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Autor: Isabel Schmidt eFin-Blog Farbe: hellblau

Das gefährliche Geschäft mit dem Kurs: Werbung für Kryptogeld ft. Geld für Krypto-Werbung

Das gefährliche Geschäft mit dem Kurs: Werbung für Kryptogeld ft. Geld für Krypto-Werbung

Ein Beitrag von Isabel Schmidt

vom 7. September 2023

Kim Kardashian hat es getan, aber auch Madonna, Larry David, Lebron James, Justin Bieber und Floyd Mayweather und andere mehr: Die Liste der Stars aus Unterhaltung und Sportindustrie, die für Kryptowerte, -handelsbörsen und NFTs Werbung gemacht haben, ist lang.1Wie unter anderem die Süddeutsche berichtete».

Als Höhepunkt kann dabei 2021 bis in die Anfänge des Jahres 2022 gelten. Kryptokurse – allen voran Bitcoin – erreichten ihr Allzeithoch und es herrschte ein Run auf NFTs. Und mitten drin Hollywood: Schauspieler Matt Damon warb für die Handelsbörse Crypto.com mit dem Slogan „Das Glück ist mit den Mutigen“. Paris Hilton tauschte sich mit Late-Night-Talker Jimmy Fallon in dessen The Tonight Show über ihre Bored-Apes-NFTs aus. Gisele Bündchen und Tom Brady standen als Testimonials für die US-Kryptobörse FTX in den Medien. Deutlicher Höhepunkt dieser Entwicklung war dann die Werbesequenz in der Superbowlpause im Februar 2022 – hier traten zum ersten Mal Kryptounternehmen wie FTX, eToro, Crypto.com und Coinbase in Erscheinung.

Zwei Jahre später hat sich die Lage komplett verändert: FTX ist zusammengebrochen, viele Anleger:innen haben viel Geld verloren. Der Gründer, Sam Bankman-Fried, steht in den USA vor Gericht. Bitcoin brach zwischenzeitlich auf bis unter 16.000 Dollar ein. Andere Kryptowerte fielen noch stärker. Dieser sogenannte Kryptowinter hält zum Teil noch an und der massive Verlust am Markt sorgt dafür, dass auch Werbedeals der Stars und Sportler:innen zurückgingen.

Und nicht nur das: Nach dem Absturz der Kryptowerte erheben Anwaltskanzleien in den USA nun Anklage gegen jene Prominente, die nicht offenlegten, dass sie für ihre Werbung bezahlt wurden.

Der Einsatz von Stars zur Wertsteigerung von Kryptoassets wird vor Gericht zumindest in den Vereinigten Staaten als illegal eingestuft. Auch für Kim Kardashians Werbung über Instagram hatte dies bereits ein Minusgeschäft zur Folge: Sie hatte ihre Story aus dem Jahr 2021 über EMAX-Token, einem Kryptowert von EthereumMax, zwar mit dem Hashtag „#AD“ als Werbung markiert, das reichte vor Gericht aber nicht als Hinweis darauf aus, dass sie als Gegenleistung 250.000 Dollar erhielt.Der EMAX-Token fiel nach einem rasanten Anstieg innerhalb kurzer Zeit auf einen Kurs von weit unter einem Cent, enttäuschte Anleger:innen zogen in den USA vor Gericht und waren mit ihrer Klage erfolgreich: Kim Kardashian wurde auf 1,26 Mio. Dollar verklagt und darf drei Jahre lang keine Werbung für Kryptoassets machen.

Mindestens zwei weitere Sammelklagen gegen FTX sowie Yuga Labs und Moonpay und seine prominenten Unterstützer:innen laufen in den USA aktuell. Darunter sind etwa Paris Hilton, Snoop Dog, Jimmy Fallon, Justin Bieber und Madonna.2 Die Sammelklage gegen FTX befindet sich hier». Dazu vgl. Anklageschrift» gegen Yuga Labs.

Und natürlich ist diese Art der Werbung nicht ausschließlich in den USA verbreitet, sondern ein internationales Phänomen. Und es werden immer mehr Reaktionen darauf sichtbar. Bei Netflix gibt es seit Neuestem einen Bann für Kryptowerbung, auch die UEFA hat Richtlinien eingeführt – einzig Facebook/Meta geht in die andere Richtung. Hier galt bis 2018 ein Verbot, das nun wieder aufgehoben wurde.   

Auch in Deutschland haben bereits Prominente ihre Gesichter hergehalten, jedoch sind Sammelklagen hierzulande nicht möglich und die Kontroverse rund um die Dotcom-Blase3Als Dotcom-Blase wird von den Medien die Anfang der 2000er geplatzte Spekulationsblase rund um neue Unternehmen im Bereich Internet-Technologien bezeichnet, die für Kleinanleger:innen zu enormen Verlusten führte. hat bereits gezeigt, dass es schwieriger ist, vor Gericht einen Zusammenhang von Werbung und Kauf zu beweisen. 

Viele Faktoren beeinflussen Kryptokurse. Neben Preisschwankungen durch Verschiebungen bei Angebot und Nachfrage nehmen bestimmte Ereignisse kurz- wie langfristigen Einfluss. Zum Beispiel politische Entscheidungen können kurzfristig beeinflussen: Zinserhöhungen, aber auch Regulierungsbestrebungen sorgen für reichlich Bewegung. Und Verbraucher:innen sind damit noch nicht vertraut. Gleichzeitig lösen die Geschichten rund um Bitcoin-Millionär:innen FOMO-Effekte („Fear of missing out“) aus, die geschickt durch Marketing bedient werden können.  

Mittlerweile wird auch in Europa über die Form der Kursbeeinflussung durch Werbung diskutiert . Immer mehr nationale Finanzbehörden ziehen die Notbremse und führen ein Verbot von Werbungen für virtuelle Währungen ein – wie unlängst Großbritannien, wo nun bis zu zwei Jahre Haft drohen können.

Hype or harm – so heißt eine Studie des europäischen Verbraucherverbands (BEUC), der aus 46 unabhängigen Verbraucher:innenorganisationen aus 32 Ländern besteht. Die am 8. Juni 2023 erschienene Studie setzt sich mit der Frage auseinander, welche Gefahr von Werbung für Krypto in sozialen Medien für Verbraucher:innen ausgeht.4Die Studie ist hier» abrufbar. Insbesondere Instagram, YouTube, Twitter und TikTok werden hier als „Hauptakteure“ identifiziert und wegen ihrer Unterstützung bei irreführender Werbung für Kryptoassets Beschwerde bei der EU-Kommission und den Verbraucherschutzbehörden eingereicht. Hier zeigt sich, dass rund um das Geschäft mit Kryptowerten längst noch nicht alle Regulierungs-und Demokratiefragen diskutiert werden.   

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    Wie unter anderem die Süddeutsche berichtete».
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    Die Sammelklage gegen FTX befindet sich hier». Dazu vgl. Anklageschrift» gegen Yuga Labs.
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    Als Dotcom-Blase wird von den Medien die Anfang der 2000er geplatzte Spekulationsblase rund um neue Unternehmen im Bereich Internet-Technologien bezeichnet, die für Kleinanleger:innen zu enormen Verlusten führte.
  • 4
    Die Studie ist hier» abrufbar.
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Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 eFin-Blog Farbe: gelb

Coinzeit #4: „Unbanked“

Ein Beitrag von Petra Gehring

vom 22. August 2023

Der Spruch könnte auf Demo-Transparenten stehen. Oder kommt er aus der Szene der Krypto-Begeisterten? Banking the unbanked! Bei näherem Hinsehen handelt sich weniger um eine Forderung an die Politik als um eine Selbstmandatierung: Direkt verwendbare, digitale Zahlungsdienste halten sich zugute, jenen großen Anteil der Weltbevölkerung endlich mit einem Konto zu versorgen, die noch keines haben. DeFi, Bitcoin & Co dienen der „Demokratisierung“. Sie helfen denen auf dem Globus, die (noch) „unbanked“ sind. Etwas weniger spruchbandartig lautet der Gedanke: Finanzielle Inklusion.

Streng genommen loben das „Banking“ vor allem diejenigen, die soziale Argumente für die Nutzung digitaler Zahlungsdienste vortragen. Es helfe den Menschen in wenig entwickelten Ländern, es helfe Frauen, es helfe marginalisierten Gruppen, individuell sparen und auch Zahlungen empfangen zu können. Laboure und Deffrennes, Autoren des Buches Democratizing Finance, zählen fünf Bereiche auf, in denen Arme Bankdienstleistungen benötigen: Geldtransfer, Sparen und Investitionen, Kredite, Versicherungen und Altersversorgung: „When households have access to these types of formal financial products and services, they tend to enter an upward cycle toward increased wealth and wellbeing.“ (S. 101)

Inklusion ist natürlich immer gut. Und dass insbesondere auf dem flachen Land schon die fehlende Erreichbarkeit von Infrastrukturen auch „Geld“ zum Problem macht (Wie komme ich dran? Wie bewahre ich es auf? Wie versende ich es?), leuchtet ein. Dennoch bleibt eine kleine und eine größere Irritation. Die kleinere: Ist hier wirklich „banked“ gemeint? Wollten alternative, voll digitalisierte Bezahlsysteme nicht gerade keine Banken sein? Sollten also nicht DeFi-Lobbyisten das, was sie den „unbanked“ versprechen, doch nicht besser ganz konkret beschreiben, anstatt einfach „banking“ zu versprechen? Die Bank-Metapher mag ja doch irreführend sein, wenn beispielsweise unabgesicherte Invest-Produkte oder Krypto-Portfolios angeboten werden. Mindestens überrascht es, wenn ausgerechnet diejenigen sie nutzen, die zugleich lautstark betonen, just eben keine Banken zu sein. Oder Bankdienstleistungen sogar überflüssig zu machen.

