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Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 eFin-Blog Farbe: hellblau

Coinzeit 3000 #7: Token

Ein Beitrag von Petra Gehring

15. Februar 2024

Rachel O’Dwyer schreibt als kluge Ethnologin des digitalisierten Bezahl-Alltags. Ihre Umschau zum schillernden „Wert“ nicht nur von Kryptotoken liest sich hinreißend: man ist fasziniert von Vouchern, Giveaways, Amazon-Wishlists, Fortnite-Skins wie überhaupt Gaming-Währungen aller Art, des Weiteren: virtuellen Trophäen, Andenken, Memes – alles das ist informelles Digitalgeld!

„Throughout history, tokens have littered the edges of the economy …” (7). Dieser Ausgangsthese zufolge erscheint offizielles, staatlich abgesichertes und quasi vereindeutigtes Geld geradezu als moderne Ausnahme. Diesseits davon existieren Welten voller Wert-Zeichen, die zirkulieren, temporär in Geltung sind, Käuflichkeit organisieren und Macht verleihen. O‘Dwyer, die am National College of Art and Design in Dublin Digital Culture lehrt, nennt die Träger solcher Wertmarkensysteme (und ihr Buch) Tokens: „As something that is ‘not quite money’, tokens blur the hard edges between legitimate and illegitimate work and legitimate and illegitimate transactions.” (7) Vor der Digitalisierung kannten wir das vereinzelt auch: Rabattmarken, Lebensmittelkarten, Sammelbildchen. Im Netz kommen informelle Bezahlformen nun jedoch in großem Stil zurück: Aus Spiel wird Ernst.

“Tokens confer identity and access.” (10) Digitales Blingbling – nicht Geld, aber money-ish und überall klickbar zu haben sowie spielfigurenartig zu bewegen – ist auch Anerkennungsmittel. Das Wertzeichen kann besagen: Du bist wertvoll, und: Du bekommst genau deshalb, weil du so aussiehst oder dies tust, virtuelles Kapital. Das Spielgeld schafft also vertragsartige Bindungen und steuert: „Tokens can thus […] be a way of attaching special conditions to payments. They can bring spending, eating, parenting, and, well, living in line with the issuer’s objectives. Not just value, then, but values.” (vgl. 10) Ebenso schafft dieses Geld schlimme Belohnungssysteme: physische Demütigungswetten, sadistische “Mutproben”, Online-Sex: „The token is a communication designed to express itself not only with the channel, but immediately and directly on the body of the performer.” (23)

Im Ganzen ist Tokens nicht nur ein cooles, sondern auch ein politisches, zorniges Buch über Geld. Es gibt Kapitel über Tracking durch Geld, über Geld und Identitätsfeststellung, über Code als schlechten Ersatz für Recht und über das Metaverse („Litter is there to create Realism“, 271). Unbedingt lesenswert. Ein einziges Aber: die Begriffswahl. Was alles um Himmels willen nennt O‘Dwyer „Token“? Die Entscheidung für einen Schlüsselbegriff ist sicher immer ein kniffeliger Tauf-Akt. Und sicher ist mein Störgefühl dasjenige einer Philosophin. Token meint aber eben nicht nur Wertzeichen, sondern Zeichen ganz generell. Wären also alle Zeichensysteme letztlich Wertsysteme? Ist das die These: Bedeutung ist (oder wird im Netz) per se Wert?

Zum Einstieg bemerkt O’Dwyer selbst kurz, ihre Verlegerin fände den Begriff zu weit gefasst. Sie räumt ein: Tokens faszinieren als Grenzfall. „A token can be a game, a passcode, a ticket, a social tie, a keepsake, a bribe, a secret message, a gift, a promise, a vote, an ownership stake, a joke, a meme, an art, a flex, a bet, a law, another token.” (11 f.) Die Frage bleibt: Was genau meint more and less than money (11)? Absorbiert die digitale Bezahlfunktion letztlich sogar das Konzept des Zeichens selbst? Oder sprechen wir doch besser dezidiert von Wertzeichen, also von einer zusätzlichen Performance, die – sagen wir: einem digitalen Symbol oder Schriftzug zuwächst, sobald er als bezahlmittelartiger Anreiz Macht gewinnt? Zumindest theoriebegrifflich hieße letzteres: Zwischen „Token I“ (digitales Bezahlen) und „Token II, III, … n“ (Zeichensysteme ohne genau diesen beinahe-Geld-Effekt) wären zu unterscheiden. Auch einen Kapitalismus neuen Typs könnte man wohl nur dann scharf analysieren, wenn man nicht gleich alles im selben Sinne – und sei es ironisch – „Token“ nennt.

