werden, den digitalen Euro nicht als kommerzielles Projekt, sondern im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln. Ein starker Datenschutz spielt dabei eine wichtige Rolle.

Redaktionelle Notiz: Dieser Text wurde im Tagesspiegel Background (KI & Digitalisierung: Standpunkte») am 6. November erstveröffentlicht.

Zurück zur Startseite des Blogs

Zum Diskursprojekt Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors

Kategorien
Autor: eFin Blog Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: gelb

Digitaler Euro: Zum Stand des politischen Prozesses

Digitaler Euro: Zum Stand des politischen Prozesses

Letztes Status Update: 13. Dezember 2024

Die Debatte über eine mögliche Einführung von digitalem Zentralbankgeld in der Eurozone läuft schon länger. Hier informieren wir über die Entwicklungen und den jeweils aktuellen Stand. Im Juni 2023 hat der betreffende Entscheidungsprozess auf EU-Ebene begonnen.

Der digitale Euro ist zunächst ein Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hat im Juli 2021 offiziell damit begonnen, Anwendungsfälle und Möglichkeiten der Ausgestaltung eines solchen Zahlungsmittels zu untersuchen. Diese Phase soll im Oktober 2023 enden. Dann entscheidet der EZB-Rat als das oberste Beschlussorgan der EZB darüber, ob zur nächsten Phase übergegangen wird. Für die konkrete Realisierung wird derzeit eine dreijährige Auseinandersetzung angesetzt.

Auch wenn die EZB erst im Anschluss daran endgültig über eine Einführung des bis dahin im Detail ausgestalteten digitalen Euros entscheidet, hat die EU-Kommission mit dem begonnen, was als „Rechtsetzungsarbeit” bezeichnet wird, denn: „Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat die EU die ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Für die Ausgabe eines digitalen Euro und die Entscheidung über seine technischen Merkmale ist die EZB zuständig, doch muss der digitale Euro zuvor durch eine EU-Verordnung, in der seine wesentlichen Aspekte festgelegt sind, eingeführt werden”, heißt es in einem Dokument der Kommission.1Die Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung (19.4.2022) findet sich zum Download hier»

EU-Vorschlag zur rechtlichen Regulierung

Am 28. Juni 2023 hat die EU-Kommission dementsprechend einen Legislativvorschlag zur Schaffung des Rechtsrahmens für einen möglichen digitalen Euro als Ergänzung zu Euro-Banknoten und -Münzen vorgelegt. Und zwar im Paket mit einem Legislativvorschlag über Euro-Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel, der sicherstellen soll, dass dieses weithin akzeptiert wird und im gesamten Euro-Währungsgebiet leicht zugänglich bleibt.2Angaben zum Paket zur einheitlichen Währung: Neue Vorschläge zur Gewährleistung der Möglichkeit, Bargeld zu verwenden, und zur Schaffung eines Rechtsrahmens für einen digitalen Euro sowie betreffende Dokumente finden sich zum Download hie

Damit beginnt ein Gesetzgebungsverfahren, an dem das Europäische Parlament und der sogenannte Ministerrat beteiligt sind. In diesem Rat der Europäischen Union sind die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten. In mehreren Lesungen wird der Legislativvorschlag von Parlament und Rat überarbeitet. Sobald sich die beiden Institutionen auf entsprechende Änderungen geeinigt haben, wird der Vorschlag angenommen. Dies ist nicht zuletzt deshalb so komplex, weil die betreffenden Organe wiederum in sich heterogene Interessen repräsentieren, die umfangreiche Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse notwendig machen.

Eine relevante Rolle dürfte in diesem Kontext die Euro-Gruppe spielen. Dabei handelt es sich um ein informelles Gremium, in dem die Finanzminister:innen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets über den Euro betreffende Fragen, die in die gemeinsame Verantwortung ihrer Länder fallen, beraten. Darüber hinaus findet Anfang Juni 2024 die nächste Europawahl statt, bei der dieses Thema eine Rolle spielen könnte.