Die größere Irritation: Was fehlt denn den sogenannten „unbanked“? Wirklich die digitale Bank? Oder nicht doch in erster Linie Geld und Vermögen? Einschließlich der Sicherheitspolster, Risiken innovativer Finanzprodukte auf sich nehmen zu können. Tatsächlich wollen einige der „unbanked“ – das gibt auch die Weltbank zu – aus verschiedenen Gründen gar keine Bank. Insofern ist auch die Botschaft von Democratizing Finance durchaus gar nicht, Fintech sei „demokratisch“. Eher erscheinen sie als Modernisierungsinstrument. Statt traditionell etwa in der Landwirtschaft zu arbeiten, kann man Unternehmer sein. „Fintech innovations have the capacity to improve the transaction system, increase productivity, and help countries transition workforces from traditional to modern sectors – factors that improve economic growth.” (S. 105)

Finanzielle Inklusion nützt damit Volkswirtschaften. Ist Inklusion aus Sicht der Betroffenen wirklich aber eine freiheitsstiftende Vorstellung? Wir wissen ja nicht, was die „unbanked“ sagen. Ich vermute aber: nicht der Ruf nach Banken, sondern: „Cash the uncashed!“ stünde auf ihrem Transparent.

Marion Laboure, Nicolas Deffrennes: Democratizing Finance. The Radical Promise of Fintech. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 2022.

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Autor: Laura Grosser eFin-Blog Farbe: hellblau

„Wieso wir alle mehr über Geld reden sollten“

„Wieso wir alle mehr über Geld reden sollten“

Ein Beitrag von Laura Grosser

vom 8. August 2023

Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen ZEVEDI und der Bertolt-Brecht-Schule Darmstadt sprach Finanzjournalistin und Mercator-Journalistin in Residence Anissa Brinkhoff mit Oberstufenschüler:innen darüber, warum Geld, Investment und Daseinsvorsorge ein sowohl persönliches wie auch gesellschaftliches Thema ist, das alle kennen und diskutieren sollten.

Beamer, Mikrophon und Boxen stehen vor den Rängen der Rollsporthalle Darmstadt. Die Bertolt-Brecht-Schule wird gerade umgebaut und saniert, eine Schulaula steht daher gerade nicht zur Verfügung. Die benachbarte Sporthalle wird extra angemietet und da das Interesse größer ist, als die Ränge Sitzplätze bieten, hält Anissa Brinkhoff den Vortrag gleich zweimal. Die 34-jährige Finanz-Journalistin erzählt lebensnah auch von eigenen Erfahrungen und weckt so das Interesse ihrer Zuhörer*innen.

Fragen über Fragen – von Investitionen in Gold bis hin zu Krypto und Dropshipping

„Wie sicher ist investieren in Aktien?“ „Ist es nicht besser zu sparen?“ „Oder sollte man in Gold investieren?“ – „Muss ich mich jetzt schon um meine Altersvorsorge kümmern?“ Mit viel Voraussicht formulieren die Schüler:innen der Bertolt-Brecht-Schule ihre Fragen und Bedenken in einer anfänglichen Fragerunde. Spannenderweise überschneiden sich die Fragen in den beiden Vortragsdurchgängen, sie scheinen für alle Schüler*innen der Jahrgangsstufe von Bedeutung.

Ein neues Thema, das die Schüler:innen als mögliche Einnahmequelle beschäftigt (gerade auch weil es immer wieder in den sozialen Medien auftaucht), ist das sogenannte Dropshipping. Dabei werden Waren weiterverkauft an Kunden, die allerdings nicht beim Verkäufer gelagert werden, sondern direkt vom Händler an den Käufer geschickt werden. Der Verkäufer ist nur ein Mittelsmann, der keinen direkten Kontakt mit der Ware hat – und sie daher auch nicht besitzt, wenn er sie verkauft. Dass dies zu Problemen führen kann, wenn beispielsweise Ware, die bereits verkauft wurde, nicht mehr lieferbar ist, führt Anissa Brinkhoff den Schüler:innen anschaulich vor Augen. ‚Einfach so‘, wie es sich viele vorstellen, lässt sich auf diese Weise nicht das große Geld machen, man ist auch mit diesem Verkaufsmodell Gewerbetreibende:r – mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten; und somit beispielsweise auch als Minderjährige:r steuerpflichtig.

Wir reden zu wenig über Geld!

„Wer weiß, wie viel genau die eigenen Eltern verdienen?“ – Zögerlich gehen einige Hände hoch. Mehr als erwartet, aber immer noch nur ein kleiner Bruchteil der anwesenden Schüler:innen. Von Freund:innen und Bekannten weiß es so gut wie niemand. Vielleicht deutet sich hier schon ein leichter Generationenwechsel an, denn Ältere hätten wahrscheinlich noch nicht mal mit dem Arm gezuckt. Vielen öffnet sich erst mit zunehmendem Alter, wenn man den Eltern beispielsweise bei der Steuererklärung oder Versicherungen helfen muss, das bis dahin meist verschlossene Buch der Gehaltsabrechnungen. Aber wer weiß, ob und wie hoch das Elternhaus belastet ist, ob ein Kredit bereits abbezahlt wurde oder wie hoch sich die monatlichen Kosten belaufen? Nun schauen die Schüler*innen ratlos. Es wird deutlich spürbar: Es wird zu wenig über Geld geredet. Und Anissa Brinkhoff macht sogleich klar, warum das problematisch ist: Wir wissen gar nicht, mit welchen Erwartungen wir in Gehaltsverhandlungen gehen sollten, verkaufen uns womöglich viel zu oft unter Wert. Und wer weiß schon, worauf es ankommt, um einen guten Kredit zu bekommen, damit man sich beispielsweise ein Eigenheim leisten kann?

Finanzen sind kein Schulfach, was Anissa Brinkhoff sehr bedauert, auch wenn sich die Politik-und-Wirtschaft-Lehrer:innen Mühe geben, dem Thema einen adäquaten Raum in ihrem Unterricht zu geben. Dass es dennoch viele Leerstellen ob der Fülle an Unterrichtsinhalten gibt, ist klar – umso besser, wenn man einer Finanzjournalistin Löcher in den Bauch fragen kann, die sich auf Workshops und Podcasts zum Thema Finanzbildung spezialisiert hat.

Aber die Finanzsprache ist auch eine ganz eigene, die man erst einmal erlernen muss. Das wird teils durch ein Image der gestressten und überarbeiteten Wall Street Banker in Hollywood-Filmen noch erschwert, wie Anissa Brinkhoff deutlich macht: Die Finanzwelt scheint wie von einem anderen Planeten oder vielmehr ein eigenes Universum zu sein, in das man nur schwerlich Einblicke bekommen kann. Und wer hat schon Lust darauf, bei all dem in Filmen gezeigten Stress, der Arbeit am Limit, die gar bis zu Drogenkonsum führen kann, um funktionsfähig zu sein, wenn nicht im Extrem zum Selbstmord? Wie viele Freundschaften und Ehen scheitern in Filmen daran. Möchte man sich wirklich in so ein Arbeitsklima begeben?

Aber professionell in der Investmentbranche zu arbeiten, ist auch etwas anderes, als privat sein Geld anzulegen. Anissa Brinkhoff möchte nicht alle zu Bankern machen, sondern dafür sensibilisieren, dass es ein Thema ist, das uns alle betrifft. Nicht nur wenn wir im Finanzwesen arbeiten, sollte darüber geredet werden – Geld und die Art und Weise unseres Umgangs mit Finanzgütern geht uns alle etwas an. Wir kommen gar nicht drum herum. Und je früher wir uns Gedanken machen, desto mehr haben wir ganz buchstäblich davon.

Wieso ist Geld überhaupt wichtig?

Bei Geld denken die meisten zunächst an dadurch ermöglichten Konsum: Wenn ich viel Geld habe, kann ich mir das neuste iPhone, ein schickes Kleid oder einen Konzertbesuch leisten. Nicht nur für sogenannte Luxusgüter brauchen wir Geld in der (virtuellen) Tasche, auch zum Beispiel für unser Essen und um ein Dach über dem Kopf zu haben. Geld ermöglicht materiellen Wohlstand – aber auch noch viel mehr. Anissa Brinkhoff erzählt aus ihrem eigenen Leben und viele Schüler*innen konnten sich sichtbar damit identifizieren: Ihr waren früher Finanzen nicht wichtig, weil sie ihr Leben nicht nach materiellen Gütern ausrichten wollte. Aber schließlich kam sie dahinter, dass Geld mehr Kraft hat, das eigene Leben zu erleichtern und zu verändern: Geld bedeutet auch Freiheit. Die Freiheit, jederzeit seinen Job kündigen zu können, weil man genügend Rücklagen hat, um ohne Einkommen über die Runden zu kommen, bis man einen neuen gefunden hat. Die Freiheit, jederzeit seine Beziehung zu beenden, weil man von dem Partner bzw. der Partnerin nicht finanziell abhängig ist und sich eine eigene Wohnung leisten kann. Und selbst wenn man nicht im Luxus materieller Güter schwimmen möchte – wer strebt nicht nach einem solchen Luxus der Freiheit, sein Leben selbst in der Hand zu haben?