Rachel O’Dwyer: Tokens. The Future of Money in the Age of the Platform. London/New York: Verso 2023.

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1.4. Der digitale Euro – Wie der Stablecoin eines Datenkonzerns staatliche Währungen herausfordern kann

Als Facebook (heute Meta) 2019 ein globales Stablecoin-Projekt namens Libra mitinitiierte, wurden die mit Währung und Geldpolitik befassten staatlichen Institutionen mit einem Schlag hellhörig – um nicht zu sagen: nervös. Das Vorhaben eines globalen, digitalen Plattformgeldes, das weltweit milliardenfach hätte genutzt werden können, erhielt seitens der Regulatoren auf beiden Seiten des Atlantiks massiven Gegenwind. Im Februar 2022 wurde das Projekt endgültig eingestellt.

Wird es daher auch kaum noch als Argument für oder wider einen digitalen Euro erwähnt, hat das Libra-Projekt die Pläne für einen digitalen Euro doch wesentlich mitinspiriert. Daher wirft das Digitalgelddickicht in dieser Episode einen Blick auf diese besondere Verbindung neuen digitalen Geldes und der Plattformökonomie: Was genau ist ein Stablecoin? Wie hätte der Stablecoin Libra funktioniert? Welche Hoffnungen und Befürchtungen waren mit Libra verbunden – und mit privatwirtschaftlichen Stablecoins generell? Und was für Aufgaben haben sich daraus hinsichtlich der Regulierung von Kryptowerten zum einen und digitalem Zentralbankgeld zum anderen ergeben?  

Staffel Digitaler Euro – Folge 4| 7. Dezember 2023

Gäste

Dr. Jonas Gross ist Wirtschaftswissenschaftler». Promoviert hat er an der Universität Bayreuth zu monetärer Ökonomie und digitalen Währungen. Er ist Mitgründer und Vorsitzender der Digital Euro Association (DEA) sowie Chief Operating Officer bei etonec, einem Unternehmen, das blockchainbasierte Zahlungslösungen anbietet. 

Prof. Dr. Sebastian Omlor ist Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bankrecht sowie Rechtsvergleichung» an der Philipps-Universität Marburg und Gründungsdirektor des Marburger Institut für das Recht der Digitalisierung (IRDi)». Rechtsfragen des digitalisierten Finanzsektors bilden einen seiner Schwerpunkte. Er leitet zudem die ZEVEDI-Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt».

Moritz Hütten ist Finanzsoziologe, Forschungskoordinator am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt und Doktorand» an der Universität Amsterdam.

Claus George ist Leiter für Digitalisierung und Innovation TxB bei der DZ BANK AG» und insbesondere mit neuen Zahlungs- und Geldformen befasst. Er war Mitglied der Arbeitsgruppe „Programmierbares Geld“ der Deutschen Bundesbank und des Finanzministeriums und Co-Autor des Basispapiers „Europa braucht neues Geld“(2021) der Deutschen Kreditwirtschaft.

Weiterführende Informationen und Quellen

Status Update» zum Stand des politischen Prozesses auf dem eFin-Blog.

European Central Bank, Crypto Asset Task Force:  Stablecoins: Implications for monetarypolicy, financial stability, market infrastructure and payments, and banking supervision in the euro area, Occasional Paper Series, No. 247, September 2020. Einzusehen als pdf hier».

John Oliver: Cryptocurrencies II (Sendung vom 24. April 2023): https://www.youtube.com/watch?v=o7zazuy_UfI

Hannah Murphy und Kiran Stacey: Facebook Libra: the inside story of how the company’s cryptocurrency dream died, Facebook Libra: the inside story of how the company’s cryptocurrency dream died», Financial Times, 10. März 2022.

Claus George:  Digitalzahlungen – gestern, heute, morgen», Vorlesung vom 25. Aril 2022, gehalten  im Rahmen der Citizen Lecture „Verstehen Sie Krypto“ im Sommersemester 2022 an der TU Darmstadt.

Ein kleiner Überblick zur Market in Crypto Assets Regulation (MiCA) z. B. in einem Artikel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Europäische MiCA-Verordnung: Regel-Fundament für Kryptowerte», 17. Mai 2023.

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Creative Commons Lizenzvertrag

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Kryptoregister und technische Grundlagen der Tokenisierung

Workshop

7. November 2023, 13:00 – 15:00 Uhr
Online per Zoom

Interner Workshop der Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt (ToFi)

Programm

Zur ZEVEDI-Projektgruppe Tokenisierung und Finanzmarkt (ToFi)»

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Veranstaltungen

Verstehen Sie Krypto !

