Verwertungsgesellschaften in Zeiten der KI
Künstliche Intelligenz stellt auch Verwertungsgesellschaften vor neue Herausforderungen. Wie sichern GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst die Rechte von Kreativen im KI-Zeitalter? Antworten aus einer Branche im Umbruch.
Von Konstantin Schönfelder | 10.07.2025

Verwertungsgesellschaften (VG) stehen in Zeiten künstlich generierter Inhalte – Texte, Bilder, Stimmen, Videos – in grellem Licht. Über diese Gesellschaften wird häufig wenig gesprochen, selbst unter jenen, die sie vertreten und die sie schützen, sind sie oft weniger bekannt als man denken könnte. So manche Autorinnen und Künstler sind nicht vertreten bei ihrer entsprechenden VG – und verpassen damit die Tantieme, die für ihre Inhalte eigentlich vorgesehen sind. Doch sie erfüllen eine essenzielle Bedeutung für Kreative: Sie stellen sicher, dass diejenigen, die Inhalte produzieren, auch an den Profiten beteiligt werden, die mit diesen gemacht werden.
Was passiert aber, wenn die hochpotenten generativen KIs nun mit eben diesen geschützten Werken trainiert werden und so zu Inhalten kommen, die nicht mehr auf diese verweisen? Wer sorgt dafür, dass die (in so einem Falle beträchtliche Menge an) ursprünglichen Urheber:innen auch weiter an jenem Ausschüttungs- und Beteiligungsmodell partizipieren dürfen, wenn ihre Werke dazu eingesetzt werden, generative KIs zu trainieren? Die VG könnten und werden bei dieser Frage ein Wörtchen mitreden.
Gegründet wurden sie nämlich dazu, das geistige Eigentum von Werken der Wissenschaft, Literatur und Kunst zu schützen. Da ein Text oder ein Lied durch viele Hände, Bibliotheken, Radiosendungen, Schulbücher oder Anthologien gehen kann, ist es für einen Urheber fast unmöglich, selbst die eigenen Ansprüche gegenüber der Vervielfältigung der eigenen Leistung einzufordern. Deshalb kann, im Falle eines Textes etwa, die VG Wort diese Vertretung gegenüber den „Rechteverwertern“ wahrnehmen, oder im Falle eines Songs die GEMA. Die VG agieren gewerkschaftsähnlich und treuhänderisch, sie sammeln Geld ein und schütten es anteilig an ihre Mitglieder aus. Im Detail ist das Verfahren durchaus kompliziert, es gibt insgesamt 13 VG in Deutschland, die im Jahr 2023 etwa 2 Milliarden Euro erwirtschafteten. Die größte unter ihnen ist mit einigem Abstand die GEMA.1
Bei der 50-jährigen Feier des Jubiläums der VG Wort im Jahr 2008 wurde die Gefahr des Internets für das bestehende Geschäftsmodell der VG beschworen. Der Publizist Heribert Prantl nannte den damals noch neuen Kommunikationsraum ein „Entblößungsmedium“ und sagte weiter: „Aus Orwell wird Orwellness, aus Datenaskese ist eine Datenekstase geworden“, das Netz werde zur „Selbstverschleuderungsmaschine“, mit der die Nutzer ihre Persönlichkeitsrechte „verschenken“.2 Auch wenn das heute etwas arg dystopisch anmuten mag, verweist der Impuls doch auf einen Strukturwandel für das Modell einer durch VG sichergestellten Kofinanzierung kreativwirtschaftlicher Produkte. Und vor einem solchen stehen die VG jetzt auch.