Fünf Finanz-Basics: Budgetieren, Kredite, Sparen, Investieren und Altersvorsorge

Griffig formuliert Anissa Brinkhoff fünf Finanz-Basics, die sie den Schüler:innen an die Hand geben möchte. Um nicht unerwartet am Ende des Monats ohne Geld dazustehen und sich auch mal etwas Teureres leisten zu können, ist Budgetieren das Mittel der Wahl. Viele Schüler:innen nicken, sie haben es nicht nur im Elternhaus und Unterricht kennengelernt, auch Influencer auf diversen Social-Media-Plattformen teilen ihre Tipps zum Budgetieren. Dass man nicht mehr ausgeben sollte, als man einnimmt, leuchtet ein. Doch wie viel sollte man monatlich auf die Seite legen? Klassischerweise benötigen wir die Hälfte unseres Gehalts für Fixkosten, so Anissa Brinkhoff, 30% sollten wir für variable Kosten einplanen und 20% können – und sollten – wir sparen oder investieren. Dass dies nur grobe Richtwerte sind, macht sie deutlich; rechnet aber auch vor, wie viel es ausmacht, wenn man monatlich spart oder investiert.

Worin liegt aber der Unterschied? Und was die Schüler:innen interessiert: Was ist ‚besser‘? Sollte man nicht lieber einfach sparen und sich nicht dem Risiko aussetzen, bei Investments das Geld zu verlieren? Anissa Brinkhoff stellt klar: Sparen bedeutet nicht, dass man sich in 10 oder 20 Jahren noch dasselbe von dem Geld leisten kann wie heute. Altersvorsorge mithilfe des guten alten Sparstrumpfs bringt bei der aktuellen Inflation nicht viel, wird den Schüler:innen bewusst. Private Vorsorge muss allerdings getroffen werden, zeigt Anissa Brinkhoff eindringlich: Die staatliche Altersvorsorge reicht nicht aus, erst recht nicht bei dem derzeitigen demographischen Wandel und unserem Rentenmodell, das auf Umlagefinanzierung fußt. Man kann nicht zu früh anfangen, sich um seine finanzielle Absicherung zu kümmern.

In was man investieren kann und soll, dazu gibt es kein Patentrezept. Anissa Brinkhoff warnt die Schüler:innen auch vor öffentlich, v.a. in sozialen Medien weit geteilten ‚Insider-Tipps‘ zu Kapitalanlagen: Wer hat denn etwas davon, dieses Wissen zu teilen, wenn es wirklich eine Goldgrube ist? Man sah förmlich, wie viele der Schüler:innen zu überlegen begannen. Ein wichtiges Ziel wurde durch den Vortrag erreicht: die Schüler:innen für das Thema Finanzen zu sensibilisieren und dieses als eine ständig anfallende, aber bewältigbare Aufgabe zu sehen.

Das Finanzsystem ist männlich – Frauen dürfen nicht abgehängt werden! Gender Pay Gap und Gender Pension Gap

Ein besonderes Anliegen ist Anissa Brinkhoff das Thema „Female Finance“. Nicht nur verdienen Frauen noch immer bei gleicher Qualifikation im gleichen Job durchschnittlich weniger als Männer – und das im Schnitt 18%. Auch leisten sie deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit, durch die sie selbst schlechter im Alter abgesichert sind. Zudem zahlt man im Mutterschutz nicht automatisch in die Rente ein – und eine Mutterschaft ist meist immer noch ein Karrierehemmnis. So beträgt die Gender Pension Gap derzeit sogar 40%. „Geld ist sexistisch und diskriminierend“, bringt es Anissa Brinkhoff abschließend auf den Punkt. Denn es sei von Männern für Männer geschaffen, Frauen müssen viel stärker mitbedacht werden – in Neuerungen im Finanzwesen wie der zunehmenden Digitalisierung, aber auch in der Wissensvermittlung in der Finanzbildung.

Daher recherchiert Anissa Brinkhoff auch im Rahmen des Mercator-Journalist in Residence-Programms am ZEVEDI für ihren Finanzpodcast „Finance & Feelings“, inwiefern Frauen bei der Digitalisierung des Finanzwesens mitbedacht werden.

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Autor: Erik Meyer Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: blau

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Digitaler Euro: Formate und Inhalte der politischen Kommunikation des Projekts

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 18. Juli 2022

Bislang war der digitale Euro eine eher administrative Angelegenheit. Spätestens mit dem vorgelegten Verordnungsentwurf der EU-Kommission sollte auch die Vermittlung des Vorhabens in eine neue Phase öffentlicher Diskussion eintreten. Einige Eindrücke zum aktuellen Stand.

Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet nun schon länger daran, wie ein digitaler Euro auszugestalten wäre und eruiert, ob es ihr sinnvoll erscheint, diesen auch einzuführen. Dieser Prozess wird an Hand von Dokumenten einigermaßen transparent in der Online-Kommunikation der Institution dargestellt. Das heißt allerdings, dass viele Informationen primär auf Englisch vorliegen und zudem fachsprachlich formuliert sind. Auch die Deutsche Bundesbank verweist in ihrem nicht ganz aktuellen Online-Angebot» auf solche Materialien. Fortlaufend dokumentiert werden betreffende Publikationen hier» . Ein zentrales Format sind dabei Folienpräsentationen, die zu diversen Anlässen vorgelegt werden und etwa den Fortschritt des Vorhabens grafisch darstellen sollen. Einer solchen Präsentation ist auch der aktuell auf der deutschsprachigen EZB-Unterseite verlinkte Zeitplan des Projekts» entnommen, der bislang erreichte Meilensteine fokussiert.

Darstellung des Zeitplans für die Testphase des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank.

Anders als dieses kleinteilige und für eine auf das Projekt bezogene Themenöffentlichkeit einschlägige Angebot mutet die visuelle Regierungskommunikation an, die mit der Vorlage des Verordnungsentwurfs für einen Rechtsrahmen des digitalen Euros insbesondere in den sozialen Medien eingesetzt hat. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat etwa in der Erklär-Video-Reihe Finanzisch für Anfängerinnen und Anfänger einen einminütigen Clip im Comic-Stil zu folgender Fragestellung veröffentlicht: „Was könnte ein digitaler Euro möglich machen, wer arbeitet daran und wann könnte er eingeführt werden?“». Per Du und mit Musik unterlegt werden hier vor allem vermeintliche Vorzüge des digitalen Euro in Szene gesetzt und für Informationen abstrakt auf www.bundesfinanzministerium.de» verwiesen. Die dem zuständigen EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung unterstehende Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen lanciert derweil etwa bei Twitter unter @ecfin und mit den Hashtags #EuroCash #YourChoice diverse farbenfrohe Sharepics, ein ähnliches Video-Format wie das BMF sowie einen recht schematischen Faktencheck. Während hier alles in Englisch vorgetragen wird, existieren einige Angaben der EU-Kommission zu ihren Legislativvorschlägen auch in deutscher Sprache: etwa ein Informationsblatt zum Download». Dieses hebt auch primär darauf ab, knapp Vorteile des digitalen Euro aufzuzählen sowie Gegenargumente zu entkräften.

Parlamentarische Anfrage und Antwort der Bundesregierung

Ein weniger präsentes Format der politischen Kommunikation sind demgegenüber parlamentarische Anfragen, die von Mitgliedern des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung gerichtet werden. Eine sogenannte Große Anfrage hat die AfD-Fraktion im Februar 2023 unter dem Titel Tokenisierung des Geldes – Chancen und Risiken gestellt, die den Gesamtzusammenhang von Bar- und Digitalgeld adressiert. Mitte Juni hat die Bundesregierung darauf schriftlich geantwortet und der Bundestag hat darüber Ende Juni in seinen Parlamentsnachrichten berichtet».

Deckblatt der Drucksache 20/7277 vom 14.06.2023. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der AfD. Tokenisierung des Geldes - Chancen und Risiken.

Die Drucksache selbst» hat inklusive der 83 gestellten Einzelfragen einen Umfang von über 50 Seiten. Auch wenn diese Auskünfte noch vor der Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs erteilt wurden und die Bundesregierung an einigen Stellen darauf verweist, dass ihr betreffende Erkenntnisse nicht vorliegen bzw. nur den aktuell bekannten Stand reflektieren, werden einige Aspekte, die den digitalen Euro betreffen, hier weniger plakativ-persuasiv denn nüchtern-nachvollziehbar formuliert. Dabei werden diverse Quellen berücksichtigt. Dementsprechend lohnt es sich, hier ausgewählte Passagen zu dokumentieren.

Aus der Vorbemerkung zum Entscheidungsverfahren:
„Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es für die Einführung eines möglichen digitalen Euro eines demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesses bedarf.“ (…) Auch eine positive Entscheidung der EZB über den Eintritt in eine weitere Projektphase im Herbst 2023 würde keine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro bedeuten. Eine solche Entscheidung könnte vielmehr erst dann getroffen werden, wenn die europäischen Ko-Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung eines digitalen Euro geschaffen hätten.“ (S. 20)

Dies im Hinblick auf die Vorgehensweise der EZB konkretisierend:
„Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, hat in ihrer Rede bei der Plenarsitzung des Europaparlaments am 15. Februar 2023 ausgeführt, dass eine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro erst getroffen werden könne, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sei. In ihrem dritten Fortschrittsbericht zum digitalen Euro vom 24. April 2023 hat die EZB dargelegt, dass das Design eines digitalen Euro dann auf Grundlage des Gesetzgebungsprozesses erfolgen wird.“ (S. 22 f.)