Die Europawahl könnte darüber hinaus weitere Konsequenzen für das Verfahren haben:

“Für all jene Gesetzesvorlagen, über die das Plenum vor den Wahlen nicht mehr abgestimmt hat, gibt es keine rechtswirksame Position des Europäischen Parlaments. Die Geschäftsordnung des Parlaments sieht daher vor, dass in solchen Fällen die Arbeit der Abgeordneten (zum Beispiel in Form von Beschlüssen auf Ausschussebene) verfällt. Allerdings kann die neue Konferenz der Präsidenten – die aus dem Präsidenten/ der Präsidentin des Parlaments und den Fraktionsvorsitzenden besteht – zu Beginn der neuen Legislaturperiode beschließen, die Arbeit an diesen Gesetzesvorlagen unter Nutzung des bereits erreichten Standes fortzusetzen (vgl. Artikel 240 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments).”3 Siehe hierzu die Antwort in den FAQs des Europäischen Parlament

Im Anschluss an die Europawahl steht zunächst eine Personalie im Vordergrund des parlamentarischen Procederes. Der zunächst weiterhin als Berichterstatter für das Gesetzesvorhaben vorgesehene Abgeordnete Stefan Berger (EVP), steht Mitte Dezember 2024 nicht mehr für diese Funktion zur Verfügung. Dies sei eine Reaktion auf den Vorwurf der Verschleppung des Verfahrens durch einen Vertreter aus Deutschland, wo es eben besondere Bedenken gegen den digitalen Euro gäbe.4Vgl. die Berichterstattung durch Politco: https://www.politico.eu/article/epp-digital-euro-german-obstruction-stefan-berger-markus-feber-european-central-bank/

Reaktionen auf Bundesebene

Parallel dazu hat auch in den Mitgliedsländern die Befassung mit dieser Materie begonnen. Im Rahmen seiner Mitwirkung in europäischen Angelegenheiten» hat sich der Bundesrat bei seiner Sitzung am 29. September 2023 mit den EU-Vorschlägen für einen Rechtsrahmen zur Einführung des digitalen Euro befasst und eine Stellungnahme» beschlossen.

Im Bundestag hat die Unionsfraktion einen Antrag mit dem Titel „Abstimmung über den digitalen Euro im Bundestag bindend machen“ vorgelegt, der am Mittwoch, den 8. November 2023, im Plenum debattiert wird. Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, führt dazu aus: „Nachdem das Projekt digitaler Euro nun voranschreitet, muss die Bundesregierung dem Parlament ein wirkliches Mitspracherecht einräumen. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung der Einführung eines digitalen Euro nur zustimmt, nachdem der Deutsche Bundestag eine Einführung befürwortet hat.”5 Siehe die entsprechende Pressemitteilung. Nach der Debatte soll der Antrag gemeinsam mit einer Initiative der AfD-Fraktion zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss überwiesen werden. Der Titel des AfD-Antrags lautet „Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bewahren und Überwachung der Bürger durch digitales Zentralbankgeld verhindern“. Zur Dokumentation der Anträge und zu weiteren Informationen siehe hier. Beide Anträge werden nach einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Finanzausschusses schließlich am 4. Juli 2024 durch den Bundestag abgelehnt. Zur Dokumentation der Debatte siehe hier.

Im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags fand am 19. Februar 2024 eine zweistündige öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema „digitaler Euro“ sowie den vorgelegten Anträgen statt. Ein Fragenkatalog wurde dafür nicht erstellt; für Details zum Termin siehe hier.

Dieser Beitrag wird um aktuelle Angaben ergänzt, wenn der politische Prozess fortschreitet. Siehe zum jeweiligen Stand auch den Eintrag zum Verordnungsentwurf auf der Seite EUR-Le der Europäischen Union.