Deshalb haben wir bei drei der größten Verwertungsgesellschaften nachgefragt und um kurze Statements gebeten: Wie gehen Sie mit dem Aufkommen generativer KI’s um? Einmal bei der GEMA, die die Rechte der Urheber:innen von Musikwerken wahrt, die größte und bekannteste, die eine Musterklage gegen OpenAI bereits im November 2024 angestrengt hat;3 bei der VG Wort, zuständig für Sprachwerke; und bei der VG Bild-Kunst, verantwortlich für visuelle Werke. Alle drei versuchen, mit unterschiedlichen Mitteln ihre Urheber:innen zu schützen und zu unterstützen, sie monieren das komplexe und langwierige Einklagen europäischer Rechtsstandards und fragen sich, was man tun kann, wenn die mächtigen KI-Entwickler nur unter äußerstem Druck urheberrechtliche Verbindlichkeiten berücksichtigen.
Verantwortungsblog: Wie hat sich die Rolle der Verwertungsgesellschaft seit dem Aufkommen generativer Text-KI und der massenhaften Nutzung von freien und geschützten Daten verändert?
GEMA: Die GEMA nimmt die Interessen der Urheberinnen und Urheber sowie der Musikverlage wahr. Im KI-Zeitalter ist es Aufgabe der GEMA eine faire und angemessene Vergütung für die Nutzung der von der GEMA vertretenen Werke sicherzustellen. Hierfür setzen wir uns ein. Denn ohne die von unseren Mitgliedern geschaffenen Inhalt hätten KI-Systeme keinen Erfolg.
VG WORT: Die VG WORT befasst sich seit dem Aufkommen von generativer KI intensiv mit vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit dieser neuen Technologie. Dabei geht es mit Blick auf den „Input“, also der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für KI-Zwecke, vor allem darum, zu klären, inwieweit die VG WORT auf kollektiver Ebene für die von ihr vertretenen Urheber und Verlage tätig werden kann. Bereits im Sommer 2024 wurde der Wahrnehmungsvertrag der VG WORT geändert, um zukünftig Lizenzen für unternehmensinterne KI-Nutzungen anbieten zu können. Da das KI-Produkt, also der „Output“, urheberrechtlich nicht geschützt ist, besteht insoweit kein Anspruch auf Vergütungen der VG WORT. Die VG WORT lässt sich deshalb bei der Meldung versichern, dass es sich bei dem Text um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt und nicht um ein reines KI-Produkt.
VG Bild-Kunst: Unsere Rolle als Treuhänder für unsere 70.000 Mitglieder hat sich nicht verändert: Wir setzen uns nach wie vor für eine Fortentwicklung des Urheberrechts im Sinne der Urheber:innen ein. Natürlich ist die Bedrohung kreativen menschlichen Schaffens seit dem Aufkommen von KI stark angestiegen. Unser Schwerpunkt liegt darin, eine angemessene Vergütung für die Verwendung geschützter Werke zu Trainingszwecken zu erringen. Hierfür sehen wir allerdings eine Gesetzesfortentwicklung als wichtig an. Der bestehende Gesetzesrahmen stammt noch aus der Zeit vor der massenhaften Verbreitung generativer KI.
V-Blog: Welche Möglichkeiten hat der AI-Act geschaffen, um Urheberrechte vor unerlaubter Nutzung durch die KI zu schützen?
GEMA: Der AI-Act fordert einen funktionierenden Lizenzmarkt für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Dies entspricht der Intention der GEMA, für die Nutzung von geschützten Werken Lizenzen zu vergeben. Konkret sieht der AI-Act Transparenzpflichten vor, nach denen die KI-Anbieter offenlegen müssen, welche Inhalte sie für das Training ihrer Systeme genutzt haben. Die Umsetzung dieser Pflichten liegt beim AI-Office in Brüssel. Leider kommt die Behörde dieser Verpflichtung aktuell nur äußerst unzureichend nach.
VG WORT: Die KI-Verordnung (KI-VO) sieht im Hinblick auf den Schutz des Urheberrechts vor allem folgende Verpflichtungen der Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck vor (vgl. Art. 53 Abs. 1 lit. c und d KI-VO):
– sie müssen eine Strategie zur Einhaltung des Urheberrechts der EU zur Ermittlung und Einhaltung eines Rechtevorbehalts vorlegen;
– sie müssen eine hinreichend detaillierte Zusammenfassung der für das Training des KI-Modells verwendeten Inhalte veröffentlichen.