Ein relevantes Gremium bei der bisherigen Ausarbeitung von Gestaltungsoptionen des digitalen Euro ist die High-Level Task Force on Central Bank Digital Currency, die sich aus Vertreter:innen der EZB und der nationalen Zentralbanken der Eurozone zusammensetzt. Auf diese wird etwa im Hinblick auf die Frage Bezug genommen, ob es hier nur um digitales Zentralbankgeld für Endkund:innen geht (Retail-CBDC) oder auch um eine digitale Zentralbankwährung für Geschäftsbanken und andere Finanzinstitutionen (Wholesale-CBDC):
„Die bisherigen Arbeiten der HLTF-CBDC zum Digitalen Euro beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung ausschließlich auf Retail-CBDC. Eine Zusammenführung der dabei bisher identifizierten Designoptionen für einzelne Gestaltungsmerkmale (‚High-level design‘) ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.“ (S. 26)

Zu den Ressort-Zuständigkeiten seitens der Bundesregierung wird ausgeführt:
„Das Bundesministerium der Finanzen koordiniert und bearbeitet das Thema innerhalb der Bundesregierung federführend und beteiligt die Ressorts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und das Bundeskanzleramt. Zu den beteiligten Ressorts gehörten bislang insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Justiz, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.“ (S. 27)

Zur Frage danach, ob Zentralbanken beim digitalen Euro die Kontenführung übernehmen:
„Nach Kenntnis der Bundesregierung sehen die aktuellen Überlegungen der Zentralbanken des Eurosystems zum digitalen Euro nicht vor, dass die EZB oder nationale Zentralbanken Konten für jedermann eröffnen würden. Nach den Vorstellungen des Eurosystems würde der digitale Euro zwar bilanziell eine Verbindlichkeit der Zentralbanken darstellen – wie dies heute auch beim Bargeld der Fall ist. Es wären aber nicht die Zentralbanken, sondern beaufsichtigte Intermediäre (in der Regel Geschäftsbanken und/oder andere Zahlungsdienstleister), die für die Verteilung des digitalen Euro an die Endnutzer verantwortlich wären, einschließlich der Eröffnung von Konten oder Wallets“. (S. 33)

Zur informellen Beteiligung von Stakeholdern am laufenden Entwicklungsprozess:
„Die Einbeziehung erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung z. B. über (i) Marktkontaktgruppen wie das Euro Retail Payments Board (ERPB) auf europäischer Ebene und das Forum Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank auf nationaler Ebene, sowie der Market Advisory Group (MAG), in der Experten aus dem Zahlungsverkehr das Eurosystem beraten (ii) Umfragen und (iii) Mitarbeit privater Akteure an technischen Merkmalen eines digitalen Euro (z. B. im Rahmen von Prototyping-Aktivitäten oder einer Marktuntersuchung).“ (S. 36)

Zum Charakter des digitalen Euro als digital cash:
„Die Bundesregierung sieht den digitalen Euro als eine Ergänzung zum Bargeld und setzt sich für eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro ein. Ein digitaler Euro sollte als Zahlungsmittel und nicht zur Geldanlage verwendet werden, um die Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission und den Finanzsektor wirksam zu begrenzen.“ (…) Mit Blick auf eine an den Grundeigenschaften des Bargelds orientierte Ausgestaltung eines digitalen Euro setzt die Bundesregierung sich dabei für ein möglichst weitgehendes Maß an Privatsphäreschutz ein, das über den Privatsphäreschutz heutiger, von privaten Unternehmen angebotenen elektronischer Zahlverfahren hinausgeht.“ (S. 37)

Zur abgestuften Ablehnung von Programmierbarkeit als Feature für digitales Zentralbankgeld:
„Das Eurosystem und die Mitgliedstaaten des Euroraums lehnen eine Programmierbarkeit eines digitalen Euro dergestalt, dass z. B. eine Bedingung direkt in einem ‚digitalen Geldstück“ hinterlegt würde, strikt ab, denn es wäre sonst nicht mehr sichergestellt, dass das ‚digitale Geldstück‘ zum Nennwert (also eins zu eins) in andere Formen des Euro (z. B. Bargeld) umtauschbar wäre. Die freie Konvertibilität ist aber eine Grundanforderung an den digitalen Euro.
Davon abzugrenzen ist der Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber dem Eurosystem dafür ein, den Einsatz von digitalem Zentralbankgeld in programmierbaren Anwendungen verstärkt zu untersuchen. Als programmierbare Zahlungen versteht die Bundesregierung Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags durch vorher vorgegebene Bedingungen bestimmt werden. Solche Zahlungen können die geldseitige Abwicklung von komplizierten Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der Erfüllung vorgegebener Bedingungen ermöglichen.“ (S. 39)

Aktuell wird an den Voraussetzungen für einen einheitlichen digitalen Identitätsnachweis für Menschen und Unternehmen in der EU (EUid:) gearbeitet; ausgeführt quasi äquivalent zu einem Ausweis als digitale Brieftasche (Wallet). Gerade im Hinblick auf potenzielle Problematiken des digitalen Euro betreffend den Schutz der Privatsphäre spielen Planungen zur Nutzung der EUid im Zusammenhang mit digitalem Zentralbankgeld (CBDC) eine Rolle. Dazu wird ausgeführt:
„Die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von CBDC und digitalen Identitäten hinge von der jeweiligen konkreten technischen Ausgestaltung ab. Diese ist weder für einen möglichen digitalen Euro noch für eine EUid abschließend geklärt. Der europäische Gesetzgebungsprozess für eine EUid (eIDAS-VO) befindet sich gegenwärtig im ‚europäischen Trilog‘. Unbeschadet dessen könnte ein potenzielles Zusammenspiel beider Technologien nur unter strenger Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte (insb. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht) und des geltenden Datenschutzrechts erfolgen.“ (S. 41)

Finanzisch für gut informierte Bürger:innen

Die Unterschiede zwischen verschiedenen Varianten zur kommunikativen Vermittlung des digitalen Euro sind signifikant, wenn auch den jeweiligen Entstehungskontexten und Adressatenkreisen geschuldet. Zwischen Angeboten für professionell mit dem Thema befasste Personen und eine interessierte Öffentlichkeit klafft noch eine erkennbare Lücke. Der Blick auf die parlamentarische Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass entsprechende Inhalte aber in Deutschland durchaus verfügbar sind. Es wäre deshalb wünschenswert, sie nicht nur als im Informationssystem für Parlamentsmaterialien vorgehaltenes PDF zu dokumentieren, sondern prominenter online zugänglich zu machen. Gerade die Markierung von unterschiedlichen Ansichten aber auch Wissensständen im dialogischen Format von Anfrage und Antwort erscheint hier besonders geeignet. Eine zusätzliche Herausforderung bleibt dabei, dass nicht nur der Gegenstand „digitaler Euro“ komplex und wenig fassbar ist. Auch die Arbeit von Zentralbanken und das politische System der Europäischen Union sind höchst erklärungsbedürftig.

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Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 eFin-Blog Farbe: gelb

Coinzeit 3000 #3: „Blockchainisierung“

Ein Beitrag von Petra Gehring

vom 17. Juli 2023

An sich was Schönes: Substantive, die Verläufe ausdrücken. Mehrmals ist mir inzwischen aber das Wort „Blockchainisierung“ untergekommen. Zuletzt (mehrmals) in Blogs der DZ-Bank (auch etwa de la Rubia 2022 und dazu Coinzeit 3000 #). Als ob „Tokenisierung“ nicht schon schlimm genug wäre. Vom Sprachmix mal abgesehen: Man mag sich ja gern vorstellen, dass alles „auf die Blockchain“ soll – so wie auf den Herd, aufs Gleis, auf die Schiene. Ratzfatz. Fertig. Läuft.

Hilft „Blockchainisierung“ aber erstens, um den Vorgang zu verstehen? Und ist zweitens auch nur annähernd mitgesagt, dass die ganze Sache einigermaßen komplex ist? Dass da ‚etwas dranhängt‘, um es mal so vage zu sagen? Zum Beispiel könnte es sich ja doch um eine verdammt aufwendige technologische Veränderung handeln. Vom Alltag der (etwa im Bereich der DZ-Bank, es handelt sich um eine Dachorganisation der Volks- und Raiffeisenbanken) betroffenen Kundinnen und Kunden mal ganz abgesehen.

Schon „Digitalisierung“ hat sich als eine ziemlich schlechte, große Schachtel erwiesen: ein Wort, das nahelegt, man stelle Softwarelösungen einfach hin, und dann klappe das schon. Klassischer Fehler: Technik als Magie. Neue Technologien sind zumeist aber weder „einfach“ noch „eines“. Wo die Politik sich den digitalen Wandel so vorstellt, das wissen wir längst, tritt sie ratlos auf der Stelle. Wirtschaft und Verwaltung kennen das Problem. Nenne es Change Management. Nenne es: Wo ist der CIO? Nenne es: Wer kann Admin? Von der Frage, was sich für wen wie rechnet, ganz abgesehen.