Ringvorlesung – Citizen Lecture

Sommersemester 2022 | montags um 18:00 Uhr
Hörsaal S1 03 | 223 (Altes Hauptgebäude) TU Darmstadt

Die digitale Transformation des Finanzsektors ist in vollem Gang, die damit verbundenen Umbrüche für die Demokratie und die künftige Gesellschaft sind aber bislang öffentlich nicht greifbar. Spezialist:innen kennen sich zwar aus – jedoch jeweils vor allem in einzelnen Segmenten. Zur Eröffnung eines Diskursraumes, der Relevanzen aufzeigt, braucht es Impulse. Zivilgesellschaftliche Mitwirkung und Mitgestaltung, ja überhaupt nur Positionierung und breitere öffentliche Diskussion erfordern Verständnis und interdisziplinären Austausch. Vor diesem Hintergrund haben wir Expert:innen gebeten, eine Wissensgrundlage zu schaffen und die Diskussion zu eröffnen.

Die Ringvorlesung wird am Institut für Philosophie der TU Darmstadt angeboten, wendet sich fachübergreifend an eingeschriebene Hörer:innen, soll aber auch für eine interessierte breite Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Sitzungen werden eingeleitet und moderiert durch die Veranstalter:innen.

Anfragen zur Veranstaltung bitte per Mail an efin[at]zevedi.de richten.

Aktuelle Raumplanung

Mitschnitte der Veranstaltung

Die Vorträge werden aufgezeichnet und als Video auf der OpenLearnWare-Plattform der TU Darmstadt zur Verfügung gestellt. Link zu den Videos»

Große Fragen lauten:

  • Wie transformiert die Digitalisierung die Zahlungsmittel und den Finanzsektor?
  • Was sind überhaupt Blockchain, Fintech, Kryptowährungen, dezentrale Finanzanwendungen und Co.?
  • Welche neuen Akteure bestimmen eine „digitalisierte“ Finanzwelt und wie würde man sie staatlicher Regulierung unterwerfen?
  • Wie verändern sich hoheitliche Aufgaben im Finanzsektor und was wird aus der Währung – konkret dem Euro – in der europäischen Demokratie?
  • Wie können Demokratien reagieren, wenn die Finanzwelt sich derart tiefgreifend ändert, wie dies derzeit geschieht?
  • Welche Möglichkeiten der Partizipation gibt es für Bürger:innen im Zuge der digitalen Umgestaltung des Finanzsektors?

Programm

11. AprilDr. Martin Diehl (Deutsche Bundesbank) & Prof. Dr. Petra Gehring (TU Darmstadt)
Das soziale und semiotische Konstrukt „Geld“. Zur Einführung in die Vorlesung
25. AprilClaus George (DZ BANK)
Digitalzahlungen – gestern, heute, morgen
2. MaiProf. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. (Universität Marburg)
Demokratische Blockchain-Algorithmen: von ‚Code is Law‘ zu ‚Law in Code‘?
9. MaiMario Oettler (Hochschule Mittweida)
Wie dezentral sind sog. dezentrale Finanzanwendungen („DeFi“)?
23. MaiJens Hachmeister (Deutsche Börse)
Digitale Finanzdienstleistungen – Was sind Fintechs?
30. MaiProf. Hans-Gert Penzel (Universität Regensburg)
Bezahlen mit Daten
13. JuniKolja Reichert (Bundeskunsthalle)
Kulturalisierung des Geldes, Finanzialisierung der Kultur. Was NFTs für die Kunst bedeuten
20. JuniProf. Dr. Monika Dommann (Universität Zürich)
Wie BTC und ETH in Zug landeten. Konzeptuelle Überlegungen zur historischen und ethnographischen Erforschung von Cryptocurrencies
27. JuniProf. Dr. André Alfes (Hochschule Deutsche Bundesbank)
Wem gehört mein Geld? Über „meins“ und „deins“ in der virtuellen Welt
4. JuliKatharina Gehra (Immutable Insight)
Warum hat der Digitalfinanzmarkt neue Chancen jenseits der traditionellen Bankingrollen?
11. JuliDr. Martin Diehl (Deutsche Bundesbank)
Zentralbanken zwischen strategischer Relevanz, politischer Unabhängigkeit und demokratischer Kontrolle
18. JuliPodiumsdiskussion
Der digitale Euro: Pro und Contra
mit Katharina Paust-Bokrezion (Deutsche Bank – Political Affairs) und Marcus Henrik Härtel (Europäische Zentralbank)

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