Derzeit wird im Rahmen einer von der EU-Kommission initiierten Arbeitsgruppe ein sogenannter „Code of Practice“ erarbeitet. Ferner werden derzeit Entwürfe auf EU-Ebene diskutiert, die sich auf die erwähnte Zusammenfassung der verwendeten Inhalte beziehen. Wichtig ist, dass es sich bei der KI-VO nicht um – zivilrechtliche – urheberrechtliche Regelungen handelt. Die Frage, inwieweit Vorgaben der KI-VO zivilrechtlich durchgesetzt werden können, wird derzeit fachlich diskutiert.
VG Bild-Kunst: Aus unserer Sicht verfolgt der AI-Act nicht das Ziel, Urheberrechte zu schützen. Die Arbeit des AI-Office in diese Richtung sehen wir realistisch als das, was es ist: ein Feigenblatt. Das eigentliche Ziel der EU und der meisten EU-Staaten besteht darin, in Sachen KI gegenüber USA und China Boden wieder gutzumachen.
V-Blog: Besteht die Option auf ein juristisch belastbares „Opt-Out“ vom Einsatz als Trainingsdaten auch nachträglich und auch dann, wenn Verlage zu einem Werk sich „künftige“ digitale Nutzungsweisen haben zusichern lassen oder unter einer „CC-BY“-Lizenz publiziert wurde?
GEMA: Die GEMA hat den Opt-Out unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes erklärt. Nutzungen von GEMA-Werken verstoßen daher in jedem Fall gegen das Urheberrecht, wenn keine angemessene Vergütung gezahlt wird, bzw. keine Lizenz erworben wird.
VG WORT: Ein Nutzungsvorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG wirkt ausweislich der Gesetzesbegründung nicht für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft („ex nunc“). Ansonsten kommt es darauf an, welche Vereinbarungen Urheber und Verlage in Bezug auf KI-Nutzungen abgeschlossen haben. Ob bei Werken, die unter einer CC-BY-Lizenz veröffentlicht werden, ein Opt-Out erklärt werden kann, bedarf noch näherer Prüfung.
VG Bild-Kunst: Aus unserer Sicht ist fraglich, wie ein Opt-Out global funktionieren soll. Mir hat noch niemand bewiesen, dass sich China im Bildsektor an irgendwelche Regeln hält. Trotzdem nutzt mein Sohn Deep Seek hier in Deutschland. Insofern gebe ich die Frage zurück und frage, was Sie unter „juristisch belastbar“ verstehen. Nur die Rechtslage in Deutschland? Damit können unsere Mitglieder wohl nicht viel anfangen, wenn alle großen KI-Anbieter im Ausland sitzen.
V-Blog: Inwiefern ist die Klage der GEMA aus dem November 2024 für eine faire Vergütung der Datennutzung für die VG Wort beispielhaft?
GEMA: Die GEMA hat ein Lizenzmodell veröffentlicht, das es KI-Unternehmen ermöglicht, das GEMA-Repertoire für das Training ihrer Systeme zu nutzen. Die Klagen dienen der Durchsetzung des Lizenzmodells. Leider haben wir die Erfahrung gemacht, dass die großen Tech-Unternehmen nur unter juristischem Zwang bereit sind, das Urheberrecht zu achten. Wir sehen letztlich keinen Zielkonflikt mit den Unternehmen. Die GEMA möchte ihr Repertoire zur Verfügung stellen. An der wirtschaftlichen Verwertung müssen dann aber auch diejenigen beteiligt werden, die die genutzten Inhalte geschaffen haben.
VG WORT: Die VG WORT verfolgt die Klagen der GEMA gegen große KI-Entwickler sehr aufmerksam. Es ist zu hoffen, dass hier einige offene Fragen grundsätzlicher Art im Zusammenhang mit der Nutzung geschützter Werke für KI-Zwecke geklärt werden.