Zurück zur „Blockchainisierung“ – ich sage mal so: Will eine Bank mit der Zivilgesellschaft reden, schiene mir eine weniger kompakte Ausdrucksweise hilfreich. Denn mal abgesehen von der falschen Suggestion, alles ginge „mal eben“ (und sehr schnell): Ist gemeint, dass es viele Blockchains geben wird, jedes Unternehmen irgendwann „seine“ hat? Oder wird es neue Intermediäre geben, die als technische Betreiber parallel zum ersten eine Art zweites Internet konstruieren? Oder sind es die „alten“? Du willst ein DAO eröffnen, Du willst überhaupt blockchainisieren? Dann komm auf die Google-Blockchain, Baby …!

Vor allem aber sind es ja die Regeln auf der Chain, die das Gesicht einer künftigen „Blockchainisierung“ prägen werden. Und da ist, möchte man meinen, doch noch so einiges offen. Während die optimistischen Seelen die Inklusion und die Demokratisierung loben, die dank der neuen Technologie möglich sein soll, warnen die anderen in der Hauptsache vor den Energiekosten und damit den ökologischen Folgen. Leider benötigt die neue Technologie Strom – das hat sich herumgesprochen

Was, wenn sich jedoch weder das eine noch das andere in einigen Jahren als Haupteffekt der „Blockchainisierung“ erweisen wird? Oder wenn sie ausbleibt, weil ein ganz anderer Prozess die Nase vorn hat? Man ist geneigt, ein altes Bonmot abzuwandeln: Prognosen zu Verläufen sind schwierig vorauszusagen, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.

DZ Bank-Blog: „Blockchainisierung“ des Euro (22.6.2018) https://dzresearchblog.dzbank.de/content/dzresearch/de/2018/06/22/blockchainisierung-des-euro.html [17.7.2023].

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Autor: Cederic Meier Digitaler Euro eFin-Blog EU-Politik Farbe: hellblau

Quo vadis digitaler Euro?

Quo vadis digitaler Euro? Über die rechtlichen Indikationen des Verordnungsentwurfs zur Einführung eines digitalen Euro

Ein Beitrag von Cederic Meier

vom 4. Juli 2023

Am 28. Juni 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission im Rahmen des Pakets zur einheitlichen Währung neben dem Verordnungsentwurf über Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel1Regulation on the legal tender of euro banknotes and coins. den lang erwarteten Entwurf einer Verordnung zur etwaigen Einführung eines digitalen Euro.2Regulation on the establishment of the digital euro. Verfassungsrechtlich erhält der digitale Euro damit die ausgehende Grundlage für die demokratische Diskussion eines kollektiven Rechtsrahmens, der Gestalt und Funktion des neuen Geldmediums weitgehend bestimmen würde.

Während die parallele Entscheidung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) über die tatsächliche Einführung eines digitalen Euro weiterhin aussteht, benötigt der Verordnungsentwurf nun die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union, die als gemeinsame Institutionen der Gesetzgebung der Union eigene Änderungsvorschläge zur Verordnung einbringen können. In diesem Prozess gilt es fortan, das rechtliche Wesen des digitalen Euro demokratisch zu bestimmen.

Bereits in der Art und Weise der Veröffentlichung des Entwurfs innerhalb des einheitlichen Gesetzgebungspakets verdeutlicht die Europäische Kommission ein wesentliches Fundament des digitalen Euro: Der digitale Euro soll die derzeit existierende Erscheinung des Bargelds in keiner Form ersetzen, sie vielmehr ergänzen und den Bürgerinnen und Bürgern des Euroraums nunmehr die freie Wahlmöglichkeit der Zahlung mit Zentralbankgeld in barer oder digitaler Form gewähren.3Vgl. dahingehend auch die zugehörige Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 28. Juni 2023 sowie die am gleichen Tag in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichten Beitrag von Fabio Panetta (Direktoriumsmitglied der EZB) und Valdis Dombrovskis (Exekutiver Vizepräsident der Europäischen Kommission) Warum Europa einen digitalen Euro braucht, hierzulande verfügbar unter FAZ vom 28. Juni 2023 sowie kostenlos auf dem EZB-Blog vom 28. Juni 2023. Siehe zudem die dies mehrfach betonende Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 1, 2, 9, 17.So repräsentiert ein digitaler Euro zuvorderst das ausgesprochene europäische Ziel, auch innerhalb einer sich zunehmend digitalisierenden Ökonomie (beispielsweise E-Commerce, Industrie 4.0, Web3) eine kostenlose und effektiv verwendbare Form des öffentlich emittierten Zentralbankgeldes anzubieten, die das für die moderne Geldordnung essenzielle Vertrauen in den Euro im digitalen Zeitalter langfristig zu sichern vermag. Auf dieser Linie soll ein innovativer digitaler Euro als gesetzliches Zahlungsmittel ein hohes Maß an Datenschutz und Privatsphäre gewährleisten, die Finanzstabilität der Eurozone wahren und die allgemeine finanzielle Integration weiter fördern.4Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 2, 3.Der anstehende normative Gestaltungsprozess ist damit jedoch gerade erst angestoßen. Fortan gilt es, das rechtliche Wesen des digitalen Euro in den entsprechenden europäischen Gremien demokratisch zu diskutieren und es im Sinne der europäischen Gesellschaft weiter zu formen.

Zum allgemeinen politischen Rahmen einer Verordnung zum digitalen Euro

In rechtsstaatlicher Betrachtung ist zum generellen Erlass der Verordnung zunächst eine entsprechende Rechtsgrundlage erforderlich, die die Europäische Union politisch zur Rechtssetzung ermächtigt. Die Kommission stützt diese Kompetenz auf Art. 133 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), der vorsieht, dass das Europäische Parlament und der Rat die Maßnahmen erlassen, „die für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind.“ Da die Währungspolitik gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) AEUV jedoch ohnehin in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Union fällt,5Womit das Subsidiaritätsprinzip der Unionsgesetzgebung gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV unanwendbar ist.dürften der generellen Gesetzgebungskompetenz der Union für einen digitalen Euro unter Wahrung der normativ unabhängigen Befugnisse der EZB keine ernsthaften Zweifel entgegenstehen. Zusätzlich begründet die Kommission den Rückgriff auf Art. 133 AEUV entsprechend des Wortlauts als „erforderlich“, um die Verwendung des Euro als einheitliche Währung im digitalen Zeitalter zu gewährleisten.6Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 5.

Dass die Kommission mit ihrem ausschließlichen Gesetzesinitiativrecht derart frühzeitig und noch vor der Entscheidung der EZB über die Entwicklung eines digitalen Euro im Oktober 2023 aktiv wird, ist dabei aus politischer Sicht äußerst begrüßenswert. So ist die Gestalt eines unmittelbar verbindlichen Rechtssatzes innerhalb einer Gesellschaft, die sich mittels staatlicher Strukturen politisch organisiert, die vorwiegende Grundlage der allgemeinen Akzeptanz einer kollektiv begründeten Ordnung. Für die allgemeine Akzeptanz einer neu zu schaffenden Ordnung des digitalen Euro ist es aus staatstheoretischer Perspektive somit förderlich, sie mittels eines demokratisches Gesetzgebungsprozesses normativ zu konstituieren. Die politische Berücksichtigung der Ergebnisse der öffentlichen Befragung zum digitalen Euro,7Eurosystem report on the public consultation on a digital euro. Zur expliziten Berücksichtigung siehe Gesetzesbegründung des Kommissionsentwurfs zum digitalen Euro, S. 6. an der sich nach der Veröffentlichung des Report on a digital euro von Oktober 2020 bis Januar 2021 alle Bürgerinnen und Bürger des Euroraums beteiligen konnten, ist in ihrer Intention zwar lobenswert, jedoch bleibt kritisch anzumerken, dass an der Befragung nur 8221 Menschen der knapp 343 Millionen Einwohner des Euroraums teilnahmen, die Befragung fast zweieinhalb Jahre zurückliegt und zu dieser Zeit kaum über einen digitalen Euro informiert wurde. Im weiteren Gesetzgebungsprozess wäre es für die zukünftige politische Akzeptanz und das gemeine Verständnis eines digitalen Euro daher essenziel , eine neue weitreichende und groß angelegte öffentliche Debatte über die Einführung eines digitalen Euro sowie seine etwaigen sozialen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile anzustoßen.

Der digitale Euro als öffentlich kreditiertes Zahlungsmedium

Nachdem der Verordnungsentwurf zunächst die wesentliche Intention eines digitalen Euro sowie grundlegende Begriffsdefinitionen festlegt, formuliert er in Art. 4 die wohl bedeutendste Eigenschaft eines digitalen Euro, die ihn von allen bisher existierenden digitalen Zahlungsmedien abheben würde. Ein digitaler Euro stellt eine unmittelbare Verbindlichkeit der EZB oder der nationalen Zentralbanken dar, dessen Ausgabe ausschließlich zentral durch die EZB genehmigt wird. Damit bildet ein digitaler Euro ein in seinem Bestand öffentlich kreditiertes Geldmedium, das von einer Institution garantiert wird, die innerhalb ihrer eigenen Währung insolvenzunfähig ist und damit stets den Status der Zahlungsfähigkeit erhält. Im Gegensatz dazu fußt die Nutzbarkeit des bereits digital verwendbaren Buchgeldes auf den Geschäftsbankkonten – trotz gesetzlicher Einlagensicherung – grundsätzlich auf der Liquidität einer insolvenzfähigen Geschäftsbank. Denn anders als öffentlich emittiertes Zentralbankgeld stellt dieses „private“ Buchgeld normativ zunächst ausschließlich einen rechtlichen Anspruch gegen eine Geschäftsbank auf Auszahlung des nominalen Betrages in öffentliches Zentralbankgeld dar.

Zudem soll ein digitaler Euro gemäß Art. 7 ff. des Verordnungsentwurfs – vergleichbar dem Bargeld – als gesetzliches Zahlungsmittel grundsätzlich einer generellen rechtlichen Annahmepflicht für die Tilgung von Geldschulden unterliegen. Dies gilt für die offline-Verwendung im Allgemeinen und für die online-Verwendung, soweit der Zahlungsempfänger im Euroraum ansässig bzw. niedergelassen ist (Art. 8). Im Sinne des Verbraucherschutzes wäre es im Rahmen der online-Verwendung im Geschäftsverkehr folglich wünschenswert, Unternehmen zur eindeutigen Kennzeichnung ihrer etwaigen Niederlassung im Euroraum zu verpflichten. Ausnahmen von der gesetzlichen Annahmepflicht sollen nur unter den im Verordnungsentwurf engen Voraussetzungen des Art. 9 möglich sein, die später gemäß Art. 11 durch die Kommission ergänzt werden können.8Gemäß Art. 38 Abs. 6 des Verordnungsentwurfs gilt die Befugnis der Kommission jedoch nur, soweit das Europäische Parlament oder der Rat der Europäischen Union keine Einwände erheben. Gemäß Art. 39 Abs. 3 soll die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte (neben Art. 11 auch Art. 33, 34 und 35) zudem jederzeit durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union widerrufbar sein.Insbesondere soll ein Ausschluss der Annahmepflicht gemäß Art. 10 nicht durch einseitig vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen des Zahlungsempfängers ermöglicht werden. Auf dieser Linie trifft die Verordnung Regelungen, die weit in die mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen hineinwirken.

Als gesetzliches Zahlungsmittel könnte sich ein digitaler Euro derart als universelle Eintrittskarte in die Welt der digitalen Ökonomie des Euroraums etablieren. Als öffentliches Geldmedium würde ein digitaler Euro einerseits die unmittelbare Sicherung durch die staatliche Hoheitsgewalt genießen und andererseits als gesetzliches Zahlungsmittel eine im Grundsatz wirtschaftliche Allzweckwaffe zur sofortigen Tilgung eingegangener Schuldverhältnisse verkörpern. Mittels eines digitalen Euro würde im demokratischen Sinne so die Möglichkeit der allgemeinen Partizipation an der digitalen Marktwirtschaft – ohne Einflussnahme und notwendige Unterwerfung unter die gesetzten Regeln privater Zahlungsanbieter – öffentlich garantiert werden.

Zugang und Nutzung des digitalen Euro als politische Fragen

Der Verordnungsentwurf setzt sich in den Art. 13 ff. weiterhin ausführlich mit Zugang und Nutzung des digitalen Euro auseinander. Gemäß Art. 13 sollen die praktischen Marktprozesse demnach primär von zugelassenen privaten Anbietern von Zahlungsdiensten wie beispielsweise Geschäftsbanken koordiniert werden, ohne eine direkte vertragliche Beziehung der Endnutzer mit der EZB oder den nationalen Zentralbanken entstehen zu lassen (Art. 13 Abs. 6).9Die generelle Zulassung der Zahlungsanbieter des digitalen Euro richtet sich somit folglich nach der Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Mit Bezug auf Art. 4 Abs. 2 des Verordnungsentwurfs bleibt dabei jedoch eindeutig, dass sich dieser Haftungsausschluss ausschließlich auf die konkrete Ausführung der Zahlungsdienste bezieht, der digitale Euro seine Eigenschaft als unmittelbare Verbindlichkeit einer insolvenzunfähigen Zentralbank aber dennoch uneingeschränkt bewahrt. Der Entwurf verpflichtet die privaten Zahlungsanbieter ferner, allen anfragenden Endnutzern gleichermaßen und unabhängig von der Wahrnehmung anderer Angebote, klar benannte, grundlegende digitale-Euro-Dienste kostenlos zur Verfügung zu stellen.10Die entsprechende Auflistung dieser Dienste findet sich in Annex 2 des Verordnungsentwurfs. Entgelte für darüberhinausgehende Dienste dürfen unter strenger Aufsicht der EZB nur in verhältnismäßiger und vergleichbarer Höhe zu anderen angebotenen digitalen Zahlungsmethoden erhoben werden (Art. 17 Abs. 2). Mittels weiterer Informationspflichten (Art. 13 Abs. 8) sowie differenzierten Antidiskriminierungs- und Inklusionsvorschriften (beispielsweise Art. 14 Abs. 4, Art. 22 Abs. 1, 2) trifft der Verordnungsentwurf insgesamt bereits weitreichende und wirksame Vorkehrungen für eine uneingeschränkte finanzielle Inklusion aller Bürgerinnen und Bürger des Euroraums in die digitale Ökonomie.

In der konkreten Verwendung lässt der Verordnungsentwurf – wie es ob der bisherigen Äußerungen der EZB zu erwarten war – gemäß Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 die Möglichkeit offen, die wirtschaftliche Funktion des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel instrumentell zu begrenzen. Um die Finanzstabilität des Euroraums zu schützen, ist davon auszugehen, dass eine im Wert noch offene Obergrenze der Geldmenge, die Bürgerinnen und Bürger maximal in digitalen Euro halten dürfen, durch die EZB etabliert wird. Andernfalls wäre zu erwarten, dass zahlreiche Endnutzer ihr Buchgeld von den Geschäftsbankkonten vollständig in das System des digitalen Euro umlegen, um ihr Kapital unmittelbar an eine insolvenzunfähige Zentralbank zu binden. Trotz dieser Obergrenze sollen die konkreten Zahlungsvorgänge innerhalb der Infrastruktur des digitalen Euro in unbestimmter Höhe ermöglicht werden. Der dabei zusätzlich benötigte Betrag würde von einem Geschäftsbankkonto des Schuldners ergänzt („reverse waterfall functionality“) und im erhöhten Betrag auf einem Geschäftsbankkonto des Gläubigers gutgeschrieben werden („waterfall functionality“). Derart würde die Infrastruktur des digitalen Euro eine vielfach geforderte Funktion erfüllen: Eine allumfassende Zahlungsabwicklung in einem öffentlich abgesicherten und garantierten System.11So stellt die Zahlungsinfrastruktur des digitalen Euro eine echte Alternative zu privaten Instant Payment Systemen wie PayPal dar und erfüllt ähnliche Funktionen wie das häufig gelobte öffentliche Zahlungssystem PIX der brasilianischen Zentralbank.

Überdies sollen die Zahlungsvorgänge gemäß Art. 30 Abs. 1 in nur wenigen Sekunden erfolgen, was die allgemeine Tilgungssicherheit und Effizienz gegenüber traditionellen Zahlungsinstrumenten erheblich stärkt. Auch dem Schutz der Daten, die zwangsläufig bei allen Handlungen im digitalen Raum entstehen, sowie der Privatsphäre wird in den Art. 34 ff. des Verordnungsentwurfs weitreichend Rechnung getragen. Entsprechend der Verordnungsbegründung soll dieser Schutz auf modernsten Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen wie Pseudonymisierung oder Verschlüsselung aufbauen. Unter dem Begriff des „programmierbaren Geldes“ schließt der Verordnungsentwurf in Art. 24 Abs. 2 zudem aus, die Verwendbarkeit des digitalen Euro für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu beschränken. Ein programmierbarer Einsatz des digitalen Euro in Smart Contracts, in M2M Payments oder im Internet of Things, wie er bspw. mittels der Blockchain Technologie möglich wäre, soll damit wohl hingegen keineswegs ausgeschlossen werden.

Aus politischer Sicht stehen alle genannten rechtlichen Wesenszüge und Eigenschaften eines digitalen Euro indessen vollständig zur demokratischen Disposition des europäischen Gesetzgebers. Derart etabliert die Diskussion um einen digitalen Euro die historisch wohl bislang einzigartige Chance, eine völlig neue Erscheinung des Geldes demokratisch zu formen. Münz-, Papier- und Buchgeld werden im modernen Verfassungsstaat zwar ebenfalls rechtlich reguliert, stellen in ihrem existenziellen Ursprung jedoch vordemokratische Ideenkonstrukte dar. In der digitalen Welt werden die exakten Spielregeln der Zahlungsvorgänge gleichwohl bis heute primär von privaten Zahlungsanbietern diktiert. Ein digitaler Euro würde aus diesem Blick eine moderne Alternative bieten, dessen Nutzung stets der freien Wahlmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger des Euroraums unterliegt.

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Autor: Erik Meyer eFin-Blog Farbe: gelb

Eindrücke von der re:publica 23 – Zwischen digitalem Zentralbankgeld und finanzieller Bildung

Eindrücke von der re:publica 23 – Zwischen digitalem Zentralbankgeld und finanzieller Bildung

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 22. Juni 2023

„Die re:publica hat sich zur wichtigsten Medien- und Gesellschaftsmesse der Republik gemausert“, resümiert der Tagesspiegel. 2023 stand sie unter dem Motto „Cash“. E-Fin & Demokratie war Anfang Juni in Berlin vor Ort.