VG Bild-Kunst: Es ist wichtig, dass man die bestehende Rechtslage vor den Gerichten überprüft, um Gesetzeslücken beweisen zu können. Gleichwohl leiden alle Verfahren darunter, dass der Rechtsweg bis zum EuGH locker 10 bis 12 Jahre dauern kann. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die Politik sich des Themas der fairen Vergütung schon vorher annehmen würde. Im Übrigen unterstützt die VG Bild-Kunst den Fotografen Robert Kneschke in seinem Verfahren gegen LAION vor der Berufungsinstanz (Hanseatisches Oberlandesgericht) und das bereits bevor die GEMA ihre Klagen eingereicht hat.4
V-Blog: Welche Maßnahmen strebt die VG an, um die Rechte ihrer Urheber zu schützen?
VG WORT: Die VG WORT hat ihren Wahrnehmungsvertrag im Sommer 2024 geändert und wird demnächst Lizenzen für die unternehmensinterne Nutzung von geschützten Werken für KI-Zwecke anbieten.5 Ausführliche Informationen zu diesem neuen Geschäftsmodell finden sich auf der Homepage der VG WORT.6
VG Bild-Kunst: Die Mitgliederversammlung hat 2024 eine Ergänzung der Wahrnehmungsverträge im Hinblick auf KI-Rechte beschlossen. Wir sind dabei, die individuellen Wahrnehmungsverträge anzupassen. Es wird Sache der Berufsgruppenversammlungen sein zu diskutieren, ob und wenn ja, wann die Bild-Kunst mit Lizenzen an den Markt herantreten soll. Hier spielt auch eine Rolle, inwieweit wir internationales Repertoire vertreten können und/oder ob wir gemeinsam mit unseren ausländischen Schwestergesellschaften eine globale Lizenz anbieten können. Weil solche Abstimmungen Zeit brauchen und für jede Sparte gesondert geführt werden müssen (Bild / Film) sehe ich kurzfristig noch keine solche Lizenz am Start.■
Wir danken Robert Staats (VG WORT) und Urban Pappi (VG Bild-Kunst) für ihre Auskünfte.
Literatur
- Deutsches Patent- und Markenamt (2024): Jahresbericht 2024. https://www.dpma.de/digitaler_jahresbericht/2024/assets24/pdf/jahresbericht2024.pdf [12.06.2025]. ↩︎
- Heise Online (2008): Die VG Wort im Kampf gegen die Enteignungsmaschinerie Internet. https://www.heise.de/news/Die-VG-Wort-im-Kampf-gegen-die-Enteignungsmaschinerie-Internet-215170.html[12.06.2025]. ↩︎
- GEMA (2024): GEMA erhebt Klage gegen OpenAI. https://www.gema.de/de/w/gema-erhebt-klage-gegen-openai[12.06.2025]. ↩︎
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (2025): Wie ChatGPT und Co. trainiert werden dürfen. Urteil zum umstrittenen Training. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wie-chatgpt-und-co-trainiert-werden-duerfen-urteil-zum-umstrittenen-training-110106588.html [12.06.2025]. ↩︎
- Börsenblatt (2025): Zweitverwertungsrechte jetzt über Digital Copyright Lizenz. https://www.boersenblatt.net/home/iki-zweitverwertungsrechte-jetzt-der-digital-copyright-lizenz-376309 [12.06.2025]. ↩︎
- VG Wort (2025): Fragen und Antworten zur Änderung der Wahrnehmungsbedingungen. https://www.vgwort.de/veroeffentlichungen/aenderung-der-wahrnehmungsbedingungen/fragen-/-antworten-zur-aenderung.html [12.06.2025]. ↩︎
Zitiervorschlag
Schönfelder, Konstantin (2025): Verwertungsgesellschaften in Zeiten der KI. In: Verantwortungsblog. https://zevedi.de/verwertungsgesellschaften-in-zeiten-der-ki/ [10.07.2025]. https://doi.org/10.60805/twva-j964.