Die re:publica lockt jährlich tausende Besucher:innen nach Berlin, um sich mit netz- und anderen politischen Themen zu beschäftigen. Auch wenn es beim Thema Cash ausdrücklich um mehr als nur digitales Bezahlen gehen sollte, waren doch ein paar Beiträge damit befasst. Auffällig war aber, dass dies zumeist abseits der größten Bühne stattfand. Auf der Stage 1 wurden prominent die großen (weltanschaulichen) Fragen behandelt. Neben bekannteren Sprecher:innen aus der Medienöffentlichkeit schlugen hier auch der Finanz- sowie der Wirtschaftsminister auf. Befragt wurden beide mal mehr, mal weniger kritisch.

Eine der wenigen Ausnahmen war der Medienwissenschaftler Sebastian Gießmann. In seiner Keynote Bar oder mit Karte? Warum wir neue Infrastrukturen des Geldes brauchen1Hier geht es zum Youtube-Video des Vortrags. fokussierte er letztlich den digitalen Euro. Er zeigte ihn als politisches Handlungsfeld, das nicht nur etablierte Stakeholder, sondern auch Bürger:innen betrifft. Aber sonst wurde digitales Zentralbankgeld nur in kleineren Arenen thematisiert: mal aus Perspektive des Verbraucherschutzes, mal aus der von Bundesbank oder Bundesdruckerei. Und für eFin & Demokratie setzte sich Carola Westermeier mit der Frage auseinander: Brauchen wir den digitalen Euro oder (wie) geht Geld demokratisch?2 Hier geht es zum Youtube-Video des Vortrags

Während es dabei oft wenig konkret zuging, lieferte Kudzai M. Mubaiwa vom TechHub „AfriLabs“ eine dichte Beschreibung zur Zukunft des Geldes aus der Sicht dreier afrikanischer Städte.3Hier geht es zum Youtube-Video des Vortrags. Hier blitzte in der Darstellung der diversen technologischen Optionen und ihrer jeweils spezifischen lokalen Anwendung sogar Optimismus auf: Digitales Bezahlen ermögliche alltägliche Innovationen, die keineswegs nur den etablierten Eliten vorbehalten seien.

Pay me, if you can

Soziologisch anregend war auch eine Präsentation aus dem akademischen Kontext. Das Schweizer Forschungsprojekt Digital Payments: Making payments personal and social» vermittelte Einblicke in die Transformation von sozialen Beziehungen und des Einkaufens durch die Features vor allem mobilen Bezahlens mit dem Smartphone. Verändern etwa digitale Bezahldienste das Verhalten der Beteiligten, wenn es um das Begleichen der Rechnung bei einem Date geht?

Schließlich lieferte die integrierte TINCON als Konferenz für digitale Jugendkultur noch Impulse, die aber nicht nur für Jugendliche von Interesse waren. Der Beitrag N26, Klarna und Co – Neobanking als Sparkasse der GenZ? von Victor Neumann vom Verein Invest it! verdeutlichte anschaulich die Notwendigkeit verstärkter finanzieller Bildung. Gerade bei Jugendlichen populäre Buy now, pay later-Dienste wurden hier als Herausforderung charakterisiert. Hier müsse dringend besser über die Risiken aufgeklärt werden. Wo aber dieser Bedarf nicht durch Bildungsinstitutionen befriedigt werde, entstehe eine Leerstelle, die Gefahr laufe, von fragwürdigen Finfluencern gefüllt zu werden.

Auffällig abwesend war im Programm eine Auseinandersetzung mit klassischen Kryptowerten respektive damit in Verbindung stehenden Erscheinungsformen wie Kryptobörsen. Dass parallel zur re:publica die US-amerikanische Börsenaufsicht mit Klagen gegen zwei große Handelsplattformen vorging, um eine schärfere Regulierung zu erzwingen zeigt hingegen, wie virulent solche Fragen gewesen wären. Nur zu Bitcoin gab es immerhin drei Angebote, die aber auch nicht im Sinne einer kontroversen Debatte konzipiert waren – während zwei interessante Beiträge zum Thema zudem noch parallel stattfanden. Überhaupt wurden die zum Teil doch ganz unterschiedlichen Ansätze und Interessen der anwesenden Akteur:innen kaum als strittig ausgewiesen oder diskutiert, sondern eher als Patchwork präsentiert: die re:publica 2023 – ein Markt voller Möglichkeiten, ein Kirchentag ohne Konfessionen.

Titelfoto: Stefanie Loos / re:publica» // CC BY-SA 2.0»

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eFin & Demokratie meets re:publica

eFin & Demokratie meets re:publica

30. Mai 2023 / Update 3. Juni 2023

Vom 5. bis zum 7. Juni 2023 findet die re:publica, das Festival für die digitale Gesellschaft, in Berlin statt. Dieses Jahr unter dem Motto “CASH”. eFin & Demokratie wird vor Ort sein und stellt hier die mit dem Projekt in Verbindung stehenden Events – sowie im Update jene thematisch verwandten Vorträge vor, die uns besonders interessieren.

Unser Beitrag auf der re:publica

▷ Montag, 5. Juni 2023, 16:15 – 16:45 Uhr

Demokratiefragen des Digitalen Euro mit Dr. Carola Westermeier

Für das Projekt „eFin & Demokratie” stellt die Sozialwissenschaftlerin Carola Westermeier» in einem Lightning Talk die Frage Brauchen wir den Digitalen Euro oder (wie) geht Geld demokratisch?». „Digitales Zentralbankgeld”, im Moment ein primär von Expert:innen und Stakeholdern diskutiertes Thema, hat gesamtgesellschaftliche Aspekte, die oft zu kurz kommen. Deswegen steht es derzeit auch bei uns im Fokus.

Carola Westermeier diskutiert auf der re:publica die Bedeutung, die ein digitaler Euro als öffentliche Option im Gegensatz zu privaten Angeboten beim digitalen Bezahlen haben könnte. Wir freuen uns bei dieser Gelegenheit mit allen, die Demokratiefragen zu Digitalgeld haben, ins Gespräch zu kommen!
Mehr zur Veranstaltung auf unsere Webseite»

Aber auch bei anderen Gelegenheiten, die mit unserem Projekt in Verbindung stehen, sind wir anzutreffen:

Panel zu Blockchain als kontroverser Finanztechnologiemit Dr. Carola Westermeier

Carola Westermeier diskutiert in einer weiteren Session mit der Journalistin Nadine Graf und Peter Grosskopf vom FinTech „Unstoppable Finance“ die Frage Sind Blockchains eine Alternative zu unserem Finanzsystem? Über Sinn und Unsinn einer polarisierenden Technologie».

▷ Dienstag, 6. Juni 2023, 13:00 – 13:30 Uhr

Videospiel und Gespräch zur Geldgeschichte – mit Dr. Aaron Sahr

Im Rahmen des Diskursprojekts hat sich ein Format konstituiert, in dem Persönlichkeiten über fachliche Grenzen hinweg gegenwärtige Entwicklungen im Bereich „Geld – Technik – Demokratie” reflektieren. Mit dabei ist Aaron Sahr, der die Forschungsgruppe „Monetäre Souveränität“ am Hamburger Institut für Sozialforschung leitet und Gastprofessor an der Leuphana Universität Lüneburg ist. Er beteiligt sich am Panel Ohne Moos nix los? Die Geschichte des Geldmachens in Videogames».

▷ Dienstag, 6. Juni 2023, 17:30 – 18:30 Uhr

Vortrag über Bitcoin in einer demokratischen Gesellschaft mit Friedemann Brenneis

Der freie Journalist Friedemann Brenneis» war im Juli und August 2022 als erster Mercator-Journalist in Residence» Gast am Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung und in unserem Projekt. Er rekapituliert in seinem Vortrag unter dem Titel Mehr als Geld & Technologie: Bitcoin als politische Bewegung» Ergebnisse aus seinen Recherchen.

▷ Mittwoch, 7. Juni 2023, 10:30 – 11:00 Uhr

Austausch zu Praxis und Perspektiven von Bitcoin mit Friedemann Brenneis

Friedemann Brenneis organisiert darüber hinaus ein Kritisches Bitcoin Meetup» als offenes Diskussionsforum für Fragen rund um dieses Digitalgeld.

▷ Mittwoch, 7. Juni 2023, 13:15 – 14:45 Uhr

re:publica Update #1

Darüber hinaus interessieren wir uns , passend zum Beitrag von Carola Westermeier, noch insbesondere für diese Events, die digitales Zentralbankgeld (CBDCs) allgemein und den digitalen Euro thematisieren :

Lightning Talk der Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands zum digitalen Bezahlen

Warum Bargeld wichtig bleibt und wie die Digitalisierung des Bezahlens verbraucherfreundlich gestaltet werden kann, erklärt Ramona Pop unter dem Titel Cash, digitaler Euro & Co – Wie wollen wir eigentlich bezahlen?»

▷ Montag, 6. Juni 2023, 14:15-14:45 Uhr

Expertise aus der Deutschen Bundesbank zu Bargeld und digitalem Euro

Wo punktet Bargeld und welchen Mehrwert könnte ein digitaler Euro liefern? Dazu äußern sich Heike Wörlen und David Ballaschk unter der Überschrift Cash meets CBDC: Wie unser Geld morgen aussieht» .

▷ Montag, 6. Juni 2023, 15:30 – 16:00 Uhr

Innovationen aus der Bundesdruckerei?

Müssen die Banknoten der Zukunft» vielleicht nicht nur digital, sondern auch nachhaltig und inklusiv sein? Darüber denkt Dieter Sauter im Kontext konkurrierender Bezahlsysteme nach.

▷ Dienstag, 6. Juni 2023, 11:45 – 12:15 Uhr

Welchen digitalen Euro braucht unsere Zivilgesellschaft?

Diese Frage beschäftigt den Medienwissenschaftler Sebastian Gießmann in seiner Keynote Bar oder mit Karte? Warum wir neue Infrastrukturen des Geldes brauchen».

▷ Dienstag, 6. Juni 2023, 16:45 – 17:15 Uhr

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Autor: Erik Meyer eFin-Blog Farbe: gelb

Finanzplatz mit Finanzierungsproblem: Ein Zeichen für den Euro?

Finanzplatz mit Finanzierungsproblem: Ein Zeichen für den Euro?

Ein Beitrag von Erik Meyer

vom 22. Mai 2022

Bargeld verflüchtigt sich zunehmend in digitalen Zahlungsmitteln und -verfahren. Wie viel wen da die symbolische Vergegenständlichung einer Währung im öffentlichen Raum kosten darf, wurde in Frankfurt verhandelt.

Sie ist ein urbanes Symbol: die 14 Meter hohe Euro-Skulptur, die in der Frankfurter Innenstadt steht. Aufgestellt wurde das Werk des Künstlers Ottmar Hörl zur Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung zum Jahreswechsel 2001/2002 vom Frankfurter Kultur Komitee.1Zu dessen Informationen zur Euro-Skulptur geht es hier». Damals war das 50 Tonnen schwere Leuchtobjekt noch in der Nachbarschaft der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt (siehe Gebäude rechts im Foto), die inzwischen in einen spektakulären Neubau am Main umgezogen ist. Ungeachtet dessen erfreut sich das überdimensionale Euro-Zeichen einiger Beliebtheit. Es dient nicht nur als Foto-Motiv für internationale Stadttourist:innen, sondern auch als Ort öffentlicher Auseinandersetzungen, etwa als die Occupy Wall Street-Bewegung dort ein Protest-Camp aufschlug.

Das Euro-Zeichen von Ottmar Hörl vor dem ehemaligen Gebäude der Europäischen Zentralbank (rechts).

Doch die Popularität hat ihren Preis: 200.000 € werden jährlich für Instandhaltung und Betrieb des blau-gelben Leuchtkörpers veranschlagt. Diese Summe konnte der gemeinnützige Verein aber nicht mehr ohne Weiteres aufbringen: Während der Vandalismus zunehme, so war zu hören, seien Sponsor:innen-Gelder weniger geworden. Denn das Monument löst ganz unterschiedliche Emotionen aus: Die einen halten es für „Kult” und votieren für den Erhalt,2Siehe auch das Voting der Hessenschau hier». die anderen kommentieren etwa unter einem betreffenden Zeitungsartikel, es gehöre wie der Euro selbst auf den „Müllhaufen der Weltgeschichte”3Köhler, Manfred: Euro-Skulptur in Frankfurt kann vielleicht bleiben» (FAZ, 12.08.2022)..

Die Veröffentlichung der Misere und die Rede von einer baldigen Versteigerung des Objekts führte zu einer politischen Diskussion. Die Stadt Frankfurt sah sich jedenfalls nicht in der Lage, den vakanten Betrag alleine zu übernehmen; das gäbe die Haushaltslage nicht her. Und so stand im Raum, dass sich außer der Kommune noch die EZB und das hessische Finanzministerium an der Finanzierung beteiligen sollen. Auch die FDP im zuständigen Ortsbeirat 1 wollte den Verlust des Wahrzeichens für die Europastadt Frankfurt verhindern, vertrat aber ein Crowdsourcing-Modell: „Aufgrund der angespannten Haushaltssituation der Stadt sollten jedoch städtische Mittel geschont werden; vielmehr sollte der Magistrat seine Kontakte in die der Skulptur thematisch nahestehende Finanzbranche nutzen. Bei über 200 in Frankfurt ansässigen Banken wäre die Finanzierung schon nachhaltig gesichert, wenn jede Bank im Durchschnitt nur 1.000 Euro beisteuert.”4Antrag der FDP im Ortsbeirat 1 vom 19.08.2022, OF 533/1». Eine hübsche Idee, die Geschäftsbanken und Gemeinsinn an der Graswurzel packen wollte.

Doch so kam es nicht: An Stelle alteingesessener und ehrwürdiger Institute hat ein in Frankfurt präsentes Finanz-Startup zugesagt, die Kosten für die nächsten fünf Jahre zu übernehmen. Unter dem Namen Caiz Coin wird von diesem ein islam-konformer Kryptowert entwickelt. Dieses Islamic-Finance-Projekt verbindet nun sein Logo inklusive muslimischer Mondsichel (Hilal) vor Ort mit dem Euro-Zeichen und feiert dies als Mega-Marketing-Move. Ob in Zeiten kollabierender Kryptobörsen fünf Jahre hier eine realistische Förderdauer ist, bleibt allerdings abzuwarten. 2027 könnte dann aber auch ein Digitaler Euro in den Startlöchern stehen und die EZB an einer lebensweltlich-symbolischen Verankerung von digitalem Zentralbankgeld interessiert sein.

Update vom 2.6.2023:

Nach der Insolvenz des gefundenen Sponsors ist die Zukunft der Euro-Skulptur wieder ungewiss, meldet die FAZ im Artikel Symbol des Finanzplatzes : Euro-Skulptur droht Versteigerung».

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Autor: Petra Gehring Coinzeit 3000 eFin-Blog Farbe: blau Uncategorized

Coinzeit 3000 #2: Stable

Ein Beitrag von Petra Gehring

vom 8. Mai 2023

In seinem Buch Zeitenwende des Geldsystems. Vom Bankengeld zum digitalen Zentralbankgeld sieht Joseph Huber Stablecoins ungewöhnlich positiv. Welche Stabilität versprechen sie in dieser „Zeitenwende“?

Wer ein informatives Lehrbuch sucht – nicht plakativ kurz, sondern etwas ausführlicher und dabei angenehm erzählend angelegt, ist bei Joseph Huber gut aufgehoben. Streng genommen finden wir auch hier wieder die „Revolution“ » im Titel, denn Zeitenwende des Geldsystems spielt zumindest auf die alte, astronomische Bedeutung des Wortes an: die Kreisbahn eines Planeten „revolutioniert“ sich, wenn der Stern vom Betrachterstandort aus gesehen plötzlich in Gegenrichtung läuft. „Wende“ enthält immerhin (im Gegensatz zur Revolution) auch ein Stück Kontinuität: Aus der Sicht des Planeten selbst dreht sich der Kreis einfach nur weiter.

Huber ist bekannt für die These, dass der Umstieg auf einen – den Bürgern direkt zur Verfügung stehenden – digitalen Euro historisch überfällig ist. In Europa und weltweit würde der Finanzmarkt enger mit der Realwirtschaft verkoppelt und damit sicherer werden. Huber begrüßt auch eine wieder mächtigere Rolle der Zentralbanken, die er nicht nur als Hüter der Geldstabilität sieht, sondern auch als Partner von Bürgern und Unternehmen. Mit dem Stichwort „Vollgeld“ bezeichnet Huber, was ein – gut aufgesetzter – digitaler Euro aus seiner Sicht am Ende wäre: ein vollwertiges digitales Bargeld mit Vorteilen, die das physische Bargeld nicht hat.

Was den Krypto-Markt angeht, fällt auf, dass Huber Stablecoins ungewöhnlich positiv sieht. Wer Zentralbank-Geld schätzt, wird natürlich auch parallel schwingende „Kryptos“ begrüßen: Besser an eine Währung angedockt als free floating. Das gilt nicht nur für das Verwenden stabiler Coins (stabil im Sinne von: überschaubare Schwankungen, überschaubare Risiken). Auch die Geldwelt insgesamt sollte auf diese Weise vom Zentralbankhandeln her getaktet bleiben – wenn nicht sogar bestimmt.

Sind Stablecoins also das beste beider Welten? Bin vermutlich zu wenig eingedacht, aber ohne Weiteres verstehe ich das nicht. Worin genau liegt der Witz von „stable“? Vor allem dann, wenn es auch digitales Zentralbankgeld (CBDC) gäbe, und dies ebenfalls per Blockchain? Wird jemand, der oder die auf die Unsicherheiten staatsferner Quasi-Währungen keine Lust hat, nicht lieber gleich komfortabel bei den staatlichen Stabil-Lösungen bleiben?

Bei Huber wird dieser Punkt nicht klar. Sollte es nur um die Psychologie von Leuten gehen, die Sicherheit wollen, Zentralbankgeld aber meiden? Oder gibt es irgendwelche technischen Tricks, die sich aus dem Zusammenspiel von „echtem“, volatilem Krypto und „stable“ ergeben? Oder sind Stablecoins zur Schließung von Lücken attraktiv, die die internationalen Zahlungsnetzwerke lassen, so dass sie eher einem Interims-Bezahlsystem gleichen als einer Währung, die ich auf Dauer nutze?

Irgendwo hörte ich, es ginge lediglich darum, eine Art Brücke zu bauen. In beide Richtungen. Also nicht nur, um harte Kryptofans wieder auf die Außenringe staatsnaher Angebote zu holen, sondern auch, um kryptoferne Menschen wie mich auf eben diese Außenringe hinauszulocken. Schwimmflügel also fürs Schwimmlernbecken? Mit Huber: Nein. Nicht. Frage umso mehr: „Stable“ Coins – warum nun genau?

Joseph Huber: Zeitenwende des Geldsystems. Vom Bankengeld zum digitalen Zentralbankgeld. Marburg: Metropolis, 2022.

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